Pink Floyd

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Eine Woche später wurden The Pink Floyd (das „Sound“ wurde von nun an auf Peter Jenners Anregung hin weggelassen) zum ersten Mal in der landesweiten Presse erwähnt und zwar im Rahmen einer überraschend wohlwollenden Konzertkritik der Sunday Times. Darin kam auch Roger Waters zu Wort, der für das Review interviewt worden war. Er fabulierte von „genossenschaftlicher Anarchie“ und bezeichnete die Musik der Band als „eine vollkommene Umsetzung psychedelischer Anliegen“, eine Äußerung, die er später als „ganz offenkundig ironisch gemeint“ zurückwies. „Genossenschaftliche Anarchie“ beiseite, die Floyds und ihr neues Management waren sich trotz allem der Bedeutung eines guten Vertragsabschlusses bewusst.

Am Ende des Monats unterzeichneten Jenner und King einen Vertrag mit den vier Bandmitgliedern und gründeten die Firma Blackhill Enterprises. (Der Name stammte von einem Cottage, das Kings Familie in den Brecon Beacons besaßen.) Barrett, Waters, Wright und Mason gaben ihr Studium auf. Obwohl sich Bob Klose erinnert: „Syd fiel die Entscheidung, die Kunst-Uni zu verlassen, alles andere als leicht. Es bereitete ihm vielmehr große Qualen.“ Es war nicht das erste Mal, dass sein engeres Umfeld sich wunderte, warum dieser begabte Künstler der Musik den Vorzug geben wollte: „Ich fand es immer schon unglaublich, dass Syd und Roger von ihren Müttern erlaubt wurde, die Kunstschule und das Architekturstudium abzubrechen“, erzählt Libby Gausden. „Vor allem Mary Waters erstaunte mich. Schließlich stand Roger davor, Architekt zu werden.“

Der erste Firmensitz von Blackhill Enterprises war die Wohnung von Jenner in der Edbrooke Road 4, Notting Hill, und June Child von der Wohnung darunter wurde als Telefonistin engagiert. Jenner und King erhielten nun auch einen genaueren Einblick in die Persönlichkeiten ihrer neuen Schützlinge. „Mitunter fühlte es sich so an, als hätten wir es mit Syd und den drei Typen, mit denen er eben spielte, zu tun“, gesteht King. „Man könnte aber auch sagen, dass Nick und Rick anfangs reine Mitläufer waren und Roger insgeheim auf der Lauer lag.“

„Syd war ein attraktiver Kerl und der Sänger der Gruppe, weshalb er immer im Fokus stand“, erklärt Jenner. „Syd war der kreative Kopf und anfangs noch sehr umgänglich und pflegeleicht. Aber auch Rick war sehr hübsch, also war da nicht nur Syd. Rick mochte ich sehr. Er war höflich. Es war ein klassisches Management-Szenario: Er verursachte keinerlei Schwierigkeiten, weshalb man ihn gar nicht richtig wahrnahm. Den Leuten, um die man sich mehr kümmern musste, schenkte man einfach mehr Beachtung. Es war leicht, mit Nick klarzukommen. Er war derjenige, der mit allen anderen stets eine Gesprächsbasis hatte. Allerdings war er Rogers Kumpel, weshalb er sich immer mit ihm verbündete, wenn über irgendetwas abgestimmt wurde. Roger verkörperte die Organisation. Er war derjenige, an den man sich wandte, wenn man irgendwelche praktischen Angelegenheiten klären musste. Er stellte viele Fragen und wollte immer genau wissen, was gerade vor sich ging.“

„Roger organisierte alles“, erinnert sich Libby Gausden. „Jahre später, als ich hörte, dass er um die Namensrechte von Pink Floyd kämpfte, dachte ich: ‚Verdammt noch mal, und wie dir das zusteht.‘“

Barrett und Waters hatten beide noch in Cambridge damit begonnen, Songs zu schreiben. Einer von Syds frühesten Versuchen, „Let’s Roll Another One“, sollte später den Titel „Candy and a Currant Bun“ erhalten – um Vorwürfe bezüglich einer drogenfreundlichen Botschaft zu vermeiden – und auf der B-Seite der ersten Single der Band erscheinen. Waters’ Debüt als Songwriter war das bis dato niemals aufgenommene „Walk With Me, Sydney“, ein schmalziges Duett, das ursprünglich Barrett und Juliette Gale hätten singen sollen. Ab November 1966 sollte das Repertoire schließlich solche Barrett-Kompositionen wie „Matilda Mother“ und „Astronomy Domine“ sowie etwa „Take Up Thy Stethoscope and Walk“ umfassen. „Alle waren dazu angehalten, Songs beizusteuern“, erzählt Jenner. „Aber es war Syd, der mit den großartigen Sachen herausrückte.“

Der Herbst 1966 markierte für Barrett nicht nur eine überaus kreative Zeit, sondern auch eine Phase persönlicher Zufriedenheit, die im krassen Kontrast zu den Wirren stand, die in den kommenden Monaten folgen sollten. Er hatte inzwischen ein Zimmer in einem schmalen, dreistöckigen Haus, Earlham Street 2, in der Nähe des Cambridge Circus in London bezogen. Das Haus, das, einem Besucher von damals zufolge, „eine typische Hippie-Bude mit violetter Eingangstür und psychedelischen Wandmalereien“ war, ist inzwischen längst renoviert worden und im Erdgeschoss befindet sich heute ein Zeitungshändler. Es war die erste von mehreren Nachfolgewohnungen zur Clarendon Street 27, jener Kifferhöhle in Cambridge, in der er ein paar Jahre zuvor gewohnt hatte. Der Hauptmieter des Gebäudes war der mittlerweile verstorbene Jean-Simone Kaminsky, der aus der französischen Armee ausgebüchst war, dank eines mitfühlenden britischen Abgeordneten zuerst Zuflucht in Cambridge gefunden und Tür an Tür mit Matthew Scurfield gewohnt hatte.

Kaminsky zog schließlich nach London und mietete sich in der Earlham Street 2 ein. Obwohl er einen Job bei der BBC hatte, stellte er nebenbei auf Druckerpressen in seiner Wohnung sogenannte „intellektuelle Sexbücher“ her. Später, als eine der Pressen Feuer fing, musste das Gebäude geräumt werden. Nachdem die Feuerwehrleute den Flammen Einhalt geboten hatten, entdeckten sie Kaminskys illegale Literatur und verständigten die Polizei. Die anderen Mieter packten die anstößigen Schriften in einen Van, fuhren durch London und entsorgten die nassen Papierfetzen in allen möglichen Gärten.

Die Lebensumstände waren recht spartanisch, wie man am Mobiliar, das aus Lattenkisten gefertigt war, ablesen konnte. John Whiteley, ein ehemaliger Gardesoldat aus Nordengland, der damals als Mädchen für alles bei Better Books beschäftigt war („Unter den ganzen Intellektuellen war ich der einzige, der Glühbirnen austauschen konnte“), wohnte gelegentlich dort mit seiner Freundin Anna Murray, als das Aufgebot aus Cambridge regelmäßig in die bescheidene Hütte einzufallen begann. „Es wirkte, als ob diese Leute immer gleichzeitig aufkreuzten“, erinnert sich Whiteley heute. „Ponji Robinson, Dave Gale, Seamus O’Connell – so lernte ich Syd kennen.“

Mit der Hilfe seiner hippen Mutter organisierte der besonders vernünftige Seamus („Ich stand auf Bier, Jazz und Blues“) einen gedeckelten Mietpreis von fünf Pfund, fünf Shilling und fünf Pence in der Woche für die ganze Bude.

Anna Murray und Barrett teilten ein Interesse für die Malerei, weshalb sich die beiden sofort anfreundeten. „Anna malte gut“, erklärt John Whiteley, „und sie und Syd wurden enge Freunde. Sie rauchten ganz schön viel Dope miteinander – so wie wir das damals alle taten.“ Syd übernahm den Kellerbereich in der Earlham Street und freundete sich gut mit Peter Wynne-Willson – einem anderen Mieter – und seiner Freundin, Suzie Gawler-Wright, an. Wynne-Willson hatte seiner Privatschule den Rücken gekehrt, nachdem er 1958 am Ostermarsch nach Aldermaston teilgenommen hatte. Nun arbeitete er als Lichttechniker bei der Musicalproduktion Oliver!. Suzie sollte den Spitznamen „psychedelische Debütantin“ erhalten. Wynne-Willson organisierte einmal einen gemeinschaftlichen LSD-Trip während einer Aufführung von Händels Messias in der Royal Albert Hall. Das Paar sollte auf jeden Fall rasch seinen Platz in der Entourage Pink Floyds einnehmen, wobei Wynne-Willson die Verantwortung für die Bühnenbeleuchtung übernahm, als Joe Gannon sich wieder in die USA verabschiedete.

„Wenn die Theater, in denen ich arbeitete, Dinge entsorgten, trug ich sie zu mir nachhause und reparierte sie“, erklärt Wynne-Willson, der von nun an die Verantwortung für Jenners selbstgebaute Beleuchtungsanlage trug. Für einen seiner ersten Lightshow-Gimmicks spannte er ein Kondom über einen Rahmen aus Draht. Als Nächstes tröpfelte er Ölfarbe darauf und beleuchtete es von hinten, wodurch sich ein innovativer Effekt ergab, der zu einem wichtigen Feature bei Pink Floyds Live-Auftritten wurde. Ein weiterer Kreativitätsschub veranlasste das Paar dazu, etwas zu kreieren, das den Namen „Kosmonokel“ erhalten sollte. Dabei handelte es sich um Schweißerbrillen, deren dunkles Glas durch klares Glas sowie zwei Prismen ersetzt wurde, wodurch sich eine verzerrte und verwirrende Perspektive ergab.

„Ich weiß noch, wie ich mir so ein Ding mal aufsetzte und damit die Charing Cross Road hinunterspazierte – zumindest versuchte ich das“, erinnert sich Emo. „Ein Bulle fragte mich, was ich da täte, und ich glaube, dass wir ihn dazu überredeten, es auch einmal auszuprobieren. Natürlich sah man noch schlechter damit, wenn man stoned war – oder auf einem Trip.“

„Das Jahr 1966 war fantastisch in London“, berichtet Storm Thorgerson. „Unsere Hormone spielten verrückt und wir waren voller Leben.“ In der Earlham Street spielte Syd Gitarre, schrieb Songs, rauchte sein Dope und hing mit seiner Freundin Lindsay Corner ab, die von Cambridge nach London gezogen war, um eine Karriere als Model anzustreben. Unter der Anleitung von Seamus O’Connells Mutter hatte er sich mit I Ging, dem mystischen chinesischen Buch der Wandlungen sowie dem chinesischen Brettspiel Go vertraut gemacht. Nach benebelten Sessions, in denen er sich mit diesen Dingen die Zeit vertrieb, stärkte er sich mit Schokoriegeln aus dem Café Pollo in der nahegelegenen Old Compton Street.

I Ging war damals eine von Syds vielen Inspirationen für seine Musik – so wie auch Tarot-Karten, Hilaire Belloc, die Beatles, die Mothers of Invention, Aldous Huxley und vieles andere. Roger Waters erklärte später: „Syd war nie ein Intellektueller, sondern ein Schmetterling, der von vielen verschiedenen Blüten naschte.“

John Davies aus Cambridge lebte nun auch in London, um sich zum Tierarzt ausbilden zu lassen. Er erinnert sich: „Die Wohnung in der Earlham Street war ein wunderbarer Ort, um an einem Samstag ein wenig Zeit zu verbringen. Da spielte sich alles ab. Syd legte Platten auf und spielte uns neue Songs vor, die er geschrieben hatte. Ich weiß noch, wie ich echt stoned dasaß und lauschte, wie er ‚Scarecrow‘ auf einer Akustikgitarre schrammelte.“

 

„In der Earlham Street gab es ein Ereignis, das Syd für mich gut zusammenfasst“, sagt Po. „Er hatte ein kleines Zimmer – Matratze in der einen Ecke, Gitarre in der anderen und eine Stange mit eine paar Samthosen und blumig gemusterten Hemden. Das war’s auch schon. Ich erinnere mich, wie ich Go mit ihm spielte. Von der Decke hing eine nackte Glühbirne, die zu hell schien. Ich fragte ihn: ‚Syd, kannst du nicht irgendetwas wegen des Lichts unternehmen?‘ Er meinte: ‚Doch, da gibt es etwas.‘ Er hatte ein paar Orangen in einer braunen Papiertüte, die er herausnahm, um ein Loch in die Tüte zu schneiden. Dann stülpte er das Ding über die Glühbirne. Nun hatten wir einen wunderschönen Lampenschirm, der ein angenehmes Licht auf unser Spiel warf. Er war immer in der Lage, sich ganz mühelos solch künstlerische Dinge aus dem Ärmel zu schütteln, für die wir anderen vermutlich lange überlegen hätten müssen.“ Blackhill schlug seinen neuen Schützlingen vor, ein Demo aufzunehmen, das man dann an Plattenfirmen schicken könnte – und zwar „trotz der Tatsache“, wie Jenner zugibt, „dass wir in der Branche abgesehen von Joe Boyd eigentlich niemanden kannten“. In Thompsons Aufnahmestudio, Hemel Hempstead, nahmen Pink Floyd unter anderem auch „Candy and a Currant Bun“ sowie eine neuere Komposition mit dem Titel „Interstellar Overdrive“ auf. Es war der erste Acid-Pop, wie er typischerweise in der Carnaby Street lief: der ideale Soundtrack für Girls in Miniröcken, die auf Podesten tanzten. Doch es war „Interstellar Overdrive“, das zu Pink Floyds Markenzeichen werden sollte – ein instrumentaler „Freak-out“, der sich aus einer Gitarren-Figur entwickelte, die angeblich von Burt Bacharachs und Hal Davids „My Little Red Book“ in der Version der kalifornischen Band Love inspiriert war, das Jenner Syd vorgesummt hatte.

Anthony Stern lebte mittlerweile in der Carlisle Street im Londoner West End und arbeitete mit dem Filmemacher Peter Whitehead zusammen, jenem Künstler, dem Syd vier Jahre zuvor in seinem Artelier in Cambridge begegnet war. Als er eines Tages Peter Jenner in Soho über den Weg lief, überreichte der Manager Anthony eine Kopie der Demoversion von „Interstellar Overdrive“.

„Ich fand, dass es sich ideal für die Art von Film eignete, die ich machen wollte“, sagt Stern. Während einer Reise nach Amerika im folgenden Jahr sicherte er sich die Finanzierung für seinen Film San Francisco, in dem eine frühe Rohfassung von „Interstellar Overdrive“ abstrakte, aufblitzende Aufnahmen von Amerika im Jahr 1967 hinterlegten. „Ich versuchte, [in meinem Stil] Pink Floyds Lightshow zu kopieren“, erklärt Stern.

Nun, mit einem Management, einem Booking-Agenten und einem frischen Demo-Tape ausgestattet, kehrten Pink Floyd im Dezember 1966 nach Cambridge zurück, um bei der Weihnachtsfeier der Kunstschule aufzutreten. Im Publikum befand sich an diesem Abend auch der zukünftige Fotograf Mick Rock, der damals gerade in seinem ersten Studienjahr an der Universität von Cambridge war. Aufgrund seiner Vorliebe für Dope und Halluzinogene war Rock in Kontakt mit Pip und Emo gekommen: „Sie erzählten ständig von ihrem Freund Syd und seiner Band Pink Floyd und dass sich ihr Name von zwei Bluesmusikern ableite, von denen ich noch nie gehört hatte. Sie schwärmten in einer Tour von Syd. Ich war total geplättet, als ich dann zum ersten Mal Pink Floyd sah. Alles drehte sich dabei ausschließlich um Syd. Man nahm den Rest der Band gar nicht wirklich war. Pip und Emo stellten ihn mir später vor, aber zuerst traf ich noch Lindsay Corner. Wir hingen ein wenig ab und rauchten einen Joint. Ich weiß noch, dass sie sehr angetan war von ihm. Als ich dann nach der Show herausfand, dass sie Syds Freundin war, war ich noch beeindruckter.“

Nach dem Gig schloss sich Rock Barrett und seinen Freunden in der Hills Road an, um noch mehr Joints zu rauchen und sich über Timothy Learys Psychedelic Review und den hippsten Roman des Jahres, Die letzte Generation von Arthur C. Clarke, zu unterhalten. Es ergab sich daraus schlussendlich eine Freundschaft, die in das nächste Jahrzehnt und weit über Syds Abkehr von Pink Floyd hinaus andauern würde.

Ein weiterer von Syds früheren College-Freunden war ebenso vor Ort. John Watkins hatte geholfen, den Event auf die Beine zu stellen. Er erinnert sich: „Ich ging anschließend auf Syd zu und war voll des Lobes für den Auftritt: ‚Was ihr macht, ist echt fantastisch.‘ Er sah mich an und sagte: ‚Danke, aber ich glaube, ich muss den Schlagzeuger feuern und dem Keyboarder einen Tritt in den Hintern verpassen.‘ Aber so war er eben. An der Kunstschule hatte er gefühlt jede Woche eine neue Band gegründet. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass er bei ein und derselben Band bleiben und Nacht für Nacht dieselben Songs spielen würde.“

In London waren Hoppy und Joe Boyd eine Partnerschaft eingegangen. Boyd hatte die Shows von Pink Floyd in der All Saints Hall gesehen und suchte nach einer Location, in der er ähnliche Events inszenieren könnte. So fand er schließlich den Blarney Club, einen Festsaal, in dem Showbands auftraten. Er war unter den Berkley- und Continental-Kinos in der Tottenham Court Road. Boyd ging daraufhin einen Deal mit dem irischen Besitzer, Mr. Gannon, ein, den sie mittels Handschlag besiegelten und der Boyd dazu verpflichtete, wöchentlich 15 Pfund zu bezahlen, damit er im Gegenzug die Lokalität jeden Freitagabend für seine Zwecke nutzen konnte. Der Club-Event, der ursprünglich „UFO-Night Tripper“ hieß und bald schon schlicht als UFO bekannt wurde, öffnete am 23. Dezember 1966 die Pforten. Auf der Bühne standen Pink Floyd sowie als Vorgruppe The Soft Machine. UFO wurde ab dem neuen Jahr zu einer wöchentlichen Veranstaltung, bei der sich Pink Floyd und The Soft Machine als Hausbands etablieren konnten und Pink Floyd sich bei ihren ersten drei Auftritten 60 Prozent der Bruttoeinnahmen sicherten.

Die Organisatoren des Clubs selbst stiegen ebenso positiv aus, was zu dieser Zeit eher eine Seltenheit war. Der Gewinn wurde in Anzeigen investiert, die in der International Times erschienen, was wiederum der Zeitung dabei half, liquide zu bleiben. Im Gegenzug war sich die Belegschaft der International Times auch nicht zu schade, am Eingang des UFO den Eintritt von den Gästen zu kassieren. Der Club hatte von 22 bis 8 Uhr morgens geöffnet. Die stylishe Klientel, der psychedelische Sound und die spacigen Lichteffekte ließen vergessen, dass der Saal mit seiner polierten Tanzfläche und der darüber rotierenden Disco-Kugel tief in der Tradition des altmodischen Showbiz verankert war. Zwar durfte kein Alkohol ausgeschenkt werden, aber an einem kleinen Stand wurden die hungrigen Besucher mit makrobiotischen Snacks versorgt und ein deutscher Drogenhändler, den alle nur unter dem Namen Marlon kannten, verkaufte Trips. Der Beleuchter des Clubs, der leider verstorbene Mark Boyle, hatte regelmäßig Mike Leonards Sound-und-Licht-Workshop am Hornsey College of Art besucht. Boyle stand auf einer improvisierten Plattform, wo er Substanzen zwischen durchsichtigen Dias bannte, die sich durch die Wärme der Projektorlampe verflüssigten und dann schließlich auf die Bühne projiziert wurden, was den Eindruck vermittelte, sie würden über die Band hinwegwabern.

„Heutzutage würde eine Siebzigerjahre-Disco im Vergleich dazu schon hochentwickelt wirken“, meint Mick Farren, der damals für International Times schrieb und mit seiner eigenen Band, The Social Deviants, als Sänger aktiv war. „Aber damals war das Ambiente einfach atemberaubend.“

„Du warfst dir einen Trip ein und erschienst einfach schon sternhagelvoll“, sagt Jenny Fabian. „Es war, als ob man sich in eine unterirdische Traumwelt begeben würde. Die Leute schweiften mit diesem beseelten Blick in den Augen umher oder legten sich auf den Holzboden. Ich lag selbst oft genug da, um ganz in den Schwarz-Weiß-Filmen, die zwischen der Musik liefen, aufzugehen. Das Ganze war auch irgendwie regressiv: Wenn du pinkeln musstest, dann lag am anderen Ende dieses Saals der Träume ein verschlungener Korridor, der zwar hell beleuchtet, aber schwarz angestrichen war. Und von den Wänden tropfte das Kondenswasser. Am Ende des Ganges befand sich schließlich die Damentoilette, wo ich in den Spiegel sah und mich über den Anblick wunderte … Es war jedenfalls immer eine große Erleichterung, in die Gebärmutter dieser Fantasiewelt zurückzukehren.“

Neben der Live-Musik wurden im Club auch Performance-Kunst und Avantgarde-Filme gezeigt. Aber im Laufe der Zeit waren es doch die Live-Bands, die den Reiz des UFO ausmachten. Trotz der gebärmutterartigen Atmosphäre entwickelte sich eine Rivalität zwischen den Anhängern der jeweiligen Bands, wenn nicht sogar zwischen den Bands selbst. „Pink Floyd waren ein sehr abgefahrener, äußerst drogenschwangerer, aber auch sehr weißer Rock. Sie waren für Leute, die Tolkien mochten oder nach Ufos Ausschau hielten“, sagt ein The-Soft-Machine-Fan. „The Soft Machine waren hingegen eher auf eine europäische Art und Weise avantgardistisch. Sie konnten bei Jazz-Festivals in Frankreich auftreten. Ihr Publikum wirkte sozial engagierter, interessierte sich für die Bürgerrechte der Schwarzen und die Revolution der Arbeiterklasse.“ Für manche ging es wiederum mehr um musikalische und visuelle Vorzüge. „Unter meinen Freunden wurde immer gestritten, wer nun besser wäre“, sagt John Leckie. „Wir diskutierten ständig darüber, wer die Grenzen mehr verschieben würde. The Soft Machine konnten sicher besser spielen. Aber Pink Floyd waren abstrakter und hatten außerdem Syd.“

Sogar innerhalb ihrer eigenen Entourage war nicht jeder von der musikalischen Qualität Pink Floyds überzeugt. „Um absolut ehrlich zu sein, ich war nie ein Fan von ihnen“, lacht John Whiteley. „Ich half zwar im UFO bei der Beleuchtung aus, aber ich kann mich auch noch erinnern, dass Syd, während er spielte, den anderen die jeweiligen Akkorde zurufen musste.“

Dennoch erinnert sich etwa der Drummer von The Soft Machine, Robert Wyatt, noch voller Zuneigung an die einstigen Rivalen: „Pink Floyd hatte eine gewisse Leichtigkeit an sich, die mir gut gefiel. Unser Equipment gab ständig seinen Geist auf und Pink Floyd ließen uns dann ihres verwenden, was damals unter Rockbands nicht so üblich war. Die meisten von ihnen hatten sich in ihre Kokons eingesponnen. Ich hörte immer noch John Coltrane und kaufte mir keine Rock-Platten. Aber ich war begeistert, als ich Pink Floyd sah – wie sie sich Zeit dabei ließen, von einer Note zur nächsten überzugehen. Ich hätte das so nicht gekonnt, aber Pink Floyd hatten immer alles unter Kontrolle.“

Da beide Bands die Musik performen durften, die sie spielen wollten, und dies außerdem auch so lange, wie sie wollten, traten Pink Floyd und The Soft Machine oft vor Leuten auf, die – wie es Wyatt ausdrückt – „keine Ahnung mehr hatten, welches Jahr gerade war, geschweige denn, wie spät es war“. Das beeinträchtigte Zeitgefühl, das zu einem Trip dazugehörte, machte Pink Floyd zum idealen Soundtrack für das LSD-Erlebnis. Vor ihren Auftritten im UFO bat ihre Crew das Publikum stets, den Bereich direkt vor den Lautsprechern zu räumen. Wie Miles es später einmal im New Musical Express schrieb: „Ursprünglich ging es dabei darum zu verhindern, dass benebelte Hippies sich ihre Trommelfelle ruinierten, aber irgendwann wurde es zu einem kuriosen Ritual in der Art einer Zen-Zeremonie: die Räumung des Raumes, damit Pink Floyds mysteriöse Musik hervorsprudeln konnte.“

Auf der Bühne spielten sie im Licht selbstgebauter Scheinwerfer und Projektionen, die im Hintergrund verschwammen und das mystische Ambiente noch verstärkten. Syds abstrakte Gitarrenriffs rangen mit Richard Wrights unheimlich klingenden Keyboards. Roger Waters, schlaksig und distanziert, lieferte mit seinem pulsierenden Bass-Spiel das Fundament für das klangliche Spektakel und mitunter, wenn es die Stimmung erforderte, auch unheilig anmutendes Geschrei. Eines Abends, so erinnert sich Joe Boyd, sah er, wie Pete Townshend, der sich auf einem Trip befand, neben der Bühne kauerte, auf Waters zeigte und behauptete, der Bassist würde ihn verschlucken.

„Ich war drei Mal im UFO auf LSD“, erinnert sich Townshend. „Ich hielt Roger für sehr attraktiv und sehr beängstigend. Ich hatte echt Angst davor, dass er mir meine Freundin ausspannen würde, während ich auf LSD war. Schließlich gab er sogar offen zu, dass sie ihm gefiel.“ Die fragliche Freundin war Karen Astley, Townshends zukünftige Ehefrau, eine bildhübsche Kunststudentin, die bereits auf dem Plakat zur Eröffnung des Clubs zu bewundern gewesen war. Sie zog routinemäßig die Aufmerksamkeit im UFO auf sich, da sie, wie der Gitarrist von The Who es ausdrückt, „in einem Kleid tanzte, das aussah, als wäre es aus Kuchenpapier“.

 

Zoff gab es nur selten im UFO. Mitunter störten sich Mods, die vorbeischneiten, an den offen gezeigten Love-and-Peace-Schwingungen, obwohl viele von ihnen selbst letzten Endes LSD einwarfen, um sich dem bunten Treiben anzuschließen. Gelegentlich konnten Biker auf Acid gegenüber den weiblichen Besuchern ihre Hände nicht in Zaum halten. Auch kam es zu Störungen der öffentlichen Ruhe, wenn die schönen Menschen mitsamt ihren klingelnden Hippie-Glöcklein und Kaftanen in den frühen Morgenstunden auf die Tottenham Court Road gespült wurden und das Interesse patrouillierender Ordnungshüter auf sich zogen.

Sam Hutt, Londons erster „Alternativmediziner“, der später zum Country-Sänger Hank Wangford mutieren sollte, war ein Stammgast im UFO und staunt immer noch, mit wie viel die Clubbesucher letzten Endes durchkamen: „Der Ire, dem der Laden gehörte, war unglaublich pragmatisch. Er drückte buchstäblich beide Augen zu, was sehr irisch war. Für ihn unterschied sich das Ganze nicht von einem Pub, das etwas länger offenließ.“

„Ihr dürft nicht vergessen, dass dies ein gemieteter Festsaal war, in dem sonst irische Showbands auftraten“, ergänzt Mick Farren. Damals musste man die Polizei eben irgendwie besänftigen. „Sogar wenn alles ganz normal ablief und ohne Hippies einmal pro Woche.“ Eine Kiste mit Whiskey zu Weihnachten war allerdings eine wirkungsvolle Methode, um sich Ruhe zu verschaffen.

Im Januar 1967 kreuzten Barretts Wege erneut jene von Peter Whitehead, der mittlerweile Filme drehte, bei denen ihm Barretts Ausstellungspartner Anthony Stern assistierte. Wholly Communion, ein Film über eine Dichterlesung in der Royal Albert Hall im Jahr 1965, in dem unter anderem Allen Ginsberg zu sehen war, sowie Charlie is My Darling, eine Dokumentation über eine Tour der Rolling Stones aus dem darauffolgenden Jahr, sollten Whitehead als Chronist der sogenannten Gegenkultur etablieren. Andrew King beschrieb ihn später als „Mr. Trendy“, obwohl Peter insistiert: „Ich mochte Pop nicht wirklich und war zuvor auch noch nie in meinem Leben auf einem Popkonzert gewesen.“ Whitehead steckte gerade mitten in der Arbeit an einem anderen Film, Tonite Let’s All Make Love in London, bei dem er Segmente von Interviews mit Mick Jagger, Julie Christie, Michael Caine, David Hockney und anderen zu einer Zeitkapsel zusammenschnitt, welche die Pop- und Filmstars und Künstler der Ära dokumentieren sollte. Was der Film noch brauchte, war ein passender Soundtrack, der am Puls der Zeit lag. „Auf keinen Fall wollte ich die verdammten Rolling Stones dafür verwenden“, erklärt Whitehead. „Anthony wusste, dass mir The Soft Machine gefiel. Er erzählte mir davon, dass Syd bei Pink Floyd war und sie etwas Ähnliches machten.“

Peter begab sich daraufhin in den UFO-Club und traf hinter der Bühne auf Syd („Er war schon ein wenig bedient“), obwohl seine Aufmerksamkeit zunächst mehr Barretts Begleitung, einem hübschen Mädchen aus Cambridge namens Jenny Spires, galt. „Jenny war das erste Mädchen, das den Vibe im UFO total personifizierte“, meint Anthony Stern. „Sie lebte eine Weile lang in meiner Wohnung. Eines Abends saß ich so da, als ich hörte, wie die Türe aufging. Es erklang dieses liebliche Geräusch kleiner Glöckchen – wie bei einem Rentier. Es war Jenny, die eben solche Glöckchen um die Knöchel trug. Sie verkörperte auf wunderschöne Weise diesen neuen Frauentyp. Ich hörte kein so liebliches Geräusch mehr, bis ich 1972 in die Stadt Herak in Afghanistan fuhr, wo Pferde mit exakt denselben Glöckchen geschmückt waren. Plötzlich hatte ich einen Flashback und sah Jenny, wie sie erneut durch meine Wohnungstüre kam.“

Jenny und Syd hatten sich während eines von Barretts Besuchen in Cambridge kennengelernt und waren von Ende 1964 an den Großteil von 1965 ein Paar. Ihre Beziehung flackerte bis zum Frühling 1966 noch immer wieder mal auf und die beiden blieben auch nachher noch enge Freunde. Als Jenny nach London zog, verbrachte sie regelmäßig Zeit mit Syd und Lindsay in der Earlham Street.

„Auch ich begann, mich mit Jenny Spires zu treffen“, erklärt Peter Whitehead. „Eines Abends zeigte ich ihr in meiner Wohnung mehrere Szenen, die ich für den Film zusammenschnitt, und erzählte ihr, dass ich noch Musik benötige. Sie schlug Pink Floyd vor. Doch hatten sie damals noch gar keine richtigen Aufnahmen.“

Nachdem er einen Deal mit Syd und Blackhill ausgehandelt hatte, sponserte Whitehead zwei Stunden Studiozeit für 85 Pfund in den Rye Muse Studios in Kensington, die später in Sound Technique umbenannt wurden, und filmte ihre Darbietung von „Interstellar Overdrive“, jenem Song, dessen Demoversion Anthony Stern so beeindruckt hatte. „Mir gefiel es, weil es so düster, drogenschwanger, mysteriös und fast schon klassisch war“, erklärt Whitehead. Wie Stern hielt auch Peter das Stück für ideal geeignet für seinen Film. Auf dem Filmmaterial sieht man Barrett, wie er dissonantes und unkonventionelles Gitarrenspiel beisteuert, wobei sein weites rot-schwarzes Shirt und sein dünner Schnurrbart ihn an diesem Tag ein wenig unstylisher als seine Bandkollegen wirken lassen. Vor allem Mason sieht auf den Aufnahmen „sehr nach Carnaby Street aus“, wie es ein Band-Insider formuliert. Da der Band noch ausreichend Zeit zur Verfügung stand, jammte die Band noch eine weitere Nummer mit dem Titel „Nick’s Boogie“, obwohl für den fertigen Film nur „Interstellar Overdrive“ verwendet werden würde. Jahre später sollte Whiteheads zusätzliches Bildmaterial von der Band bei Auftritten im UFO und dem Alexandra Palace auf der DVD Pink Floyd London 1966–1967 zu bewundern sein.

Im Sound Technique sollten Pink Floyd unter Joe Boyds Anleitung schließlich noch mehr Songs aufnehmen, darunter auch eine neue Barrett-Komposition, „Arnold Layne“. Die Band filmte dafür auch einen Promo-Clip, bei dem das Quartett mit einer Schaufensterpuppe auf einem eiskalten Strand in Sussex herumalberte. Es war ein rares Beispiel für die unbeschwertere Seite der Band, obwohl Roger Waters, der für die Kamera in etwas zu kurzen Röhrenhosen herumtollte, Barrett die Schau stahl.

Peter Jenner gesteht unumwunden, dass sie damals nicht wirklich wussten, was sie da eigentlich taten. Allerdings hatte Boyd die Aufgabe in seiner Funktion als A&R-Mann, der Band einen Deal zu sichern. Laut Jenner hatte Boyd seinen Boss, den Manager von Elektra Records Jac Holzman, der Peter Jenners neue Lieblingsband Love unter Vertrag genommen hatte, einfliegen lassen, um diese Band zu inspizieren. „Aber er fand keinen Gefallen daran und gab uns einen Korb“, so Jenner. Nick Mason erinnert sich hingegen daran, dass Holzman ihnen immerhin „eher widerwillig“ nicht einmal ganze zwei Prozent bot. Polydor Records sprang daraufhin mit einer besseren Offerte ein, welche auch beinhaltete, dass Joe als unabhängiger Produzent an Bord bliebe. (Er hatte inzwischen seine eigene Produktionsfirma namens Witchseason gegründet, wobei sich der Name vom Titel der Donovan-Single „Season of the Witch“ ableitete.) Es wurde bereits ein Vertrag ausgearbeitet, als der Deal innerhalb weniger Tage doch noch scheiterte.