Pink Floyd

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3: EIN SONDERBARES HOBBY

„Turn up, tune in, fuck off!“

Roger Waters

Was für eine Party! Ein Mann kriecht durch Götterspeise. Mädchen oben ohne. Abwegige Dichtkunst. Seltsame Musik …“ So berichtete das Sechzigerjahre-Klatschblatt Titbits über „das spontane Underground-Happening“ im Februar 1966. Besagter Event fand im Marquee statt, einem Club in der Wardour Street, also quasi im Herzen Sohos gelegen. Innerhalb weniger Wochen sollte The Pink Floyd Sound, wie sie sich gerade nannten, zu den Bands gehören, die die Musik zu solcherlei buntem Treiben beisteuerten. Das Jahr 1966 sollte in Bezug auf Rockmusik und Popkultur im Allgemeinen weitreichende Folgen nach sich ziehen. Die Beatles veröffentlichten Revolver – ein Album voller exotischer Sounds, die die LSD-Erfahrungen der Band reflektierten – und Cream, die erste sogenannte Supergroup des Rocks, machten sich daran, Heavy Metal zu erfinden. Gleichzeitig verblüffte Jimi Hendrix die Londoner Club-Szene mit seinem grellen, pyrotechnisch angehauchten Ansatz zum Thema E-Gitarre. In London zeigte eine Kollision von Mode, Kunst und Musik langsam Wirkung und sollte im Jahr darauf im sogenannten „Summer of Love“ gipfeln.

Sowohl Hendrix als auch Cream beeinflussten Pink Floyd. „Ich weiß noch, dass sie beide am Regent Street Poly im Rahmen unserer Semesterabschlussfeier auftraten“, erinnert sich Roger Waters. „Ihre langen Improvisationen zu sehen und zu hören, war echt erstaunlich.“

Wo auch immer sich die Band in dieser neuen Welt einordnen würde, ihre persönliche Lage war alles andere als glamourös. Die finanzielle Situation war besorgniserregend und auch das Dilemma, Jobs, Ausbildung und Musik unter einen Hut zu bringen, war immer noch aktuell. Mason büffelte am Regent Street Poly, arbeitete nebenher aber auch für Lindys Vater, einem Architekten. Waters hatte sein Studium auf Eis gelegt und sammelte in einer Firma praktische Erfahrung. Wright und Barrett besuchten beide ihre jeweiligen Colleges.

Pink Floyds Teilnahme an gewissen Happenings in der und rund um die Hauptstadt zu Jahresbeginn 1966 ergab sich aufgrund der Aktivitäten einer Gruppe von Londoner Szenehelden. John „Hoppy“ Hopkins hatte in Cambridge sein Studium abgeschlossen und einst auch als Mediziner für die Atomenergiebehörde gearbeitet. Nachdem er aber unangekündigt Moskau einen Besuch abgestattet hatte, wurde er vom Security Service verhört, woraufhin er schließlich seine Kündigung einreichte. Ab den frühen Sechzigerjahren arbeitete er dann als freiberuflicher Fotograf sowohl für Tageszeitungen als auch den Melody Maker. „Hoppy“ fand Geschmack daran, Dope zu rauchen und die Bourgeoisie vor den Kopf zu stoßen. Er entwickelte einen allgemeinen Sinn für Anarchismus“, erklärte einer seiner Zeitgenossen. Wie ein anderer versicherte, war Hoppy aber auch „ein Naturtalent, wenn es ums Organisieren ging, und zwar zu einer Zeit, als alle anderen nur Schabernack trieben“. Nach einem Abstecher in die USA im Jahr 1964 kehrte Hopkins mit der Idee nach London zurück, eine Underground-Zeitschrift und eine alternative Bildungseinrichtung für Erwachsene, die später als London Free School bekannt werden sollte, zu etablieren.

Die Schule, die in einem Keller in der Powis Terrace 26 in Notting Hill eingerichtet wurde, sollte zuerst verwirklicht werden. Hopkins erklärte im Oktober 1966, was ihm vorschwebte: „Eine Nicht-Organisation, die über keinerlei gewählte Vertreter oder Verantwortlichkeiten verfügt.“ Einer von Hopkins Bekannten, der schwarze Aktivist Michael de Freitas, auch als Michael X bekannt, arrangierte mit dem Besitzer des Gebäudes die Formalitäten. Die ersten, die in den Keller zogen, waren ein paar Squatter, die der Lokalität im Handumdrehen einen Zurück-zur-Natur-Vibe verliehen. „Es war so feucht und kalt dort unten, dass sie die hölzernen Bodenplatten herausrissen und in Brand steckten“, erinnert sich Hoppy. „Aus diesem Grund wurde die Schule unter anderem für ihren Erdboden bekannt.“

Mit seinen in psychedelischen Farben gehaltenen Wänden zog der Ort umgehend Musiker, Dichter, Beatniks, liberale Intellektuelle sowie alle möglichen Gestalten des künstlerischen Londoner Undergrounds an. In der Funktion eines Stegreif-Gemeindezentrums stellten sich die Verantwortlichen zur Verfügung, um Besuchern in mietrechtlichen Fragen mit Rat zur Seite zu stehen und sogar Immigranten rudimentäres Englisch beizubringen. Jahre später sollten ein paar der involvierten Personen auch eine Rolle beim Zustandekommen des ersten Notting Hill Carnival spielen. Und Michael X organisierte 1966 auch noch einen Besuch der Box-Legende Muhammed Ali.

Hoppy betont: „Die Free School war eine Idee, die kein festgeschriebenes Ziel verfolgte. Die Leute, die sie bevölkerten, erfüllten sie mit allem, wonach ihnen war.“ Unter ebendiesen Leuten befanden sich Joe Boyd, ein 25-jähriger Amerikaner, der die britische Niederlassung von Elektra Records leitete, sowie Peter Jenner, ein 24-Jähriger, der seinen Uni-Abschluss in Volkswirtschaftslehre in Cambridge mit Auszeichnung gemacht hatte und inzwischen an der London School of Economics unterrichtete. Jenner war ein ehemaliger Mitbewohner von Eric Clapton und verrückt nach avantgardistischer Musik. Hopkins, Jenner, Felix de Mendelsohn (ein weiterer Absolvent der Free School) und Hoppys Mitbewohner, der Jazz-Kritiker Ron Atkins, hatten gemeinsam eine Produktionsfirma namens DNA auf die Beine gestellt und der Free-Jazz-Gruppe AMM ermöglicht, ein Album einzuspielen. Dank eines, wie Jenner es heute beschreibt, „absoluten Scheiß-Deals“, den Boyd eingefädelt hatte, wurde das AMM-Album Music from a Continuous Performance via Elektra veröffentlicht. „AMM verwendeten Gitarren, Klaviere, aber auch Radios und Sägen für ihre Musik“, erinnert sich Hoppy. „Sie bewegten sich im Grenzbereich zwischen Musik und Lärm. Nachdem man sie sich eine Stunde lang angehört hatte, ging man auf die Straße hinaus und hatte das Gefühl, dass es immer noch weitergehen würde. Es gab da diesen improvisierten Film aus den Fünfzigern, Shadows, von John Cassavetes – und AMM waren wie ein musikalisches Äquivalent dazu. Absolut hypnotisch.“

Der atonale Ansatz von Keith Rowe, dem Gitarristen von AMM, sowie seine Vorliebe, seiner Gitarre mithilfe diverser Gegenstände Geräusche zu entlocken, hinterließen einen besonderen Eindruck bei Syd Barrett, der später einer Aufnahmesession von AMM beiwohnen sollte. AMM traten auch bei einem der ersten Happenings im Marquee auf. Der Folkie Donovan – er trug rotes und schwarzes Augen-Make-up – sowie der Jazz-Organist Graham Bond gehörten ebenfalls zum musikalischen Line-up des Events am 30. Januar 1966. Das Happening war von Steve Stollman organisiert worden. Sein Bruder Bernard betrieb in New York das experimentelle Label ESP Records. „Ich war ein 22-jähriger Amerikaner, der es sich in London gutgehen ließ“, sagt Steve Stollman heute. „Einer der ersten Orte, den ich aufsuchte, war Better Books, da sie die Platten meines Bruders dort verkauften. Dort lernte ich Hoppy und all diese anderen interessanten Leute kennen. Ich wollte meinem Bruder dabei helfen, dass sein Label vermehrt wahrgenommen würde. ESP veröffentlichte Scheiben von Albert Ayler, Sun Ra und The Fugs – ungewöhnliches Zeug eben. Irgendjemand – vielleicht ja ich – sagte, es würde doch Sinn machen, diesen Club, der am Sonntagnachmittag nicht bespielt wurde, in Beschlag zu nehmen. Also sprach ich mit den Besitzern des Marquees. Meine Argumentation lautete, dass wir Geld für Kingsley Hall [ein Gemeindeprojekt des Psychoanalytikers R. D. Laing] sammeln wollten, da wir alle Laings Buch Knoten gelesen hatten. Ich glaube, dass tatsächlich ein paar Mäuse, die wir damit verdienten, diesem Zweck zugutekamen.“

Der Event startete um 16 Uhr 30, der Eintritt betrug sechs Shilling und einen Sixpence, es gab keine offizielle Werbung und das Publikum wurde persönlich informiert: Musiker, Autoren, Dichter und andere Underground-Kenner. Ein Ankündigungsschreiben, das zu Promo-Zwecken veröffentlicht wurde, informierte über den gewünschten Dresscode: „kostümiert, maskiert, ethnisch, abgespaced, edwardianisch, viktorianisch und allgemein hip …“ Die Trennungslinie zwischen den Performern und dem Publikum sollte mit Absicht verwischt werden.

„Mittendrin wurde ich zum Vordereingang gerufen, da Robert Shelton, der Kritiker der New York Times, in Anzug und mit Krawatte um den Hals aufgekreuzt war“, erinnert sich Stollman an eines der frühen Happenings. „Wir bestanden eben darauf, dass sich jeder so bizarr wie möglich zu kleiden hätte – auch wenn dafür bloß ein Stoffhandtuch aus deinem Ohr baumeln musste. Da Robert als Entdecker von Bob Dylan berühmt war, erklärte ich sein Kostüm zum Besten überhaupt und ließ ihn herein.“

Seit damals wird weithin berichtet, dass The Pink Floyd Sound bei den beiden ersten Happenings im Marquee, sowohl am 30. Januar als auch am 27. Februar, auf der Bühne standen. Jedoch behaupten andere Augenzeugen, dass die Gruppe erst beim dritten Event, also am 13. März, ihr Debüt im Marquee gab. „Ich hätte The Pink Floyd Sound nicht von The Green Floyd Sound unterscheiden können“, gibt Stollman bereitwillig zu. „Ich hatte keine Ahnung, wer sie waren, aber irgendjemand schlug sie mir vor.“

„Ich kannte Steve Stollman“, erklärt Nigel Lesmoir-Gordon. „Er war auf der Suche nach experimenteller Musik und niemand sonst wollte bei diesen Sessions am Sonntagnachmittag auftreten. So kamen sie schließlich auf Pink Floyd.“ Stollman hält jedoch daran fest, dass der Auftritt der Band mitgeschnitten wurde. „Ich erinnere mich, dort einen Typen namens Ian Somerville gesehen zu haben, der ein Freund von William Burroughs war. Er saß die ganze Zeit mit Kopfhörern da. Niemand weiß, was aus dieser Aufnahme geworden ist.“

Das Set der Band bestand aus Blues-Standards und Eigenkompositionen und wurde außerdem durch Barretts abstraktes Gitarrenspiel und ausgedehnte Instrumental-Jams bereichert. Es bot aber vor allem die ideale musikalische Untermalung für den Anlass. „Guter Sound, gute Gedichte, ein wundervoller Event“, meint Stollman. „Ich schwöre, dass Pink Floyd annähernd drei Stunden lang spielten. Niemand wollte sie daran hindern, da es so gut zu dem passte, was damals gerade angesagt war.“

 

„Pink Floyds Musik war neu, aber nicht komplett inkompatibel mit dem, was sich andernorts abspielte“, ergänzt Hoppy. „Wir hörten alle Avantgarde-Jazz und meine damalige Freundin hatte mir Tapes von The Velvet Underground aus New York mitgebracht. John Cage hatte 1964 oder 1965 schon ein Konzert im Saville Theatre gespielt und im musikalischen Bewusstsein der Leute einen Eindruck hinterlassen. Pink Floyd waren anders, aber sie passten zu alldem gut dazu.“

Weitere sonntägliche Happenings sollten folgen, etwa mit David Jones – er würde schon bald als David Bowie für Furore sorgen. Auch er war beeindruckt von „dieser seltsamen Präsenz mitsamt weiß geschminktem Gesicht und schwarzem Eyeliner, die vor dieser Band sang“. Aber Stoll­mans Interesse daran, solche Happenings zu veranstalten, verebbte, als das Management des Marquees vorschlug, während seiner Veranstaltungen eine Bar zu öffnen. „Ich war der Ansicht, dass Schlägereien ausbrechen würden“, lacht er. „Eine Menge Leute waren stoned, weshalb ich der Meinung war, dass kein Alkohol ausgeschenkt werden sollte, während all dies vor sich ging. Also verlor ich das Interesse.“ Stollman sollte später das Land verlassen müssen, nachdem sein Name im Zusammenhang mit einer von der BBC gesponserten Dokumentation über LSD in einem Yellow-Press-Artikel genannt worden war: „Plötzlich war ich auf der Titelseite, mit einem schwarzen Balken über den Augen. Was für ein Skandal!“

Für Pink Floyd hatte sich jedoch inzwischen bereits eine überaus wichtige Connection ergeben. An einem Sonntag im Juni begab sich Peter Jenner, der es leid war, Prüfungen zu korrigieren, auf den Weg ins Marquee. „Ich wusste, wer Steve Stollman war und ich glaube, dass ich eine Werbeanzeige für diese Sache im Melody Maker gesehen hatte“, erinnert er sich. Nachdem er beobachtet hatte, wie sich zahlreiche Leute mit Götterspeise vollschleimten, wurde Peter zum ersten Mal mit The Pink Floyd Sound konfrontiert: „Sie spielten in erster Linie Blues-Nummern, aber anstelle von heulenden Gitarren-Solos, bei denen sich der Gitarrist ins Hohlkreuz zurücklehnte, wie das eben üblich war, spielten sie diese kosmischen Sachen. Es waren nicht wirklich die Blues-Songs, die interessant waren, nein, es war die Art, wie sie sie spielten, die mein Interesse weckte. Ich glaube, dass das, was Syd versuchte, seine Art war, markant zu wirken und die Lücken zu füllen, wo üblicherweise ein jaulendes Solo wie bei Clapton oder Peter Green zu hören gewesen wäre. Ich war jedenfalls sehr fasziniert.“ Peter wurde von etwas angetrieben, das viel profaner war als die Musik. „Ich hatte mir die Zahlen von DNA genauer angesehen und wusste, dass die Firma nicht überleben würde, wenn wir nicht mehr Platten verkauften. Wir brauchten also eine Popband.“

Im Jahr davor hatte Peter sogar The Velvet Underground angesprochen, nachdem er ihre Aufnahmen von Hoppy gehört hatte. Allerdings musste er zur Kenntnis nehmen, dass die Band bereits Pop-Art-Künstler Andy Warhol mit der Aufgabe, sie zu managen, betraut hatte. Nachdem ihm nun aufgefallen war, dass Pink Floyd ohne Management dastanden, wagte Jenner einen Vorstoß. „Ich holte mir ihre Nummer von Steve Stollman. Dann begab ich mich nach Highgate, wo sie bei Mike Leonard lebten. Ich kannte Mike nicht, weshalb ich nicht wusste, was es damit auf sich hatte. Allerdings hörte sich dieses Arrangement ziemlich künstlerisch und so an – und das machte auch einen Teil ihres Reizes aus. Der erste von ihnen, mit dem ich mich ernsthaft unterhielt, war Roger. Ich fragte ihn, ob sie nicht auf unserem Label sein wollten. Roger meinte, dass sie alle erst einmal bis September Ferien machen würden.“ Jenner hatte damals den Eindruck, dass sie als Gruppe „es auf eine semiprofessionelle Art sehr ernst nahmen“, ihre Zukunft aber eher vage war. „Sie hatten sich von einem Kredit einen Van und Equipment gekauft, standen aber kurz davor, sich wieder aufzulösen“, behauptete er 1972.

Klar, ohne Konzerte in absehbarer Zukunft, dafür mit reichlich Uni-Stress und wichtigen beruflichen Entscheidungen, die getroffen werden mussten, am Hals, gab es eine Menge, über das die Bandmitglieder nachzudenken hatten, als sie für den Sommer getrennte Wege einschlugen. Mason brach als Erster auf und folgte seiner Freundin Lindy nach New York, wo sie nun für die Martha Graham Dance Company arbeitete. Dort sollte Mason die amerikanische Jazz-Szene auch abseits seiner Schallplatten erleben und gemeinsamen Konzerten von gefeierten Interpreten wie Thelonius Monk und Mose Allison beiwohnen, bevor er und Lindy sich schließlich auf den Weg an die Westküste machten. Falls Mason ernsthafte Zweifel bezüglich der Zukunft der Band plagten, so wurden sie vermutlich durch einen Artikel der Underground-Zeitschrift East Village Other zerstreut, in dem The Pink Floyd Sound Erwähnung fanden. Später erinnerte er sich: „Dadurch begriff ich, dass die Band über das Potenzial verfügte, mehr zu sein als bloß ein Vehikel für mein persönliches Amüsement.“

Auch Juliette Gale war über den Sommer in die USA gereist, weshalb es ihrem Freund Richard Wright freistand, zu tun, was er wollte. Teile der Cambridge-Crew hatten die letzten drei Sommer in Griechenland und auf den Balearen verbracht. Sie pendelten zwischen Mykonos, Ibiza und Formentera, arbeiteten an ihrer Bräune, rauchten starkes Gras und unterhielten sich über Gott und die Welt. Richard und Juliette waren außerdem noch in Lindos auf Rhodos gewesen. Im Sommer 1966 schloss sich Wright Roger Waters zu einem weiteren Ausflug nach Griechenland an. „Da waren Nigel und ich, Russell Page, David Gale, Rick, Roger und Judy“, erinnert sich Jenny Lesmoir-Gordon. Bei Judy handelte es sich um Judy Trim, eine vormalige Schülerin der Cambridge County School for Girls und Tochter eines in Diensten der Uni stehenden Forschers. Sie und Roger waren bereits als Teenager ein Paar gewesen. „Rog, Andrew Rawlinson und ich waren alle hinter Judy her“, erinnert sich Storm Thorgerson. „Aber Rog bekam sie schlussendlich.“

„Es war während dieses Urlaub, als Roger zum ersten Mal LSD nahm“, fährt Jenny fort. Wir fuhren in dieser alten amerikanischen Karre quer durch Europa und mitten in der Nacht ging plötzlich nichts mehr. Der Wagen fuhr nur noch rückwärts und der Mechaniker, zu dem wir ihn brachten, verwendete das Wort ‚kaputt‘. Also setzten wir uns in einen Bummelzug durch Jugoslawien und Griechenland. Schließlich fanden wir diese Villa und überließen Rog und Ju-Ju, wie sie sich damals gegenseitig nannten, das beste Zimmer. Roger bestand darauf, obwohl ich glaube, dass sie unter dem Bett einen Skorpion entdeckten. Roger war ein sehr forscher Typ, aber konnte auch recht zurückhaltend und schüchtern sein. Ich erinnere mich daran, wie ich eines Tages mit ihm allein am Strand war und er schrecklich nervös wirkte. Er war mit Judy zusammen und schien in Gegenwart anderer Frauen sehr scheu zu sein.“

Anders als die meisten Mitglieder der Reisegesellschaft hatte Waters zuvor noch nie LSD ausprobiert. Auf der griechischen Insel Patmos beschloss er, sich mittels Pipette doch einmal einen Tropfen aus Nigels Fläschchen zu genehmigen. „Es war eine außergewöhnliche Erfahrung“, bestätigt Waters. „Und sie dauerte ungefähr 48 Stunden lang an.“ Später sagte er, dass er nach diesem Erlebnis es nur noch ein einziges Mal mit LSD versucht habe.

Leider förderte der Aufenthalt in Griechenland auch erstmalig Anzeichen für die angespannte Beziehung zwischen Waters und Richard Wright zutage. Es tat sich ein Graben zwischen den beiden auf, der noch Jahre später signifikante Auswirkungen auf Pink Floyd haben sollte. „Rick war ein lieber, schüchterner Typ“, berichtet Jenny. „Seine Freundin war zu diesem Zeitpunkt in Amerika. Er hielt eine Menge von ihr. Aber Roger machte ihn dauernd runter. Es war so, als ob er in Rick eine Art Sandsack sah, auf den er eindreschen konnte.“

Nachdem sich die einzelnen Bandmitglieder nach dem Sommer wieder in London eingefunden hatten, brachte die Gruppe in Erfahrung, dass Peter Jenner immer noch an einer Zusammenarbeit interessiert war. Als Waters ihn informierte, dass die Band in erster Linie einen echten Manager bräuchte, stellte er seinen Plan, sie für DNA unter Vertrag zu nehmen, erst einmal hinten an und holte seinen alten Freund und Kollegen von der London Free School hinzu: Andrew King. „Pete und Joe Boyd wollten DNA zusammenführen und ich sollte als Manager fungieren“, erinnert sich Andrew King. „Aber als es mit dem Label nicht wirklich nach Wunsch lief, schlug Pete vor, dass er und ich gemeinsam Pink Floyd managen sollten.“ Jenner nahm sich eine zwölfmonatige Freistellung von seinem Lehramtsposten an der Wirtschaftsuni, wobei er sich die Option offenließ, im Falle einer Bruchlandung als Pop-Manager jederzeit wieder zurückzukehren. Andrew King und Peter Jenner hatten bereits gemeinsam die Schulbank gedrückt und waren nach der Universität zusammen durch die USA gereist. Sie waren in den Worten Kings „bürgerlich-liberale Intellektuelle, die mit der Londoner Avantgarde-Szene verbandelt waren“.

„Ich hörte nicht viel Popmusik“, gesteht Jenner. „Ich stand gerade mal auf Bob Dylan und die Byrds. Aber ich war nicht der Meinung, dass weiße Männer den Blues singen könnten.“

Damals arbeitete King in der PR-Abteilung von British European Airways, aber hatte, was äußerst wichtig war, auch ausreichend Geld von seiner Familie zur Verfügung, um ein wenig zu investieren. Mit einem Hinweis auf ihre Bedürftigkeit überredete Waters das neue Management, der Band eine PA-Anlage zu finanzieren. Zwar bekamen sie die auch, doch die vollständige Ausrüstung verschwand kurz darauf wieder. Erneut griffen King und Jenner tief in ihre Taschen. Später sollte Waters gestehen, dass er das Duo ursprünglich für Drogendealer mit Niveau gehalten habe, die auf der Suche nach dem großen Wurf waren.

Inzwischen brauchte auch die Free School eine Finanzspritze. „Wir stellten etwa einen Newsletter zusammen“, erzählt Hoppy. „Ich zahlte die Produktionskosten und obwohl ich Anfang der Sechzigerjahre als Pressefotograf ganz gut verdient hatte, verdingte ich mich nun anderweitig und wurde ärmer und ärmer. Um die Schule über Wasser zu halten und den Newsletter weiterhin veröffentlichen zu können, beschloss ich einen Benefiz-Event zu veranstalten, woraus sich dann eine ganze Reihe solcher Veranstaltungen entwickelte.“

Peter Jenner arrangierte, dass auch The Pink Floyd Sound bei diesen Konzerten in der All Saints Church Hall, in unmittelbarer Nähe zur Westbourne Park Road, zum Zug kamen. In der für die Gegend bedeutenden Veranstaltungshalle sollten später Bühnenmusicals und Theaterstücke aufgeführt werden und der Gemeinde von Notting Hill sollte sie als allgemeiner Versammlungsort dienen. Damals traf sich dort unter anderem eine von Londons ersten Spielgruppen für Kinder.

John Leckie, der später bei Aufnahmesessions von Pink Floyd als Toningenieur arbeiten sowie Größen wie die Stone Roses und Radiohead selbst produzieren sollte, war im benachbarten Ladbroke Grove aufgewachsen: „Ich sah Pink Floyd ein paar Mal in der All Saints Hall. Fantastisch. Das einzige Problem war, dass das eben eine Schulversammlungshalle war. Deshalb standen da all diese winzigen Kindertische und Stühlchen in der Gegend herum, was eine ziemlich witzige Kulisse bot, wenn irgendjemand plötzlich aufsprang, ausflippte und zu dieser abgefahrenen Musik seinen Idiotentanz aufführte.“

Eben in der All Saints Hall erlebte auch Andrew King seine Pink-­Floyd-Premiere. „Ich glaube, es war dort, dass ich sie zum ersten Mal auftreten sah“, erzählt er. „Sie spielten damals immer noch 15-minütige Versionen von ‚Louie Louie‘ und ich erinnere mich daran, wie sonderbar doch alles klang. Ich wusste Bescheid über den Blues und die Wurzeln des Rock’n’Roll und das hier klang irgendwie nicht richtig. Aber all diese musikalischen Unstimmigkeiten bewirkten, dass es dann doch auch wieder funktionierte. Außerdem fand ich, dass Syd eine magnetische Ausstrahlung hatte.“

Im Publikum befand sich auch die aufstrebende Schriftstellerin Jenny Fabian, die einen im Musikbusiness angesiedelten Roman mit dem Titel Groupie schreiben sollte, der 1969 veröffentlicht wurde. „Ich hatte gerade die Flucht vor meinem ersten Ehemann ergriffen und lebte nun am Powis Square“, erzählt sie heute. „Ich war stets auf der Suche nach etwas Außergewöhnlichem, und die Leute, die ich in die All Saints Hall gehen sah, erweckten meine Neugier. Die Musik fand ich auch interessant, die Typen auf der Bühne sahen nicht minder interessant aus und der Leadsänger sah sogar ein bisschen mehr als bloß interessant aus.“

 

Nachdem ihr Jenner und King „als zwei Privatschüler, die ich aus einem vergangenen Leben kannte“, aufgefallen waren, „erlaubte ich Andrew, mich zu verführen“, wie Jenny sagte, bevor sie sich mit dem wahren Objekt ihrer Begierde, Syd Barrett, befasste. Später sollte er nur sehr oberflächlich getarnt als Ben in ihrem Buch in Erscheinung treten, während seine Band dort Satin Odyssey hieß.

Syds magnetische Bühnenperformance während diesen frühen Gigs wurde durch eine exotisch anmutende Lightshow ergänzt, für die Joel und Toni Brown verantwortlich zeichnete. Das amerikanische Ehepaar, das aus Ashbury-Haight, dem Hippie-Bezirk San Franciscos, stammte, bediente sich eingefärbter Dias und eines Projektors, was sich markant von den üblichen Deckenscheinwerfen in den meisten Auftrittssälen abhob. Als die Browns in die USA zurückkehrten, machten sich Peter Jenner und seine Frau Sumi daran, aus einem halben Zoll dicken Regalbrettern, fixierten Scheinwerfern für den Hausgebrauch von Woolworth, Reißzwecken und Kunststoff-Gel eine Vorrichtung zu basteln, die ähnliche Resultate liefern sollte. Joe Gannon, ein 17-jähriger Amerikaner, der die Gigs in der All Saints Hall besucht hatte, wurde als erster Beleuchter der Band angeheuert.

Obwohl Jenners Beleuchtungsanlage im Vergleich mit dem heutigen Standard hoffnungslos primitiv gewirkt haben mag, verlieh sie Pink Floyd seinerzeit eine spezielle visuelle Komponente, die ihnen diesbezüglich auch einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz verschaffte. Außerdem gelang damit auch eine Art Vorstoß in jenen Bereich, den Jenner als „Medienmix-Welt“ bezeichnet. Die Bandmitglieder waren empfänglich für die Idee, schließlich hatten sie auch schon die musikalische Begleitung zu Mike Leonards Licht-und-Sound-Workshop am Hornsey College of Art beigesteuert. Im März traten sie außerdem auf dem Lumpenball der University of Essex vor auf die Bühne projizierten Filmaufnahmen auf, die ein im Rollstuhl sitzender Student, während er durch London geschoben wurde, gefilmt hatte.

Aufgrund ihrer avantgardistischen Lightshow und Bühnenprojektionen wurden die Konzerte in der All Saints Hall immer mehr zum beliebten Gesprächsthema, obwohl einer der ersten Auftritte so spärlich besucht war, dass Syd sich im Scherz erlaubte, eine Rede aus Hamlet für die wenigen Anwesenden zu rezitieren. „Es waren vielleicht 20 Leute bei unserem ersten Auftritt“, gesteht Roger Waters. „In der zweiten Woche waren es dann 100, als Nächstes vielleicht 300 oder 400. Und irgendwann kamen viele gar nicht mehr rein.“

In Übereinstimmung mit ihrer politisch links orientierten Einstellung, die auch ihr Management teilte, sollte die Band schon bald bei einem Oxfam-Benefizkonzert (gemeinsam mit den Komikern Peter Cook, Dudley Moore und Barry Humphries) sowie einer Show im Roundhouse in Camden, bei dem für die Unabhängigkeit Rhodesiens geworben wurde, auftreten. Da aber die Free School ihre finanziellen Schwierigkeiten nicht abschütteln konnte, ließ Hoppy nicht locker und machte mit großem Eifer auf sein Anliegen aufmerksam. Inspiriert von der New Yorker Village Voice unterbreitete Hopkins unter anderem Barry Miles (später nur mehr Miles) seine Idee, eine kostenlose Zeitschrift für die alternative Szene zu initiieren. Miles hatte schon die Indica Bookshop and Gallery eröffnet – El Dorados für die hippe Szene und fixe Anlaufpunkte zu Besuch weilender amerikanischer Beatniks. Auch war er mit Paul McCartney befreundet. Die Zeitschrift, International Times, wurde somit aus der Taufe gehoben, um – in den Worten von Miles – „London mit New York und Paris und Amsterdam zu verbinden … die Maler, Musikleute und Tanzleute zu vereinen …“

Am 15. Oktober 1966 richtete die International Times ihr Hauptquartier im Keller von Indica ein, was mit einer Party im Roundhouse – eine ehemalige Drehstation für Züge und Gin-Destillerie nahe der U-Bahn-Station Chalk Farm – gefeiert wurde. Hoppy und Miles verlangten zehn Shilling an der Tür und den Konzertbesuchern wurden Zuckerwürfel mit auf den Weg gegeben, die vielleicht oder vielleicht auch nicht mit LSD versetzt waren. (Tatsächlich enthielt keiner der Würfel LSD.) Drinnen, inmitten der verfallenen Ruine der vormaligen Destillerie, fanden sich 2000 Konzertbesucher ein, manche von ihnen tatsächlich auf LSD, während andere dies bloß von sich dachten. Sie alle trafen staunend auf die Minirock tragende Schauspielerin Monica Vitti, Marianne Faithful in bodenlangem Nonnengewand, Paul McCartney und Jane Asher, die als Araber verkleidet waren, sowie „trendige Leute, Beatniks, Saubermänner, Zuckerpüppchen und Höhlenmänner in Goldlamé“, wie das Magazin New Society später berichtete. The Pink Floyd Sound waren als Headliner gebucht und The Soft Machine, eine experimentell angehauchte Jazz-Rock-Formation, die an jenem Abend das Geräusch eines aufheulenden Motorradmotors in ihre Performance einbaute, fungierte als Vorgruppe. Vor Pink Floyds Auftritt kam es noch zu einem Unfall, bei dem Syd und Roadie Pip Carter angeblich eine ein Meter achtzig hohe Installation aus Götterspeise zerstörten – entweder indem sie den Van rückwärts in das Kunstwerk steuerten oder indem sie ein Holzbrett herauszogen, das die Konstruktion aufrechterhalten hatte.

„Ich erinnere mich an die Götterspeise“, lacht Jeff Dexter, der damals DJ in einem Londoner Club war. „Der Gig im Roundhouse war das erste Mal, dass ich The Pink Floyd sah. Ich war nicht übermäßig von ihrem Auftritt beeindruckt, aber ihre Leute waren der Hammer. Ich war fasziniert von ihrer kleinen Entourage – hauptsächlich Mädchen, die Syd umschwirrten.“

Die Floyds, in ihre besten Satin-Hemden gewandet und ausstaffiert mit Seidenschals, „tröteten und heulten und zwitscherten“, während ihre rudimentäre Lightshow und die Bildprojektionen das Ambiente um sie herum in psychedelische Farben tunkten.

„Ihre Musik war fast ausschließlich ein sehr lauter, psychedelischer Jam, der kaum einmal in irgendeiner Weise zur Intro-Musik passte, egal, ob das nun ‚Road Runner‘ oder ein anderer R&B-Klassiker war“, schrieb Miles im Jahr 2004. „Nach ungefähr 30 Minuten hörten sie auf, sahen sich kurz an – und spielten weiter, ziemlich genau von da, wo sie sich selbst unterbrochen hatten, nur dass sie zuerst noch ein neues Intro einspielen ließen.“

Ich denke, es war unser großes Glück, dass wir es nicht auf die Reihe bekamen, Covers zu spielen“, gibt Roger Waters zu. „So waren wir gezwungen, uns unsere eigene Ausrichtung und Herangehensweise zu überlegen.“ Richard Wright ergänzte: „Um die Gitarre und das Keyboard herum wurde alles etwas improvisierter. Roger fing auch an, den Bass wie ein Lead-Instrument einzusetzen.“

Es war egal, welche musikalischen Mängel die Gruppe hatte, Peter Jenner war begeistert vom Auftritt im Roundhouse. „Es herrschte ein so tolles Feeling an diesem Abend“, erinnert er sich. „Wir waren mit vielen Gleichgesinnten in Kontakt getreten – mit anderen Bands, anderen Leuten. Es war so in der Art von: ‚Wow, hier gehören wir hin.‘“ Wie Jenner selbst zugibt, wollten er und Andrew King die „gediegene“ Presse hofieren. Für sie ging es darum zu zeigen, dass „dies eine kulturelle Sache war, nicht nur Popmusik“.