Pink Floyd

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Dennis nahm an den Proben in Mike Leonards Haus teil und blieb für sechs Monate bei der Band, mit der er in dieser Zeit ungefähr ein Dutzend Gigs spielte, darunter etwa auch als Vorgruppe von Jeff Becks Band, The Tridents. „Bei vielen Bands fällt einem auf, dass es in der Gruppe jemanden gibt, der nur deshalb dabei sein darf, weil er mit den anderen befreundet ist – und zuerst dachte ich, dass dies auf Syd zutreffen würde. Er sang ein paar Nummern, zum Beispiel ‚No Money Down‘ von Chuck Berry, jedoch fehlte es ihm an Präsenz. Roger war der Anführer. Er war es auch, der mir sagte, was ich singen und welche Songs ich lernen sollte.“

Später sollte die Band behaupten, dass Dennis’ witzelnde Art, sich auf der Bühne zu artikulieren, zunehmend problematisch geworden sei. So habe er sich etwa selbst Abwandlungen der Songtitel, darunter auch „Smokestack Lightning“ von Howlin’ Wolf, einfallen lassen. Dennis sieht die Sache anders: „Sie hatten nicht gerade einen sonderlich ausgeprägten Sinn für Humor“, insistiert er. „Aber tatsächlich sind viele dieser alten Blues-Songs sehr witzig. Sie bestanden darauf, dass ich mir keine neuen Songtitel mehr einfallen lassen und dem Publikum nur die Originaltitel ansagen sollte. Ich meinte darauf: ‚Warum? Sie kennen die Songs ohnehin nicht.‘ Um ehrlich zu sein, ich denke nicht, dass das damalige Publikum bereit war für stampfenden Blues mit wunderlichen Texten.“

Es war auch während Chris Dennis’ Zeit bei der Band, dass sie sich Bandnamen zulegten, die Variationen ihres späteren Namens darstellten. Syd kombinierte dazu die beiden Namen zweier Blues-Musiker aus North Carolina, Pink Anderson und Floyd Council. Er hatte bereits seine beiden Katzen, Pink und Floyd, nach ihnen benannt. 1965 und Anfang 1966 firmierte die Gruppe nun unter Namen wie The Pink Floyd Blues Band, The Pink Floyd Sound und The Tea Set, auch T-Set geschrieben. Obwohl Chris Dennis felsenfest behauptet: „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir uns jemals The T-Set genannt hätten. Jedoch weiß ich noch, dass Syd zu einer Probe erschien und uns mitteilte, dass er sich einen Namen ausgedacht hätte – Pink Floyd. Zuerst gefiel mir der Name nicht. Später gewöhnte ich mich daran. Doch am Anfang erschien er mir einfach nicht passend.“

Es wird weithin angenommen, dass der erste Gig, den die Band unter irgendeiner Variation des Pink-Floyd-Namens bestritt, im Count Down in Palace Gate, Kensington, im Februar 1965 stattgefunden hat. Die Band absolvierte drei jeweils 90 Minuten lange Sets und erhielt dafür einen Hungerlohn von gerade einmal 15 Pfund. Um das Mysterium rund um den Namen der Gruppe noch nebulöser zu machen, behauptete ein Freund Syds von der Kunstschule in Cambridge, Richard Jacobs, dass Syd sich den Namen bereits 1963 ausgedacht hätte. „Ich weiß noch ganz genau, dass er in den Gemeinschaftsraum kam und mir erklärte, dass ihm ein Name für die Band, die er gründen wolle, eingefallen sei: Pink Floyd. Er verkündete mir das, als hätte er während der Mittagspause eine Art Epiphanie gehabt.“ 1967 hatte sich die Geschichte aber dahingehend verändert, dass Syd leichtgläubigen Interviewern weismachte, ihm wäre der Name von einer vorbeifliegenden Untertasse während einer Medi­tationssitzung an einer alten heiligen Stätte ins Hirn übertragen worden.

Und erneut standen der Band einschneidende Veränderungen bevor. Waters, der unglücklich über die parodistischen Titel war, die Chris Dennis sich für die Blues-Standards in ihrem Repertoire einfallen ließ, bestand darauf, dass Klose ihn feuern sollte. Noch bevor es dazu kam, teilte der Sänger der Band mit, dass die Luftstreitkräfte ihn nach Bahrain schicken würden. „Ich wäre ohnehin nicht mehr viel länger bei ihnen geblieben“, behauptet er. „Als ich aus Bahrain zurückkam, sah ich eine LP von Pink Floyd in den Läden stehen. Als ich sie mir reinzog, sprach sie mich überhaupt nicht an. Die Art Musik, die Syd später spielte, überraschte mich total.“

Nach Dennis’ Abschied fand sich Barrett bald schon widerwillig in der Rolle des Frontmanns wieder. Durch einen Kontakt von Richard Wright ergatterte die Band einen kostenlosen Termin in einem Aufnahmestudio in West Hampstead, um ein Demo aufzunehmen. Neben Slim Harpos „I’m A King Bee“ bannte die Gruppe die Barrett-Kompositionen „Butterfly“ und „Double O Bo“ (eine kaum verhüllte Hommage an Bo Diddley) und „Lucy Leave“ auf Tonband, wobei letzterer Song mit seinem schwerfälligen Stones-Groove nur wenig Aufschluss darüber gab, welch ausgefeilte Wortspiele und extravagante Musikalität die Zukunft noch bringen würde.

Allerdings war auch die musikalische Konkurrenz ziemlich respekteinflößend. „Ich weiß noch, wie ich The Who bei Top of the Pops sah, als sie ‚My Generation‘ spielten, und mir dachte: Ja, genau! Das ist es, was ich auch machen will“, erinnert sich Mason. „Das muss 1964 gewesen sein, aber ich hätte mir nicht zu träumen gewagt, dass dies mit dem, was wir machten, möglich sein würde.“ Chris Dennis sollte nicht der Einzige bleiben, auch Bob Klose verließ im Sommer 1965 die Band. „Bob war ein weitaus besserer Musiker als wir anderen“, erzählte Richard Wright. „Allerdings hatte er Prüfungsstress, weshalb er der Meinung war, sich intensiver seinen Pflichten zuzuwenden, wohingegen der Rest von uns nicht ganz so gewissenhaft bei der Sache war.“

„Bobs Eltern sagten jene fatalen Worte zu ihm: ‚Zuerst deine Prüfungen und dann kannst du spielen‘“, berichtet Libby Gausden.

„Ich fühlte mich verloren und musste die Lage wieder in den Griff bekommen“, sagt Klose heute. „Syd hatte gerade damit begonnen, seine eigenen Songs zu schreiben. Damals dachte man sich noch: ‚Ach, Syd hat also einen Song geschrieben.‘ Erst später war ich in der Lage, die Originalität dahinter zu erkennen. Roger breitete diese fantastischen Konzepte vor uns aus – und später setzte er sie tatsächlich um. Der Umfang seiner visionären Vorstellungskraft war tatsächlich außergewöhnlich. Aber die Musik, die wir gespielt hatten, hatte sich daran orientiert, dass ich ein recht beschlagener Gitarrist war und ständig über das Griffbrett flitzte. Syds Songwriting ermöglichte es ihnen nun, die R&B-Covers aufzugeben und sich in eine ganz individuelle Richtung zu entwickeln.“

„Es war ein grober Einschnitt, als Bob die Band verließ, der uns auf einen komplett anderen Weg brachte“, sagt Mason. „Syd und Roger hörten John Mayall und Alexis Korner, aber irgendwann entdeckte Syd das Songschreiben für sich und seine Songs waren eben ganz anders.“

„Bob Klose war jemand, der eine große Bandbreite von Blues-Gitarrenläufen in seinem Kopf hatte“, erklärt Waters. „Als er ausstieg, hatten wir niemanden mehr, der so gut über den Blues Bescheid wusste, weshalb wir anfangen mussten, etwas anderes zu versuchen. Syd übernahm die Leadgitarre und ich bin mir sicher, dass die Geräusche, die Pete Townshend in jenen Tagen fabrizierte, all dieses Gejaule und das ganze Feedback, ihn dabei beeinflussten. Also begannen wir, den Blues zugunsten von seltsamen Geräuschen hinter uns zu lassen.“

Später wurde behauptet, dass Klose keine Freude mit der zunehmend psychedelischen Ausrichtung der Band gehabt hätte. „Das kann man so nicht sagen“, widerspricht er. „Auch dass Syd und die anderen Floyds von Drogen besessene Chaoten gewesen sind, ist nichts als blanker Unsinn. Syd musste nicht stoned sein, um seine Musik zu spielen.“

In den Sommerferien verschlug es Barrett zurück nach Cambridge, wo er mit seinen alten Freunden Kontakt aufnahm. Zwar waren die Floyds nicht „von Drogen besessen“, doch entlang des River Cam hatte eine neue Obsession begonnen sich auszubreiten, und zwar Lysergsäurediäthylamid – kurz: LSD –, jenes damals noch legale Halluzinogen, als dessen größter Advokat der amerikanische Autor und Psychologe Dr. Timothy Leary in Erscheinung trat. Der Mitautor von Psychedelische Erfahrungen, das 1964 veröffentlicht wurde, pries die Vorzüge dieser Droge als „Reise in neue Bereiche des Bewusstseins“.

Im Jahr 1965 hatten so manche in Pink Floyds Bekannten- und Freundeskreis gekifft und einem dieser Leute war es gelungen, an ein Abonnement für eine medizinische Zeitschrift zu gelangen, das der breiten Öffentlichkeit üblicherweise nicht zugänglich war und wo alle legal erhältlichen Pharma-Produkte und ihre Effekte, wenn sie in rauen Mengen konsumiert wurden, aufgelistet und beschrieben wurden. Die genauen Umstände des LSD-Aufkommens in Cambridge in den Sixties ist immer noch Gegenstand von Spekulationen. Anthony Stern hatte LSD zum ersten Mal 1963 gemeinsam mit einem Bekannten genommen, der zum Studieren in Cambridge war und die Droge über einen Kontakt in den USA bezogen hatte. „Er saß mit mir in unserem Haus in der Fisher Street und bereitete mich auf das vor, was nun folgen sollte, und, Junge, als es erst mal passierte … Cambridge ist ein wunderbarer Ort, um LSD zu nehmen, da es hier solche Unmengen an faszinierenden Lokalitäten gibt, die man aufsuchen kann. Wir spazierten etwa durch das Fitzwilliam Museum und starrten die Ausstellungsstücke an. Viele LSD-Trips fanden ihren Höhepunkt in einem Abstecher in die Kapelle des King’s College, wo es eine außergewöhnliche mittelalterliche Decke gab.“

„Damals lasen wir alle über Timothy Leary und den Aufstieg dieser Wunderdroge. Alle fragten wir uns, wie wir sie in die Hände bekommen könnten“, ergänzt David Gale. „Ohne große Anstrengungen unternehmen zu müssen, nahmen sie die Leute aus London mit. In der Regel in der Form von Trips zu je 500 Mikrogramm, was damals ziemliche Hämmer waren.“

Ein britischer Wissenschaftler namens Michael Hollingshead hatte 1961 Timothy Learys Interesse an der Droge geweckt. Vier Jahre später eröffnete Hollingshead das World Psychedelic Centre in einer gediegenen Wohnung in Mayfair, in der sich schon bald alte Absolventen der noblen Privatschule Eton sowie der Universitäten Oxford und Cambridge und gut vernetzte Musiker und Dichter – etwa Paul McCartney und William Burroughs – einfanden, um die Vorzüge der neuen Droge zu diskutieren. Durch Hollingshead kam auch Nigel Lesmoir-Gordon, der nun an der London School of Film Technique studierte, zu seinem ersten Trip. „Ich versuchte LSD zum ersten Mal im März 1965“, erinnert er sich. „Mein erster Trip war absolut abscheulich, mein zweiter schon viel besser. Im Anschluss daran begann ich, es an andere Leute zu verticken. Ich war richtig missionarisch, was das betraf – ich verlangte bloß einen Pfund und machte nicht sehr viel Geld damit.“

 

Bald schon wurde entdeckt, dass die Samen der Himmelblauen Trich­terwinde eine natürliche Form des Halluzinogens enthielten. Man musste sie nur in einer ausreichenden Dosis zu sich nehmen und zu einem Brei zerkauen. Wie Floristen aus der Gegend um Cambridge berichteten, kam es daraufhin zu einem Anstieg in der Nachfrage nach den Samen der Blume, obwohl die Sache auch ihre Nachteile hatte, wie Emo erklären kann: „Man musste erst einmal zwei Stunden lang die übelsten Magenkrämpfe und massive Übelkeit überstehen, bevor der Trip schließlich losging.“

In jenem Sommer verabschiedeten sich David Gales Eltern für ganze sechs Monate nach Australien, womit das Haus der Familie zur Verfügung stand. Unter jenen, die das voll für sich ausnützten, war auch Emo, der inzwischen „zum Arbeiterklasse-Hofnarren einer Gruppe, die vorrangig aus Mittelklasse-Kiffern bestand, avanciert war“, wie es David Gale ausdrückt. Emo nahm einfach ein Zimmer im Haus seines Freundes in Beschlag. „Er ging“, so berichtet David Gale, „ins Mill, riss sich ein Mädchen auf, nahm sie mit, um sie zu bumsen, und zog dann von neuem los, um noch eins aufzureißen.“

Eines Nachmittags versammelten sich Emo, Barrett, Storm Thorgerson sowie ihr Freund Paul Charrier im Garten der Familie Gale. Emo ist davon überzeugt, dass bei dieser Gelegenheit sowohl er als auch Syd die Samen der Himmelblauen Trichterwinde konsumierten. David Gale glaubt, dass ein paar von ihnen auf Liquid – in Flüssigkeit gelöstes LSD, das sie auf Zuckerwürfel träufelten – waren. Bei einem vorangegangenen Experiment hatte Emo bemerkt, dass LSD auch über die Haut absorbiert werden kann, als er mit den durchtränkten Zuckerwürfeln hantierte und dies zu „einem stundenlangen Durcheinander“ führte: „Wir hatten keine Ahnung, welche Würfel nun einen Trip auslösen würden und welche nicht.“

Was auch immer er an diesem Tag einwarf, Barretts Vorstellungsvermögen war ganz gefesselt von einer Streichholzschachtel, einer Pflaume und einer Orange. Er fand diese Dinge in David Gales Küche und verbrachte die folgenden Stunden damit, sie zu analysieren, bis – und dabei kommt es auf den jeweiligen Erzähler der Geschichte an – entweder Charrier die Früchte zerstampfte oder aber Emo sie aufaß. „Das war auch, als Paul und Syd gemeinsam ins Haus gingen und in David Gales Badezimmer auf und ab sprangen und schrien: ‚Keine Regeln! Keine Regeln!‘“, erinnert sich Emo. „Es war immer Syds Ding, sich von Regeln befreien zu wollen. Er dachte, dass es keine Regeln mehr für ihn geben würde, wenn er sich einer Band anschlösse und erfolgreich wäre. Aber sobald ihm genau dies gelungen war, erschien es ihm so, als wäre es nicht anders als alles andere – das trug vermutlich dazu bei, dass er so verkorkst wurde.“

Inzwischen schien die in der Regel in der Schwebe hängende Beziehung zwischen Libby und Syd endgültig am Ende zu sein, obwohl die beiden Freunde blieben. Sie fing darauf an, sich mit Pablo Picassos Sohn Claude zu verabreden. „Er liebte Syd und schlug oft vor, ihm sonntags einen Besuch abzustatten“, erklärt Libby. Auch begab sie sich in diesem Sommer nach Deutschland, um ein paar Kurse zu belegen.

Barrett verschlug es hingegen weiterhin an den Wochenenden nach Cambridge. Seine Heimatstadt bot immer noch reichlich interessante Ablenkungen, was schließlich auch in London nicht unbemerkt blieb. „Ich habe nie in meinem Leben Acid angerührt, weil es mir eine Heidenangst eingejagt hat“, erklärt Seamus O’Connell. „Ich erinnere mich daran, als wir in der Tottenham Street lebten, dass Syd aus Cambridge zurückkam, wo er das Wochenende verbracht hatte. Dort hatte er im Arts Theatre mit einem seiner Kumpels irgendeine sonderbare Drogenerfahrung gemacht. Als er nach London zurückkehrte, sah eines seiner Augen irgendwie tot aus. Er hatte eigentlich sehr lebendige Augen, richtig hell, aber eines wirkte nun, na ja, beeinträchtigt. Wir alle sprachen ihn darauf an, woraufhin er mit einer fantasievollen Erklärung dafür aufwartete.“

Nachdem Libby sich verabschiedet hatte, begann Syd, sich im selben Sommer mit einer anderen ehemaligen Schülerin der Ely Grammar School for Girls namens Lindsay Corner zu treffen. Ihr Vater war ein Freund von Dr. Barrett gewesen. Ihr gemeinsamer Freund Po hatte das Paar im Dorothy Ballroom einander vorgestellt. Lindsay war auch Syds „bewusstseinserweiternden Abenteuern“ gegenüber positiver eingestellt. Damals filmte Nigel Lesmoir-Gordon Syd, wie er angeblich auf Magic Mushrooms war. Nigel hatte sich eine 8-mm-Filmkamera von der Universität ausgeliehen und war zusammen mit seiner Frau Jenny, Syd, Roger Waters’ Freund Andrew Rawlinson, dessen Freundin Lucy Pryor, David Gale und dem zukünftigen Beleuchter bei Pink Floyd namens Russell Page in einen aufgelassenen Steinbruch in die Gog Magog Hills bei Cambridge gefahren. Die Aufnahmen sind körnig und die Kameraeinstellungen teilweise wackelig, aber ein überraschend adrett aussehender Barrett in weißem Hemd und blauem Regenmantel kann darauf beobachtet werden, wie er im einen Moment geradlinig durch den Steinbruch zieht, während er im nächsten wiederum in einen Zustand stiller Einkehr verfällt. Später sieht man ihn, wie er das Blatt einer Pflanze inspiziert, die Kamera stumm anschreit und – offenbar ein wenig befangen – Pilze über seinen Augenhöhlen und seinem Mund platziert. Der Film endet mit Aufnahmen von einem Lagerfeuer im Steinbruch und ein paar verwackelten Einstellungen, die Syds Mitverschwörer in Szene setzen. Dem inzwischen weithin als Bootleg verbreiteten und im Internet frei verfügbaren Film wurde später der irreführende Titel Syd’s First Trip verpasst.

„Wir alberten bloß mit der Kamera herum“, sagt David Gale. „Dieser Film hat sicher einen nostalgischen Charme. Allerdings entstand er ganz spontan, während wir drehten. Es war ganz sicher nicht das erste Mal, dass Syd auf LSD war, und ich bin auch davon überzeugt, dass damals im Garten meiner Eltern nicht das erste Mal gewesen war. Zwar hat diese Legende ihr Eigenleben angenommen, aber ich halte es für möglich, dass er es schon vorher einmal in London genommen hatte. Es würde mich jedenfalls nicht überraschen.“

Auch David Gilmour sollte in diesem Jahr LSD ausprobieren. „Viele Leute experimentierten damit, um ihr Bewusstsein zu erweitern“, erklärt er. „Die Absicht dahinter war, eine sowohl religiöse als auch wissenschaftliche Erfahrung zu machen, was mich ebenso ansprach. Ich bin Atheist und fing anschließend nicht schlagartig an, an Gott zu glauben, aber es hieß, dass man dadurch Zugang zu Bereichen seines Gehirns erlangte, die einem normalerweise verschlossen blieben. Als ich es die ersten paar Male nahm, empfand ich die Erfahrung tatsächlich als sehr tiefschürfend.“

Für manch einen aus dem Cambridge-Zirkel hielt LSD eine quasi­religiöse Erfahrung bereit. „Jeder schien damals ganz aufgeregt zu sein“, erinnert sich Jenny Lesmoir-Gordon. „Es waren einige sehr charismatische Persönlichkeiten unterwegs, nicht nur Syd, sondern auch Leute wie Andrew Rawlinson und Paul Charrier. Syd war nur einer von mehreren.“

Es war schließlich Charrier, der einen plötzlichen, dramatischen Riss im Gefüge der Gruppe verursachen sollte – einen Riss, der sich auch signifikant auf Barrett auswirken würde. „Paul war ein dynamischer, bombastischer, fetter, liebenswerter Kerl“, erzählt David Gale. „Allerdings passierte etwas mit ihm, als er im Garten meiner Eltern auf LSD war. Er verschwand auf die Toilette, fand dort ein Buch mit dem Titel Yoga and the Bible und während er dort kackte, hatte er die Offenbarung, dass dieses Buch der Schlüssel zu allem wäre. Er kam aus dem Klo und verkündete, dass er sich nach Indien begeben würde, um diesen Guru zu finden. Wir dachten, dass bloß das LSD aus ihm sprechen würde, aber es veränderte sein ganzes Leben. Innerhalb weniger Wochen brach er nach Delhi auf. Nach weiteren sechs Wochen kehrte er wieder zurück, war in dieses Guru-Outfit gehüllt und mit einer Reihe von spirituellen Aufgaben betraut worden. Er ließ sich die Haare schneiden, kaufte sich einen Anzug von der Stange, sah infolge deprimierend normal aus und fing an, wie ein Verrückter Leute zu bekehren. Irgendwann konvertierten schließlich Andrew Rawlinson, Ponji Robinson und andere Schlüsselfiguren und verpissten sich ebenso nach Delhi. Dann kamen sie alle zurück, missionierten und überzeugten viele weitere Leute, es ihnen gleichzutun. Doch die andere Hälfte von uns – Storm, Seamus, ich – sagten: ‚Das ist Bockmist!‘“

Die Sant-Mat-Sekte, die Charrier und Freunde so verzückte, war ein Ableger der Sikh-Religion und ließ sich bis ins Indien des 13. Jahrhunderts zurückverfolgen. Der betreffende Guru hieß Maharaj Charan Singh, der von seinen Anhängern als „Meister“ tituliert wurde, die wiederum als „Sat­sangi“ bezeichnet wurden. Der Love-and-Peace-Ethos von Sant Mat passte perfekt zur damaligen Zeit. Es herrschten vier zentrale Prinzipien: sexuelle Abstinenz außerhalb der Ehe, eine strikt vegetarische Ernährungsweise, keine Drogen oder Alkohol sowie die allgemeine Anordnung, ein moralisch vertretbares Leben zu führen. Von allen Jüngern wurde darüber hinaus erwartet, mindestens zwei Stunden am Tag zu meditieren. Im Verlauf der nächsten zwölf Monate sollten sich zahlreiche Mitglieder des Cambridger Bekanntenkreises zu Sant Mat hingezogen fühlen.

„Wir hatten uns mittels LSD so weit in uns selbst vorgewagt, dass wir nun die Reise ohne Drogen fortsetzen wollten“, erklärt Emo. „Paul Charrier haute ab nach Indien und als er zurückkehrte, um uns vom Meister zu berichten, war er absolut unwiderstehlich. Als Nächstes fuhr Ponji nach Indien und als er wiederkehrte, hielt er ein Sit-in in Nigel Lesmoir-Gordons Londoner Zimmer ab, wo er uns von seinen Erfahrungen erzählte. Dave Gilmour war auch anwesend und sagte, dass er, wenn er genug Geld hätte, auf der Stelle ein Flugzeug besteigen würde, um dorthin zu fliegen. Syd wollte ebenso diesem Pfad folgen.“

„Syd dürfte das Buch auf Drängen von Paul Charrier gelesen haben“, glaubt David Gale. „Paul war unerträglich penetrant: ‚Dieser Guru ist Gott. Worauf warten wir noch?‘ Storm zufolge war Syd ziemlich beeindruckt und wollte den Meister selbst kennenlernen. Dieser besuchte ab und an London, um seine hiesigen Anhänger zu treffen. Diese waren schon lange hier ansässig und am Anfang der Kolonialära hierher immigriert. Der Meister stieg also in einem Bloomsbury-Hotel ab und hielt eine Audienz. Er war ein recht netter Kerl, über 60, mit Bart und Turban. Und auch Syd traf den Meister, um herauszufinden, ob er eingeführt werden könne. Dieser erteilte ihm jedoch eine Absage und erklärte ihm, dass er noch nicht bereit sei. Sah der Meister irgendetwas in Syd, das uns verborgen blieb? Storm glaubt, dass es Syd ziemlich aufgeregt habe, als spirituell noch nicht bereit eingestuft zu werden.“

„Bis zu einem gewissen Grad dürfte dies ein Problem dargestellt haben“, sagt Storm Thorgerson. „Rückblickend stellt man sich alle möglichen Fragen zu Syds fragiler Persönlichkeit. Syd hatte einen sehr sprunghaften Charakter. Er neigte dazu, sich mit großer Begeisterung auf Dinge zu stürzen, bevor er sich dann wieder von ihnen abwandte.“

Zwar mag der Weg, den seine Kameraden einschlugen, Barrett und Gilmour fasziniert haben, doch ihre zukünftigen Bandkollegen bei Pink Floyd waren weit weniger davon begeistert. Roger Waters etwa, der sich immer noch eher an der Peripherie der Hipster-Gruppe aufhielt, konnte sich weder für LSD noch für indischen Mystizismus erwärmen. Andrew Rawlinson erinnert sich an ihn als „einen überzeugten Atheisten, der überhaupt kein Interesse für dies alles zeigte“.

Egal welche spirituellen Nackenschläge Syd in diesem Jahr auch hinnehmen musste, das Jahr 1965 brachte ihn auch wieder in Kontakt mit David Gilmour. Im Sommer, während Jokers Wild eine Pause einlegten, war Gilmour durch Frankreich getrampt, um Freunde in der Nähe von St. Tropez zu besuchen. Syd und eine Abordnung aus Cambridge kreuzten in einem Land Rover auf und bezogen auf einem nahegelegenen Campingplatz Quartier. Während ihres zweiwöchigen Aufenthalts betranken sich Barrett und Gilmour, vergnügten sich, spielten gemeinsam Gitarre und wurden beim Musizieren auf der Straße festgenommen.

 

Im Oktober sollten sich ihre Wege erneut kreuzen, als Jokers Wild und The Tea Set bei der Party anlässlich des 21. Geburtstags von Storm Thorgersons Freundin Libby January und ihrer Zwillingsschwester Rosie in einem Landhaus in Great Shelford auftraten. Bei dieser Feier, die ihr Vater Douglas January, ein prominenter lokaler Immobilienmakler, arrangiert hatte, spielten die Bands auf zwei Bühnen, die an zwei gegenüberliegenden Enden eines Festzelts errichtet worden waren. Außerdem sollte an diesem Abend auch noch ein relativ unbekannter amerikanischer Singer-Songwriter spielen: Paul Simon.

„Paul Simon sang im Wohnzimmer“, erinnert sich Willie Wilson, der Clive Welham am Schlagzeug abgelöst hatte. „Keiner wusste, wer er war. Außerdem war er richtig nervig. Er kam an und fragte, ob er mit uns spielen dürfte. Wir sagten: ‚Du bist ein akustischer Folk-Sänger und wir sind eine Rock’n’Roll-Band.‘ Er meinte, dass er ‚Johnny B. Goode‘ spielen könne. Daraufhin ließen wir ihn auf die Bühne kommen, damit er sich austoben konnte.“

Es wurde ohne Unterlass gekifft und die Partygäste spalteten sich schließlich in zwei Lager. „Da waren all jene, die eher wohlhabend waren, am einen Ende des Zeltes, während wir anderen am anderen Ende abhingen“, erzählt Emo. „Dann versuchte Syd diesen Trick mit dem Tischtuch, das er ruckartig unter den Gläsern herauszog. So viele teure Gläser hat man nur selten zu Bruch gehen gesehen.“

Emos Kumpel Pip Carter gesellte sich schließlich zu Jokers Wild auf die Bühne, um sie an den Bongos zu begleiten. Da er nicht außen vor bleiben wollte, folgte Emo seinem Beispiel. „Ich stieg zu The Tea Set auf die Bühne und sang einen Song von Bo Diddley. Allerdings kannte ich den Text nicht, also sang ich einfach Syd hinterher – bis ich schließlich betrunken von der Bühne kippte. Als ich wieder zu mir kam, stand Mr. January über mir.“

„Das war der Abend, an dem ich begriff, dass sich alles veränderte“, stellt John Davies klar. „Ich erinnere mich daran, dass ich sehr stoned war, aber gleichzeitig war ich mir auch absolut bewusst, dass wir uns von nun an alle auf unsere persönlichen Reisen begeben würden. Ich bin mir nicht sicher, ob wir wirklich eine so einzigartige Gruppe waren, aber manchmal fühlte es sich so an, als ob wir bis 1967 warten mussten, bis der Rest der Welt uns wieder eingeholt hatte.“

Während sich die hippen Cambridge-Jungs auf ihre jeweiligen persönlichen Reisen begaben, sollten Barrett und Waters weitere zweieinhalb Jahre warten müssen, bis sich ihre und Gilmours Wege wieder kreuzen sollten. Vier Jahre später sollte das Landhaus der Januarys erneut eine Rolle in der Story Pink Floyds spielen, als dessen Rasen und Verandatüren auf dem Cover ihres Albums Ummagumma zu sehen waren. Was zu jenem Zeitpunkt damals aber noch wirklich niemand wissen konnte, war, dass Pink Floyds charismatischer wie verführerischer Frontmann dereinst von einem seiner besten Freunde ersetzt werden sollte.