Pink Floyd

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Als die Band nur mit ihren Gitarren in den USA eintraf, stand sie vor zwei massiven Problemen. Ihr US-Label Capitol („das nicht die geringste Ahnung von uns und unserer Musik hatte“, wie Peter Jenner betont) hatte verabsäumt, Instrumente bereitzustellen, weshalb die Band sich gezwungen sah, die örtlichen Musikläden abzuklappern, um sich Equipment auszuborgen. Als die Floyds schließlich im 5500 Besucher fassenden Winterland Auditorium ankamen, wo sie vor Janis Joplin und Richie Havens auftreten sollten, realisierte King, dass ihre hausgemachte Beleuchtungsanlage „absolut unnütz“ sei und „sich eher für eine Aufführung an der Grundschule“ eigne. Großzügigerweise erlaubten ihnen die Headliner, ihre Beleuchtung zu benützen.

In Großbritannien wurde die Musikszene an der amerikanischen Westküste auf romantische Weise als Gegenstück zur Musik-Clique der Londoner Underground-Szene verklärt. Im Windschatten der Beatles brachte die amerikanische Presse wiederum jeder britischen Band, die nach Amerika einreiste, großes Interesse entgegen. Der gerade erst gegründete Rolling Stone entsandte den Fotografen Baron Wolman nach Sausalito, wo Pink Floyd untergebracht waren. Die Band setzte sich bereitwillig vor seiner Kamera in Szene. „Sie waren offensichtlich hocherfreut, in San Francisco zu sein“, erinnert sich Wolman. „Syd schnappte sich ein paar Zuckerwürfel und steckte sie sich in den Mund – eine offenkundige Anspielung auf seine Vorliebe für LSD und eine der populäreren Methoden, sich die Droge zuzuführen.“

Allerdings gab Waters später zu bedenken, dass viele der prominenten Bands von der Westküste im Grunde genommen im Country und im Blues verwurzelt waren. Sie jammten und kifften zwar gerne und ausgiebig, waren in Bezug auf ihren Sound und ihre Einflüsse jedoch überraschend konservativ. Pink Floyds atemberaubender Mix aus Jazz, Beat-Pop und elektronischen Experimenten hatte so gar nichts mit Janis Joplin gemein. Der Kontrast zwischen den beiden Acts fiel auch der Musikpresse auf. Der Star-Kritiker Ralph Gleason vom Rolling Stone schrieb etwa: „An der Westküste haben wir zuletzt The Cream, The Who, Procol Harum, Jimi Hendrix und Pink Floyd gesehen. Drei dieser Acts sind Gewinner. Die anderen beiden bringen’s einfach nicht. Live wirken Pink Floyd – trotz all ihrer elektronischen Vorlieben – schlicht langweilig, wenn sie nach Big Brother und Janis Joplin auf die Bühne eines Tanzsaales müssen.“

Die Band fand, dass sie im Rahmen ihrer kleineren Club-Konzerte, bei denen sie ihre eigene Beleuchtung verwenden konnte, besser ankam – zumindest gelegentlich. Bevor sie von London losflogen, ließ sich Syd bei Vidal Sassoon noch die Haare machen, jedoch fand er keinen Gefallen an der daraus resultierenden Lockenpracht. Auch der Beleuchtungstechniker Peter Wynne-Willson ließ sich seine Haare einkräuseln. „Syd, ich und ein paar andere gingen in London zu Vidal Sassoon, um uns Dauerwellen machen zu lassen. Ich frage mich, ob Syd vielleicht eine allergische Reaktion auf seine neue Frisur hatte. Ich erinnere mich genau daran, dass bald darauf das blanke Entsetzen aus seinen Augen zu sprechen schien.“ Bevor er im Cheetah Club in Santa Monica auf die Bühne ging – so wird zumindest berichtet –, schmierte sich Barrett wütend den Inhalt eines Fässchens Pomade über die Haare und zerbröselte anschließend noch eine Handvoll Barbiturate darin. Wynne-Willson kann sich allerdings nicht daran erinnern. Ganz im Sinne großer Rock-Mythen und Legenden behaupten andere aber felsenfest, etwa auch Sam Hutt, dass Syd diese Nummer zuvor auch schon im UFO abgezogen hatte. („Ich erinnere mich daran, wie beeindruckt ich war. Ich dachte mir, dass dies ein Mann sei, der den Finger am Puls der Zeit hatte.“) Nick Mason hingegen erinnert sich nur daran, dass Syd sich zwar das Haarpflegeprodukt in die Frisur schmierte, aber keine Drogen. Als er einmal auf die Wahrscheinlichkeit dieser Geschichte angesprochen wurde, meinte David Gilmour augenzwinkernd: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Syd die guten Barbiturate verschwendet hätte.“

Als er erst einmal auf der Bühne stand, soll Barrett zunächst seine Gitarre absichtlich verstimmt haben, was in weiterer Folge dazu führte, dass sich Roger Waters in die Hand schnitt, als er wutentbrannt auf seinen Bass einschlug.

The Nazz, die Stammgäste im Cheetah Club waren, sprachen die Band nach der Show an. „Pink Floyd war in Los Angeles das Geld ausgegangen, weshalb sie schließlich ein paar Nächte lang bei uns wohnten“, behauptet Alice Cooper. „Wir hatten nämlich eine Bleibe in der Beet­hoven Street in Venice. Ich weiß noch, wie ich eines Morgens aufstand: Syd saß da und starrte eine Packung Cornflakes an – so wie ich und du vielleicht einen Fernseher anglotzen würden. Es war offensichtlich, dass bereits etwas ganz und gar im Argen lag.“

„Ich glaube nicht, dass uns das Geld ausgegangen ist“, widerspricht Andrew King. „Aber wir fühlten uns irgendwie einsam und entmutigt. The Nazz luden uns zu sich ein, um ein wenig Pot zu rauchen. Sie waren unglaublich freundlich zu uns, als wir das echt nötig hatten. Wir sahen ihnen auch zu, als sie in diesem Club auftraten und sie den Laden leerfegten.“

Auch abseits der Bühne war Syd eine große Belastung. So war er gegenüber Repräsentanten seiner amerikanischen Plattenfirma unkommunikativ und gab nur sehr knappe Antworten, als er von Dick Clark für die populäre TV-Show American Bandstand interviewt wurde. Vielsagenderweise bewegte Syd während der Playback-Darbietung des neuen Pink-Floyd-Songs „Apples and Oranges“ kaum die Lippen unter seiner Vogelnest-Frisur, weshalb die Regie öfters einen entnervten Roger Waters sowie den unerschütterlichen Nick Mason zeigte. Immerhin war dies schon eine Verbesserung im Vergleich zum Tag zuvor, als Syd in der Show von Pat Boone ihn kalt angestarrt und auf die Frage „Was gefällt dir?“ mit einem einzigen Wort geantwortet hatte: „Amerika“.

Niemand kann genau sagen, ob Syd während seines Aufenthalts in den USA Acid nahm oder nicht (die meisten gehen nicht davon aus), aber dafür spielten andere Rauschmittel eine umso größere Rolle. „Als wir in den USA waren, stieg unser Dope-Konsum merklich an“, berichtet Peter Wynne-Willson. „In Kalifornien gab es überall Gras. Es war sehr stark und ganz anders, weil es stets ohne Tabak geraucht wurde. Die ganzen puren Gras-Joints in den Vereinigten Staaten könnten der Tropfen gewesen sein, der den Brunnen überlaufen ließ … Zwei junge Frauen nahmen Syd und mich mit in eine hügelige Gegend. Auf einen Berg. Ich kann dieses Haus gar nicht als Refugium bezeichnen, weil es dafür einfach zu phänomenal und schön war. Die beiden drängten uns Unmengen von Dope auf, was kein großes Problem für mich war, da ich ja nur die Lichter bedienen musste. Für Syd hingegen schon. Soweit ich mich erinnere, war es das erste Mal, dass Syd auf der Bühne stand und nicht mehr Gitarre spielen konnte.“

Trotz der Unberechenbarkeit ihres Sängers, hatte die Tour für die anderen aber auch ein paar angenehme Ablenkungen zu bieten. So machten sich Waters und Mason mit Southern Comfort vertraut, wobei ihnen Janis Joplin behilflich war. Andere Mitglieder der Tour-Karawane wiederum erfreuten sich am Überangebot williger weiblicher Fans, als man in einem Groupie-freundlichen Motel am Santa Monica Boulevard abstieg. Ein Augenzeuge berichtet, dass sich mehrere Individuen nach ihrer Rückkehr nach Großbritannien wegen Geschlechtskrankheiten im Middlesex Hospital behandeln lassen mussten.

Da sich der Sänger der Gruppe offenbar im freien Fall befand, sagte Andrew King schließlich die Konzerte an der Ostküste ab, woraufhin die deprimierte Reisegesellschaft nach England zurückflog. „Es gab eine Menge gemischter Gefühle“, erinnert sich King. „Wir alle unterhielten uns oft mit Syd.“ Waters verlangte gar, dass Barrett sofort gefeuert werden sollte. Zuerst legte die Band aber noch einen Zwischenstopp in den Niederlanden ein, um bei einem Festival aufzutreten. Vor Ort versuchte die Band mit Syd mittels handschriftlicher Notizen zu kommunizieren. King zog schlussendlich in Erwägung, dass „wir alle verrückt waren und Syd der geistig Gesunde“.

„Ich erhielt nie eine zusammenhängende Erzählung darüber, was in Amerika vorgefallen war“, behauptet Peter Jenner. „Jedoch erinnere ich mich, dass Andrew ganz verstört zurückkehrte … Das Problem ist, dass ich wahrscheinlich an Syds Verhalten gar nicht viel auszusetzen gehabt hätte. Es war avantgardistisch und ich fand Avantgarde cool.“

Für ein paar ließ sich der interne Bruch auch daran festmachen, wer Dope rauchte und wer nicht. Waters’ Tatkraft und Beharrlichkeit wurden als „uncool“ angesehen. „Ziemlich lächerlich, wenn man jetzt so darüber nachdenkt“, verrät jemand aus dem Umfeld der Band, „aber entsprechend der damaligen Hippie-Denkweise waren wir alle dieser Ansicht.“

Laut Libby Gausden gab es noch einen weniger sichtbaren Bruch zwischen Syd und seinen Bandkollegen. Im Oktober besuchte Syd, der frisch zurück von der US-Tour war, Libby in ihrem neuen Job als Übersetzerin an der Universität. Außerdem würde sie schon bald heiraten. „Syd erklärte mir, dass alle anderen in der Band sehr vernünftig wären und sich von dem Geld, das sie mit der Tour verdient hatten, Wohnungen kaufen wollten. Er hingegen hatte jeden einzelnen Penny für ein knallrosa Auto ausgegeben, das er sich nun per Schiff liefern ließ. Er krümmte sich deswegen vor Lachen. Er war der Ansicht, dass Popmusik Spaß machen sollte und er alles ausgeben müsste.“ Libbys Boss erschien ebenso in ihrem Büro und sah Barrett. Er hatte keine Ahnung, wer Syd war, wusste aber von Libbys Hochzeitsplänen, weshalb er sie beiseitenahm und ihr einen Rat gab. „Er sagte: ‚Lassen Sie sich von dem nicht in Versuchung führen. Der wirkt sehr sonderbar.‘“

In Jenners Augen eskalierte das „Syd-Problem“, wie Waters die Sache inzwischen nannte, als die Band ihre nächsten Konzerte absolvieren sollte. Nur knapp 24 Stunden nach ihrer Rückkehr aus den USA sollten Pink Floyd in der Royal Albert Hall vor Jimi Hendrix auftreten, dessen Tour-Auftakt dieser Gig war. Auch der Rest des Programms konnte sich sehen lassen: Amen Corner, The Move und The Nice. Jeder Band war die exakte Minutenanzahl, die ihr Set dauern durfte, vorab mitgeteilt worden, wobei damals viele Konzert-Locations sowohl eine Matinee als auch eine Abendvorstellung verlangten. Während Hendrix alleine unterwegs war, reisten die Vorgruppen mit einem Bus. Der Treffpunkt war das Planetarium in der Baker Street. „All diese Bands in einem Bus. Es erinnerte sehr an Summer Holiday, den Film mit Cliff Richard“, erzählt Nick Mason. Doch Andy Fairweather-Low, damals als Teenager Sänger bei Amen Corner, erinnert sich an die Floyds als „unsoziale Lümmel, die mit niemandem ein Wort wechselten“. Später sollte Fairweather-Low Gitarrist in Roger Waters’ Solo-Band werden, obwohl es während dieser Tour mit Hendrix zu einer Auseinandersetzung zwischen Waters und seinem Manager gekommen war. Nick Mason verbindet die Shows mit Hendrix sowohl mit guten als auch schlechten Erfahrungen. „Vor dieser Tour führten wir als Band eine sehr eigenbrötlerische Existenz“, erinnert er sich. „Das lag in erster Linie an unserer sonderbaren Musik. Also war es einerseits zwar wunderbar, mit Hendrix und anderen Musikern abzuhängen. Allerdings waren wir, als es vorbei war, ganz schön mitgenommen, was an Syd lag.“

 

Obwohl ihre Auftritte im Rahmen dieser Tour zeitlich begrenzt waren, verhielt sich Barrett dennoch so, als wäre er lieber ganz woanders. „Er unternahm diese langen Spaziergänge und kam erst zwei Minuten vor seinem Auftritt wieder zurück“, erzählt Davy O’List, seines Zeichens Sänger und Gitarrist von The Nice. „Mir fiel das auf, weshalb mir auch die Spannungen nicht entgingen. Musikalisch fand ich sie fabelhaft. Ich verfolgte ihre Auftritte aus dem Publikum heraus und versuchte zu durchblicken, was sie taten.“ O’Lists Aufmerksamkeit und Auge fürs Detail sollten sich bezahlt machen. „Eines Tages, möglicherweise in Liverpool, tauchte Syd nicht auf, weshalb mich die Band bat, für ihn einzuspringen“, erinnert er sich. „Ich sagte ihnen, dass ich ‚Interstellar Overdrive‘ spielen könne. Also gaben sie mir Syds Hut und sagten, dass ich ihn aufsetzen sollte. Ich entschied mich schließlich dafür, mit dem Rücken zum Publikum zu spielen. Das Publikum war voller 14-jähriger Mädchen, die alle schrien, weil sie mich für Syd hielten, weshalb ich beschloss, mich nicht umzudrehen. Roger lächelte, weil er dachte, sie würden damit durchkommen. Das war der Augenblick, indem ich ein wenig wagemutig wurde und mich doch umdrehte. Und das Geschrei verstummte schlagartig. Sobald Syd davon hörte, kam er zurück. Mir fiel auf, dass er mich im Bus nachher nicht einmal mehr ansah.“ Barretts Auftritte blieben auch weiterhin unvorhersehbar, obwohl O’List nie wieder einspringen musste. „Früher habe ich gerne ein wenig übertrieben und Leuten erzählt, ich hätte mehr Konzerte mit ihnen gespielt“, gesteht er. „Aber das lag nur daran, dass ich es mir gewünscht hätte.“

Im November machte die Tour Halt in Cardiff, im Sophia Gardens. Nick Kent, der zukünftige NME-Schreiber, war damals ein 15-jähriger Fan und befand sich im Publikum. „Das war der Moment, in dem Psychedelia in der Provinz ankam. „Bis dahin hatte sich alles nur in London abgespielt. The Nice spielten zehn Minuten, Amen Corner 15 Minuten. Also spielten alle ihr bestes Material und gaben einhundert Prozent. Außer Pink Floyd. Sie kamen auf die Bühne und spielten, so glaube ich, ‚Set the Controls for the Heart of the Sun‘. Allerdings meine ich, dass sie Syds Amp leiser gedreht hatten, weil man seine Kakophonie nur im Hintergrund hörte, während die anderen versuchten, alles zusammenzuhalten.“ Hinter der Bühne sahen Besucher, wie Barrett in LSD-Starre in einer Ecke der Garderobe saß. Er spielte mit einer kleinen Spielzeuglokomotive, die er sich gekauft hatte, und blickte zu Tode erschrocken aus der Wäsche, wenn ihn jemand ansprach.

Angesichts von Syds Zustand war ein kleiner LSD-Ausflug wohl nicht die beste Idee. Während ein paar seltener freier Tage begab sich eine Abordnung von Hedonisten aus Cambridge und London in einem gemieteten Ford Zephyr auf die Blackhill Farm, ein Familien-Cottage in den Brecon Beacons, das unter anderem mit einer Penis-Skulptur im Garten aufwarten konnte, die Ben Palmer, der mitunter für Eric Clapton Klavier spielte, gestaltet hatte. Die Reisepartie umfasste die Lesmoir-Gordons, Syd, Lindsay, den Cromwell-Road-Hipster Stash de Rola und ein Model, das unter dem Namen Gai Caron bekannt war und später Aubrey „Po“ Powell heiraten sollte. Die Vorkommnisse, die sich im Verlauf dieses Ausflugs ereigneten, mögen zwar absurd und überzeichnet wirken, doch mischten sich auch besorgniserregende Untertöne in das fröhliche Durcheinander. Der Lärm und das seltsame Verhalten führten zu einem Kontrollbesuch der Polizei, Nigel und Jenny verirrten sich auf LSD in einem Schneesturm und Stash, der sich am liebsten in ein viktorianisches Nachthemd und ein Cape hüllte, versuchte, sich in den offenen Kamin, wo das Feuer loderte, zu setzen, da er glaubte, wie es Jenny ausdrückt, „dass wir uns nicht verbrennen würden, wenn wir nur fest an die Liebe glaubten“.

Die lächerlichen Possen waren seltsamerer Natur, sobald Syd mit von der Partie war. „Während des ersten Abends auf LSD stand er die meiste Zeit auf einer Weinflasche“, erinnert sich Nigel. „Er stand mit beiden Füßen darauf, hielt sich mit den Händen an einem Balken über ihm fest und schaffte es irgendwie, die Balance zu halten. Später in derselben Woche, als wir wieder auf Acid waren, schiss er vor die Haustüre, was wir total schräg fanden. Sogar auf LSD war das nicht gerade sehr vernünftig.“

Da sie seine Mitbewohner und Nachbarn als Teil seines Problems ansahen, hatte das Blackhill-Team Syd noch vor Ende des Sommers aus der Wohngemeinschaft in der Cromwell Road herausgeholt. Barrett und Lindsay waren daraufhin vorübergehend zusammen mit Rick und Juliette in eine Wohnung auf dem Richmond Hill gezogen, die Andrew King gehörte. Gleichzeitig kursierten verstörende Gerüchte, denen zufolge Syds Hauskatze in der Cromwell Road zurückgeblieben war. Jemand hatte ihr angeblich LSD verabreicht, woraufhin das arme Tier verendet war. Die Wohnung auf dem Richmond Hill lag im zweiten Stock, von wo aus man einen Ausblick über die Themse hatte, und sollte ein vernünftigeres Ambiente bieten. Das dringlichste Problem war trotz allem aber immer noch, eine neue Hit-Single zu produzieren, obwohl es Syd an der Hingabe seiner Band und seines Managements mangelte.

„Syd fing an, tiefe Enttäuschung darüber zu empfinden, was mit Pink Floyd passierte“, erzählt Anthony Stern. „Zu jener Zeit besuchte er mich immer wieder in meiner Wohnung, die ich in den Norfolk Mansions in Battersea hatte und er als eine Art Unterschlupf ansah. Wenn man in Cambridge aufgewachsen war, wollte man nie etwas tun, was zuvor schon wer gemacht hatte. Syd war von Haus aus revolutionär und kreativ – er verstand nur das Konzept kommerziellen Denkens nicht.“

Anstatt eine neue Hit-Single zu schreiben, verbrachte Syd viele Stunden zusammen mit Anthony, um sich über Ideen für einen Film – Arbeitstitel: „The Rose-Tinted Monocle“ – auszutauschen. Das Duo war auf ein Buch des amerikanischen Autors und Erfinders Buckminster Fuller gestoßen und begeisterte sich besonders für eine Stelle, an der von sogenannten „inhärent regenerativen konstellaren Energie-Assoziations-Ereignissen“ die Rede war. „Dies war die Grundlage für den Film“, erklärt Stern. „Die Energie-Assoziations-Ereignisse sollten als Episoden fungieren. Syd und mir schwebte ein Film vor, der keiner linearen Struktur folgte, sondern aus unterschiedlichen Fragmenten bestand, die holistisch betrachtet wieder ein Ganzes ergaben – fast so wie etwas, das man betrachtete, damit es einem beim Meditieren behilflich war.“

Obwohl Barrett den Film niemals fertigstellen sollte, würde Sterne viele der Ideen, die ursprünglich für „The Rose-Tinted Monocle“ erdacht worden waren, für einen eigenen Film verwenden, den er später Pink Floyd anbot. In der Zwischenzeit, abseits des im Entstehen begriffenen Filmprojekts, wurde Syd immer noch ermutigt, doch etwas mehr wie ein Popstar zu denken. Syds neuer Songs, „Apples and Oranges“, war zeitgleich zur US-Tour veröffentlicht worden und sollte Pink Floyd rechtzeitig vor Weihnachten zurück in die UK-Charts befördern. Hatte Syd zuvor noch von Unterwäsche klauenden Transvestiten und „besessenen Puppen“ gesungen, handelte diese Nummer von einem etwas profaneren Erlebnis, und zwar von einem Mädchen, das er beim Shopping in Richmond gesehen hatte. Manche behaupten, dass es sich bei ihr um Lindsay Corner handelte. Es war ein typischer, lebhafter Psychedelic-Song, dem es aber am hypnotischen Charme von „Arnold Layne“ oder „See Emily Play“ fehlte, weshalb die Single auch kein großer Chart-Erfolg wurde. Zwar war es Syd, der als das Genie hinter Pink Floyd wahrgenommen wurde, doch inzwischen erscheint einem die von Richard Wright geschriebene B-Seite „Paintbox“ als die bessere der beiden Nummern.

„Nach ‚See Emily Play‘ baute sich dieser übliche Musikbusiness-Druck auf. Wo bleibt der nächste Hit?“, erzählt Andrew King. „Syd schien der wahrscheinlichste Kandidat zu sein, wenn es darum ging, eine neue Hit-Single zu schreiben, weshalb er es auch war, den wir dazu drängten. Ich hielt ‚Apples and Oranges‘ nicht für so schlecht, aber ich vermute, dass wir uns damals dachten: ‚Ach, herrje … aber wenn das das Beste ist, was sie fabrizieren können …‘“ Produzent Norman Smith gestand: „Ich war derjenige, der diesen Song ausgesucht hat. Er war der beste unter vielen schlechten.“ Als er zum Misserfolg des Songs angesprochen wurde, antwortete Barrett ungewöhnlich direkt: „Das ist mir schnurzegal“, sagte er schulterzuckend. „Alles, was wir tun können, ist Platten zu machen, die uns gefallen. Die Kids fahren auf die Beatles und Mick Jagger nicht wegen ihrer Musik ab, sondern weil sie immer genau das machen, was sie auch machen wollen. Und zum Teufel mit dem Rest!“

„Wir übten viel Druck auf Syd aus“, räumt Peter Jenner ein. „Aber andererseits standen auch wir wiederum unter einigem finanziellen Druck, was alles noch verschlimmerte.“ Blackhill war inzwischen mit Geld aus dem Deal zwischen Pink Floyd und EMI aus der Edbrooke Street in ein konventionelles Büro in der Alexander Street in Westbourne Grove gezogen. Und doch bezahlte die Firma die Band und die Crew mittlerweile nach dem Prinzip: „Wer zuerst kommt, malt zuerst“. Die Schecks platzten regelmäßig, was dazu führte, dass die Angestellten ihre schon am Wochenanfang abholten, um sie als Erste einlösen zu können.

„Wir heuerten einen Buchhalter an, der uns all diese Fragen stellte“, sagt Jenner. „Etwa ‚Kann ich eure Bücher durchsehen?‘ Wir fragten nur: ‚Bücher?‘ Oder er erkundigte sich, ob wir die Sozialversicherung bezahlt hätten, woraufhin wir nur erwiderten: ‚Was für eine Sozialversicherung?‘“

Auch das Live-Geschäft kam für Pink Floyd langsam zum Erliegen. Es war nicht mehr so leicht, die Band zu verkaufen. Wir hatten keinen neuen Hit, weshalb wir nicht in den Pop-Clubs auftreten konnten. Und die Blues-Clubs wollten uns auch nicht zurück. Somit konnten wir nur noch an Colleges spielen. Davon gab es aber nicht sonderlich viele und die, die es gab, hatten wir schon alle abgeklappert.“

Ein desillusionierter Peter Wynne-Willson kündigte am Ende der Tour mit Hendrix seinen Job als Beleuchtungstechniker der Gruppe. Es war angesichts der finanziellen Unsicherheiten rund um Blackhill vielsagend, dass sein Nachfolger John Marsh sich mit einem niedrigeren Gehalt zufriedengeben musste. Instinktiv tat sich Wynne-Willson mit Syd zusammen, dessen Stellung innerhalb der Band von Tag zu Tag wackliger wurde. Als sich das Jahr 1967 zu Ende neigte, schienen sich die Naivität und der blinde Optimismus, die zwölf Monate zuvor noch geherrscht hatten, in Luft aufzulösen. „1967 hatte sich der Zeitgeist verändert“, behauptet Wynne-Willson. „Und er orientierte sich nicht länger an diesen heimeligen Hippie-Dingen.“

Begleitend zum sogenannten „Summer of Love“ hatte News of the World eine Wochenends-Reportage über den UFO-Club veröffentlicht, in der man ihn als „Hippie-Lasterhöhle“ verunglimpft hatte. Die Polizei, die bisher beide Augen zugedrückt hatte, informierte Mr. Gannon, dass er mit einer Razzia zu rechnen hätte und ihm seine Lizenz entzogen werden würde, wenn er am kommenden Freitag aufsperren würde. Joe Boyd verlegte die Veranstaltung daraufhin ins Roundhouse, aber Zusammenstöße mit ortsansässigen Skinheads sowie die übertrieben hohe Miete forderten ihren Tribut, weshalb der UFO-Club schlussendlich im Oktober 1967 zugesperrt wurde. Gleichzeitig lief seine ehemalige Hausband rund um ihren Star-Sänger Gefahr, auseinanderzufallen.

 

Am 22. Dezember traten Pink Floyd gemeinsam mit The Jimi Hendrix Experience, The Who und The Move bei einer Show mit dem Titel „Christmas on Earth Continued“ im Kensington Olympia auf. In der gewaltigen Location fanden sich die Bands umgeben von neun Meter hohen Beleuchtungsmasten, Attraktionen im Stile eines Jahrmarktes und Boutiquen. Allerdings war Syd kaum in der Lage aufzutreten. Nachdem er von Jenner, King und June Child auf die Bühne geleitet worden war, stand er einfach nur mit hängenden Armen da. Zwar hatte ihm jemand seine Gitarre umgehängt, doch war sie angeblich gar nicht mit dem Verstärker verbunden. Nick Mason schrieb später: „Wir hatten versucht, die Probleme zu ignorieren, aber die Zeit des Verleugnens war vorüber. Wir waren an einer Zerreißprobe angelangt.“

„Alles passierte so schnell“, sagt Peter Jenner. „Innerhalb weniger Monate hatte sich Syd von einem sorglosen Studenten, der von seinem Stipendium lebte und hie und da mal rauchte, in jemanden verwandelt, der von all diesen Menschen umgeben war, die seine besten Freunde sein wollten und sich darauf verließen, dass er einen Gig spielte, ein Interview gab, eine Hit-Single schrieb, das Geld hereinströmen ließ … und ihnen den Sinn des Lebens verriet.“

Als er von einem Interviewer für ein Pop-Magazin nach seinen Gedanken gefragt wurde, arbeitete Syd bereits an einer neuen Strategie: „Alles, was ich weiß, ist, dass ich beginne, weniger nachzudenken“, sagte er. „Es wird langsam besser.“

To koniec darmowego fragmentu. Czy chcesz czytać dalej?