Peter Grant - Ein Leben für Led Zeppelin

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Myers erklärte, dass er sich eine gerichtliche Verfügung besorgen würde. Arden öffnete daraufhin ganz gelassen eine Schublade, die randvoll mit solchen Verfügungen war: „Ach, du willst mir eine gerichtliche Verfügung zukommen lassen?“ Dann schnappte er sich die Lade und kippte ihren Inhalt aus dem Fenster und brüllte: „Wenn ihr in fünf Minuten immer noch hier seid, dann fliegt ihr hinterher.“ Arden wollte niemandem auch nur einen Penny bezahlen.

Trotz seines draufgängerischen Auftritts an jenem Tag empfand Myers ihn in der Regel als angenehmen, ruhigen und mitunter gar unsicheren Mann. Die Vorstellung, Grant könnte eine Hit-Band managen, erschien ihm unwahrscheinlich. „Ich hätte nie gedacht, dass Peter einen solchen Erfolg haben würde“, gesteht Myers. „Er war nicht gebildet und wirkte nicht sehr intelligent. Allerdings war ich nie bei ihm, wenn er mal ausgesprochen klug auftreten wollte. Wenn sich alle im Büro über das Weltgeschehen unterhielten, hielt sich Peter zurück. Das war nicht sein Ding. Unterschätzte ich ihn? Ja, das tat ich.“

„Es gab zwei Peters“, ergänzt Chris Hayes. „Der Business-Peter war ein Rottweiler, wohingegen der andere Peter sanftmütig war. Jeder hielt ihn für einen Erzschurken, aber er war unglaublich sensibel. Das fiel mir gleich auf.“

Während sich Mickie Mosts Karriere im Aufwind befand, versuchte Grant sein eigenes Netz weiter auszuwerfen, als dies bei RAK der Fall war. Im Mai 1965 verkündete die Zeitschrift The Stage die Gründung von Peter Grant Associates, „eine Agentur für Personen in der Unterhaltungsindustrie“, zu finden in der Dean Street 101. Allerdings scheint diese Firma letzten Endes nie zustande gekommen zu sein.

Im selben Monat besuchte Grant Kanada. Die Gruppe She Trinity stammte aus Toronto und galt als reines Frauenensemble, das seine Instrumente selbst spielte, in weniger aufgeklärten Kreisen aber als Kuriosität. Die Gruppe verschlug es daraufhin nach London, wo Mickie Most mehrere Singles für sie produzierte, darunter auch eine Version von „Yellow Submarine“. Aber leider gelang ihnen kein einziger Hit. Grant beschrieb die Erfahrung als Manager der Band als „Desaster“.

Ein wenig mehr Erfolg hatte er hingegen mit dem inzwischen verstorbenen kanadischen Komiker Ray Cameron, den Grant noch aus seinen Tagen als Busfahrer kannte. Cameron lebte in England und hatte bei vielen Unternehmungen Don Ardens als Ansager fungiert. Peter managte ihn lange Zeit in den Sechzigerjahren. Weit größere Erfolge feierte Ray aber als Autor für den DJ und TV-Moderator Kenny Everett. Als Stand-up-Comedian sollte Cameron auch von seinem Sohn Michael McIntyre übertroffen werden.

Als seine Karriere als Manager langsam in die Gänge kam, kehrte Grant mit den Animals und Hermanʼs Hermits wieder nach Amerika zurück. Er hinterließ dabei sowohl bei Eric Burdon als auch beim Manager der Hermits einen bleibenden Eindruck. In seiner Autobiografie Am Anfang war es tierisch erinnerte sich Burdon an zwei Zwischenfälle, die einen Einblick in Grants Background ermöglichten.

Auf ihrem Weg zum Memphis Coliseum wurde der Tourbus der Animals vom Ku Klux Klan, der Flugblätter verteilte, zur Seite gewunken. Offenbar geriet Grant in Rage. „Er schrie mit rotem Gesicht die Klan-Leute an: ‚Wischt euch eure Ärsche damit ab, ihr Scheißköppe!‘“, behauptete der Sänger. Später beschrieb Burdon noch, wie Grant den Hotelmanager eines Holiday Inns, der einem schwarzen Roadie der Animals den Zutritt verweigerte, zur Rede stellte. Burdon nahm an, dass Grant besonders sensibel auf Vorurteile reagierte, da er ja Jude war. Grant sollte ihn nie korrigieren.

Irgendwann stießen schließlich noch Mickie Mosts jüngste Klienten, Hermanʼs Hermits, zur Tour-Karawane. Ihr Leadsänger Peter Noone und seine Truppe waren gerade erst dem Teenager-Alter entwachsen. Ihr Manager Harvey Lisberg sah in Grant den perfekten Aufpasser für ihren ersten Abstecher nach Los Angeles. Er bekam außerdem Peters Anekdoten über Gene Vincent und dessen Knarre oder über Little Richard und das Bettlaken zu hören. „Das war damals schon alles Legende!“, so Harvey. Auch war er von Peters Beschützerinstinkt und Sinn für Humor angetan.

Grant hatte zwischenzeitlich zugenommen, wofür er zum Teil die schlechten Essgewohnheiten in Amerika verantwortlich machte. Als er mit Hermanʼs Hermits in Los Angeles weilte, beschloss er, sich von nun an gesund zu ernähren, doch verlief dieser Plan letztlich im Sand. „Im Beverly Hilton sah ich einen Kellner mit einem Tablett voller Gläser Orangensaft“, erzählt Lisberg. „Ich folgte ihm zu Peters Zimmer und fragte diesen, was es denn damit auf sich hätte. Peter sagte, er wäre auf Diät. Diese Getränke müssen so an die eine Million Kalorien gehabt haben.“

„Peter brachte mich zum Lachen“, fügt er hinzu. „Und das blieb auch weiterhin so. Das ist auch einer der Gründe, warum wir Freunde wurden.“

Nach den Unsicherheiten der letzten Monate sollte sich 1966 als ein besseres Jahr erweisen. Im Februar brachte Gloria ihren Sohn Warren zur Welt. Die Familie zog außerdem zurück nach Südlondon, in ein Haus in Beulah Hill in Croydon. Wenig später sollte Peter seinen ersten Hit-Act entdecken, doch sein Weg wurde auch weiterhin von Rückschlägen und dramatischen Episoden gesäumt.

Als der Folksänger Donovan seine Manager entließ, war Grant sofort bereit, deren Agenden zu übernehmen, und trat an Allen Klein heran. Er spielte ihm Donovans Song „Catch the Wind“ vor, da er davon überzeugt war, dass es sich dabei um einen Hit handelte. „Klein sagte nur: ‚Wenn du Mickie dazu bringen kannst, mit Donovan zu arbeiten, dann gebe ich dir ein Stück vom Kuchen ab.‘“

Es war Pech für Grant, dass Donovan schon einem anderen Manager zugesagt hatte. Dennoch half er dabei, den Deal unter Dach und Fach zu bringen. Mickie Mosts erste Produktion mit Donovan, „Sunshine Superman“ – aufgenommen mithilfe der Studiomusiker Jimmy Page und John Paul Jones –, sollte sowohl in Amerika als auch in Großbritannien in die Top 5 der Charts stürmen. Doch obwohl die Single schon vor Monaten erschienen war, wartete Grant immer noch auf sein Geld.

So wie zuvor schon bei Arden, wurde Grant nun im Büro von Allen Klein vorstellig. Einer vermutlich unwahren Anekdote zufolge quetschte Grant Kleins Hand in einer Schublade ein, bis er zustimmte, das Geld herauszurücken. Ferner heißt es, dass Kleins bewaffneter Leibwächter nicht eingriff und Peter sogar bezüglich seiner Überzeugungskraft beglückwünschte. Grant selbst behauptete: „Ich half Allen, sich aus seinem Sessel zu erheben, indem ich ihn am Revers packte.“ Wie auch immer, Klein schickte seinen Rechtsanwalt zur Bank, um Grant die versprochenen 12.000 Dollar auszahlen zu können.

Nachdem ihm Donovan durch die Lappen gegangen war, fand Grant mithilfe von dessen Ex-Manager unverhofft Ersatz. Geoff Stephens hatte Dave Berrys großen Hit „The Crying Game“ komponiert und gerade „Winchester Cathedral“ geschrieben, eine sanfte Parodie auf die Tanzbands der Vorkriegsära. Er hatte den Song mit Studiomusikern aufgenommen und als Interpreten die fiktive New Vaudeville Band ersonnen. Als der Song im Sommer 1966 veröffentlicht wurde, konnte sich niemand vorstellen, dass er ein Hit werden würde, doch „Winchester Cathedral“ arbeitete sich sowohl in Großbritannien als auch in den USA langsam die Charts empor. Die inexistente Band wurde daraufhin zu Top of the Pops und einem Vorspielen für die Royal Command Performance eingeladen. Stephens stellte hastig eine Band zusammen und bat Peter Grant, sich um sie zu kümmern.

Unter den engagierten Musikern befand sich auch der ehemalige Trompeter der Bonzo Dog Doo Dah Band, Bob Kerr. „Geoff tauchte in diesem Südlondoner Theater auf und hatte diesen Riesenkerl im Schlepptau. Er sagte: ‚Das ist Peter Grant. Er ist euer Manager‘“, erinnert sich Kerr. „Wir sahen ihn alle an und nickten ihn ab. Peter war auch nicht der Typ, mit dem man sich unbedingt streiten wollte.“

Richard Cole wurde in der Folgezeit zu Peter Grants rechter Hand und außerdem einer seiner engsten Freunde. 1967 hörte der damals 21-Jährige, dass Grant nach einem Tourmanager suchte und begab sich zum Vorstellungsgespräch. Nachdem er im Nordwesten Londons aufgewachsen war, hatte Richard zunächst Milchkästen zusammengeschweißt und sich als Gerüstbauer verdingt, bis er als Fahrer und Roadmanager für The Who und 4+2 Arbeit fand.

„Colesy kam direkt vom Gerüstbau“, erinnerte sich Grant. „Grob, ungehobelt und sympathisch. Der hatte ganz schön Schneid. Er wusste, was er tat.“

„Peter meinte, der Wochenlohn wäre 25 Pfund“, sagt Cole heute. „Ich sagte, dass ich aber 30 Pfund wollte. Entweder oder. Er ging darauf ein. Später sagte er, dass er der Meinung war, ich wäre gut darin, Geld bei Veranstaltern einzutreiben, wenn ich mich getraute, so mit ihm zu sprechen.“

Bevor er wieder loszog, gab Grant Cole noch eine Warnung mit auf den Weg. „Wenn du jemals irgendetwas weitererzählst, was du in diesem Büro hörst, schneide ich dir deine verdammten Lauscher ab.“

Trotz dieser Drohung realisierte Cole bald, dass weder Peter noch Mickie sich selbst ganz ernst nahmen. „Die halbe Zeit hatte ich keine Ahnung, worum es bei ihrem Geschäft ging“, sagt er. „Sie hatten jeder auf ihrer Seite des Raumes einen Schreibtisch. Wenn Mickie telefonierte, versuchte Peter ihn mit Grimassen abzulenken. Und umgekehrt auch, wenn Peter am Telefon sprach.“

„Damals war das ein witziges Business. Ich weiß noch, wie ich 1965 mit den Beatles im Club Scotch of St. James saß und sie es kaum fassen konnten, fürs Musikmachen bezahlt zu werden. So ging es uns allen.“

Cole schloss sich Grant für die US-Tour der New Vaudeville Band im Frühling 1967 an. Es war eine ereignisreiche Reise. Auf einer nächtlichen Busfahrt von Philadelphia nach New York schlief ihr Fahrer am Steuer ein und Bob Kerr musste einspringen, obwohl er zuvor noch nie einen Bus gelenkt hatte. Erst am New Jersey Turnpike erwachte Grant und trottete nach vorne. „Peter drehte absolut durch“, erzählt Kerr. „Er sprach danach eine Zeit lang nicht mehr mit mir.“

 

Unglaublich, aber wahr: „Winchester Cathedral“ kletterte in den US-Charts bis auf den ersten Platz, was zu einem heißbegehrten Auftritt in der Ed Sullivan Show und noch mehr Live-Shows führte. „An Orten wie Las Vegas und Reno, Nevada – Varietébühnen eben“, erinnerte sich Grant. „Sie waren ja nicht unbedingt eine Hard-Rock-Band.“

Der Gruppe wurde ihr Status als Kuriosität erneut in Atlantic City, einem Strandressort in New Jersey, vor Augen gehalten. Hier standen sie, umgeben von Casinos und Riesenrädern, neben Frank Sinatra Jr. und einem Pferd, das von einem Sprungturm ins kalte Nass hüpfte, auf dem Programm.

„Ein alter Bühnenarbeiter riet uns, unsere zwanzig Minuten ja nicht zu überziehen, da alle abhauen würden, um das Pferd zu sehen“, sagt Richard Cole. „Wir dachten uns: ‚Drauf geschissen.‘ Aber genau so kam es dann. Alle gingen. Dieser Gaul wurde an einem Brustgurt emporgezogen und auf seinem Rücken saß ein Mädchen. Dann stürzte es aus neun Metern Höhe in einen Wassertank.“ Es war eine Reminiszenz an die Zeiten des Varietés – jene Welt, der Grant entflohen war.

Bei einer Show in Washington wurde die Band Zeuge der Fähigkeiten ihres Managers, sich aus Schwierigkeiten herauszureden. „Es gab eine Vorschrift der Musicians Union, dass eine britische Band nur dann in Amerika spielen durfte, wenn sie das im Austausch mit einer amerikanischen Gruppe tat“, erklärt Kerr. „Der Veranstalter wollte nun wissen, wer das in unserem Fall wäre. Wir erklärten, dass wir das nicht wüssten, doch er ließ nicht locker.“

Grant hatte offensichtlich beschlossen, sich über die Vorschrift hinwegzusetzen. Als ihn der Veranstalter noch einmal damit konfrontierte, konterte er ohne mit der Wimper zu zucken. „Peter sagte, dass wir im Austausch mit dem Count Basie Orchestra spielen würden.“ Count Basie war der Name eines beliebten amerikanischen Bandleaders. „Das war natürlich erfunden. Aber dieser kleine Typ war schrecklich beeindruckt. Da dachte ich mir: Der Kerl ist ein guter Manager, der imstande ist, praktisch zu denken.“

Da er nun nicht mehr Don Arden unterstand, war Grant ganz allein verantwortlich für Band und Tour. Von schlafenden Busfahrern über fehlende Papiere bis hin zu obskuren Tiernummern – Peter Grant kam mit allem klar. Die New Vaudeville Band bestand 18 Monate lang. Sie fabrizierte ein Album und gewann für „Winchester Cathedral“ sogar einen Oscar. Der Song wurde später immerhin noch von Frank Sinatra und Dizzy Gillespie interpretiert.

Doch bevor es dazu kommen sollte, eröffnete sich für Grant eine neue Gelegenheit. „Als wir das Projekt abschlossen“, so Bob Kerr, „plante Peter bereits das, was schließlich Led Zeppelin wurde.“

Die Popmusik hatte sich seit der Blütezeit des 2iʼs stark weiterentwickelt. 1967 wurde nun selbst die traditionelle Vinyl-Single hinterfragt. „House of the Rising Sun“ war eine der ersten 45er-Schallplatten, die die Drei-Minuten-Schallmauer durchbrachen. Ein Jahr später erschien mit Bob Dylans „Like a Rolling Stone“ ein sechsminütiges Stück vertonter Dichtkunst, das auf ein paar profunde Wahrheiten hinzuweisen schien – oder was auch immer der Hörer hineininterpretieren wollte. Wo Popmusik einst der Soundtrack zum Tanzen, Raufen oder Vögeln war, brachte sie die Hörerschaft nun auch zum Nachdenken.

Gesellschaftliche Kommentare, Politik und Drogen spielten ebenfalls eine Rolle. Der Begriff „psychedelisch“ wurde willkürlich mit allem in Zusammenhang gebracht, das den Einfluss des Halluzinogens LSD nahelegte. Im Sommer dieses Jahres veröffentlichten die Beatles mit Sgt. Pepperʼs Lonely Hearts Club Band ein Album von beispielloser Reichweite und Vorstellungskraft.

Einst galt die LP schlicht als Trägermedium für zwölf de facto zufällig zusammengewürfelte Nummern. Nun bot sie das Vehikel für eine musikalische Reise und glich somit eher einer klassischen Sinfonie. Die Rolling Stones und The Who sollten es den Beatles nachmachen und mit Their Satanic Majesties Request und The Who Sell Out ähnlich ambitionierte Alben vorlegen, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg.

Grant und Most beobachteten diese Entwicklungen. Allerdings war Mickies große Stärke nun einmal die Pop-Single und auch wenn Grant gerne den Hippie-Prinzen Donovan gemanagt hätte, so glaubte er nicht an dessen blumige Rhetorik.

Wer ihn damals in seinem Büro besuchte, erinnert sich auch daran, wie er seinen Mund unter seinem Mandarin-Bart zu einem Grinsen verzog und milde über verträumte Barden und Poeten, die die Gegend unsicher machten, zu spotten pflegte. „In der Flower-Power-Ära, als Künstler und ihre Manager Frieden und Liebe predigten, machten sich Mickie und Peter gerne über sie lustig“, erinnert sich Chris Hayes. „Sie nahmen das nicht einmal ansatzweise ernst.“

Irgendwie rollte Peter Grant aber dennoch ausgerechnet Englands führende psychedelische R&B-Gruppe in den Schoß, The Yardbirds. Dies war der wohl glücklichste Zufall in seiner bisherigen Karriere.

Die Yardbirds hatten sich fünf Jahre zuvor in den Londoner Vororten zusammengefunden und mauserten sich zur Hausband im Crawdaddy Club in Richmond, dem Dreh- und Angelpunkt der boomenden R&B-Szene. Ein ehemaliger Betreuer der Stones, Giorgio Gomelsky, managte die Band zunächst, bis er sie an einen jungen Unternehmer namens Simon Napier-Bell weitervermittelte.

Das erste Mitglied, das als Hauptattraktion der Yardbirds fungierte, war ihr launenhafter Leadgitarrist Eric Clapton. Im Frühling 1965, als die Gruppe sich vom reinen Blues abwandte und sich dem Pop öffnete, kehrte der Blues-Purist den Yardbirds jedoch angewidert den Rücken. Sein Ersatzmann war ein weiterer begnadeter Musiker, Jeff Beck, der der Band von seinem Freund Jimmy Page empfohlen worden war.

Zwischen 1965 und 1966 veröffentlichten die Yardbirds etliche Singles wie „For Your Love“, „Shapes of Things“ und „Happenings Ten Years Time Ago“, die Popmusik und amerikanischen R&B mit trance-artigen Rhythmen, indischen Raga-Passagen und Gitarrensolos untermalten, die wie Sirenen bei einem Luftangriff klangen.

Dem aufregenden Chaos der Musik konnte mitunter auch das Tohuwabohu auf und abseits der Bühne das Wasser reichen. So wurde Page Zeuge eines turbulenten Auftritts in Oxford, bei dem der betrunkene Leadsänger Keith Relf das Publikum auf die Probe stellte: „Keith rollte über die Bühne, blies seine Mundharmonika konsequent an den falschen Stellen und sang irgendeinen Unsinn daher.“ Für Relf endete der Gig offenbar mit einer gebrochenen Hand, nachdem er einem Sessel einen Karate-Hieb verpasst hatte: „Keith zog so eine Art Punk-Nummer ab. Damit war er seiner Zeit aber so krass voraus, dass nicht einmal seine Bandkollegen bereit dafür waren.“

Das traf zum Beispiel auf den Bassisten Paul Samwell-Smith zu, der sich im Anschluss daran rasch aus dem Staub machte. Ohne viel darüber nachzudenken, bot Page an, dessen Position in der Band zu übernehmen. Dieses Arrangement sollte nicht von langer Dauer sein. Als Beck ein Konzert verpasste, musste Page für ihn einspringen. Bald darauf wechselte der Rhythmusgitarrist Chris Dreja an den Bass und Page übernahm dauerhaft die Rolle des Gitarristen. „Manchmal war das schon fantastisch mit Jeff und Jimmy an den Gitarren, manchmal aber auch nicht“, erinnert sich der Drummer Jim McCarty. „Jeff war überdreht und Jimmy äußerst selbstsicher.“ Die Yardbirds sicherten sich ihren Platz als Englands hippste Combo, als sie in jenem Sommer in Michelangelo Antonionis Film über Swinging London, Blow-Up, mitwirkten. Und so wie schon vor ihm Eric Clapton war nun auch Jeff Beck unglücklich.

Im Mai 1966 betätigte sich Beck abseits seiner angestammten Band und nahm in den Londoner IBC Studios mit Page, dem Bassgitarristen John Baldwin (später bekannt als John Paul Jones), dem Klavierspieler Nicky Hopkins sowie dem Who-Drummer Keith Moon eine Session auf. Ihre feurige, gitarrenlastige Neuinterpretation von Maurice Ravels „Bolero“ trug den Titel „Beckʼs Bolero“.

Der Track erschien jedoch erst im März 1967, als er als B-Seite von Becks erster Solo-Single „Hi Ho Silver Lining“ das Licht der Welt erblickte. Die Nummer deutete an, in welche musikalische Richtung sich er und Page in Zukunft bewegen wollten, selbst wenn keinem der beiden das bewusst gewesen sein mag.

Im August schlossen sich die Yardbirds dem Dick Clark Caravan of Stars an und gingen auf Amerika-Tour. Sie teilten sich einen maroden Tourbus mit Sam the Sham & the Pharaos („Wooly Bully“) und traten unter anderem auch in einem Einkaufszentrum und auf einer Eislaufbahn auf. Oft genug mussten sie in ihrer Garderobe auf ihren Auftritt warten, weil irgendein Handlanger noch zu ermitteln versuchte, welcher amerikanischer Act dem Regulativ der Musicians Union zufolge an ihrer statt gerade in England unterwegs war. Grants Standardantwort „Count Basie Orchestra“ hatte nur einmal funktioniert. All das überforderte Beck, der vorgab, krank zu sein, und nach wenigen Shows das Handtuch warf, womit Page die Rolle des alleinigen Leadgitarristen zufiel.

Becks Abschied markierte außerdem einen Wendepunkt für den Yardbirds-Manager Simon Napier-Bell. Er hatte schwierige Popmusiker satt und bot Mickie den Managerposten an. Dann meldete sich aber Grant zu Wort.

„Mein erster Eindruck von Peter? Hässlich, ungehobelt und unattraktiv“, gesteht Napier-Bell. „Sorry, aber ich glaube, dass deckt sich mit dem, was sich die meisten dachten – und Peter nutzte das zu seinem Vorteil. Später fiel mir auf, dass er auch eine ziemlich sensible Seite hatte, die er gut zu verbergen verstand.“

Kurz vor Weihnachten 1966 verkündete der Melody Maker, dass Peter Grant der neue Manager der Yardbirds sei. Aber war er das tatsächlich? „Die ganze Sache war ziemlich schräg“, sagt Jim McCarty. „Wir dachten, dass Simon sich das Management mit Peter teilte, aber Simon verschwand von der Bildfläche und Peter meinte, dass er uns fortan managen würde.“ Nachdem schon Giorgio Gomelsky die Band an Napier-Bell weitergereicht hatte, stellte niemand zu viele Fragen. McCarty empfand Grant, so wie die meisten Leute, als imposante Gestalt. „Ich hatte nie irgendwelche Probleme mit ihm“, versichert er. „Meine einzige Sorge war, mit ihm den Lift in der Oxford Street teilen zu müssen. Peter war ein großer Mann und wir sahen uns alle gegenseitig an und dachten: Schaffen wir es überhaupt bis in den sechsten Stock?“

Bevor er sich zurückzog, hatte Napier-Bell Grant noch beiseite genommen. „Er sagte: ‚In der Band gibt es einen Unruhestifter, einen echten Tunichtgut.‘ Ich fragte nach, wer das denn sei. Er sagte: ‚Jimmy Page.‘“

Page erklärte Grant, dass sie nonstop auf Tour gewesen wären, Singles aufgenommen und gerade in Blow-Up mitgespielt hätten, aber kein Geld zu sehen bekämen: „Jimmy war der Einzige, der die Eier hatte und clever genug war, um aufzustehen und zu sagen, dass das nicht ausreichte.“

Anders als Mickie Most war Grant nie selbst als Künstler oder Musiker unterwegs gewesen. Seiner Familie zufolge hätte er „nicht einmal mit einem Eimer eine Melodie tragen können“. Stattdessen bemühte er sich, Jimmy Pages Talent zu fördern, was er tat, indem er ihn von der Außenwelt abschottete und ihm eine eigentümliche, vorbehaltlose Loyalität entgegenbrachte.

Viele aus Grants näherem Umfeld glauben, dass Jimmy in seinem Leben eine größere Rolle spielte als irgendjemand sonst, abgesehen von seinen Kindern. „Es herrschte ein wunderbarer gegenseitiger Respekt“, sagt Helen. „Er erfüllte Jimmy jeden Wunsch.“

Geboren im Januar 1944 im Westen Londons, genoss James Patrick Page eine bequeme Nachkriegskindheit im vorstädtischen Epsom in Surrey. So wie Grant wuchs auch Jimmy als Einzelkind auf. „Bis ich fünf Jahre alt war, war ich total isoliert von anderen Kindern meines Alters“, erzählte er einmal. „Diese frühe Isolation hatte wahrscheinlich viel damit zu tun, wie ich mich später entwickelte.“

1958 trat der 13-jährige Page mit seiner Skiffle-Band in der Fernsehshow All Your Own auf. Jimmy schrammelte auf einer Hofner President, die fast so groß wie er selbst war. Außerdem wurde er vom leicht herablassend wirkenden Gastgeber Huw Wheldon interviewt. Auf die Frage, ob er nach seinem Schulabschluss Musiker werden wolle, erwiderte Jimmy: „Nein, ich möchte biologische Forschungen betreiben.“

Jimmy Page war eine jüngere Version jener Teenager, die Grant im 2iʼs erlebt hatte. Während Peter den besoffenen Gene Vincent auf die Bühne im Aylesbury Granada schleppte, hörte Jimmy obsessiv Platten in seinem Zimmer, um die Solos des Gitarristen Cliff Gallup zu lernen.

 

Die Kunde von Jimmy Pages Talent verbreitete sich rasch. Weniger als zwei Jahre nach seinem TV-Debüt spielte Page bereits bei Neil Christian and the Crusaders, die seinen Eltern versprechen mussten, ihren minderjährigen Sohn nach jedem Gig wieder unversehrt zuhause abzuliefern. Nach einer Phase, in der ihn gesundheitliche Probleme plagten, gab Jimmy die Live-Auftritte auf und schrieb sich stattdessen am Sutton Art College ein. Das sollte ihn jedoch nicht für immer von der Musik fernhalten.

Ab 1963 unterstützte Page als Studiomusiker Songwriter wie John Carter und Ken Lewis, die auch mit ihrer eigenen Gruppe namens Carter-Lewis and the Southerners spielten. Grant behauptete später, dass er Page zum ersten Mal wahrnahm, als dieser bei den Southerners musizierte. John Carter beschrieb den jungen Gitarristen 2001 so: „Jimmy war ein Typ, der eine gute Performance ablieferte, ohne dass er sich bemühen musste. Er war ein sehr rasanter Spieler und kannte seinen Rock’n’Roll … Er war sehr still und ein bisschen ein Intellektueller, der sich für allerlei okkulten Kram interessierte.“

Die meisten von Pages Zeitgenossen waren Überlebende der Rock’n’Roll-Ära. Jimmy war mindestens sieben Jahre jünger als alle anderen und begegnete ihnen bald auf Augenhöhe, wenn er mit der U-Bahn durch London von Studio zu Studio fuhr, um bis zu drei Sessions am Tag, sechs Tage in der Woche, zu absolvieren. Unter den Hunderten von erfolgreichen und weniger erfolgreichen Songs, die Page einzuspielen half, waren etwa „Shout“ von Lulu, „The Last Time“ von den Stones, „Itʼs Not Unusual“ von Tom Jones oder auch „Hurdy Gurdy Man“ von Donovan. Auch war er Stammgast bei Mickie Mosts Produktionen. „Mickie hielt Jimmy für ein Genie“, erzählt Chris Hayes. „Er wusste, dass Jimmy immer alles hinbekäme.“

Wenig später fing er an, eigene Songs zu schreiben und für Andrew Loog-Oldhams Label Immediate Records, das das Büro neben RAK belegte, als Hausproduzent zu arbeiten.

Page schloss sich mehr oder weniger aus einer Laune heraus den Yardbirds an, war jedoch umgehend frustriert ob seiner Entscheidung, als ihre nächste Single, das von Mickie Most produzierte „Ha! Ha! Said the Clown“, erschien. Dabei handelte es sich um einen quirligen Popsong, der im Widerspruch zur experimentellen Live-Show der Yardbirds stand. Auf der Bühne wurde etwa das Horn der Staten Island Ferry in einem Song gesampelt, während Page bei einer anderen Nummer einen gespenstisch klingenden Gitarrenpart mithilfe eines Geigenbogens beisteuerte.

Die Yardbirds entwickelten sich langsam zu einer Art Prototyp für Led Zeppelin. Der experimentelle Ansatz wurde auf dem nächsten Album mit dem Titel Little Games zurückgeschraubt. „Mickie verstand sich auf Singles“, sagte Page. „Ich wusste, wie er an ein Album herangehen würde. Wir hätten drei Stunden, in denen wir so viele Songs wie möglich aufnehmen würden.“ So wie Grant den Plattenfirmen die Kontrolle zugunsten der Künstler entreißen wollte, versuchte Page, dem Produzenten die Kontrolle über die Musik abspenstig zu machen.

Peter Grants Einstieg hatte einen positiven wie unmittelbaren Effekt auf das Bankkonto der Yardbirds. Amerikas politisierte Jugend demonstrierte auf Protestmärschen gegen den Vietnamkrieg und seine Bands predigten Frieden und Gutmütigkeit. Allerdings war diese Botschaft nicht bis zu den Konzertveranstaltern durchgedrungen und es herrschte immer noch ein zähes Ringen, wenn es darum ging, an seine Gagen zu kommen. „Simon Napier-Bell war als Manager eine große Nummer“, sagt der Yardbirds-Bassist Chris Dreja. „Aber er war nicht allzu praktisch orientiert. Peter schon. Er begleitete uns auf Tour in Amerika und zum ersten Mal verdienten wir Geld.“ Der Cashflow erhöhte sich zum Teil auch aufgrund von Grants schnörkelloser Art und seiner Ehrlichkeit. „Wenn Napier-Bell eine Yardbirds-Tour um, sagen wir mal, 100.000 Dollar buchte, dann sackte er sofort seine Provision ein und verpisste sich auf die Bahamas“, erklärte Grant gegenüber Malcolm McLaren. „Dann fand ich heraus, dass ihrem Promoter Frank Barsalona der Limousinen-Verleih gehörte, auf den sie sich verließen. Ich schob all diesen Geldflüssen einen Riegel vor.“

Mit inzwischen 32 war Grant zehn Jahre älter als seine Band und beinahe ebenso lange schon mit seinen Acts auf Achse gewesen. „Ich fand ihn von Anfang an prima“, fährt Dreja fort. „Zu den Dingen, die mir Peter sofort beibrachte, zählte, dass ich in Amerika nie den Zimmerservice rufen sollte, da das zu teuer war. Er kannte alle Tricks und Abkürzungen. Das war genau das, was wir brauchten.“

„Damals war es ungewöhnlich, dass der Manager mit auf Tour ging“, erzählt Henry „The Horse“ Smith, der die Yardbirds in Amerika als Roadie begleitete. „Ich kann mich nicht an Robert Stigwood oder so im Bus erinnern. Peter war aber ein sehr involvierter Manager und das geht nun mal nicht nur vom Schreibtisch aus. Man muss sich schon schmutzig machen – und das tat nur Peter.“

Bei einem Jahrmarkt in Kanada wurde Chris Dreja Zeuge eines weiteren Zwischenfalls, mit dem Grant für immer in Verbindung gebracht werden wird. The Yardbirds sollten für den Gig 2.000 Dollar kassieren. Die Hälfte davon gab es schon im Voraus, doch als sich ihre Ankunft aufgrund schlechten Wetters verzögerte, versuchten die Organisatoren den Restbetrag einzubehalten.

„Ich glaube, dass die zwei Veranstalter mit der Mafia im Bunde standen“, erzählt Dreja. „Sie verhielten sich nämlich sehr italienisch. Sie stiegen in den Bus ein und erklärten Peter, dass sie uns den Rest der Kohle nicht geben würden.“

Als Grant sie zum Zahlen aufforderte, zückte einer der Promoter eine Pistole. Grant erinnerte sich in einem bis dato unveröffentlichten Interview mit ihm aus dem Jahr 1994: „Ich fragte ihn, was er da täte. Er sagte: ‚Ich werde dich erschießen, du Arschloch!‘ Ich sagte daraufhin, dass ich britischer Staatsbürger bin und das keine gute Idee sei, weil aus der Sache ein internationaler Skandal würde.“

„Peter ließ den Engländer raushängen“, erinnert sich Henry Smith. „Er machte einen auf Cockney oder Aristokrat. Vielleicht auch ein bisschen was von beidem. Er wusste, wie man jemanden einschüchterte – und es funktionierte.“

Dreja sah ungläubig zu, wie Grant direkt in den Lauf der Knarre hineinlief und seinen verdutzten Möchtegern-Kontrahenten den Gang des Busses hinab drängte. „Das war echt komisch. Peter schubste diesen Typ mit seinem Wanst bis nach ganz vorne im Bus. Als sie dort schließlich ankamen, waren sie die besten Freunde – und wir bekamen die Knete.“

„Die erschießen einen nicht für 1.000 Dollar“, argumentierte Grant. „Sie zählen darauf, dass du dich vor der Knarre fürchtest. Sobald sie sehen, dass das nicht der Fall ist, ziehen sie den Schwanz ein.“

Die Yardbirds machten nun endlich etwas Geld, aber es reichte nicht, um die einsetzenden Zerfallserscheinungen aufzuhalten. Ihre nächste Single war eine kuriose Version von Harry Nilssons „Ten Little Indians“, die Page nicht gerade von den Socken haute. Auf der Bühne pushte er die Band in mutige neue Richtungen, doch im Studio steckten sie immer noch im Beat fest, der drei Jahre zuvor aktuell gewesen war.

Page hatte zugesehen, wie Eric Claptons neue Combo Cream Amerika eroberte und Jimi Hendrix „die Szene wie ein Expresszug aufmischte“ und jedem anderen Gitarristen auf der Welt den Fehdehandschuh hingeworfen hatte. Auf Tour durch Amerika hatten sowohl Grant als auch Page einen Einblick in eine ganz andere Welt erhalten, die sich drastisch von Mickie Mosts „Hit-Fabrik“ unterschied.

To koniec darmowego fragmentu. Czy chcesz czytać dalej?