Peter Grant - Ein Leben für Led Zeppelin

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Jahrzehnte später sollten die Everly Brothers Loblieder auf Peter Grant anstimmen und ihn als „besten Roadmanager, den wir jemals hatten“ bezeichnen. 1963 hatten die Everlys für die ersten paar Konzerte so wenige Tickets absetzen können, dass Arden Little Richard anbetteln musste, als Co-Headliner einzuspringen.

Weiter unten in der Hierarchie, quasi ein Abbild der alten und der neuen Garde, standen in der einen Ecke Mickie Most und in der anderen die Rivalen der Beatles, die Rolling Stones. Grant liebte den schmutzigen britischen Ansatz zu amerikanischem R&B, den die Stones repräsentierten. Als die BBC Bo Diddley einlud, um eine Session für die Radio-Show Saturday Club aufzuzeichnen, schlug Grant vor, den Bassisten und Schlagzeuger der Stones, Bill Wyman und Charlie Watts, auszuborgen. Diddley war einverstanden, doch die BBC sträubte sich. „Sie hatten die Stones schon mal vorspielen lassen, sie aber für nicht gut genug befunden“, erinnerte sich Grant. „Ich erhielt einen Anruf vom Produzenten, der meinte, dass mein Vorschlag nicht so gut ankäme. Ich antwortete: ‚Keine Stones, kein Diddley.‘ Daraufhin bekamen sie den Job.“

Grant hatte geholfen, den ersten Auftritt der Stones bei der BBC einzufädeln. Innerhalb nur eines Jahres sollte die Gruppe vier eigene BBC-Sessions aufnehmen. „Ich habe überhaupt keine musikalischen Kenntnisse“, meinte Grant. „Es geht nur ums Gespür.“ Mit seinem Bauchgefühl lag er aber richtig.

Im Anschluss an eine Show im Newcastle Odeon im Oktober besuchten Grant, Mickie Most und Jerome Green den Club AʼGogo, wo sie die Alan Price Rhythm & Blues Combo sahen. „Ich war so beeindruckt, dass ich sie unter Vertrag nahm“, sagte Grant. „Ich wurde ihr Booking-Agent und Co-Manager, woraufhin sie ihren Namen in Animals änderten.“ Grant sagte, die Animals hätten bei Ardens Agentur unterschrieben, als Don ihnen einen Platz auf der Chuck-Berry-Tour versprach. Es war der Heilige Gral für jede aufstrebende britische Blues-Band: „Das war der Anreiz – Mark Wildey und ich sollten zehn Prozent von Dons Anteil bekommen.“

Derek Berman erinnert sich jedoch daran, dass Grant die Fakten ausschmückte. Berman spielte mittlerweile in der Ostlondoner Gruppe The Echoes, die an diesem Abend nach den Animals als Headliner auftrat. „Peter stellte sich den Animals als unser Manager vor“, sagt er. „Er war nie der Manager der Echoes, aber ich glaube, es half ihm, sie von seiner Glaubwürdigkeit zu überzeugen.“

Zurück in London erzählte Grant Don Arden von seiner neuesten Entdeckung. Er holte die Animals nach London, wo sie im Scene Club in Piccadilly auftreten sollten. Anschließend drängten Grant, Arden und Mickie Most in die Garderobe. Die Gruppe hatte bereits einen Manager, Mike Jeffery, einen Club-Besitzer aus Newcastle, der später als Jimi Hendrix‘ Co-Manager fungieren und bei einem Flugzeugabsturz in Frankreich ums Leben kommen sollte. „Er war ein schlechter Manager“, sagte Grant. „Wir kümmerten uns mehr ums Management als er.“

Als Don Arden ankündigte, dass Peter Grant sich um die täglichen Belange der Animals kümmern und Mickie Most ihre Platten produzieren würde, gab es seitens der Band und Jefferys keinerlei Widerspruch. Als die Band zur Vertragsunterzeichnung in Ardens Büro erschien, wandte sich ihr Leadsänger Eric Burdon an Peter. „Er sagte, dass wir uns schon mal getroffen hätten, ich mich aber wohl nicht mehr erinnern würde“, berichtete Grant. „Eric meinte, dass ich ihn mal einen Korridor entlang geschubst hätte.“ Ein Jahr zuvor hatte sich Burdon, ein begeisterter Fan, ungebeten Zutritt zu Gene Vincents Garderobe verschafft, woraufhin Grant ihn wieder an die frische Luft gesetzt hatte.

Der Tag, an dem die Animals bei Don Arden unterschrieben, war auch der Tag, an dem Don die Kontrolle über Peter Grant verlor. Er bevollmächtigte seinen Lehrling, sich um die zukünftige Hit-Gruppe zu kümmern. David Arden, der schon bald ins Familiengeschäft einsteigen sollte, erinnerte sich, wie Grant und Mickie Most seinem Vater vorschlugen, eine Plattenfirma zu gründen und das Geld durch drei zu teilen. Das sollte nie passieren. Ein Jahr später, nachdem die Animals einen Hit gelandet hatten, hieß es: „‚Wo ist die Plattenfirma?‘ Und Mickie verabschiedete sich daraufhin. Aus und vorbei.“

Es sollten jedoch noch Monate vergehen, bevor Grant und Most auf eigene Faust loszogen. Doch zuvor kam im Mai 1964 noch Chuck Berry nach Großbritannien. Als spezieller Gast war ein weiterer Held der Beatles angeheuert worden, Carl Perkins, der berühmte Gitarrist aus Tennessee, der noch vor Elvis mit „Blue Suede Shoes“ einen Hit gelandet hatte. Berrys Begleitband waren die britischen Newcomer King Size Taylor & the Dominoes und seine Vorgruppen die Animals und die Nashville Teens, die ebenfalls von Grant und Mickie Most betreut wurden. Der Nashville Teen John Hawken avancierte zum „richtig guten Klavierspieler“, um den Berry gebeten hatte.

Auf Tour passten sich die Animals rasch an. Als Burdon einmal zu spät zu einer Show erschien, schleuderte Grant ihn quer durch den Raum. „Ich verspätete mich nie wieder“, erzählte Burdon. „Peter war das, was ich brauchte. Er war, was wir brauchten.“ Grants kompromisslose Haltung gegenüber Acts, die in der Hierarchie weiter unten standen, ermöglichte ihm, sich auf den Headliner konzentrieren zu können.

1964 war Chuck Berry bereits mit der ausbeuterischen Natur der Musikindustrie vertraut. Auch hatte er schon so einige Gefängniszellen von innen gesehen. Das Showgeschäft und seine Zeit hinter schwedischen Gardinen hatten ihn zu einem verbitterten und misstrauischen Mann gemacht. So spielte Chuck nicht eine einzige Note, bevor ihm nicht der letzte Shilling oder Cent seiner Gage ausgezahlt worden war. Zeugen berichteten, dass Grant und Arden einmal sogar auf Knien vor Berrys Garderobe bettelten und Pfund-Scheine unter dem Türschlitz hindurchschoben. Als einmal noch drei Shillinge der Gage ausstanden, versprach Grant, dass er den Rest später bekäme, doch Berry weigerte sich, die Gitarre umzuhängen, bevor die Rechnung nicht beglichen wäre. Als Peter es nicht schaffte, ausreichend Kleingeld zusammenzukratzen, suchte er sich einen nahegelegenen Zigarettenautomaten, versetzte ihm den Schlag eines Wrestlers und sammelte die Münzen ein. Chuck musste spielen, was immer dafür getan werden musste.

Hier handelte es sich um Lektionen, die zwar auf die harte Tour absolviert werden mussten, aber später auch bei Led Zeppelin zur Anwendung kamen. Sobald Chuck Berry sein Geld hatte, schien es, dass jemand einen Schalter umgelegt hatte. Als er im Mai 1964 von der Seite der Bühne zusah, studierte Grant, wie Berry das Publikum bearbeitete. Er präsentierte die Gitarre, schob das Kinn vor und führte unter großem Jubel seinen berühmten „Duck Walk“ vor. Auch fand Grant eine Methode, wie er Chucks Erscheinen auf der Bühne dramatischer gestalten konnte. „Ich überredete den Conferencier, eine ausführliche Einleitung vom Stapel zu lassen“, sagte er. „Man konnte John Hawken am Piano und Chuck spielen hören.“ Wichtig dabei war, dass die Leute ihn nicht sehen konnten. „Dann tauchte er auf, machte den Duck Walk und das Publikum explodierte förmlich.“ Laut Grant verfolgte ein junger Jimmy Page gebannt, wie Berry am ersten Abend der Tour auf diese Weise die Bühne des Londoner Finsbury Park Astoria betrat.

Berry war nicht der Einzige, der in die Trickkiste griff, um sein Publikum zu überzeugen. Jeden Abend beendeten die Gruppen ihren Auftritt mit einer schnellen Nummer, doch was Rock’n’Roll anlangte, konnte niemand von ihnen Chuck Berry das Wasser reichen. So einigten sich die Animals darauf, ihren Gig mit einer nachdenklichen Version eines alten Folk-Songs zu beenden, „The House of the Rising Sun“. Die Nummer war langsam und dramatisch und hinterließ einen bleibenden Eindruck.

Die Animals nahmen den Track mit Mickie Most als Produzent in den Londoner Kingsway Studios auf. „Sie kamen um 7 Uhr morgens rein und spielten den Song in einem Take ein“, erinnerte sich Grant. Im Juni erreichte „House of the Rising Sun“ die Spitzenposition in den UK-Charts. Ein Kunststück, das sie zwei Monate später in den USA wiederholen sollten. Es war Grants erste Hit-Single.

Im April 1970 spielten Led Zeppelin in der Miami Beach Convention Hall in Florida. Nach der Show nahm Grant sie mit zu einem Auftritt von Little Richard in einem nahegelegenen Ressort. Peter hatte vorab angerufen und einen Tisch reserviert, doch sie verspäteten sich und trafen inmitten eines Songs ein. „Richard sah das und stutzte“, sagte Grant. „Er hörte auf zu spielen.“

Das ältliche Publikum drehte sich zu ihnen um und blinzelte den bärtigen Riesen und seine langhaarigen Gefährten an, während die sich ihren Weg durch die Menge bahnten. „Seht ihr den Mann da drüben“, rief ein begeisterter Little Richard und zeigte auf Grant. „Das ist Mister Peter … Er hat mir in Paris einmal das Leben gerettet.“

Im Juni 1964 verbrachte „Mister Peter“ zwei Wochen mit Little Richard auf Tour durch Europa. In den späten Fünfzigerjahren hatte dieser plötzlich zu Gott gefunden und dem Rock’n’Roll zugunsten des Gospels entsagt. Als Don Arden mit einem großen Scheck vor seiner Nase wedelte, wandte er sich erneut der Teufelsmusik zu und begeisterte sein Publikum auf einer Tour durch Großbritannien. Little Richard rockte wieder, doch war es oft ein Problem, ihn auf die Bühne zu bekommen.

Im Hauptquartier von Swan Song Records und in Hotelsuiten rund um den Erdball unterhielt Grant seine Hörer mit Little-Richard-Anekdoten. So verkündete Richard einmal, dass er an diesem Abend nicht im Lewisham Odeon auftreten würde, und weigerte sich, sein Hotelbett zu verlassen. Grant wickelte den Sänger in ein Laken, warf ihn sich über die Schulter und schleppte ihn in den bereits wartenden Wagen.

Richard lieferte noch eine weitere Episode von dieser Europa-Tour. Obwohl er bereits mit dem Flugzeug angereist war, behauptete er, unter Flugangst zu leiden. Richard sollte mit einem Verbindungsflug von Düsseldorf aus nach Paris weiterreisen, weigerte sich aber partout, ein Flugzeug zu besteigen. Dieses Mal war kein Laken zur Hand, in das man ihn schnell hätte einwickeln können. „Ich musste einen Taxifahrer überreden, uns den ganzen Weg von Düsseldorf nach Paris zu transportieren“, erzählte Grant. „Aber so ist das nun mal. Du musst deinen Act am Zielort abliefern, was auch immer es kosten mag.“

 

Nach ihrer Ankunft in der französischen Hauptstadt, verweigerte der Veranstalter Richard die volle Gage. Es kam zum Streit und die Polizei wurde gerufen. Die Fäuste flogen und Grant intervenierte: „Die Polizisten wurden ein wenig zu grob und ich warf zwei von ihnen zu Boden.“

In Miami erzählte Little Richard die ganze Geschichte. Es ergab sich ein eindrucksvolles Bild des schillernden Entertainers und seines bulligen Betreuers, wie sie in Paris zu entkommen versuchten, während die benommenen Polizisten auf dem Rücken lagen.

1992 trat Richard in der Londoner Wembley Arena auf und traf auch Grant zum ersten Mal seit Miami wieder. „Mister Peter! Mister Peter“, schrie er aufgeregt. „Fühl mal meinen Knöchel!“ Richard tastete das in einer Anzughose steckende Bein ab und berührte schließlich vorsichtig die Socke des Sängers. Darin befanden sich eine Kreditkarte und ein aufgerolltes Bündel Bargeld. Grant hatte Richard gewarnt, niemals seine Wertsachen in einer Garderobe zurückzulassen – und drei Jahrzehnte später nahm sich dieser die Warnung immer noch zu Herzen.

Wie schon bei Don Arden vor ihm, verbreiteten sich die Geschichten, die Grants Hingabe an seine Mission belegten, innerhalb der Branche. 2012 insistierte David Arden, dass Don trotz seines schlechten Rufs immer fest an Talent geglaubt hatte: „Er blieb stets davon überzeugt, dass man mit Talent alles erreichen könnte. Wenn es aber an Talent mangelte, hieß es bei ihm: ‚Verpiss dich, oder ich trete dich die Treppe hinunter.‘“

So hätte er auch Peter Grant zusammenfassen können. Nachdem er bereits Ardens „Macht der Angst“ zu schätzen gelernt hatte, entdeckte Grant auch noch die Macht der Suggestion. Ob er nun vorgab, eine Waffe zu tragen, oder den Animals einredete, er würde eine Band managen, auch wenn das nicht stimmte: Die Leute kauften es ihm ab. Don Arden bestätigte: „Peter Grant lernte von mir, dass man alles schaffen konnte, wenn die Tarnung stimmte.“

Grant wendete diese Taktik auch bei den Nashville Teens an. Peter hatte die Popgruppe aus Surrey entdeckt, sie für die Agentur unter Vertrag genommen und für die Chuck-Berry-Tour gebucht. Inzwischen hatte Mickie Most sie bei Decca Records untergebracht und wurde ihr Produzent. Die erste Single der Teens, „Tobacco Road“ – ein Song aus der Feder des Country-Songwriters John D. Loudermilk, der vom Aufwachsen in North Carolina handelte – wurde über den Atlantik transferiert und avancierte zum größten Hit der Combo.

Grant betreute die Band, während sie auf Tour ging, um die Single zu bewerben. „Peter war ein großer, lieber Bär“; erinnert sich ihr Leadsänger Ramon Phillips. „Er seufzte oft ‚Kommt schon, Jungs‘. Er veränderte sich dramatisch, als er mit Led Zeppelin so mächtig wurde. In Don Arden hatte er einen guten Lehrmeister.“

Eine Sache beunruhigte Grant jedoch bezüglich der Nashville Teens: Sie waren nämlich gar keine Teenager. „Peter kam vor einem Gig zu mir und sagte: ‚Rasier dir die Schnurrhaare ab‘“, erzählt der frühere Sänger Arthur Sharp. „Ich hatte mich zwar rasiert, aber ein paar Haare übersehen. Für Peter war das nicht gut genug. ‚So siehst du nicht aus wie ein Scheiß-Achtzehnjähriger.‘ Ich war 24, was ein Problem war.“

Während sich „Tobacco Road“ langsam die Charts emporarbeitete, wandte Grant die Macht der Suggestion erneut an. Ramon Phillips hatte bei einer Show in Hastings einen verzückten Fan kennengelernt. Susan Penry-Davey war die 17-jährige Tochter eines prominenten ortsansässigen Juristen und folgte der Band zu ihrem nächsten Auftritt nach Welwyn Garden City. Grant ging dabei ein Licht auf. „Nach der Show saßen wir bei mir in der Wohnung, als Peter anrief. Wir sollten uns mit ihm treffen und das Mädchen mitbringen“, sagt Phillips. Am nächsten Tag brachte der Daily Mirror eine Story mit der Schlagzeile „Polizei stoppt Beat-Romanze“. Darin wurde behauptet, dass Penry-Daveys Vater die Polizei verständigt hätte, nachdem seine Tochter mit dem Leadsänger der Nashville Teens durchgebrannt war. „Peter roch das Geld und die Möglichkeit, mehr Platten zu verkaufen. Susan machte bereitwillig mit und wir wurden fotografiert, wie wir in einem Polizeiwagen vorfuhren“, erzählt Phillips. Nur gehörte die Karre auf dem Foto gar nicht der Polizei und der angebliche Zivil-Bulle, der die jungen Liebenden abführte, war kein Geringerer als Peter Grant höchst persönlich. Niemand hinterfragte die Geschichte und „Tobacco Road“ stürmte in die britischen Top-10 und amerikanischen Top-20.

Eine Story nahm Don Arden aber mit ins Grab. Dasselbe galt für Peter Grant. Ab 1965 fungierte Arden als Manager der Small Faces, einer Gruppe von winzig anmutenden Ostlondoner Teenagern, deren Leadsänger der ehemalige Kinderstar Steve Marriott war. Arden bezahlte nicht nur ihr gemeinsames Haus, sondern auch ihre Einkäufe in Londons Modeboutiquen. Außerdem behielt er sämtliche Einnahmen, die ihre Hits abwarfen. The Small Faces waren de facto mittellos.

Als ihn die Eltern der Jungs zur Rede stellten, erklärte ihnen Arden, die Jungs hätten ihre Moneten für Drogen verschwendet. Der anschließende Rechtsstreit und die erbitterten Wortgefechte zwischen Arden und den Small Faces zogen sich noch Jahrzehnte hin, lange nachdem die Band sich aufgelöst hatte.

Grants Behandlung der Small Faces etablierte ihn für immer in der Rolle des Showbiz-Erzschurken. Egal, welche Ähnlichkeiten zwischen den Männern auch bestanden haben mochten: „Don war die Art Manager, die Peter – so verriet er mir – nicht sein wollte“, sagt Barrie Keeffe. „Peter verabscheute die Art, wie Don seine Künstler behandelte.“

Dennoch, so gestand er Keeffe und Ed Bicknell, war er auch Komplize bei Dons verwerflichstem Coup. Der Manager Robert Stigwood betreute später die Karrieren von Eric Clapton und den Bee Gees, bevor sie an großen Filmhits wie Saturday Night Fever mitwirkten. In den frühen Sechzigerjahren hatte Stigwood versucht, die Small Faces von Don Arden fort zu locken. Dons Vergeltung war so unmittelbar wie schockierend. So wie die meisten Storys mit Don Ardens und Peter Grants Beteiligung änderte sich auch diese mit jeder Neuauflage. Jedoch bestritt Stigwood, der 2016 verstarb, niemals ihren Wahrheitsgehalt.

Angesichts der Vorstellung, eine seiner Gruppen an einen Rivalen zu verlieren, trommelte Arden ein paar harte Jungs zusammen. Ihre Anzahl variiert zwischen 5 und 20 – je nachdem, wer davon erzählt. Arden erklärte ihnen jedenfalls, was sie zu tun hätten, als würde er Schauspielern Regieanweisungen geben.

Arden und sein Trupp trafen daraufhin unangemeldet in Stigwoods Büro im vierten Stock eines Gebäudes am Cavendish Square ein. Sie ignorierten Stigwoods Begrüßung, griffen sich einen schweren Glasaschenbecher und donnerten diesen mit solcher Wucht gegen seinen Schreibtisch, dass der glatt splitterte.

Arden schleifte daraufhin den verängstigten Manager hinaus auf den Balkon. Don bestand stets darauf, dass er Stigwood bloß die Straße unter ihnen zeigen und ihn warnen wollte, dass er irgendwann „dort unten“ enden würde, wenn er weiterhin versuchte, ihm Acts abspenstig zu machen.

Doch anscheinend preschten Ardens Jungs vor und forderten, dass Stigwood über die Klinge springen müsste. Sie hoben ihn hoch und ließen ihn kopfüber vom Balkongeländer baumeln. Laut Arden trug Stigwood noble Chelsea-Boots und seine Spießgesellen mussten sich ganz schön ins Zeug legen, damit ihnen ihr Opfer nicht aus den Fingern rutschte und ins Verderben stürzte.

Abhängig davon, wer die Geschichte erzählt, fiel Stigwood entweder in Ohnmacht oder entleerte seinen Darm in seine Hosen – oder sogar beides –, bevor die Angreifer ihn wieder hochziehen und auf dem Büroteppich entsorgen konnten.

Grant gestand Barrie Keeffe, dass er einer von jenen Kerlen gewesen war, die Stigwood an jenem Tag vom Balkon baumeln ließen. „Er hatte ganz eklige dürre Fußgelenke“, vertraute er ihm an. Als Ed Bicknell ihn auf diesen Vorfall ansprach, gab sich Peter zurückhaltend: „Ich wollte ihm doch bloß die Aussicht zeigen.“

Doch war das tatsächlich der Fall? Stigwood wurde mit Sicherheit von Don Ardens Leuten bedroht und vermutlich auch über den Balkon gehalten. Allerdings hat niemand bestätigt, dass Peter Grant mit von der Partie war. Die kombinierte Macht von Angst und Suggestion reichte aus, und die Geschichte von Robert Stigwood und seinem Balkon zählt schon seit Jahrzehnten zu den Evergreens unter den Rock-Anekdoten.

1965 begann es in Don Ardens Imperium jedoch zu kriseln. Robert Stigwood veranstaltete im selben Jahr die zweite UK-Tour von Chuck Berry und ging aufgrund der schwachen Kartenverkäufe fast pleite. Die Beatles, die Stones und andere britischen Gruppen hatten sich fleißig bei Berrys und Little Richards Musik bedient, sie einer Generalüberholung unterzogen und einer jüngeren Generation verkauft.

Don Arden sollte in den folgenden Jahren aber neue Acts finden und neue Fehden ausfechten. So wie auch sein Lehrling.


Eines Nachmittags im Jahr 1965 kam Sharon Osbourne, geborene Arden, nachhause und Peter Grant war fort. „Es war, als ob er eines Tages noch vor der Schule gewartet hätte und am nächsten es schon tabu gewesen wäre, seinen Namen zu erwähnen“, sagte sie. Als Grant und Don Arden sich später auf der Straße begegneten, so erinnert sich Sharon, sei es zu Handgreiflichkeiten gekommen und die Leibwächter ihres Vaters hätten die beiden trennen müssen.

Grant hatte die ultimative Todsünde begangen und einen von Dons Acts weggelockt. Ardens Touren halfen Gene Vincent und all den anderen, Platten zu verkaufen, doch bekam er selbst keine Tantiemen. Als diese Acts nun keine Hallen mehr füllten, verdiente Arden kein Geld mehr mit ihnen. Arden sollte in den Siebzigerjahren als Manager von Black Sabbath und Electric Light Orchestra noch ordentliche Profite einfahren, doch in der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre kämpfte er darum, nicht den Anschluss zu verlieren.

Die Plattenfirma, die Grant und Mickie Most mit Arden gründen wollten, kam nie zustande. Stattdessen machte sich Most selbstständig. So gründete er im Sommer 1964 die Firmen RAK Music Management, RAK Publishing und RAK Records und bezog in der Oxford Street 155–157 in einem Büro im sechsten Stock Quartier. Ein paar Tische, ein Sofa, eine Dartscheibe und eine Empfangsdame namens Irene mussten für den Anfang reichen. Peter Grant sollte ihm folgen.

Das Haus gehörte der Campingzubehör-Dynastie Millets, deren Laden sich im Erdgeschoss befand und deren Instandhaltung des Gebäudes eher nonchalanter Natur war. Der klapprige Aufzug in Hausnummer 155 galt als besonders unzuverlässig. Wenn Grant zur Arbeit erschien und ihn außer Betrieb vorfand, drehte er kurzerhand um und ging wieder heim.

„Manchmal versuchte ich, zu Fuß hinaufzusteigen“, erzählte er einem Journalisten. Offenbar hatte er sich mit jemandem im zweiten Stock angefreundet, wo er eine schnelle Kaffeepause einlegen konnte – „um mich kurz zu erholen“.

Während Most seine Firmen gründete, kümmerte sich Grant weiterhin um die Animals. Seine Beziehung zu Don Arden wurde jedoch auf ihrer ersten US-Tour auf die Probe gestellt. In jenem Sommer schallte „House of the Rising Sun“ aus jedem amerikanischen Autoradio. Die Tour der Animals begann mit ihnen als Headliner im Paramount Theatre am New Yorker Time Square. Es war eine Galavorstellung für die zu Besuch weilenden jungen Briten – jedoch weniger für Little Richard und Chuck Berry, die für sie den Abend eröffnen mussten.

Auf der Tour machte Grant die schockierende Entdeckung, dass Arden für die Animals zwei unterschiedliche Verträge mit der William Morris Agency abgeschlossen hatte. Die Band hatte einen Vertrag über 1.200 Dollar pro Abend unterzeichnet, doch Arden hatten noch einen separaten Deal mit der Agentur und erhielt von ihr die drei- bis vierfache Summe: „Es gab zwei verschiedene Verträge, die beide auf Papier der William Morris Agency aufgesetzt waren, was ich nie hinterfragt hatte. Und schon bald war die Kacke am Dampfen.“

 

Hinter der Bühne im Paramount wurden Grant, Mike Jeffery und die Animals angeblich Allen Klein vorgestellt, einem Buchhalter aus New Jersey, der seit kurzem den Soulsänger Sam Cooke als Business-Manager betreute. Klein war ein großer Opportunist und wusste über jenes Phänomen, das die amerikanische Presse als „British Invasion“ bezeichnete, nur allzu gut Bescheid. Im Verlauf der nächsten Jahre sollte er sämtliche Großkaliber der britischen Szene becircen – die Beatles, die Stones, die Kinks und The Who. Aber alles fing mit den Animals an.

Als er noch als Buchhalter für Plattenfirmen und Musikverlage die Bilanzprüfung durchführte, fiel Klein auf, wie wenig Geld letztendlich bei den Musikern selbst landete. Auch stellte er seinen Eifer unter Beweis, indem er Morris Levy, dem Boss von Roulette Records, der Verbindungen zur Mafia hatte, auf die Schliche kam. Beeindruckt von Kleins Hartnäckigkeit und Chuzpe freundete Levy sich mit dem Prüfer an. Diese Beziehung sollte Klein später noch sehr zugute kommen.

Allen Klein wusste, was Popstars und ihre Betreuer nicht wussten – oder schlicht ignorierten: dass ihre Plattenfirmen sie über den Tisch zogen. Sein Angebot war simpel. Er schlug vor, die Verträge der Animals neu zu verhandeln und alle, Peter Grant eingeschlossen, zu reichen Männern zu machen. Klein wollte auf eine Gebühr verzichten und stattdessen nur eine Provision einbehalten. Wenn sein Plan fehlschlagen würde, hätten sie zumindest nichts verloren. Als Zeichen seines guten Willens versprach er Grant und Mike Jeffery, für einen Auftritt der Animals im neuen Film von Nancy Sinatra, Get Yourself a College Girl, eine Gage in Höhe von 10.000 Dollar herauszuschlagen. Klein hielt Wort. Nur kurze Zeit später flog er nach London, um sich mit Mickie Most zu treffen.

Inzwischen hatte Most Platten für die Animals, die Nashville Teens und Hermanʼs Hermits produziert. Bei Letzteren handelte es sich um eine Gruppe aus Manchester, die mit „Iʼm Into Something Good“ einen Hit gehabt hatte und nun dasselbe in Amerika erreichen wollte. Allerdings machte Most kein Geld. Stattdessen musste er amerikanische Labels förmlich anbetteln, seine Singles zu übernehmen, und verdiente bloß magere fünfzig Prozent Tantiemen an den US-Verkäufen. Somit lief Klein mit seinen Versprechungen vom großen Geld bei ihm offene Türen ein.

Allen Kleins Meeting mit Mosts Finanziers bei EMI in London war von Sturheit und Bullshit geprägt. Tatsächlich konnte sich Klein kaum die Flugkosten oder seine Suite im Grosvenor Hotel leisten. Mehr Schein als Sein, gelang es ihm dennoch sein Image als amerikanischer Geldsack mit geheimer Mafia-Connection zu etablieren. Gleich zu Beginn schlug er eine Tasse Tee aus und erklärte, dass Mickie Most jeglichen existierenden Vertrag ignorieren würde, wenn er nicht mehr Geld bekäme. Kleins durch und durch englische Gastgeber waren völlig perplex. Noch mehr erstaunte sie, dass ihn selbst ihre Androhung rechtlicher Schritte kaltzulassen schien. Niemand hatte bis dahin den obersten Entscheidungsträger von Großbritanniens größter Plattenfirma auf so eine Art und Weise herausgefordert. Plötzlich verschoben sich die Fronten zwischen den Künstlern und dem Label.

Im Hause EMI war man zwar von Kleins Verhalten und Einstellung angewidert, ging aber trotzdem auf seine Forderungen ein. Mickie Most ernannte Klein daraufhin zu seinem Geschäftsführer und sicherte sich einen besseren Vertrag, höhere Tantiemen und die Möglichkeit, in Amerika auch für andere Firmen Acts produzieren zu dürfen. Klein hatte sein Versprechen somit gehalten und kassierte bei allen zukünftigen Produktionen von Mickie Most eine saftige Provision, was den Produzenten später noch in Bedrängnis bringen sollte.

Vor allem Kleins spätere Geldgeschäfte mit den Beatles waren es, die ihn als skrupellosen Erbsenzähler entlarvten, der damit seinen Teil zum Untergang der größten Popgruppe der Welt beitrug. Und doch war sein Coup im Namen von Mickie Most ein Vorbote dessen, was Peter Grant für Led Zeppelin erreichen sollte. Klein demonstrierte Grant, dass Künstler über Macht verfügten.

Diese Bereitschaft, es einfach mal darauf ankommen zu lassen, war etwas, worin Grant später besonders brillieren sollte. „Das war die Essenz von Peters Genie“, glaubt Abe Hoch, ein früherer Vizepräsident von Swan Song Records. „Wenn man einen Klienten hat, der willens ist, auch mal ‚Fickt euch!‘ zu sagen und die Tür hinter sich zuzuknallen, dann verfügt man über unvorstellbare Macht.“

Grant lernte von Klein, so wie er auch schon bei Arden gelernt hatte, nur waren Dons Tage nun eben gezählt. „Es war Peter Grant, der mich davon in Kenntnis setzte“, so Arden. „Teil seines Jobs bei den Animals war es, die Kohle einzutreiben und sie dann bei mir abzuliefern. Als er nun in London eintraf, behauptete er, er hätte keine. Er sagte, die Band wäre von Allen Klein abgeworben worden und ich müsste mich mit ihm unterhalten.“

Das falsche Spiel rund um den Vertrag der Animals war eine Sache, aber Arden hatte außerdem versäumt, Grant und Mark Wildey ihre Provisionen auszuzahlen. Don schuldete Peter nun 1.800 Pfund. Jahre später, als Arden in Los Angeles lebte und Grant am Sunset Strip erspähte, rief er ihm von der anderen Straßenseite aus zu: „Mach dir keine Sorgen, Peter, der Scheck ist schon in der Post.“ Das wurde schon bald zum Running Gag.

Grant zürnte ob der groben Ungerechtigkeit, bis ein Freund, der Agent Harold Davison, ihn beiseite nahm und ihm riet, es als Lehrgeld zu sehen. Grant ließ Don Arden hinter sich, sollte aber die nächsten zwanzig Jahre damit verbringen, diesem Geld hinterherzurennen.

Laurence Myers traf Grant zum ersten Mal 1965. Myers war der Buchhalter der Rolling Stones und erinnert sich, wie er mit Mick Jagger einst über den Ruhestand diskutierte. „Er sagte zu mir: ‚Laurence, es ist ja nicht so, als würde ich mit 50 immer noch Rock’n’Roll machen.‘“ Mickie Most engagierte ihn dafür, dass er sich ums Finanzielle kümmerte und überschrieb ihm anstelle eines Gehalts zehn Prozent seiner Firmen.

Myers hatte Allen Kleins Unterredung mit EMI beigewohnt und war erneut mit von der Partie, als Most und Grant versuchten, ausstehende Gelder bei Don Arden einzutreiben: „Mike Jeffery informierte Mickie, dass es eine Diskrepanz in den Büchern der Animals gäbe und Don ihnen noch etwas schuldete. Also bat er Mickie und Peter, sich darum zu kümmern.“ So erhielt er einen Einblick in Grants Arbeitsweise.

Die drei Männer erschienen vor Ardens Büro und warteten, bis er fertig telefoniert hatte. „Ich konnte Don am Telefon schreien hören: ‚Ich breche dir deine verdammten Beine!‘ Ich war doch bloß ein Buchhalter. Wo hatte ich mich da nur hineinmanövriert? Vorab hatte Peter noch zu mir gesagt, dass es mit Don zwar ein wenig angespannt werden würde, ich mir aber keine Sorgen zu machen bräuchte. Als ob er mich davor warnen wollte, dass alles nur Show sein würde.“

Als sie vorgelassen wurden, behandelte Arden seine Besucher mit einer Mischung aus Desinteresse und unverhohlener Abneigung. Myers ergriff als Erster das Wort: „Ich stellte mich als offizieller Repräsentant der Animals vor und erklärte ihm mit meiner besten Buchhalterstimme, meine Prüfung hätte ergeben, dass er ihnen 6.000 Pfund schuldete. Inzwischen fing Peter an, auf den Schreibtisch einzuhauen. Dann hob er ihn an und ließ ihn mehrmals auf den Fußboden krachen, während er schrie: ‚Gib uns unser Geld, Don! Komm schon, du Mistkerl!‘“

Myers versuchte den Krach mit seiner Stimme zu übertönen. Irgendwann nahm Arden ihn schließlich doch noch wahr und fragte ihn unwirsch: „Was willst du, du kleiner Pischer?“ Das war ein jiddischer Ausdruck.