Peter Grant - Ein Leben für Led Zeppelin

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Das Flamingo landete 1962 in Verbindung mit einem großen britischen Polit-Skandal in den Schlagzeilen. Jack Profumo, damals britischer Kriegsminister, teilte sich offenbar eine Geliebte namens Christine Keeler mit einem sowjetischen Marineoffizier und einem jamaikanischen Sänger und Zuhälter namens „Lucky“ Gordon – und eben diesem Gordon wurde im Flamingo das Gesicht von einem eifersüchtigen Rivalen zerschnitten.

Zehn Minuten vom Flamingo entfernt befand sich ein weiterer von Grants Schlupfwinkeln, Murrayʼs Cabaret Club in der Beak Street, wo er ebenfalls als Türsteher beschäftigt war und Christine Keeler später als Showgirl arbeitete. Eine Reklame für Murrayʼs versprach vollmundig „die üppigste Nachtclub-Show der ganzen Stadt mit den liebreizendsten Showgirls“. Geleitet wurde der Club von einem weitgereisten Lüstling namens Percival Murray, der seine Angestellten anwies, ihn „Pops“ zu nennen.

„Es herrschte eine allumfassend sexuelle Atmosphäre und überall trieben sich junge, hübsche Girls herum“, schrieb die inzwischen verstorbene Keeler in ihren 2012 erschienenen Memoiren Secrets and Lies. „Wir Stars unter den Showgirls gingen oben ohne auf die Bühne und die Hostessen mischten sich unter die wohlhabenden und aristokratischen Gäste, die speisten und tranken.“

Eines Nachts, so erinnerte sich Christine, schmuggelte sie ihren Liebhaber, den Politiker Profumo, ins Murrayʼs, obwohl er dort nicht Mitglied war. „Ich flüsterte Peter an der Eingangstür zu, wer Jack war. Also machte Peter eine Ausnahme und ließ ihn rein.“ Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass Grant zu jener Zeit, als Keeler im Murrayʼs arbeitete, bereits weitergezogen war, und sie sich auf den langjährigen Betreiber Peter Batchelor bezog.

„Ich lernte eine Menge im Murrayʼs“, sagte Grant. „Wenn man für die Kundschaft in einer Uniform Taxis rief oder am Einlass stand, kam man mit ein paar hohen Tieren ins Gespräch: ‚Guten Abend, Sir, wie geht es Ihnen?‘ Es war ein großartiges Training.“

Als „Pops“ Murray herausfand, dass Grant auch schon am Theater gearbeitet hatte, bat er ihn, den Bühnenvorhang zu betätigen und ihn bei der Abwicklung der Show zu unterstützen. „Ich war damals ja noch nicht verheiratet“, sagte er. „Ich und ungefähr vierzig Girls hinter der Bühne … das ließ sich schon aushalten.“

Durch seine Tätigkeit im Murrayʼs lernte Grant auch noch einen weiteren gelegentlichen Auftraggeber kennen. Nach Peters Tod enthüllte Mickie Most, dass sein Freund als Leibwächter für den berüchtigten Peter Rachman, einen Vermieter von Elendsquartieren, tätig gewesen war, der im Murrayʼs Mitglied war und ebenfalls zu Christine Keelers Liebhabern zählte.

In den späten Fünfzigerjahren hatte sich der polnische Flüchtling Rachman über einhundert Immobilien in Notting Hill und Umgebung angeeignet. Viele dieser Objekte vermietete er an Immigranten aus der Karibik, die bei anderen Vermietern abgeblitzt waren. Rachman empfand sich selbst als Retter dieser Community, doch die Behörden sahen das anders. Ihnen zufolge war er ein Slumlord, der Prostituierte auf den Strich schickte, Leute einschüchterte, um an die Mieten zu kommen, und Mieter auf die Straße setzte.

Rachmans Inkasso-Truppe umfasste auch etliche Wrestler, Boxer und Nachtclub-Türsteher – und Grant war einer von ihnen. Anfang der Sechzigerjahre bestand eine direkte Verbindung zwischen dem windigen Vermieter und vielen Vertretern der Randbereiche der Unterhaltungsindustrie.

Der Radio-DJ Nicky Horne traf Grant in den Siebzigerjahren, stolperte jedoch schon als Teenager in den späten Sixties über diese Connection. „Ich arbeitete für den DJ Emperor Rosko“, erzählt er. Roskos Manager war einer der ehemaligen Türsteher im 2iʼs, Henry Henroid. „Henry schien sehr gut vernetzt zu sein mit den Jungs im Westen Londons. Ich trank mit ihnen allen im Moscow Arms in Bayswater. Da stand ich, ein 18 Jahre alter Depp, mit all diesen Gangstern.“ Die Stammkundschaft des Moscow Arms umfasste auch Peter Grants späteren Bodyguard, den Schauspieler und Kriminellen John Bindon, sowie Jimmy Houlihan, laut Horne „ein wunderbarer Charakter, der einst für Peter Rachman Mieten eingetrieben hatte“.

Doch nicht alle von Grants Jobs erforderten grobe Muskelkraft. „Ich wollte ein Schauspieler sein“, gestand er 1989. „Aber ich war nie wirklich gut genug.“ Dennoch hatte Grant etliche Auftritte in britischen Filmen und Fernsehserien der ausklingenden Fünfziger- und frühen Sechzigerjahre. So sah man ihn im Polizeidrama Dixon of Dock Green, als Cowboy in einer Folge der Benny Hill Show, als Barmann in Simon Templar (mit Roger Moore in der Titelrolle) und als „Araber mit einer langen Säge“ in einer Kindersendung mit dem Titel Crackerjack.

Er ergatterte sogar eine kleine Rolle als Kellner in einer Pantomimen-Nummer mit dem amerikanischen Vaudeville-Star Eddie Vitch. „Wir traten zusammen bei einem TV-Special mit Connie Francis auf“, verriet Grant später Malcolm McLaren.

1958 feierte Peter sein Filmdebüt, als er im Schwarzweiß-Drama Die Letzte Nacht der Titanic einen Matrosen spielte. Grant wurde zu winterlichen Nachtaufnahmen an den Ruislip Lido im Westen Londons bestellt. Auf dem Stausee schwammen ein Modell des Ozeanriesen sowie ein paar Rettungsboote.

Der Hauptdarsteller Kenneth More spielte den zweiten Offizier der RMS Titanic, Charles Lightoller. Als die Statisten sich weigerten, ins eiskalte Wasser zu hüpfen, bot More an, es als erster zu tun. „Ich habe niemals eine solche Kälte verspürt“, sagte er. „Es war, als würde man in eine Gefriertruhe springen. Der Schock ließ die Atemluft aus meinem Körper entweichen. Es schien, als würde mein Herz zu schlagen aufhören. Ich fühlte mich erdrückt, war nicht mehr in der Lage, einen Gedanken zu fassen.“

Während er nach Luft rang, versuchte More die Statisten zu warnen, es ihm bloß nicht gleichzutun, doch da war es bereits zu spät. Irgendwo in dieser Szene auf dem Deck des havarierten Schiffs – oder auch schon im kühlen Nass – war ein 22 Jahre alter Peter Grant zu sehen.

Im Winter 1960 befand sich Grant unter den Statisten des romantischen Epos Cleopatra mit Elizabeth Taylor in der Hauptrolle. „Die Dreharbeiten fanden zunächst in den Pinewood Studios statt“, erzählte er. „Ich werde mich immer daran erinnern, wie sie jeden Tag mit einem Phantom 5 vorfuhr und einen Pelzmantel trug. Sie stieg aus dem Wagen, beschloss, dass es zu frostig war, und fuhr dann direkt zurück ins Hilton Hotel.“ Dieses Schauspiel wiederholte sich zwei Wochen lang, während sich das Wetter verschlechterte und die Temperaturen immer weiter in den Keller sanken. „Mir war das egal“, sagte Grant. „Ich bekam 15 Pfund am Tag, was damals ein Batzen Geld war.“

Die 300 Komparsen vertrieben sich die Zeit in einem Großraumzelt, tranken Tee und spielten eine Partie Karten nach der anderen. Viele von ihnen, darunter auch Grant, waren als Sklaven oder Soldaten kostümiert und braun geschminkt, um so etwas nahöstlicher zu wirken. „Ich spielte eine makedonische Wache und trug eine Rüstung aus Kunststoff“, sagte er.

Irgendwann erbarmte sich Elizabeth Taylor aber doch noch und kreuzte auf, um jene Szene zu drehen, in der Cleopatra in Rom eintrifft. Mim Scala, Stammgast im 2iʼs und später Film- und Theateragent, befand sich bei Grant, als Regisseur Rouben Mamoulian sie zum Drehort rief. „Peter Grant war ein großer Kerl, den ich aus Soho kannte“, erinnerte sich Scala. „Ich stand neben ihm in der ersten Reihe.“

Der Regisseur schwenkte auf einem Kran zu Scala und seinem riesenhaften Freund. Er lehnte sich nach vorne und teilte Scala ruhig mit, dass er zu klein wäre und sich nach hinten stellen sollte. Dann rief er Grant nach vorne. Weder Peter noch Mim waren in der fertigen Fassung des Films zu sehen. „Letzten Endes schafften wir es gerade einmal, sieben Minuten oder so zu drehen, bevor alles wieder verworfen wurde“, berichtete Grant. Mamoulian warf das Handtuch und Cleopatra wurde schließlich in Italien unter der Leitung eines neuen Regisseurs gedreht.

Grant machte in anderen Filmen eine bessere Figur, selbst wenn man ihn auch dort kaum zu sehen bekam. So war er etwa Anthony Quinns Körper-Double im Kriegsdrama Die Kanonen von Navarone von 1961. Die Kulisse der Handlung – die griechischen Berge und die Ägäis – wurde in den Pinewood Studios nachgebaut.

Ein gewaltiger Sturm wurde mithilfe von fast vier Millionen Liter Wasser, etlichen Windmaschinen und einem Flugzeugmotor inszeniert. Quinn wurde dabei umgeworfen und er verletzte sich am Rücken, als durch den Aufprall eine alte Kriegsverletzung wieder akut wurde. So kam anscheinend Peter Grant zum Zug.

Eine Zeitlang sprang Grant auch für den stattlichen britischen Schauspieler Robert Morley in Filmen ein, darunter auch in der Slapstick-Klamotte Diebe haben Vorfahrt von 1962. Morley spielte darin einen Feuerwehrhauptmann, zeigte jedoch Nerven, als er im offenen Feuerwehrwagen mit hoher Geschwindigkeit die Straßen entlang jagen sollte. Grant sprang für ihn ein: „Sie mussten mich ziemlich ausstopfen. Außerdem trug ich eine künstliche Glatze. Damals hatte ich ja noch Haare.“

Im selben Jahr trat Grant auch in Stanley Kubricks Comedy-Drama Lolita auf. „Alles, was ich tun musste, war, über das Set zu spazieren. Ich spielte einen Hotelpagen“, erklärte er. Allerdings bewegte er sich zu zackig für den anspruchsvollen Regie-Meister, der Grant „ordentlich die Leviten las“.

Zehn Jahre später schrieb Grant an Kubrick und fragte ihn, ob er es in Erwägung ziehen würde, die Regie bei jenem Projekt zu übernehmen, aus dem schließlich The Song Remains the Same hervorgehen sollte: „Und am Ende erinnerte ich ihn noch an den Vorfall von damals. Er schrieb zurück und sagte ab. Auch erinnerte er sich noch an meine Darbietung … er hoffte, ich wäre seit damals ein wenig besser geworden.“

 

Grants Auftritt in Lolita dauert nicht länger als ein paar Sekunden und man sieht in auch nur im Profil. Dennoch kann man ihn zumindest erkennen: Er trägt eine weiße Jacke und schlendert durch das Hotelfoyer, während Peter Sellers und Sue Lyons sich über die Rezeption lehnen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Grant allerdings schon jenes Objekt erstanden, das sein Arbeitsleben auf den Kopf stellen sollte. Der Teilzeit-Schauspieler, Türsteher, Wrestler und Geldeintreiber Peter Grant hatte sich einen Minibus zugelegt.


Im Frühling 1958 war das neu eröffnete Londoner Planetarium die jüngste Touristenattraktion der britischen Hauptstadt. Innerhalb des Kuppelbaus in der Marylebone Road starrten Besucher auf eine bunte Auswahl von Galaxien und Sternen, die sich über ihren Köpfen auftat.

Zuhause auf der guten alten Erde trafen sich die Männer, die mit der Aufgabe betraut wurden, Amerikas Rock’n’Roll-Stars zu chauffieren, in der Fah­rerkantine auf dem Allsop Place. Peter Grant ging dort oft ein und aus. Hier trank er Tee und tauschte sich mit seinen Kollegen aus, bevor er seine Acts einsammelte und sie in seinem Bus Platz nahmen.

Da gab es die amerikanischen Headliner-Bands, die in der Kälte bibberten und sich größte Mühe geben mussten, um dem britischen Zungenschlag folgen zu können. Daneben die Vorgruppen: Teenager mit beachtlichen Haartollen und übergroßen Gitarren. Und dann waren da noch die Varieté-Künstler – Entertainer, die sich mit besagten Musikern den Agenten teilten und darauf hofften, dass der Rock’n’Roll-Glanz ein wenig auf sie abfärben würde.

Ein paar Jahre lang fuhr Grant sie alle: von Gene Vincent über Little Richard bis hin zu Cliff Richard und den Shadows. Die Komiker-Geschwister Mike und Bernie Winters genauso wie den jodelnden Schnulzenbarden Frank Ifield. Sein Job war es, sie zu ihren Gigs zu befördern, auf die Bühne zu scheuchen und anschließend dafür zu sorgen, dass sie auch bezahlt wurden.

In Grants Reisepass war als Beruf „Theatermanager“ angegeben. Das roch ein wenig nach Wunschdenken. Im Frühling 1960 verbrachte er vier Monate mit Wee Willie Harris in Italien. Die britische Pop-TV-Show Six-Five Special hatte Willies theatralische Bühnenshow in die Wohnzimmer der Nation übertragen. Harris fehlte die einstudierte Coolness eines Elvis’ oder Gene Vincents. Mit seinen orangegefärbten Haaren und seiner an einen Höhlenmenschen erinnernden Leopardenfell-Tunika ähnelte er einer zum Leben erwachten Comicfigur.

Zu Harris’ Begleitmusikern während seines Italien-Gastspiels gehörte auch der Gitarrist Derek Berman, der das Pseudonym Derek Burns benutzte. „Wir reisten in einem Alfa Romeo Superlight Sprint und Peter Grant fuhr uns mit der Ausrüstung im Van hinterher“, erinnert er sich. „Wir spielten jeden Abend und ich glaube nicht, dass irgendjemand Schlaf fand. Es waren 16 Wochen in der Hölle.“

Die Band, gekleidet als urbane britische Gentlemen im Nadelstreif und mit Melone auf dem Kopf, gab vor, schockiert zu sein, wenn Harris auf der Bühne erschien. Seine dürren weißen Beinchen schlotterten unter dem mit einem Tierfellmuster bedruckten Lendenschurz. Die Wirkung blieb niemals aus. Willie war unglaublich populär in Italien, wo er in jenem Jahr auch in zwei Filmen mitwirkte: im Roadmovie/Reisebericht Mondo di Notte und in der Brachial-Komödie Tototruffa ’62.

In Großbritannien echauffierte sich ein Regierungskomitee jedoch darüber, dass er „jugendliche Dekadenz“ verherrlichen würde. Grant erzählte der Presse später, dass der Papst persönlich interveniert hätte, um einen Auftritt von Harris’ im italienischen Fernsehen zu verhindern. Ob das nun stimmte, war egal. Es trug zum Mythos bei.

Derek erinnert sich an Grant als zuverlässigen und unermüdlich komischen Burschen. „Ich weiß nicht, was es mit diesem anderen Peter Grant auf sich hatte. Bezüglich der ganzen Geschichten, die ich später hörte, kann ich nur annehmen, dass das mit den Drogen und den Leuten, mit denen er sich abgab, zu tun hatte. Auch weiß ich noch, dass er sich abmühte, um über die Runden zu kommen. Er hatte rein gar nichts. Niemand verdiente auch nur irgendetwas.“

Drei spezifische Ereignisse versinnbildlichen Grants Arbeitsleben in diesen Tagen ganz gut. In den späten Fünfzigerjahren spielte der Teenager Phil Carson für Cal Danger, der sich selbst frech als „britischen Gene Vincent“ vermarktete, Bassgitarre. Danger überzeugte einen Veranstalter davon, dass er sogar der echte Gene Vincent wäre, was wiederum Don Arden erzürnte, der das Original vertrat. Arden kümmerte sich darum, dass diesem Scharlatan bei seinem nächsten Auftritt das Handwerk gelegt wurde.

Carson erinnert sich, wie er im Van, einem Austin Somerset, saß, als das Gefährt auf dem Weg zur Show plötzlich anhielt: „Die Fahrertür wurde geöffnet und Cal nach draußen gezerrt. Der Drummer und ich saßen hinten und hörten die Klopperei. Wir waren Teenager und hatten die Hosen gestrichen voll. Dann ging die Beifahrertür auf und ein großer Kopf erschien. ‚Wer zum Geier seid ihr denn?‘, fragte dieser. ‚Wir sind Cal Dangers Band‘, flüsterten wir kleinlaut. ‚Das war einmal. Raus mit euch.‘ Das war meine erste Begegnung mit Peter Grant.“

Hätte Phil Carson am 6. Dezember 1960 ferngesehen, dann hätte er denselben Mann in einer Comedy-Serie der BBC namens Citizen James bestaunen können. In dieser Folge, die den Titel „The Money“ trug, veranstaltete der Schauspieler Sid James in der Rolle eines Aufschneiders aus Soho eine Lotterie, bei der es 250 Pfund zu gewinnen gab. Grant war darin in einer Rolle ohne Text als einer der Losbesitzer zu sehen. Keine schlechte Besetzung! Schließlich war Grant abseits des Bildschirms ein Mann, der 250 Pfund bitter nötig gehabt hätte. Außerdem war er ständig auf der Suche nach Wegen, an Geld zu kommen.

Im selben Jahr löste der amerikanische Sänger Chubby Checker mit Hits wie „The Twist“ und „Letʼs Twist Again“ einen neuen Tanztrend aus. Der 15-jährige Jeff Dexter, der später als Club-DJ und Festival-Conferencier von sich reden machen sollte, wurde aus dem Londoner Lyceum geworfen, weil er den von Checker besungenen Twist getanzt hatte. „Angeblich war das obszön“, sagt er heute. Allerdings brachte ihm diese Publicity einen Job beim Cyril Stapleton Orchestra ein und einen Besuch von Peter Grant. „Ich kannte Peter als diesen Typen aus dem 2iʼs“, erklärt Dexter. „Ich sah ihn in Soho. Nachdem ich einen meiner Auftritte mit Cyril absolviert hatte, kam er im Lyceum hinter die Bühne, um mich zu sprechen.“ An diesem Tag befand sich Grant in Begleitung des zukünftigen DJs und Fernsehmoderators Jimmy Savile. Nach dessen Tod im Jahr 2011 kam ans Licht, dass dieser ein notorischer Triebtäter war. „Damals wusste aber niemand, dass er ein solcher Perversling war“, versichert Dexter.

In jenen Tagen betrieb Savile einen Tanzschuppen und kämpfte zeitweise als Wrestler. Die beiden Männer machten Dexter einen Vorschlag: „Peter, Gott schütze ihn, meinte, dass ich viel mehr Geld verdienen könnte, wenn ich als twistender Wrestler mein Glück versuchen würde – gleichzeitig kämpfen und tanzen. In so einem Badeanzug.“ Dexter winkte ab und so verlief ein weiterer Plan, ans große Geld zu gelangen, im Sand.

Ende 1961 arbeitete Grant nun auch ab und an als Fahrer und Bühnenmanager für die Noel Gay Agency im Londoner West End. Rock’n’Roll war nun endgültig angekommen, aber noch nicht überall so richtig durchgestartet. Noel Gay vermittelte neben Gesangs- und Tanznummern auch Trampolin-Akrobaten und Zauberer, die in Ferienlagern, Arbeiterheimen und den nunmehr glanzlosen Embassy-Ballsälen englischer Küstenstädte auftraten.

Einer dieser Acts waren die Jeanettes, drei junge singende Schwestern namens Jean, Sue und Gloria Cutting, die aus Hull in Yorkshire stammten. Peter traf das Trio bei ihren Proben in der Denmark Street, wo sie sich für eine bevorstehende Tour durch den Norden und Süden von Wales in Form brachten. Gesponsert wurde die Konzertreise von Gallaher Cigarettes. „Meiner Mum fielen zuallererst die Augen meines Dads auf“, erzählt Grants Tochter Helen.

Wenig später waren Peter und Gloria bereits ein Paar. Das Branchenblatt der Unterhaltungsindustrie, The Stage, berichtete über die Tour: „Die Reisegesellschaft umfasst den Conferencier Larry Burns, die Jeanettes, den jungen ungarischen Magier Kovari, Jimmy Rodgers aus Preston, der sich als Klavierspieler verdingt, sowie den Bühnenmanager und Fahrer Peter Grant, der schon in vielen Filmen und Fernsehproduktionen mitgespielt hat und bekannt ist für seine Rollen als zäher Bursche – immerhin ist er einen Meter achtundachtzig groß und 115 Kilo schwer!“

Die Tour umfasste insgesamt 162 Auftritte in 14 Wochen und erstreckte sich bis Ostern 1962. Grant fuhr die Acts von Stadt zu Stadt, übernachtete in denselben Pensionen und schloss sich ihnen sogar auf der Bühne an, um mit ihnen beim großen Finale, wenn auch falsch, mitzusingen. Grant bot sich den singenden Schwestern als Manager an. Sie lachten, da er schließlich noch niemanden gemanagt hatte. Als die Tour schließlich vorüber war, waren Peter und Gloria verlobt.

Grants letzter Film, Die Kanonen von Navarone, erwies sich als Kassenschlager, doch das hatte leider keine positiven finanziellen Auswirkungen auf einfache Stunts und Doubles. Später erzählte er einem Journalisten, dass Gloria und er in ihrem ersten gemeinsamen Jahr so arm gewesen wären, dass sie sich als Weihnachtsessen eine Dosensuppe geteilt hätten.

Im Juni begleitete Grant die Jeanettes zu ein paar Auftritten in einer britischen Militärbasis in Tripolis. Das Paar heiratete in diesem Sommer in Hull und zog zu Dorothy in die Norhyrst Avenue. Die frisch Verheirateten hatten es nicht einfach. Dorothy mochte zwar einen unehelichen Sohn zur Welt gebracht haben, dennoch war sie eher viktorianisch eingestellt. „Meine Großmutter war sehr prüde“, sagt Helen. „Sie mochte meine Mum nicht wirklich. Sie kamen nicht immer miteinander aus.“

Gloria war gerade mal 24 Jahre alt, hatte aber schon seitdem sie ein Teenager war am Theater gearbeitet. „Mum war zwar winzig, aber ziemlich temperamentvoll und ließ sich nichts bieten.“

Kurze Zeit darauf entdeckte Gloria, dass sie schwanger war. Das Paar zog in ein Mini-Apartment am Dorrington Court, oben auf dem South Norwood Hill. Später verdiente Grant genug Geld, dass sie in die Cromwell Road nahe Shepherds Bush ziehen konnten.

„Fürs Erste musste Dad zwei oder drei Jobs gleichzeitig annehmen“, erzählt Helen. „Er chauffierte nach wie vor Bands. Außerdem arbeitete er noch als Taxifahrer. Sie hatten nichts. Wenn er seine Schuhe ausgelatscht hatte, stopfte er sie mit Pappe aus. Er klaute die Milchflaschen, die vor den Haustüren der Leute standen.“

Als die Lage zu prekär wurde, fing Grant an, Vollzeit bei Don Arden zu arbeiten. Arden, der 2007 starb, ging in seiner Autobiografie Mr. Big schonungslos mit Grant ins Gericht. Er beschuldigte ihn, ein Dieb zu sein, stellte in Abrede, dass er jemals ein Wrestler gewesen wäre, und beschrieb ihn als „300-Pfund-Sack Scheiße“.

Ein Teil von Ardens Problem war sicher, dass der Lehrjunge sich irgendwann aufschwang, den Meister abzulösen. Trotz ihrer späteren Animositäten räumte Grant stets ein, dass er von Arden eine Menge gelernt hätte. Don war ein alter Vaudeville-Star, der seinen Ruf als sogenannter „Pate des Rock’n’Roll“ genoss. Als sein Leben sich dem Ende zuneigte, war Arden hauptsächlich als Sharon Osbournes Dad bekannt.

Arden war als Harry Levy in einer jüdischen Familie zur Welt gekommen, die nach der Revolution aus Russland geflohen war und sich in Manchester niedergelassen hatte. Später berichtete er davon, dass seine Kindheit von Antisemitismus und Gewalt überschattet war, behauptete aber auch, seine Peiniger in ihre Schranken gewiesen zu haben, indem er Ratten umbrachte und ihre Kadaver zur Schau stellte: „Sie fragten sich, zu was ich alles imstande wäre.“

Schon als Teenager begann er, sich „Don Arden“ zu nennen. Er imitierte populäre Sänger und ahmte harte Raubeine aus Hollywood wie Edward G. Robinson und James Cagney in Varieté-Nummern nach. 1956 ermutigte ihn ein Zwischenrufer im Palace in Blackpool, doch mal mit seiner eigenen Stimme zu singen. Wenig später hörte Arden zum ersten Mal Elvis und spürte, dass seine Zeit vorüber war. „Es machte keinen Sinn, weiterzumachen und zu versuchen, lauter zu singen als diese Kids“, argumentierte er.

Stattdessen erfand sich Arden als Veranstalter und Agent neu. Er war auf amerikanischen Militärstützpunkten in Großbritannien aufgetreten und hatte realisiert, dass kaum Acts gebucht wurden, die die Truppen tatsächlich gerne gesehen hätten: „Die Soldaten fragten nach Elvis und bekamen dann Fritz, den örtlichen Jodelmeister, und seinen tanzenden Bären.“

 

Zunächst fiel es Arden schwer, das Monopol der britischen Showbiz-Agenturen zu knacken, aber er schaffte schließlich den Durchbruch, als ihn einer seiner erfahrenen Kontakte fragte, ob er von der jungen amerikanischen Gesangssensation Gene Vincent gehört hätte. „Du wirst ihn lieben“, wurde ihm erklärt. „Er ist umwerfend.“

Arden überzeugte die New Yorker William Morris Agency davon, Vincent in Großbritannien veranstalten zu dürfen. Obwohl junge heimische Rocker wie Cliff Richard und Marty Wilde Hits produzierten, sehnte sich das britische Publikum nach dem Original aus Amerika. Arden schickte Vincent auf eine Tour durch die Konzertsäle, plante aber auch ein paar lukrative Auftritte auf amerikanischen Militärbasen ein.

Um seine transatlantischen Kontakte noch zu intensivieren, gründete Arden die Agentur Anglo-American Artists, die ihr Büro in der Curzon Street 35 im Londoner Bezirk Mayfair hatte. Die Adresse nutzte bald schon ein stets wachsendes Netzwerk von Agenten, Veranstaltern und geneigten Opportunisten, von denen viele Arden mit ihren eigenen geschäftlichen Bestrebungen auch als Konkurrenten in die Quere kommen sollten.

Die Hausnummer 35 beherbergte auch den Showbiz-Agenten Colin Berlin und den zukünftigen Manager von Van Morrison, Phil Solomon. Beide griffen auf Grants Dienste zurück. Das traf auch auf den ehemaligen Bandleader und nunmehrigen Agenten Vic Lewis zu, der seine Management-Agentur dem Beatles-Manager Brian Epstein verkaufte. Epsteins Firma N.E.M.S. wollte Ardens Klienten, die Rockgruppe Black Sabbath aus den Midlands, abwerben.

Arden avancierte auch zu einem Partner des Star Clubs, jener Location im Hamburger Rotlichtmilieu, in der die Beatles ihr Handwerk erlernten. Don erkannte jedenfalls eine Marktlücke und begann sie zu füllen – so wie das Grant später mit Led Zeppelin tun sollte. Er lotste Gene Vincent fort von anderen Veranstaltern und leitete schon bald auch Touren für andere amerikanische Acts wie Johnny Preston und Brenda Lee in die Wege. Bei ihnen handelte es sich nicht ausschließlich um Rock’n’Roll-Interpreten, aber das war egal: Hauptsache, sie waren Amerikaner.

Don und seine Frau, eine ehemalige Tänzerin mit dem Spitznamen „Paddles“, wohnten in Brixton im Süden Londons mit ihrem Sohn David und ihrer Tochter Sharon. In ihrem Haus in der Angell Road befand sich auch Ardens Büro, das seine Laufburschen beherbergte, wenn einer mal ein Bett für eine Nacht brauchte. Zu seinen Geschäftskontakten zählten die ehemaligen Wrestler und jetzigen Pop-Manager Les Bristow und Paul Lincoln. Henry Henroid, ebenfalls ein aus dem 2iʼs bekanntes Gesicht, sollte schon bald als Fahrer und Leibwächter von Gene Vincent auf der Gehaltsliste auftauchen.

Es ging bei diesem Business um Geld und sobald der Geldfluss erst einmal in Schwung gekommen war, wuchs auch Dons Entourage aus Filmkomparsen, Stunt-Doubles und Männern, die schlicht so aussahen, als könnten sie sich benehmen. „Sie waren alle in den Randbereichen des Showgeschäfts beheimatet und wurden angestellt, weil sie jemanden kannten, der auch wieder wen kannte“, sagt Sharon Osbourne.

Zu diesen Leuten zählten auch Stan Simmonds, der ebenfalls bei Cleopatra und Citizen James als Statist mitgewirkt hatte, sowie das zukünftige Black-Sabbath-Managerteam Patrick Meehan Sr. und Wilf Pine, die den Kray-Zwillingen und dem New Yorker Verbrecherboss Joe Pagano verkehrten.

Arden traf Peter Grant zum ersten Mal, als er eine Show auf einem amerikanischen Militärstützpunkt ansagte. Grant chauffierte damals den traditionellen Jazz-Act Dick Charlesworth and His City Gents. „Peter war einfach ein Junge in seinen Zwanzigern“, erinnerte sich Arden. „Aber er besaß einen VW-Bus.“

Ehe man sich versah, schloss sich Grant Ardens Gang an und verdiente fünfzig Pfund in der Woche. Von diesem Sold musste er aber selbst den Sprit berappen.

„Peter gehörte zu den Handlangern meines Dads“, sagte Sharon Osbourne „Ich erinnere mich an ihn, weil er uns zur Schule brachte und später wieder abholte.“

Allerdings machte sich Arden schon bald Peters Größe und Auftreten zunutze. Im Oktober 1962 holte Don Gene Vincent, den Soul-Star Sam Cooke und den „Tutti Frutti“-Sänger Little Richard nach Großbritannien. Henry Henroid betrieb mittlerweile den Star Club in Hamburg, weshalb Arden Grant damit beauftragte, sich als Fahrer und Bühnenmanager um Vincents Belange zu kümmern.

Die Liste von Grants Verpflichtungen wurde immer länger. Er war da, um zu tun, was auch immer Don Arden von ihm wünschte. Don hatte Chris Hutchins vom New Musical Express als seinen Pressesprecher angeheuert. Umso wütender war Arden, als der seine Entscheidung schließlich revidierte und in seinen alten Job zurückkehrte.

Little Richards Begleitband war die britische Gruppe Sounds Incorporated, die von Arden gemanagt wurde. Nach einer Show in London gesellte sich Hutchins auf einen Drink zu ihnen in ihr Hotel in Kensington. Um 2 Uhr morgens alarmierte der Portier Hutchins, dass er dringend ein Telefonat entgegennehmen müsste. So begab er sich an die Rezeption, wo er von Peter Grant empfangen und in ein Auto geschubst wurde. Grant fuhr den Journalisten nach Brixton, wo er von Arden stundenlang angeschrien, beschimpft und verhört wurde, weil der davon überzeugt war, Hutchins wolle ihm Sound Incorporated abspenstig machen, um sie selbst zu managen.

„Ich weiß nicht mehr genau, was er mir drohte“, schrieb Hutchins 2005 in seinen Memoiren Mr. Confidential. Aber ich kann mich noch an die feindselige Stimmung erinnern. Ich war mir jedenfalls nicht sicher, ob ich den Raum in einem Stück verlassen würde.“

Als schließlich die Dämmerung über dem Süden Londons hereinbrach, akzeptierte Arden Hutchins’ Unschuld und wies Grant an, ihn nachhause zu bringen. Die beiden Männer begaben sich daraufhin auf eine unangenehme Fahrt zu Hutchins’ Wohnung in Chelsea.

Abgesehen von der Geiselnahme an sich, empfand es Hutchins als besonders verstörend, dass er sich noch wenige Wochen zuvor im selben Raum ganz normal mit der Familie Arden unterhalten hatte. Über Nacht war er für nichts und wieder nichts vom Freund zum Feind mutiert.

Das spätabendliche Kreuzverhör war kein außergewöhnliches Szenario im Hause Arden. „Es spielte sich ständig irgendein Drama ab“, räumte Sharon Osbourne ein. „Irgendjemand hatte meinem Vater eins ausgewischt und schon drohte er damit, die Mistkerle umzulegen. Solange ich mich erinnern kann, hatten die Leute Angst vor ihm.“

Grant und Simmonds waren auch in jener Nacht zugegen, als Don einen Journalisten attackierte, nachdem der ihn vor seinem Sohn David beleidigt hatte. Rückblickend lassen sich Parallelen zu Grants Verhalten gegenüber einem Ordner ziehen, der seinen Sohn Warren in einem amerikanischen Backstage-Bereich niedergestoßen hatte. „Ich verhaute ihn ordentlich und sah, wie sich seine Füße vom Boden in die Luft hoben“, prahlte Arden. „Er landete schließlich auf meinem Wagen.“

„Ich hörte niemals auf, ein Performer zu sein“, erklärte Don. „Aber statt auf der Bühne zu stehen, performte ich nun im echten Leben.“

Erzählungen von Ardens Drohgebärden und Gewaltausbrüchen, ob nun real oder erdichtet, zirkulierten vielerorts: in der Redaktion des Melody Maker, unter den Musikverlegern in der Denmark Street sowie im De Hems, dem Ship und all den anderen Bars im West End, wo sich Schreiber, Musiker und ihre Betreuer über den Weg liefen. Die Anekdoten wurden bei jeder Neuauflage ein wenig weiter ausgeschmückt. „Die Musikindustrie besteht aus zwei Gruppen – den Drama-Queens und den Möchtegern-Gangstern“, erklärte Arden. „Und natürlich tratschen sie alle miteinander.“ So wie Arden die Dinge sah, paradierte er nach wie vor durch die Straßen von Manchester und schwenkte ein paar tote Ratten an ihren Schwänzen durch die Luft. Nur zog er diese Show nun eben im Londoner Musikbusiness ab. Es ging alles um die „Macht der Angst“ – ein Trick, den Grant später zu seinem Vorteil nützen würde.