Die Mineralwasser- & Getränke-Mafia

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Danksagung

Das Schreiben eines Buches ist von Natur aus ein einsames Unterfangen und vor allem im letzten Stadium häufig nur unterbrochen von hastig verzehrten Mahlzeiten und kurzen, unruhigen Schlafphasen. Doch ohne Hilfe kommt natürlich kein Autor aus.

Ich möchte deshalb allen, die mich bei diesem wichtigen Buch unterstützt haben, von Herzen danken.

Meinem Verleger Jan Karl Fischer für seine unendliche Geduld und seine wertvollen Ratschläge. Unserer Grafikerin Irene Repp für die grandiose Umschlaggestaltung. Unserem Lektor Dr. Baal Müller für das Auffinden und Eliminieren all der unvermeidlichen Tippfehler. Dem Juristen Axel Fischer für seine strenge rechtliche Prüfung und seinen leidenschaftlichen Beitrag zum unsäglichen Thema TTIP. Meiner Agentin Eva Fehrer, ohne die ich meine Vortragsreise in Europa nie zeitgleich hätte organisieren können. Meiner Physiotherapeutin Nicole, die meine Rückenwirbel sanft wieder dorthin bugsierte, wo sie sein sollen. Meinem Nachbarn Gebhard, der mir eine Internetverbindung mit nahezu europäischem Standard und damit ein erträgliches Arbeiten ermöglichte. Meinem ehemaligen Lehrer, dem Germanisten und Buchautor Wolfgang Brenneisen, der vor über 35 Jahren den Grundstein für meinen Beruf gelegt hatte und in den letzten Monaten dafür sorgte, dass ich den Blick stets nach vorne gerichtet halte. Dem Schweizer Naturarzt Daniel Albisser für sein umfangreiches Fachwissen zum Thema Vitalstoffe. Christopher Exley, dem weltweit führenden Forscher in Sachen Aluminium, Professor für Bioanorganische Chemie an der Keele University, der meine Recherchen in eine ganz neue Richtung lenkte. Der renommierten Lebensmittelexpertin und ehemaligen Kaderfrau bei Nestlé, Yasmine Motarjemi, einer enorm mutigen Frau, die mir jede noch so heikle Frage beantwortete. Dem Wasserforscher Roland Siegl für seine Bereitschaft und seine große Geduld, mich in die Geheimnisse gesunden Wassers einzuweihen. Dem Staatsschauspieler und Hörbuchpreisträger Peter Fricke für sein nachdrückliches Nachwort. Und dem Erfolgsautor und Arzt Dr. Ruediger Dahlke für sein leidenschaftliches Vorwort, für das er einen Teil seines Urlaubs opferte.

Ein großer Dank geht auch an all die Menschen in den sozialen Netzwerken, die mich immer wieder mit Tipps und Hinweisen versorgt und meine Themen weitergetragen haben – allen voran Monika Bischoff.

Bedanken möchte ich mich aber auch für die nichts-, Verzeihung, vielsagenden Antworten von Behörden und Unternehmen, ohne die in diesem Buch das „Salz in der Suppe“ gefehlt hätte.

Ganz besonders danke ich jenen, die mir zu Hause Unterstützung gaben – allen voran mein Mann Jo, der sich nie darüber beklagte, dass ich praktisch Tag und Nacht recherchierte und schrieb, und der mich mit allem versorgte, was ich brauchte. Dank geht auch an meine Kater Blümchen, Bruno und Toni, die mir immer mal wieder mit dem Schwanz den Staub vom Bildschirm wischten und meinen Schreibtischstuhl wärmten, wenn ich mal abwesend war.

Und last but not least möchte ich von Herzen Wilhelm und Trudi sowie meinen Eltern danken, die mir in Deutschland die Stange gehalten haben, auch wenn es mitunter recht stürmisch zuging.

Marion Schimmelpfennig, Paraguay im Januar 2016

Auf ein Wort

„Drogen und Alkohol sind was für Anfänger.

Wer richtig mutig ist, zieht sich die Realität rein.“

– Anonym

Wer mein Buch Giftcocktail Körperpflege – der schleichende Tod aus dem Badezimmer gelesen hat, weiß, dass ich keine haltlosen Aussagen treffe. Auch und besonders nicht mit dem Titel eines Buches. Verschiedentlich wurde mir vorgeworfen, dass dieser Buchtitel zu reißerisch sei, und ich gebe zu, dass ich damit empfindliche Nerven treffe, aber ich gebe auch zu, dass ich genau das wollte: Ihren empfindlichsten Nerv treffen. Sie aufrütteln. Wachmachen. Nennen Sie es, wie Sie wollen – mein Verleger hatte Recht, als er auf diesem Buchtitel bestand. Wir haben empfindliche Nerven getroffen und damit weit mehr Menschen erreicht, als wir es uns vorstellen konnten.

Mir wurde auch schon Polemik vorgeworfen –, und wissen Sie was? Das ist völlig korrekt. Der Begriff „Polemik“ basiert auf dem griechischen „polemikós“ und bedeutet „streitbar“. Er steht für einen aggressiven Angriff auf andere Ansichten oder für deren Widerlegung sowie die Kunst des Streitgesprächs. In diesem Sinne bekenne ich mich komplett schuldig.

Nun haben Sie erneut ein Buch mit einem reißerischen Buchtitel vor sich liegen – Die Mineralwasser- und Getränke-Mafia. Aber weshalb Mafia? Wird hier geschossen? Werden Menschen umgebracht? Nun, „Mafia“ ist der umgangssprachliche Begriff für organisierte Kriminalität, für Personen, die sich verdeckt organisieren, um ihre Macht zum Beispiel durch Erpressung, Gewalt und politische Einflussnahme zu festigen. Ob in dieser Branche mit Schusswaffen agiert wird, kann ich nicht sagen, aber ich kann sagen, dass Menschen und Tiere zu Tode kommen, krank werden, dass auf mannigfaltige, zum Teil extrem hinterlistige Weise versucht wird, auf politische und gesellschaftliche Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Diese Leute tun das erfolgreich, und zwar bereits seit vielen Jahren. Ich möchte Ihnen auch heute wieder die Augen öffnen. Und Ihnen die Machenschaften einer Branche präsentieren, die Ihnen nur oberflächlich gesehen wohlgesonnen ist.

Unter Deckmäntelchen wie „Gesundheitsfürsorge“, „Nachhaltigkeit“ oder „Verantwortungsbewusstsein“ jubeln Ihnen die Getränkehersteller Produkte unter, die Sie bei näherer Betrachtung niemals trinken würden. Trotz zahlreicher gesetzlicher Regelungen dürfen Ihnen die Getränkehersteller letztlich alles hineinmischen, wonach ihnen gerade der Sinn steht.

Konzerne wie Nestlé oder Coca-Cola haben längst mit der Ausbeutung des Wassers begonnen. Weltweit lassen sie sich Rechte auf Wasser sichern, pumpen es rücksichtslos und zu Dumpingpreisen ab, um es anschließend wieder zu horrenden Preisen zu verkaufen. Wir alle sind auf Wasser angewiesen. In letzter Konsequenz müssen wir dafür jeden Preis bezahlen. Das bedeutet: Wir sind erpressbar.

Sie möchten es genauer wissen? Dann wappnen Sie sich – die Wahrheit ist weder angenehm noch appetitlich.

Marion Schimmelpfennig

PS: Ich habe mich entschlossen, einen Ratgeber zu schreiben, der Ihnen vor allem im Einkaufsalltag hilft: das „Lexikon der Lebensmittelzusatzstoffe“. Besonders praktisch: Die beiden beiliegenden Ampelkarten in zwei Größen können Ihre ständigen Begleiter beim Einkauf werden. Die E-Nummern auf der Karte sind numerisch aufgelistet und mit den Farben Rot, Gelb bzw. Grün hinterlegt. Grün hinterlegte E-Nummern sind unbedenkliche Zusatzstoffe – das sind jedoch leider die wenigsten. Gelb steht für bedenkliche Substanzen, Rot für gesundheitsschädliche Stoffe, die Sie auf jeden Fall meiden sollten.


Im Buch werden alle E-Nummern erläutert und nach verschiedenen Kriterien bewertet, zum Beispiel:

• Wie gefährlich ist der Zusatzstoff?

• Ist die Substanz vegan?

• Wird der Zusatzstoff auch gentechnisch hergestellt?

• Was ist natürlich, wird aber auch synthetisch

hergestellt?

• Welche Zusatzstoffe sind auch allergieauslösend?

Sie wollen gesund und natürlich leben? Dann ist dieses Buch ein unverzichtbarer Begleiter für Sie!

Was ist wirklich in Lebensmitteln drin?

In einer aktuellen Umfrage* geben 69 % der Befragten zu, nicht zu wissen, was genau in Lebensmitteln enthalten ist. Das ist auch nicht verwunderlich, denn die Hersteller verstecken Zusatzstoffe gerne hinter E-Nummern oder verschleiern sie mit harmlos klingenden, irreführenden Begriffen. Die Liste der Zusatzstoffe ist lang – von natürlichen Produkten bis hin zu krebs- oder demenzfördernden oder erbgutschädigenden Substanzen. Sie liest sich in weiten Teilen wie die Zutatenliste eines Giftmischers.

Um ganz ehrlich zu sein, trauen wir dieser Umfrage nicht. Beziehungsweise trauen wir den Antworten der Befragten nicht. Das Ergebnis bedeutet nämlich im Umkehrschluss, dass angeblich 31 % genau wissen, was in Lebensmitteln enthalten ist. Das wäre zu schön, um wahr zu sein, ist aber nicht realistisch: Über 300 Zusatzstoffe sind in der EU zugelassen – wer von sich behaupten kann, alle zu kennen, wäre ein Genie und verdiente allerhöchsten Respekt.

Wir können also getrost davon ausgehen, dass praktisch kein Mensch auf Knopfdruck sagen kann, was all diese Bezeichnungen bedeuten. Doch das wird sich mit diesem Buch ändern, zumindest für Sie, wenn Sie es gelesen haben.

Ab sofort sind Sie informiert, was man Ihnen so alles auftischt. Sie sind den Herstellern nicht länger hilflos ausgeliefert. Sie entscheiden ab sofort, was Sie essen und trinken wollen und was nicht. Hier geht es nicht um Ihren Heringssalat als solchen, sondern um die darin enthaltenen Zusatzstoffe, und das können recht viele sein. Künftig werden Sie eben einen Heringssalat kaufen, der keine oder nur „grüne“, also harmlose E-Nummern enthält.

Mit diesem Buch und den darin enthaltenen Karten haben Sie Ihre Gesundheit jetzt im Wortsinn selbst in der Hand! Wollen Sie alles, was die Hersteller Ihnen antun wollen, weiter über sich ergehen lassen? Oder wollen Sie nicht lieber doch selbst bestimmen, was Sie essen? Dann zeigen Sie unverantwortlichen Lebensmittelherstellern die rote Karte und lassen Sie deren giftige Lebensmittel einfach in den Regalen liegen.

*Quelle: G+J Branchenbild, Ernährungsgewohnheiten und -trends

Denkanstöße

 

„Die Bürger demokratischer Staaten sollten einen Kurs für intellektuelle Selbstverteidigung besuchen, um sich vor Manipulation und Kontrolle zu schützen.“

Noam Chomsky, Sprachwissenschaftler und Globalisierungskritiker

„Der geschickte Journalist hat eine Waffe: das Totschweigen – und von dieser Waffe macht er oft genug Gebrauch.“

„Nichts ist schwerer und erfordert mehr Charakter, als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und zu sagen: Nein!“

Kurt Tucholsky, Journalist und Schriftsteller

„Freiheit ist das Recht, den Leuten zu sagen, was sie nicht hören wollen.“

George Orwell, Schriftsteller

„Ziviler Ungehorsam ist nicht unser Problem. Unser Problem ist ziviler Gehorsam.“

Howard Zinn, Historiker und Politikwissenschaftler

„Nicht alles, mit dem man konfrontiert ist, kann man verändern. Aber man kann nichts verändern, solange man sich damit nicht konfrontiert.“

James Baldwin, Schriftsteller

„Wenn Sie wissen wollen, wer Sie beherrscht, finden Sie einfach heraus, wen Sie nicht kritisieren dürfen.“

Voltaire, Philosoph und Schriftsteller

„Autonome Politiker gibt es selten. […] Die Konzerne diktieren ihr Gesetz auch den demokratischen Staaten des Westens. […] Es herrscht eine kannibalische Weltordnung. Zehn weltumspannende Konzerne kontrollieren 85 Prozent der weltweit gehandelten Grundnahrungsmittel. Diese Konzerne entscheiden, wer isst und lebt oder wer hungert und stirbt.“

Jean Ziegler, Soziologe, Politiker und Globalisierungskritiker

„Was verlangt ihr vom Schakal, daß er sich häute; vom Wolf? Soll er sich selber ziehen die Zähne?“

Hans Magnus Enzensberger, Dichter und Schriftsteller

„Die Behauptung, es gebe kein Geld [um das Elend der Welt zu bekämpfen], stimmt nicht, es gibt Geld wie Dreck. Es haben nur die falschen Leute.“

Heiner Geißler, deutscher Politiker

„Wasser wird weltweit immer knapper. Darum wollen wir die Quellen kontrollieren.“

Helmut Maucher, CEO Nestlé 1990–1997

„[Man sollte] den Wassermarkt freigeben und den Preismechanismus dafür sorgen lassen, dass Lieferung und Nachfrage in Einklang gebracht werden. […] Das größte Hindernis hierfür ist die weit verbreitete Auffassung, dass Wasser ein kostenloses Produkt ist. […] Ja, ich nehme die vernunftwidrigen Argumente unserer Gegner zur Kenntnis, doch sollten sie Widerstand gegen die globale Weltordnung leisten, sage ich: Tötet sie.“

Thomas P. M. Barnett, US-amerikanischer Militärstratege und Regierungsberater

„Ich habe den Verdacht, dass sich alle Terrorismen […] in ihrer Menschenverachtung wenig nehmen. Sie werden übertroffen von bestimmten Formen von Staatsterrorismus.“

„Ich teile die Menschheit in drei Kategorien: Wir normale Menschen, die irgendwann in ihrer Jugend mal Äpfel geklaut haben, die zweite hat eine kleine kriminelle Ader, und die dritte besteht aus Investmentbankern.“

Helmut Schmidt, deutscher Bundeskanzler von 1974–1982

„Wenn auf der Erde die Liebe herrschte, wären alle Gesetze entbehrlich.“

Aristoteles, Philosoph

„Was habt ihr nicht alles getan, um mich in der Erde zu verscharren / Doch ihr habt vergessen, dass ich ein Samen bin.“

Dinos Christianopoulos, Dichter

Extrem gefährlicher Cocktail

Die Substanzen, die ich in diesem Buch beschreibe (und alle anderen, die ich nicht beschreibe, die aber vielleicht trotzdem in Ihrem Getränk stecken), können sich unter Umständen im Körper anreichern und damit im Lauf der Zeit Mengen erreichen, die eine Vielzahl von Krankheiten verursachen können. Besonders riskant ist, dass sich die Wirkung verschiedener Stoffe nicht nur addiert, sondern sogar zu einer exponentiellen Verstärkung der Wirkung führen kann. Außerdem kann theoretisch jede Substanz mit anderen Substanzen – entweder aus demselben oder einem anderen Produkt – im Körper chemisch reagieren. Welche chemischen Reaktionen das sind und was sie in Ihrem Körper anrichten können, ist völlig unbekannt – niemand hat es jemals untersucht.

In diesem Zusammenhang hätte ich ein höchst interessantes Zitat für Sie: „Allerdings können die Desinfektionsmittel selbst mit natürlich vorkommenden Substanzen im Wasser reagieren und unbeabsichtigte Nebenprodukte erzeugen, die zu Gesundheitsrisiken führen können.“ Und wissen Sie, wer das in einem internen Dokument zugibt? Der einflussreiche US-amerikanische Branchenverband International Bottled Water Association (IBWA).

Eine der wichtigsten wissenschaftlichen Arbeiten zu dieser Thematik ist bereits einige Jahre alt und hätte deshalb eigentlich längst bei der Bewertung von Substanzen berücksichtigt werden müssen: Die Forscher um Andreas Kortenkamp von der School of Pharmacy der University of London veröffentlichten 2007 in der Fachzeitschrift Environmental Health Perspectives einen Artikel mit der Überschrift „Low-Level Exposure to Multiple Chemicals: Reason for Human Health Concerns?“ („Niedrige Belastung mit unterschiedlichsten Chemikalien: Eine Gefahr für die menschliche Gesundheit?“). Sie hatten sich die Frage gestellt, ob es auch dann zu Gesundheitsrisiken kommen kann, wenn mehrere Chemikalien in derart niedrigen Dosen vorhanden sind, dass die einzelne Substanz für sich genommen keinerlei Wirkung hat. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich noch niemand die Mühe gemacht, die vorhandenen experimentellen Studien systematisch zu untersuchen. Und dies fanden die Wissenschaftler heraus:

Die weithin verbreitete Annahme, dass eine Chemikalien-Mischung harmlos ist, wenn die einzelnen Chemikalien jeweils in Konzentrationen vorliegen, bei denen keinerlei Wirkung beobachtet werden kann, ist falsch!

Gleichzeitig konnten die Forscher damit zeigen, dass auch die Annahme falsch ist, eine Konzentration, bei der keine Wirkung festgestellt wird, sei auch sonst wirkungslos. Das bedeutet: Es kommt einfach darauf an, welche anderen Stoffe gleichzeitig vorhanden sind – dann können sogar Konzentrationen wirken, die sonst niemals eine Wirkung gezeigt haben!

Welchen Sinn haben Grenzwerte also? Keinen.

Besonders große Sorgen bereiten den Wissenschaftlern Chemikalien mit endokriner (hormoneller) Wirkung, denn diese wirken bereits in sehr geringen Mengen. Es gibt sehr viele und völlig unterschiedliche Substanzen, die den Hormonhaushalt stören können, und es gibt vermutlich zahlreiche Chemikalien, deren hormonähnliche Wirkung noch gar nicht entdeckt wurde! Vor allem im Kindesalter sind endokrine Substanzen gefährlich, denn der kindliche Körper ist besonders empfindlich und verletzlich. Wenn der Hormonhaushalt bereits in diesem frühen Stadium gestört wird, kann auch die normale Entwicklung des Kindes gestört werden – die Folgen zeigen sich oft erst später im Leben.

Eine systematische Erforschung der Wechselwirkung aller Stoffe gibt es bisher nicht und wird es wohl auch nie geben, denn dazu müssten zigtausende verschiedene Substanzen in allen möglichen Kombinationen untersucht werden. Das Ganze ist ein Giftcocktail mit eingebauter Zeitbombe. Wann das System – Ihr Körper – kippt, weiß niemand.

Weshalb die herausragenden Arbeiten von Kortenkamp noch immer nicht bei der gesundheitlichen Bewertung von Substanzen berücksichtigt werden, lesen Sie im Kapitel „Die Diktatur der Mächtigen“.

Wem gehört das Wasser?

Am 28. Februar 2013 hatte der deutsche Bundestag auf Antrag der Fraktion Die Linke über die Aussage „Wasser ist Menschenrecht – Privatisierung verhindern“ abgestimmt. Damit sollte die Bundesregierung aufgefordert werden, sich in Brüssel gegen EU-Pläne zu wehren, die die kommunalen Wasserwerke unter verstärkten Privatisierungsdruck setzen. Von den 620 Bundestagsabgeordneten stimmten sage und schreibe knapp 50 Prozent – nämlich 299 – mit Nein. 125 enthielten sich der Stimme, 75 gaben ihre Stimme nicht ab. Lediglich 122 Abgeordnete stimmten mit Ja. Eine Katastrophe.

Unter anderem aufgrund der europäischen Bürgerinitiative Right2Water/Wasser ist ein Menschenrecht, die rund 1,9 Millionen Unterschriften erzielte, musste sich das EU-Parlament mit dieser Frage beschäftigen. Right2Water war die erste Bürgerinitiative, die alle Anforderungen erfüllte, die im Vertrag von Lissabon genannt werden: mehr als eine Million Unterstützer aus mindestens sieben Mitgliedstaaten.

Im März 2014 hatte die Europäische Kommission dann auf Empfehlung des EU-Parlaments die Wichtigkeit von Wasser als öffentliches Gut von grundlegendem Wert betont: „Wasser ist kein kommerzielles Produkt.“ Eine rechtliche Verankerung fehlt bisher, und deshalb schreiten die Liberalisierungsanstrengungen nach wie vor ganz offen voran (zum Beispiel in Griechenland: Das dritte Hilfspaket fordert eine Privatisierung der Wasserwerke). Doch die Botschaft ist klar.

Bereits im Jahr 2010 hatten die Mitglieder der UNO erklärt, dass Wasser ein Menschenrecht ist. Der Anspruch auf sauberes Wasser ist völkerrechtlich zwar nicht verbindlich und auch nicht einklagbar, einen hohen symbolischen Wert hat diese Verankerung aber in jedem Fall.

Nestlé sieht das offenbar komplett anders.

„Wasser ist kein Menschenrecht“

Peter Brabeck-Letmathe ist Präsident der Nestlé Gruppe. Nestlé ist der weltweit größte Abfüller von Flaschenwasser: Sechs Milliarden Euro verdienen die Schweizer mit ihren weltweit 73 Wassermarken, die bekannteste von ihnen, Pure Life, wird vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern verkauft. Mit einem Jahresumsatz von sage und schreibe 92,5 Milliarden Dollar ist Nestlé auch der größte Lebensmittelkonzern der Welt, also ein Gigant mit entsprechend großem Einfluss. Lassen Sie sich die folgenden Worte von Brabeck bitte in aller Ruhe auf der Zunge zergehen:


„Wasser ist natürlich das wichtigste Rohmaterial, das wir heute noch auf der Welt haben. Es geht darum, ob wir die normale Wasserversorgung der Bevölkerung privatisieren oder nicht. Und da gibt es zwei verschiedene Anschauungen. Die eine Anschauung – extrem, würde ich sagen –, wird von einigen von den NGOs1 vertreten, die darauf pochen, dass Wasser zu einem, äh, äh, ‚öffentlichen Recht‘ erklärt wird. Das heißt, als Mensch sollten Sie einfach Recht haben, Wasser zu haben. Das ist die eine Extremlösung, ja? Und die andere, die sagt, Wasser ist ein Lebensmittel, und so wie jedes andere Lebensmittel sollte das einen Marktwert haben. Ich persönlich glaube, es ist besser, man gibt einem Lebensmittel einen Wert, sodass wir alle bewusst sind, dass das etwas kostet, und dann anschließend versucht, dass man mehr spezifisch für diesen Teil der Bevölkerung, der keinen Zugang zu diesem Wasser hat, dass man dann dort etwas spezifischer reingreift, und da gibt’s ja verschiedene Möglichkeiten …“

Dieses Statement aus einem Interview, das auf YouTube verfügbar ist, hat weltweites Entrüsten ausgelöst. Doch Brabeck fühlt sich missverstanden. In offiziellen Statements rudert er zurück und betont, dass jeder Mensch überall auf der Welt das Recht auf sauberes, sicheres Wasser zum Trinken und für die Hygiene haben sollte. Auch Menschen, die nicht dafür bezahlen können, gehörten dazu.

Sehen wir uns an, was Nestlé mit „spezifisch eingreifen“ meint, und welchen Nutzen die Menschen davon haben.

Das Recht des Stärkeren

In vielen Teilen der USA gilt das „Recht der stärksten Pumpe“: Jeder darf auf seinem Grundstück – ob gepachtet oder gekauft – so viel Wasser abpumpen, wie er will. Die USA sind einer der wichtigsten Absatzmärkte für Nestlé, und der Konzern sichert sich dort ein Wasserrecht nach dem anderen – häufig gegen den erbitterten Widerstand der Bürger. Die Menschen wehren sich nicht nur gegen den Ausverkauf ihres Wassers, sondern machen sich auch große Sorgen um ihre Umwelt, wenn Jahr für Jahr riesige Wassermengen abgepumpt werden. Doch Nestlé lässt sich davon nicht beirren – dem Unternehmen steht ein Heer von Anwälten, PR-Beratern und Lobbyisten zur Verfügung. Und das wird eingesetzt. So berichtet zum Beispiel Erika Carpenter, dass Nestlé-Vertreter sie einschüchtern wollten, als sie gegen den Plan des Unternehmens protestierte, in der Ortschaft McCloud die größte Wasserabfüllanlage Kaliforniens zu eröffnen. Sie sagt, das Unternehmen habe ungewöhnlich große Anstrengungen unternommen, um den öffentlichen Prozess zu untergraben. In McCloud wollte Nestlé Wasser zu einem Preis einkaufen, der deutlich unter dem liegt, was die Bürger bezahlen müssen. Auch Elizabeth Royte, Autorin des Buches „Bottlemania: How Water Went on Sale and Why We Bought It“, sagt, Nestlé sei bekannt dafür, dass es seine juristische Schlagkraft in vielen kleinen Ortschaften ganz gezielt einsetze. Der Wasserraubzug von Nestlé hat weltweit bereits zu zahllosen Protesten geführt.

 

In Mecosta County im Bundesstaat Michigan gelang es Nestlé im Jahr 2002, eine Konzession zum Abpumpen von Quellwasser zu erhalten. Die Genehmigung kostet den Konzern lächerliche 70.000 Dollar und gilt 99 Jahre (!). Die kanadische Publizistin und Aktivistin Maude Barlow sagt in ihrem preisgekrönten Film „Flow: For Love Of Water“, das Unternehmen mache mit dem Wasser aus Michigan jährlich schätzungsweise 1,8 Millionen Dollar Gewinn. Die Bürger in Mecosta County versuchen erbittert, sich dagegen zu wehren, dass ihr eigenes Wasser so billig verkauft wird. Die Initiative „Michigan Citizens for Water Conservation“ verklagte Nestlé und gewann – zunächst. 2003 wurde das Gerichtsurteil aufgehoben. In einer außergerichtlichen Einigung konnte die Bürgerinitiative immerhin erreichen, dass die Abpumpmenge in etwa halbiert wird.

Im März 2015 begann der Trubel in Cascade Locks in Oregon. Nestlé hatte eine Lizenz erhalten, um aus einer Quelle in der Nähe der Ortschaft Wasser abzupumpen und in Flaschen wieder zu verkaufen. Und zwar zu einem Einkaufspreis, der deutlich unter dem liegt, was die Bürger von Cascade Locks dafür bezahlen müssen. Ein Bürgerprotest erhob sich, über 100.000 Protestzuschriften wurden geschrieben. Die Fischer in der Region fürchten um ihre Existenz. Governor Kate Brown hat die genehmigende Behörde am 6. November 2015 angewiesen, die Wasserrechte wieder zu entziehen. Die Sache ist noch nicht entschieden.

Nestlé hatte in der Gemeinde Fryeburg im US-Bundesstaat Maine bereits vor Jahren kurzerhand und ohne großes Aufheben Land erworben, das für das Abpumpen von Wasser geeignet schien, und nahezu unbemerkt den Betrieb aufgenommen. Proteste erhoben sich erst, als die Bürger nach und nach davon erfuhren, denn mitgeteilt hatte ihnen das niemand. Zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Buches lag der Fall noch bei Gericht.

Eine Recherche der Desert Sun brachte 2014 ans Tageslicht, dass Nestlé in einer Waldregion bei San Bernardino in Kalifornien mit einer ungültigen Genehmigung Wasser abpumpt: Die Konzession war bereits im Jahr 1988 abgelaufen. Das Wasser – schätzungsweise rund 100 Millionen Liter im Jahr, wofür Nestlé lediglich 524 Dollar bezahlt – wird zu einer Fabrik gepumpt, in der es in Flaschen der Marke „Arrowhead“ abgefüllt wird. Kalifornien ist ein Staat, der immer wieder von Dürren heimgesucht wird. Waldbrände sind ein großes Problem. Wasser ist seit jeher ein knappes Gut. Möglicherweise reicht das unterirdische Reservoir derzeit nur noch für ein Jahr. Die Bürger protestieren, haben Angst um ihre Wasservorräte und argumentieren, dass sie selbst große Einschränkungen beim Wasserverbrauch hinnehmen müssen, Nestlé jedoch nicht. Die Antwort von Nestlé: Man brauche sich keine Sorgen zu machen, denn das Abpumpen des Wassers werde überwacht. Die zuständige Behörde ist überfordert, sie arbeitet abgelaufene Genehmigungen nach dem „Prioritätsprinzip“ ab. Weil bisher nichts geschah, hat die Bürgerinitiative „Story of Stuff Project“ Klage eingereicht.


Im Mai 2015 berichtete der Guardian, der Chef von Nestlé Waters North America, Tim Brown, weigere sich, trotz einer verheerenden Dürre in Kalifornien und trotz Bürgerprotesten das Abpumpen von Wasser zu stoppen. Falls möglich, so Brown, würde er die Menge an abgepumptem Wasser sogar noch erhöhen, denn die Bürger verlangten nach seinem Wasser. Brown gab zu, dass Nestlé derzeit rund 30 Prozent des in Kalifornien abgepumpten Wassers verschwende, und kündigte Verbesserungen an.

In der kanadischen Provinz British Columbia pumpt Nestlé in der Ortschaft Hope jährlich rund 265 Millionen Liter Grundwasser aus dem Boden – und muss das entnommene Wasser weder messen, melden noch irgendwelche ökologischen Schutzvorkehrungen treffen, weil die uralte Grundwasserregulierung das nicht vorsieht. Für diese enorme Wassermenge muss der Konzern jährlich lediglich 596,25 Dollar bezahlen. Das sind 2,25 Dollar für eine Million Liter. Was passiert mit diesem Wasser? Es wird anschließend in Flaschen verkauft. In der benachbarten Ortschaft Gibson gab es früher einen öffentlich zugänglichen Wasserhahn, aus dem man das sehr saubere und gute Wasser kostenlos zapfen konnte. Heute müssen die Menschen dafür ihre Kreditkarte zücken oder Münzen in den Wasserautomaten werfen. Die in politischen Belangen sonst eher lethargischen Kanadier haben eine Bürgerinitiative dagegen gestartet. „Nestlé findet nichts dabei, [das Wasser] für ein Almosen aus dem Boden zu saugen und in einer Plastikflasche zu verkaufen.“

Am 30. Dezember 2015 beantragte Nestlé Waters North America nach Angaben von WNEP eine Ausnahmegenehmigung für den Betrieb einer Abfüllanlage von Quellwasser in Kunkletown in Pennsylvania. Über 750.000 Liter will Nestlé dort täglich abpumpen. Auch hier sind Auseinandersetzungen abzusehen, denn die Bürger haben sich bereits formiert und protestieren gegen das Vorhaben. Gegen die Verantwortlichen in der Gemeinde haben sie Zivilklage erhoben, weil Regeln umgangen worden seien, um Nestlé bevorzugt behandeln zu können.

Auch auf eine Quelle im kanadischen Elora hat Nestlé es inzwischen abgesehen. Der Konzern will dort die Wasserqualität testen und bei positivem Ergebnis die Quelle kaufen. Und auch hier haben sich besorgte Bürger bereits zusammengeschlossen und protestieren gegen den Ausverkauf ihres Wassers.

In der ARD-Sendung Weltspiegel vom 6. Mai 2013 konnten Millionen Zuschauer am Bildschirm mitverfolgen, wie Nestlé in der Nähe von Pretoria Quellwasser in Flaschen abfüllt, während die Menschen direkt um die Fabrik herum ein Leben in Müll und ohne Wasseranschluss fristen. Diejenigen, die bei Nestlé Arbeit gefunden haben, müssen sich mit Almosen begnügen, wenn es um das Wasser geht, das eigentlich „ihr“ Wasser ist. Oder besser gesagt, war, denn die Regierung hat Nestlé eine Konzession erteilt. Die Reportage bestätigt, was die Schweizer Journalisten Res Gehriger und Urs Schnell in ihrem inzwischen mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilm „Bottled Water“ über Nestlés Wasserpolitik aufgedeckt hatten. Arbeiter erklären, sie hätten zwar kein fließendes Wasser zu Hause, dürften aber Flaschen mit beschädigtem Etikett schon einmal mitnehmen. Nestlé gebe ihnen zwar einen Liter Wasser am Tag zu trinken, aber diese Flaschen nähmen sie oft lieber für die Kinder zu Hause mit, denn leisten könnten sie sich dieses saubere Wasser aus dem Supermarkt nicht. Und das, obwohl es eigentlich nur wenige Meter von ihrer Hütte aus dem heimischen Boden fließt. Durch einen Tunnel gehen die Menschen auf die andere Seite der Schnellstraße, denn dort hat der Konzern – man gibt sich großzügig – einen kleinen Wasserhahn zur Verfügung gestellt. Ein Arbeiter fragt, ob es für Nestlé nicht möglich wäre, eine Leitung mit sauberem Wasser ins Dorf zu legen. Eine gute Frage. Wie antwortet Nestlé? „Die Forderung nach einer Wasserleitung in das Dorf macht den Bau einer Rohranlage unter einer bestehenden Schnellstraße notwendig. Ein solcher Bau liegt in der Verantwortlichkeit der staatlichen Behörden.“ Natürlich. Das hilft diesen Menschen sehr.

Im Oktober 2014 berichtete die Handelszeitung in der Schweiz, dass Nestlé kurz vor der Inbetriebnahme einer Abfüllanlage für Mineralwasser in Äthiopien stehe. Die Produktion solle den Zugang zum äthiopischen Markt mit seinen über 90 Millionen Einwohnern erleichtern. Dazu arbeite das Waadtländer Unternehmen mit dem äthiopischen Produzenten Great Abyssinia zusammen, dem größten Mineralwasserproduzenten des Landes. Die Neue Zürcher Zeitung schrieb dazu, Nestlé verfolge die Entwicklung in Äthiopien ganz genau, um im richtigen Moment mit einem direkten Engagement einsteigen zu können. Der Moment wäre perfekt gewählt: Dem Land droht derzeit die schlimmste Dürre seit 30 Jahren. Die 8,2 Millionen Menschen, die von der Dürre betroffen sind, werden sich das Flaschenwasser nicht leisten können.