Die Goldene Stadt im Untersberg 4

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Der Pfortenwächter zur goldenen Stadt am

Tore Golgathas

Der Pfortenwächter gehört zu den Dämonen aus einer okkulten Magielehre. Er ist der zum Leben erwachte Geist eines verrufenen Verstandes des Menschen, aber er ist auch ein Türsteher, d. h. ein Geist, der den Durchgang zwischen zwei Welten bewacht. Nämlich zwischen der Welt, die wir kennen und die der Goldenen Stadt!

Der Pfortenwächter ist der Gegenpol des Dämons des Nibelungenrings oder auch Nibelungentransmitters, den wir bei unserer Suche gefunden hatten.

Der Pfortenwächter verhindert, dass Menschen „unsere“ Welt verlassen und dass sie die richtige Schwingung bei dem Übertritt nach 450X aufweisen; der gegenpolige Dämon des Nibelungenrings verhindert, dass diese Menschen das Reich nach 450X betreten und durch das Tor Golgatha gelangen (dort, wo die Goldene Stadt liegt).

Obwohl beide dämonischen Torwächter ihrer Aufgabe entsprechend böse sind, dienen sie dennoch einem wichtigen Zweck: denn sie verhindern, dass die Menschen von einer Ebene der Goldenen Stadt zur nächsten reisen.

Genau wie der Dämon Azazel ist dieses unsichtbare maskuline Ungeheuer auf der Gegenseite ebenfalls ein Türsteher bzw. auch Torwächter zu Golgatha, umgeben von einem grünem Licht, in dem Claras in den Tempelanlagen am Howerleberg verschwunden war.

DAS VERMÄCHTNIS DER ISAIS

1. Das Fieber des Wahnsinns

Seine schleimigen Tentakel bewegten sich lüstern über seinem reptilienartigen Kopf hin und her. Seine scharfen Zähne spiegelten sich im Licht des Mondes und seine rötlichen Dämonenaugen waren auf die Frau gerichtet, die er seit einiger Zeit im Visier hatte.

Sie ging andächtig die Straße entlang und erfreute sich an der romantischen Abendstimmung im wunderbaren Mondlicht. Sie genoss die kurze Verschnaufpause, denn es gab nicht viele Momente in ihrem Leben, in denen sie so klar im Kopf war wie heute.

Das lag an den Ritualen der Fraternitas Saturni Loge, die diese gemeinsam mit der Vril-Gesellschaft an ihr durchgeführt und sie damit langsam aber sicher in eine Psychose getrieben hatten. Nicht ahnend, dass „er“ zwischen ihrer und einer anderen Realität nur darauf wartete, ihr den Lebenssaft auszusaugen.

Immer wieder hatte sie als Energiespender für diese abgrundtiefe dämonische Kraft dienen müssen. Doch sie hatte jetzt genug davon. Wäre sie doch niemals nach Sierra Leone geflogen …

Der Dämon fixierte sie nach wie vor und schnaufte noch einmal tief durch seine ziegenartigen Nasenlöcher, dann legte sich ein Nebel auf die Welt, die er soeben betrachtete. Er schleuderte seine Zunge weit aus seinem Maul heraus und stöhnte mit einem tiefen dämonischen Laut, der seine Lust und Hingabe zu diesem Menschen wiedergaben.

Seine langen Tentakel fuhren aus seiner schuppenartigen Haut und legten sich über ihre Schultern. Doch nicht nur das. Sie bohrten sich auch in ihren Körper, rammten sich heftig in ihr Herz und ihr Rückenmark.

Der Dämon war erleichtert über ihre Reaktion, denn obwohl sie ihn nicht sehen konnte, blieb sie plötzlich stehen, als ob sie es spüren, ahnen, wissen würde, was mit ihr geschah.

Nach einem Moment der Starre blickte sie sich in ihrer Umgebung um und erkannte, dass ihre Chance gekommen war. Die Chance, dieses nicht greifbare Übel, diese Folter, diesen Dämon ein für alle Mal loszuwerden! Diese jahrelange seelische Folter eines Dämons, diese andauernde Geisteskrankheit, die der Besuch des geheimen Tempels der Schlange in Sierra Leone bei ihr ausgelöst hatte.

Sie war sich nicht bewusst gewesen, welcher Kraft und Macht sie sich durch ihren Besuch dort ausgesetzt hatte und konnte nicht verstehen, was mit ihr geschehen war. Ein Test nach dem anderen war an ihr durchgeführt und parapsychologische und okkulte Hinweise in ihrem „Fieber des Wahnsinns“, wie man es nannte, gesucht worden.

Doch sie war mit ihrem Geist, ihrem Verstand zu weit abgedriftet, nicht mehr greifbar. Im engen, unerbittlichen Griff dieses Dämons, dessen Namen sie nicht einmal kannte, dem sie sich dennoch täglich stellen musste.

Nun schien jedoch die Chance endlich gekommen zu sein, diesen Folterknecht endgültig loszuwerden. Sie ging auf den Abgrund zu und war wie erstarrt. Ihre Augen durchbohrten die Tiefe des Abgrundes und ihr wurde bewusst, weshalb sie jetzt genau am Abgrund am Rande eines Parkplatzes stand.

In einem kurzen innerlichen Kampf versuchte sie mit einer letzten Anstrengung, sich von den geistigen Tentakeln zu lösen, schaffte es jedoch nicht. Der Dämon war einfach viel zu stark in seiner Bemühung, sie zu foltern.

Plötzlich erblickte sie vor ihrem geistigen Auge einen Stein, der sehr real zu sein schien. Er schimmerte violett und besaß einen schwarzen Rand und sah aus wie der, den sie aus Sierra Leone kannte. War es etwa tatsächlich der Stein aus dem Tempel?

Sie war wie verzaubert, fast wie in Trance. Der Stein entfernte sich ein Stückchen von ihr und sie versuchte schnell, ihn festzuhalten und an sich zu ziehen, doch sie bekam ihn nicht zu fassen. Stattdessen brachte sie der Versuch und die ruckartige Bewegung nach vorn – um den vermeintlichen Stein zu greifen – zum Sturz über den Rand.

Und in diesem Augenblick konnte sie zum allerersten Mal in ihrem Leben die Augen und das Gesicht des Dämons sehen. Dann schlug sie mit dem Kopf auf einem Stein auf, der ihr den Schädel spaltete. Das Blut ergoss sich über die Steine am Abgrund und ihr Körper lag leblos zwischen den Steinen und dem feuchten Matsch unter den Bäumen und Sträuchern.

... Dort befand sich eine kleine Pfütze mitten im Nichts, in der sich ein Licht spiegelte.

Die Frau fühlte eine Kälte in ihrem Nacken, wie sie sie noch nie zuvor verspürt hatte, und die ihr Angst machte. Eine Kälte und einen Horror, wie sie ihn noch nicht erlebt hatte. Hinter ihrem Rücken befand sich etwas Grauenhaftes, das sie weder benennen noch beschreiben konnte und das Einzige, worauf sie sich konzentrieren konnte, war diese kleine Spiegelung in der Pfütze.

Nachdem sie eine Zeit lang in die Pfütze hineingestarrt hatte, konnte sie erkennen, dass diese sich auf auf einem Boden aus Ziegelplatten ausgebreitet hatte, die zu einem kleinen schwarzen Loch führten, in welches das Wasser aus der Pfütze hineintropfte und ins Nichts verschwand. Und aus der Ferne konnte sie erkennen, dass dort plötzlich ein Licht zu sehen war …

… Ihr Blut ergoss sich über die Steine am Abgrund und ihr Körper lag leblos zwischen den Sträuchern. Nach einer Weile trafen bereits die ersten Aasfresser ein, die anfingen, an dem noch warmen Körper zu nagen und ihn zu fressen. Als hätte es nie eine Frau gegeben, als wäre es dies nur ein gewöhnlicher Akt der Natur. Leben und Sterben …

... Das Licht, das sich in dieser Pfütze spiegelte, wurde immer greller und stärker und betäubte geradezu ihre Augen. Dennoch war es erstaunlicherweise gar nicht unangenehm für sie und sie fasste den Entschluss, dass sie dringend zu diesem Licht hingehen musste.

Es fühlte sich gut an, sich an dem Licht zu orientieren. Besser als das fürchterliche Schwarz, das ihr solche Angst einjagte. Vorsichtig sah sie sich um und versuchte, ihren Körper zu ertasten – doch da war kein Körper mehr! Das heißt, sie konnte ihn nicht spüren, aber er war irgendwie da. Sie war verwirrt. Doch trotz der fehlenden Füße versuchte sie, auf das Licht zuzugehen und war erleichtert, dass es ihr tatsächlich gelang.

Als sie näher kam, sah sie einen weißen Ring, der zuerst pulsierte und sich dann langsam zu drehen begann. Der Ring war ungefähr 3 Meter im Durchmesser und 2 Meter dick. Er bestand aus einem lebendigen, pulsierenden Licht.

Je länger sie wie hypnotisiert in das Licht hineinstarrte, desto stärker konnte sie eine gewisse Wärme spüren, die sich langsam in Glücksgefühle verwandelte. Aber nicht nur das! Sie konnte plötzlich alle Gefühle wieder spüren, die sie jemals in ihrem Leben gespürt hatte – nur hundertmal so stark. Liebe, Hass, Wut, Trauer, Glück waren überwältigend stark präsent.

Ihre Hormone schienen während dieses Erlebnisses überzukochen. Sie befand sich in einer Art Rauschzustand, einem Rausch aus allem, was sie war und was sie ausmachte, einem Rausch aus Liebe, wie sie sie noch nie verspürt hatte.

Alle diese Gefühle vermischten sich und sie wusste plötzlich, wo sie war. So etwas Schönes und Göttliches hatte sie noch nie verspürt. Eine grenzenlose und bedingungslose Freiheit in allem, was sie wusste und jemals gesehen und gefühlt hatte. Es war unbeschreiblich.

Nicht nur das, es war gar nicht angebracht, darüber nachzudenken, was es war. Auch Tränen war in diesem Fall nicht angebracht, denn sie war in diesem Augenblick verschmolzen mit der allumfassenden Einheit des Universums, der Göttlichkeit und des Bösen.

Kaum hatte sie den ersten Versuch unternommen, vollkommen in das Licht einzutreten, sah sie im rechten Augenwinkel plötzlich einen Körper - mehr den Umriss eines Körpers. Dann hörte sie eine Stimme, jedoch keine gesprochenen Worte, die Stimme war in ihrem Geist und sagte „Jetzt noch nicht.“ Irgendwie war ihr klar, dass sie auf diese Stimme hören musste, aber sie wollte es nicht.

Stattdessen wollten sie unbedingt völlig in dem Licht aufgehen, dem Rausch der Liebe und eins werden mit dem Universum. Daher widersetzte sie sich der Stimme und streckte ihr Hand in Richtung des Lichtes aus.

Da wurde sie plötzlich von hinten gepackt und ruckartig zurückgerissen. Dabei fuhr ihr ein schrecklicher, brüllender Schmerz durch die Glieder. Einen so heftigen, unbeschreiblichen Schmerz, wie sie ihn noch nie im Leben kennengelernt hatte.

Schlagartig riss sie Augen weit auf und ein Feuer fuhr durch sie hindurch, durch die Augen, durch die Glieder. Ihr Körper war ein See aus Flammen, der ihre Haut schnell und stetig auffraß und sie zum Schreien brachte.

 

Dann stellte sie fest, dass sie zusammengekrümmt vor Schmerz auf einem Felsen lag, ihre Hände in den steinigen Boden gekrallt, die Fingernägel abgebrochen und mit blutenden Fingerkuppen. Mehrere Meter unter ihr befanden sich am Ende einer Spalte in der Tiefe des Felsens eine heiße Glut.

Schließlich bäumte sich ihr schmerzgepeinigter Körper auf und keuchend setzte sie sich auf und starrte in die rote Ferne, die sie aus ihrer liegenden Position noch nicht hatte sehen können. Wohin das Auge blickte, erstreckte sich eine feurige Landschaft bis zum Horizont und ein heißer, sengender Wind fuhr über sie hinweg.

Sie war sich sicher, dass dies die Hölle sein musste. Eine Hölle, wie sie nur der Fantasie eines Science-Fiction-Autors entsprungen sein konnte. Eine Hölle, die sie sich wohl einbilden musste. Aber leider musste sie erkennen, dass es sich nicht um eine Einbildung handelte, sondern bittere Realität war.

Wie sollte sie dieser Lage entkommen? War es überhaupt möglich, von hier zu fliehen? Und falls ja, wie sollte sie das anstellen? Für den Moment musste sie sich in ihr Schicksal fügen und so stand sie zunächst auf und bemerkte, dass sie ganz nackt auf diesem Felsen stand. Doch bevor sie weiter über ihre Lage nachdenken konnte, hörte sie einen ohrenbetäubenden Knall und ging vor Schreck erneut zu Boden.

Dann bemerkte sie, dass ein Schatten über sie fiel. Ein Schatten, dessen Umrisse aussahen wie die eines Mannes. Doch wer war es? Nachdem sie sich langsam aufgerichtet hatte, spürte sie wieder diese eisige Kälte im Nacken und erkannte, dass auch das Schwarz von vorhin wieder da war. Das Licht von vorhin war nirgends mehr zu sehen und um sie herum nur eine lodernde Flammenhölle.

Dieser Ort war ihr Verderben, brüllte ihr Verstand. Dies war die Hölle. Doch wer war dieser Schatten? Ein Peiniger? Ein Freund? Göttliche Hilfe?

Turin 2018

Lange Zeit hatte er von dem Auslöser gewusst, weshalb sie sich das Leben genommen hatte oder verstorben war. Und genau die Verzweiflung darüber hatte ihn immer wieder in eine Depression fallen lassen. Immer wieder hatte er versucht, ihr zu helfen und war damals an einem Punkt angelangt, wo er genau diesen Dämon auch zu Gesicht bekommen hatte.

Dann waren ihm alle Zusammenhänge klar geworden und auch seine Aufgabe, diesen Dämon zu bekämpfen. Die letzte Mail von Jürgen war der Grund dafür, dass es ihn an diesen Ort verschlagen hatte. Er zückte sein Smartphone und öffnete erneut diese E-Mail, um sich die Nachricht nochmals ins Gedächtnis zu rufen.

Von Jürgen Draft

An: Damien

Betreff: Der Ort der Hölle

Hallo Damien, mein alter Freund, ich freue mich sehr, dass du dich nach all diesen Jahren wieder gemeldet hast. Anscheinend geht es dir nicht so gut? Wir sollten uns bald einmal treffen und über alte Zeiten reden. Ist schon verdammt lange her. Damals in Griechenland … Du weißt schon

Zu deiner Frage: Ich würde dir empfehlen, in Turin mit der Suche zu beginnen. Aus befreundeten Kreisen weiß ich, dass an diesem Ort die Höllentore sehr aktiv sind.

Solltest du tatsächlich einen Dämon zur Strecke bringen wollen, dann melde dich! Dämonen zu bekämpfen kenne ich nur zu gut vom Untersberg! – Das ist eine lange Geschichte, die ich dir unbedingt mal erzählen muss.

Viele Grüße

Jürgen

Mit einer Kette in der Hand, an der das Kreuz herunterbaumelte, hockte er auf einer steinernen Bank inmitten einer Kirche. Nicht etwa, um Gott um Hilfe zu bitten, nein, seine Absichten waren völlig anderer Natur. Es waren die von Jürgen beschriebenen Höllentore und das Okkulte, die ihn nach Turin gebracht hatten.

Er sah zum Altar hinauf und ballte seine Faust so stark, dass die Kette sich in seine Haut bohrte und einen Schmerz hinterließ, den er nur zu gut kannte und dem er nun endlich ein Ende setzen wollte. Er starrte auf den Altar und wusste, was er jetzt zu tun hatte.

Jedes Jahr war er hier, um Hinweise zu finden und Spuren nachzugehen. Spuren, die sich in den Sagen und der Architektur der gesamten Stadt spiegelten und das Wort des Teufels so eng an die Stadt gebunden hatten. Ein Wort, das er im Zusammenhang mit Beatrice und ihren okkulten Interessen zu entschlüsseln versuchte. Dank Jürgen wusste er nun auch, dass es genau hier in Turin war …

Er stand auf und packte seine Kette in die Hosentasche. Gläubig war er ja. Trotz allem hatte er sich dazu entschlossen, den Teufel sowie den Dämon, der seine Liebste heimgesucht hatte, zu bekämpfen. Er ging aus der Kirche hinaus und stand vor den Toren. Ein Blick in die Menschenmasse und Dopamin schoss durch seinen Körper.

„So sei es. Ich werde dich finden und es beenden.“

Genau jetzt hatte es für ihn begonnen. Die Reise mitten durch eine Dunkelheit, die er nicht verstand ... Noch nicht.

2. Santos Revdul und sein Ahnenerbe

Einige Jahre zuvor in Sierra Leone

Santos saß auf seinem alten hölzernen Sessel und starrte aus dem Fenster ins nahegelegene vom Dschungel überwachsene Gebirge. Er zog genüsslich an seiner Zigarre und Schweißtropfen perlten von seiner Stirn. Beim Ausatmen schwelgte er in den Erinnerungen an seinen alten Vater, der ihm die wunderbaren Erinnerungen an dieses Gebirge geschenkt hatte.

Auch wenn er hier in Sierra Leone aufgewachsen war (was er der Besessenheit seines Vaters für diese Gegend zu verdanken hatte), lag der letzte Besuch an jenem Ort im Gebirge schon viel zu lange zurück. Damals war er in einer stürmischen Sommernacht des Jahres 1987 mit seinem Vater dort gewesen und hatte die Schluchten sowie die gesamte Natur der grünen Wildnis erkundet.

Seinerzeit hatte er allerdings nicht gewusst, dass sein Vater nicht einfach nur Wanderungen mit ihm unternommen hatte, um gemeinsame Zeit zu verbringen … Was sein Vater dort wirklich gesucht hatte, war ihm nicht klar gewesen und so hatte er diese Ausflüge lange Zeit lediglich als wunderbare Erfahrungen und Abenteuer in guter Erinnerung gehabt.

Inzwischen war seit Vater schon längst verstorben und Santos war sich mittlerweile über einige Dinge im Klaren. Er wusste, dass er eines Tages der Hüter des Steines im Grünen Gebirge sein würde. Und damit würde er auch die Arbeit seines Vaters fortführen. Er wusste, dass dieser Stein niemals entwendet werden durfte. Das hing mit dem Fluch des Steines zusammen, von dem sein Vater des Öfteren gesprochen hatte.

Doch auch wenn er seine Bestimmung ahnte, wollte sein Verstand von diesen Geschichten lieber Abstand halten. Denn als rationaler Mensch hielt er nicht viel von geheimnisvollen Steinen und Flüchen und außerdem war Santos ein Mensch, dem sein eigenes Wohlergehen wichtiger war, als das der Anderen.

Warum sollte er also diesen Stein beschützen? Dafür gab es schließlich die Mitglieder des Geheimbundes Poro. Die würden ihre Arbeit schon richtig machen, da brauchte er sich nicht einzumischen. Mit diesen Gedanken konnte er sich immer wieder beruhigen, wenn er an seinen Vater dachte – so wie heute.

Als Santos sich aufrichten wollte, ging plötzlich laut knarrend die verzierte Bambustür seiner selbst gebauten und spärlich ausgestatteten Residenz auf, und einer der Dorfeinwohner stand auf der Türschwelle.

Er war sichtlich nervös und brachte nur stammelnd hervor „Fremde! Santos, Fremde …“

Alarmiert stand Santos auf und beruhigte zunächst seinen Freund. Doch er wunderte sich, welche Fremden seinem Freund wohl einen solchen Schrecken eingejagt haben konnten. Einfache Wanderer sicher nicht.

Er klopfte seinem Freund auf die Schulter und schickte ihn weg, dann griff er sich rasch sein Gewehr aus einer alten Kiste. Es war schon lange nicht mehr nötig gewesen, das Gewehr in die Hand zu nehmen. Doch Vorsicht ist besser als Nachsicht – oder so ähnlich, dachte er sich, als er mit dem Gewehr in der Hand vor die Hütte trat. Und da sah er sie auch schon.

Mehrere Männer in Militäruniform irrten suchend umher, vorsichtig beäugt von den beunruhigten Dorfbewohnern. Santos kniff die Augen zusammen und nahm das Gewehr in den Anschlag. Dann machte er ein paar Schritte auf die Männer zu, die ihn ebenfalls bereits entdeckt hatten.

„Wer seid ihr?“, fragte er barsch, das Gewehr auf die Männer gerichtet und den Abzug gespannt. Die Männer waren ein wenig irritiert und auch erschrocken über den feindlichen Empfang.

Sie wussten nicht genau, was sie von diesem Mann halten sollten, dessen Gesicht sie aufgrund des großen Hutes und dem Zigarrenrauch der zwischen den Zähnen steckenden Zigarre sowie dem vorgehaltenen Gewehr nicht richtig erkennen konnten.

„Wir sind auf der Suche nach Santos Revdul“, antwortete einer der erschrockenen Soldaten.

“Was wollt ihr von ihm?“, fragte Santos unbeeindruckt zurück.

„Sie kennen Santos?" Der Soldat wirkte erleichtert.

Santos ging einen Schritt auf die Männer zu und wurde nun noch etwas lauter und bedrohlicher.

„Was wollt ihr von ihm, verflucht noch mal?“

Die drei Männer gingen einen Schritt zurück und hoben die Hände hoch, um zu signalisieren, dass sie keine Bedrohung darstellten.

„Bitte beruhigen Sie sich. Wir wollen nichts Böses. Wir benötigen nur Santos‘ Hilfe. Es wurde uns gesagt dass …“

„… dass ihr schleunigst von hier verschwinden solltet!“

„SIE sind Santos, oder?“, fragte ein Soldat schließlich und als Santos nicht widersprach, holte er vorsichtig ein Stück Papier aus seiner Hosentasche. Dann ging er langsam auf Santos zu und überreichte es ihm. Santos hielt sein Gewehr weiterhin in der linken Hand und griff mit der Rechten nach dem Zettel.

„Was ist das?“

„Es ist von Ihrem Vater!“

Offenbar war es nicht weiter schwer gewesen, zu erkennen, dass Santos keiner der Ureinwohner des Dorfes war, sondern der Gesuchte persönlich sein musste. Aber wie konnten diese Soldaten ihm eine Nachricht seines toten Vaters überbringen? Es könnte natürlich auch ein Trick sein. Aber wozu?

Trotz seiner Neugier war die Skepsis größer und er steckte den Zettel zunächst in seine Westentasche. Dafür nahm er das Gewehr herunter und sicherte es. Diese Männer würden ihm wohl nicht gefährlich werden.

„Kommt mit. Ich glaube, wir sollten uns unterhalten!“, befahl er und ging den Männern voraus bis zur Dorfbar an der Ecke. Die Soldaten stapften hinter Santos her und nahmen mit ihm zusammen an einem Tisch Platz.

Santos nahm endlich seinen Hut ab, unter dem er ganz schön ins Schwitzen gekommen war, und legte ihn vor sich auf den Tisch. Dann lehnte er sich auf seinem Stuhl nach hinten und legte die überschlagenen Füße mit den staubigen Stiefeln auf den Tisch.

Die Soldaten ließen sich nicht anmerken, was sie von diesem lässig-überheblichen Hollywoodbenimm hielten und sagten nichts weiter dazu.

„Bring mir einen Doppelten“, rief er dann in Richtung des Kellners. Die Soldaten signalisierten, dass sie gerne ein Bier hätten. Kurz darauf wurden der Whisky und drei Flaschen Bier gebracht. Alles leider lauwarm. Santos stürzte den Whisky in einem Schluck hinunter und verzog das Gesicht.

„Verdammte Brühe … pahhh“.

Er spuckte in den sandigen Boden und warf das Glas über seine Schulter.

„Diese verfluchten Afrikaner! Kein Gefühl für guten Whisky!“

Die Soldaten blickten sich gegenseitig mit hochgezogenen Augenbrauen an, sagten aber nichts dazu. Sie tranken stattdessen das Bier aus der Flasche und warteten darauf, dass Santos das Gespräch eröffnete.

Santos starrte die Soldaten nacheinander durchdringend an, nahm dann die Füße vom Tisch und rückte seinen Stuhl näher heran. Dann beugte er sich mit aufgestützten Armen zu den Soldaten und fragte:

„Also. Was wollt ihr von mir und wieso kennt ihr meinen Vater?“

„Ihr Vater war auf dem Schlangenstein auf der Spur und wir haben Hinweise darauf, wo dieser sein könnte.“

Santos wusste genau, wovon die drei Soldaten sprachen, doch er wollte keine Informationen herausrücken, bevor er nicht mehr von ihnen erfahren hatte. Also zeigte er sich den Männern von seiner harten und skeptischen Seite.

„Ihr glaubt doch nicht etwa diese Ammenmärchen? Wie bescheuert seid ihr denn?“

Er grinste die Soldaten breit an. Doch diese waren nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Klar, es waren Soldaten, keine kleinen Kinder.

„Santos, Ihr Vater hat jahrelang nach dem Stein geforscht und viele wichtigen Informationen darüber herausgefunden. Wir wissen genau, wohin wir gehen müssen, um den Stein zu finden.“

 

Santos blickte an den Soldaten vorbei in die Ferne und ließ den Blick auf dem satten Grün des Dschungels ruhen. Ein wunderbarer und beruhigender Anblick in dieser seltsamen Situation, die er nicht richtig verstehen konnte.

Und sie brachte auch die Erinnerungen wieder zurück, die ihm vorhin in seiner Hütte schon durch den Kopf gegangen waren. Erinnerungen an seinen Vater, der ihm die allerbesten Abenteuer geschenkt hatte, die sich ein 13-jähriger Junge nur wünschen konnte.

An seinen Vater, den er kaum einmal ohne eine Zigarre im Mundwinkel und ohne den alten ranzigen Hut auf seinem Kopf gesehen hatte. Und der jetzt auf dem Tisch der Dorfbar neben ihm lag.

Er konnte sich noch genau daran erinnern, wie er als Junge unter Tränen mit einem aufgeschürften Knie aus der Schlucht herausgekrochen war. Damals hatte sein Vater tatsächlich den Hut abgenommen und sich neben ihn gekniet, um ihn zu trösten.

„Santos, es sind die Schmerzen, die uns an unsere Aufgaben erinnern. Steh auf und such weiter nach deinem Ziel in dieser Schlucht“, hatte er zu ihm gesagt.

Beim Blick auf den grünen Dschungel und die Berge war dieses Erlebnis wieder ganz präsent und er bekam eine Gänsehaut beim Gedanken an die Worte seines Vaters. Die Worte hatten sich tief in sein Gedächtnis und in sein Herz eingeprägt und er war seinem Vater dankbar für sie.

Die Erinnerungen an seinen Vater, die gemeinsamen Abenteuer und die Worte, die er nie vergessen hatte, waren dann auch der Grund dafür, weshalb er bereit war, den Soldaten mehr über das Mysterium des Tales zu erzählen. Doch zunächst hatte er noch einige Fragen an die Besucher.

„Wozu braucht ihr mich eigentlich, wenn ihr schon alles wisst?“, erkundigte er sich.

„In den Aufzeichnungen Ihres Vaters gibt eine Passage, die uns zu Ihnen verwiesen hat.“

„Und die wäre?“

„Bitte lesen Sie den Zettel, den ich Ihnen vorhin gegeben habe. Das sollte einiges erklären.“

Santos griff in seine Westentasche und zog das Stück Papier heraus. Er faltete es neugierig auseinander und begann nach einem Räuspern damit, laut daraus vorzulesen.

„Die Schlucht des Mondes und das Bildnis der Nyame offenbart der Sohn, sodass der Zugang gefunden wird.“

„Sehen Sie“, erklärte der Soldat. „Hier wird eindeutig auf Sie verwiesen. Nur Sie können uns sagen, was es mit dem Bildnis der Göttin Nyame auf sich hat.“

„Und ihr Witzfiguren denkt, ich würde euch dabei helfen? Was bekomme ich denn dafür?“

Die Soldaten antworteten nicht, sondern blickten stattdessen an ihm vorbei zur Bar, von wo Santos plötzlich eine Stimme vernahm.

„Erlösung bekommst du dafür. Die lang ersehnte Erlösung, Santos.“

Diese Stimme … wie von der Tarantel gestochen fuhr Santos von seinem Stuhl hoch, schleuderte ihn zur Seite und war mit einem Satz bei dem Mann an der Bar. Mit der linken Hand würgte er ihn, während er mit der rechten Hand sein Messer in einer fließenden Bewegung aus dem Schaft zog und es ihm an die Gurgel hielt.

„Du gottverdammter Hurensohn! Ich wusste, dass ich dich wiedersehen würde!“

Der Mann keuchte und versuchte zu reden. Trotz der Mordlust in seinen Augen lockerte Santos den Griff, drückte dem Mann jedoch immer noch das Messer an die Kehle.

„Sei froh, dass du mich wiedersiehst, du verfluchter Narr. Und jetzt leg endlich das verdammte Messer weg.“

Santos starrte dem Mann tief in die Augen, tat ihm aber den Gefallen.

„Das ist deine letzte Chance, etwas Sinnvolles zu sagen, Alfred. Ansonsten werde ich dich an Ort und Stelle töten. Also spucks aus. Was willst du hier? Was soll der ganze Zirkus?“

„Jetzt beruhige dich erst mal, Santos. Lass uns die Vergangenheit begraben und vergessen. Du hast jetzt endlich die Chance, das Erbe deines Vaters anzutreten. Denn wir sind auf der Suche nach dem Stein und nur du weißt, wo er sich befindet.“

„Alfred, wie kommst du darauf, dass ich wüsste, wo sich dieser Stein befindet?“

„Weil dein Vater das in dem Brief geschrieben hat. Nur der Sohn – also DU - kennt das Rätsel der Nyame.“

Santos ließ Alfred los und steckte das Messer weg. Dann blickte er nachdenklich zu Boden. Er hatte nach wie vor keine Lust, Alfred und den Soldaten zu helfen. Allerdings hatte er im Dorf einige Schulden. Poker und Whisky, das Übliche. Es wäre nicht schlecht, wenn er die Situation zu etwas Positivem nutzen könnte.

„Ok, Alfred, ich hab’s mir anders überlegt. Ich bringe euch zu der Schlucht und danach gehen wir wieder getrennte Wege. Dafür bekomme ich von euch allerdings 5.000 Euro in Leonewährung. Der Stein selbst interessiert mich überhaupt nicht und das Erbe meines Vaters ebenso wenig.

Und damit das klar ist: ich habe mich nur überreden lassen, weil mein Vater das so aufgeschrieben hat. Und noch ein Tipp von mir: Ich würde an eurer Stelle nicht nach dem Stein suchen, denn auf ihm lastet ein Fluch. Aber das ist euer Problem, nicht meins.“

Alfred überlegte nicht lange, dann grinste er.

„Ok, Santos. Einverstanden. Du bringst uns in die Schlucht und dein Geld ist dir sicher. Es wird dir …“

Santos fiel ihm ins Wort und beendete den Satz.

„… genau JETZT übergeben. Ich trau dir nicht, Alfred. Ich will das Geld jetzt gleich, ansonsten könnte ihr den verfluchten Stein alleine suchen.“

„Santos, langsam, denkst du ernsthaft, ich hab jetzt 5.000 Euro bei mir? Überleg doch mal. Du wirst dein Geld schon bekommen. Wirklich! Vertrau mir.“

Santos wendete sich ab, griff nach dem Hut seines Vaters, der immer noch bei den Soldaten auf dem Tisch lag, und rief laut und ohne sich nochmals umzudrehen:

„Wir treffen uns morgen früh Punkt 9 Uhr hier. Mit dem Geld!“

Dann ging er zurück in seine Hütte und ließ Alfred und die Soldaten alleine zurück. Ratlos blickten sich Alfred und die Soldaten an. Schließlich befahl Alfred dem Dienstältesten:

„Los, treib das Geld bis morgen auf, sonst bist du einen Kopf kürzer!“

Am nächsten Nachmittag im Dschungel von Sierra Leone

Zeit seines Lebens war Damien von dem Wunsch angetrieben, endlich eine Heimat zu finden. Oder seine Wurzeln. Rastlos zog er von Ort zu Ort und wusste doch nicht, wo er sich niederlassen sollte. Wo gehörte er hin? Was war seine Aufgabe im Leben? Vermutlich befanden sich auch seine Wurzeln überhaupt nicht auf der Erde, oder? Vielleicht auch in einem Teil der Welt, den er noch nicht kennengelernt hatte?

Angetrieben von dieser Sehnsucht hatte er stets das Naheliegendste getan und sich jahrelang auf der Suche nach seiner Heimat treiben lassen. Diese Sehnsucht hatte ihn nun auch hierher nach Sierra Leone geführt. Die Sehnsucht und die alten Pyramidenkarten sowie der Brief eines alten Forschers. Die Karten hatte ihm sein Freund Jürgen damals in Griechenland übergeben.

Dank seiner Begleiter und des Briefes war es ihm gelungen, Santos Revdul zu finden und als Führer für die Expedition zu gewinnen. Santos führte ihn – hoffentlich erfolgreich – durch die letzte Passage des Gebirges.

Santos‘ Erinnerungen an ein früheres Erlebnis mit seinem Vater, hatte ihnen dabei geholfen. Und zwar in Form eines Bildnisses der afrikanischen Muttergöttin Nyame an einem Felsen, welches ihnen den richtigen Weg gewiesen hatte. Und dieses Bildnis kannte nur Santos!

Genaugenommen handelte es sich bei Nyame um eine Gottheit des Akan-Stammes aus Ghana, die wohl auch hier in Sierra Leone von Bedeutung war.

Niemals hätte sich Damien gedacht, dass er tatsächlich einmal vor den Toren des Tempels der Schlange stehen würde. Toren, die tief im Dschungel in einer Pyramide lagen, die einer mit dem Mond gleichgesetzten Muttergöttin namens „Nyame“ geweiht war. Doch jetzt befand er sich genau hier.

Ehrfürchtig bewunderte er die verschiedenen Symbole der südafrikanischen Religion, die den Ursprung des Universums darstellten und die sich überall auf den Felsen in der Umgebung befanden. Es handelte sich dabei um die Symbole der regenbogenähnlichen Ur-Schlange „Chinaweji“.

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