Die Königin von Verlorenherz

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Kapitel 11

Hat Mama die schwarzen Augen von Til wirklich nicht gesehen?, fragte sich Rafael, während er seine Hausaufgaben machte. Er konnte sich jetzt aber beim besten Willen nicht auf Mathematik konzentrieren.

Es war drei Uhr nachmittags und Rafael saß in seinem Zimmer am Schreibtisch neben dem Etagenbett, während sein Bruder mit einigen Freunden zum Fußballtraining aufgebrochen war. Rafael hatte gelogen, dass er starke Halsschmerzen hätte und deshalb zu Hause bleiben wolle.

Til ist weg, dachte er. Ich muss jetzt mit Mama reden! Sie sitzt im Wohnzimmer und liest die Zeitung, denn heute hat sie den ganzen Nachmittag frei und Til ist den ganzen Nachmittag fort. Jetzt oder nie!

Also ließ Rafael die Hausaufgaben sein, stand auf und ging ins Wohnzimmer – aber seine Mama war gar nicht mehr da!

Wo kann sie nur sein?, fragte sich Rafael und erinnerte sich nun wieder daran, wie sie mit Til und seinen schwarzen Augen am Mittagstisch gesprochen hatte, als wäre gar nichts passiert. Und der Ring an ihrem Finger! Rafael wusste jetzt gar nicht mehr, woher seine Mama ihn hatte – der Ring war ganz schwarz gewesen! Rafael wusste zwar, dass es der Ring seines Papas war, den sie vor vielen Jahren einmal am Bach verloren hatten, aber er konnte sich nicht mehr an die Begegnung mit dem Jungen im Wald erinnern, nur noch an das seltsame Aufwachen heute am Bach – alles, was vorher geschehen war, war aus seinen Gedanken gelöscht!

Na gut, dann fahre ich eben zu Til, wenn ich schon nicht weiß, wo Mama ist, dachte Rafael, denn er machte sich nun wirklich Sorgen und wollte nicht mehr alleine zuhause untätig herumsitzen.

Sogleich verließ er das kleine Haus am Ende der Straße und raste auf seinem Fahrrad davon. Ihm war zum Weinen zumute, weil er Angst um seine Mama hatte, obwohl ihm das eigentlich auch ziemlich blöd vorkam, denn alles erschien so unwirklich – wie konnte es möglich sein, dass sein Bruder gar nicht sein Bruder war? Er war froh, dass ihn in diesem Moment keiner seiner Mitschüler sehen konnte. Er hatte schon oft in der Schule geweint, wenn ihn andere Jungen gehänselt hatten, weil er der kleinste und pummeligste von allen war. Im Moment hätte er sicher kein Wort herausgebracht, weil ein dicker Kloß in seinem Hals steckte, den er immer wieder hinunterschluckte. An einer roten Ampel in der Stadtmitte an einer Straßenkreuzung musste er stehen bleiben.

„Kleiner Rafael!“, hörte er plötzlich eine tiefe Jungenstimme neben sich. Er blickte zur Seite und erkannte Kenzo.

Oh nein! Gerade jetzt!, dachte er. Er war um einen ganzen Kopf kleiner als Kenzo und Kenzo war ein Angeber und Wichtigtuer, der aus Wut über verlorene Fußballspiele bereits etlichen Jungen Prügel angedroht hatte. Ob Kenzo diese Drohungen auch wahrgemacht hatte, wusste Rafael nicht so genau, aber das wollte er eigentlich auch gar nicht wissen. Er wollte nur schnell weiter, um Til zu finden.

Sie standen nebeneinander an der Ampel, die inzwischen grün geworden war und Kenzo fragte nun verärgert: „Warum sagst du nichts, verdammt?“

Rafael steckte immer noch dieser Kloß im Hals, da half es auch nichts, dass er mehrmals schluckte. Weil ich dich hasse!, dachte er. Warum muss ich dich gerade jetzt treffen?

Kenzo stellte sich aber gar nicht bedrohlich vor Rafael hin, wie er es früher schon oft getan hatte. Das lag natürlich auch daran, dass er ebenfalls mit dem Fahrrad unterwegs war und viele Menschen in der Stadt an ihnen vorbeiliefen, doch Kenzos Gesicht war nicht einmal spöttisch, wütend oder drohend wie sonst. Nun sagte er sogar plötzlich vertrauensvoll: „Ich muss mit dir reden, Rafael. Es geht um Til!“

Was will er von Til?, fragte sich Rafael. An die Prügelei mit Kenzo am Bach, als Kenzo ihn für Til gehalten hatte, konnte er sich nicht mehr erinnern. Kenzo hatte Rafael eigentlich nie wirklich etwas getan, nicht einmal gehänselt hatte er ihn, wie es die anderen Jungen aus Rafaels Klasse oft taten. Aber auf Til war er meist wütend, weil er mit ihm im Sturm der Fußballmannschaft spielte und beide sich gar nicht vertrugen. Sie spielten sich fast nie den Ball zu, überließen ihn noch lieber dem Gegner und schossen auch fast immer im Alleingang ihre Tore – und Til schoss eben viel mehr Tore als Kenzo. Vielleicht sucht Kenzo Til, befürchtete Rafael, um ihn zu verprügeln. Aber warum ist er eigentlich nicht beim Fußballtraining?

Kenzo sagte jetzt entschlossen: „Komm mit, ich muss dir etwas erzählen! Ich will endlich, dass mir jemand glaubt, verdammt! Und wenn du mir nicht glaubst, dann gibt es was auf die Fresse – schließlich bist du sein verdammter Bruder!“

Rafael sagte gar nichts, er nickte nur. Obwohl er eigentlich vorgehabt hatte, seinen Bruder zu finden, war er nun neugierig geworden und folgte Kenzo auf seinem Fahrrad durch die Stadt.

Sie bogen in eine Promenade am Bach ein, der hier mitten in der Stadt zu einem kleinen Fluss geworden war, fuhren ein Stück den Weg entlang und setzten sich dann, als Kenzo unter einer hohen Kiefer anhielt, auf eine Sitzbank.

Kenzo erzählte Rafael von der Prügelei mit Til am Bach, die Rafael inzwischen wieder vergessen hatte: „Und plötzlich standen zwei Tils vor mir – zwei Tils, stell dir das vor!“, rief Kenzo. „Meine Mutter hat mir das natürlich nicht geglaubt! Hat Til einen Zwillingsbruder? Habt ihr denn noch einen Bruder?“

„Nein“, sagte Rafael und in diesem Moment konnte er sich plötzlich auch wieder an die Prügelei mit Kenzo erinnern und daran, dass er selbst damals Til gewesen war, als der richtige Til – oder derjenige, den jetzt alle für Til hielten – aufgetaucht war und die Rauferei zwischen Kenzo und ihm selbst beendet hatte. Allerdings konnte er sich nicht an die Begegnung mit dem Jungen aus dem Wald erinnern – das war in seinem Gedächtnis immer noch wie ausgelöscht.

„Rafael!“, rief Kenzo. „Sag jetzt etwas, verdammt!“ Kenzos blaue Augen blickten Rafael ganz ernst an. Das erinnerte Rafael daran, wie Kenzo Menschen ansah, wenn sie ihn nach seiner Mutter fragten. Kenzos Mutter war alleinerziehend und so traurig, dass sie sich nie aus ihrer Wohnung traute. Sie lebte von Sozialhilfe, Kenzo kaufte oft für sie ein und begleitete sie auch immer zum Sozialamt, ansonsten verließ seine Mutter ihre Wohnung fast nie, weil sie sich vor anderen Menschen fürchtete. Das hatte Rafael von seiner Mutter gehört und die hatte es von einer anderen Mutter gehört und die andere Mutter hatte es wiederum von einer anderen Mutter gehört.

Rafael fühlte plötzlich wieder diesen Kloß im Hals. Er konnte sich dank Kenzo daran erinnern, dass er selbst einmal wie Til ausgesehen hatte, als sie gerauft hatten. Aber warum war das alles geschehen?

„Glaubst du mir, Rafael?“, fragte Kenzo erneut.

Rafael nickte. „Kenzo, ich muss dir etwas sagen. Ich habe das Gefühl, dass Til gar nicht mehr Til ist.“ Jetzt verschwand der Kloß in Rafaels Hals allmählich und er erzählte von dem Erlebnis mit Til am Mittagstisch, als Tils Augen plötzlich schwarz waren, und dass er glaubte, dass irgendjemand die Rolle seines Bruders eingenommen hatte. „Und meiner Mutter fällt gar nichts auf!“, erzählte er. „Sie trägt diesen merkwürdigen Ring am Finger – es ist der Ring von Papa, den ich damals verloren habe und den wir nie wieder fanden. Aber heute Mittag war er da und wurde plötzlich richtig schwarz – wie Tils Augen!“

Kenzo hörte ihm mit großem Interesse zu. „Das ist ja voll abgefahren, verdammt!“, meinte er dann. „Wir müssen Til unbedingt zurückholen – der Typ mit den schwarzen Augen kann was erleben, Rafael, das sage ich dir!“

„Ja, aber was sollen wir denn machen?“, fragte Rafael.

„Dieser falsche Til muss gerade beim Fußballtraining sein, richtig?“, fragte Kenzo.

„Ich wollte gerade hinfahren“, sagte Rafael, „weil meine Mama auch plötzlich nicht mehr zu Hause ist und ich nicht weiß, wo sie hingegangen sein könnte. Kommst du mit zum Fußballplatz, Kenzo?“

„Schlag ein!“, rief Kenzo begeistert. „Ich bin dabei!“

Rafael und Kenzo fuhren auf ihren Fahrrädern zur Stadt hinaus bis zu den Sportstätten. Zuerst mussten sie an dem großen Fußballplatz der ersten Mannschaft vorbeifahren, dann kamen die Tennishalle und das Frei- und Hallenbad und erst ganz am Ende der Straße lag inmitten von Apfelbäumen vor einem hohen bewaldeten Berg der alte Fußballplatz, der für die Trainingsstunden der Jugendmannschaften verwendet wurde. Ein grüner Maschendrahtzaun säumte diesen Fußballplatz ein, auf dem die Mannschaft der Füchse heute für das Spiel am kommenden Sonntag trainierte, das die Füchse gewinnen mussten, um in ihrer Liga Meister zu werden.

Vorsichtig näherten sich Rafael und Kenzo auf ihren Fahrrädern dem Trainingsplatz. Dann hatte Kenzo die Idee, die Straße besser zu verlassen, bevor sie zum Trainingsplatz kamen, und einem schmalen Schotterweg zu folgen, der inmitten der Apfelbäume verlief, damit sie nicht von irgendjemandem aus ihrer Mannschaft durch den Maschendrahtzaun hindurch gesehen wurden. Schließlich ließen sie heute beide das Training sausen.

Sie bogen also in die Apfelbaumfelder ab und fuhren den kleinen Schotterweg entlang, der sie zu einem Hügel führte, der so hoch war, dass sie von dort aus den Fußballplatz überblicken konnten. Vor dem Hügel stellten sie ihre Fahrräder ab und gingen zu Fuß hinauf. Natürlich hielten sie sich zwischen Bäumen und Sträuchern versteckt, damit keiner sie aus der Entfernung auf dem Hügel sehen konnte.

Der Fußballplatz war nun etwa hundert Meter von ihnen entfernt. Rafael und Kenzo saßen im Schatten von Sträuchern und Nadelbäumen und beobachteten zunächst nichts Ungewöhnliches: Das Geschrei der Spieler, die Pfiffe des Schiedsrichters – aber Moment!

 

Am Maschendrahtzaun stand Rafaels Mama und rief Til zu: „Los, mein Junge! Schieß endlich ein Tor!“ Sie war die einzige Zuschauerin.

Und plötzlich, als Til den Ball an die gegnerische Abwehr verlor, brüllte sie wütend: „Was ist denn heute los, verdammt? – Schlafen kannst du zu Hause! Lauf, Junge!“

„So ein Muttersöhnchen!“, meinte Kenzo und grinste.

„Sei still!“, sagte Rafael. „Das ist ziemlich seltsam. Weißt du, Mama schaut eigentlich nicht mehr bei unseren Trainingsspielen zu, seit Til ihr vor zwei Jahren einmal gesagt hat, dass ihn das stört.“

„Du spielst richtig scheiße heute, Til!“, schrie die Mutter jetzt aus vollem Hals. „Zum Kotzen ist das mit dir! Du bist ein scheißschlechter Fußballer! Dein Vater war ein großartiger Spieler, aber du spielst richtig beschissen!“

„Hä?“, flüsterte Kenzo Rafael zu. „Was ist denn heute mit deiner Mutter los?“

„Scheiße spielst du! Geh nach Hause, Til!“ Die Mutter hörte nicht auf, zu fluchen.

Da blieb Til plötzlich stehen, obwohl er im Ballbesitz war, ließ sich den Ball abnehmen und lächelte seiner fluchenden Mutter freundlich zu.

Der Trainer blickte die Mutter böse an. „Seien Sie endlich still!“, rief er.

„Was geht hier vor?“, fragte Rafael Kenzo, aber der zuckte ratlos mit den Schultern.

Til stand nun ganz ruhig auf dem Platz und griff in seine Hosentasche.

„Was ist denn los, Til?“, rief der Trainer. Auch die anderen Spieler waren nun stehen geblieben und blickten verwundert auf Til, während der Fußball alleine weiter über den Rasen rollte. „Sollen wir deine Mutter nicht fortschicken?“, fragte der Trainer, während diese immer noch fluchte: „Scheiße, Til! Das ist eine gottverdammte Blamage!“

Aber Til lächelte nur zufrieden. Er nahm eine schwarze Herzmuschel aus seiner Hosentasche, hob sie in die Höhe und bekam ganz schwarze Augen, die wie Löcher aussahen. Dann rief er ganz laut: „Vergissmeinmuschel!“

Und in diesem Moment veränderte sich die ganze Umgebung: Vor Rafaels Augen verschwamm alles. Die schwarze Muschel fiel zu Boden und wurde immer größer – so groß wie ein Ball, so groß wie ein Hund, so groß wie ein Pferd, immer größer, und irgendwann fing sie an, wie ein Wirbelsturm alles in sich hineinzuziehen. Zuerst wurde nur ein vorbeifahrendes Auto auf der Straße aus der Spur gehoben und der Wagen schleuderte hin und her. Dann aber saugte der Wirbelsturm die ganze Fußballmannschaft, den Trainer, ja ganze Bäume in sich hinein, die er ausriss; Häuser, Bars, der ganze Sportplatz – alles flog durch die Luft und verschwand in einem schwarzen Trichter; der Sturm verschluckte, was er kriegen konnte. Selbst Rafael und Kenzo konnten sich bald nicht mehr an den Bäumen und Sträuchern in ihrer Umgebung festhalten und flogen direkt in das schwarze Auge des Wirbelsturmes!

Dann war mit einem Mal alles weg und sie standen auf der Tribüne des großen Fußballplatzes, wo die Bubenmannschaft der Füchse spielen durfte, weil es ihr letztes Meisterschaftsspiel war. Die Eltern und Freunde der Jungen jubelten und feuerten die Füchse kräftig an. Mama stand neben Rafael, deutete nach unten, klatschte in die Hände und sagte mit leuchtenden Augen: „Ach, Rafael! Silvan ist der Beste! Er spielt genau wie sein Papa! Sie liegen schon drei zu null in Führung und Silvan hat alle drei Tore selbst geschossen. Bald ist Schlusspfiff und dann sind wir Meister!“

„Ja, Silvan spielt wirklich gut“, sagte Rafael, der etwas traurig war, weil er selbst nicht auf dem Fußballfeld spielte.

Neben Rafael stand auch Kenzo. „Was ist los, verdammt?“, fragte er. „Wie sind wir hierhergekommen? Und warum spiele ich nicht dort unten mit, wenn das schon das letzte Meisterschaftsspiel ist?“ Im Gegensatz zu Rafael konnte Kenzo sich gut an den komischen Wirbelsturm erinnern und war ziemlich überrascht, dass sie nun plötzlich hier auf der Tribüne standen.

„Und wo ist dein Bruder Til?“, fragte er.

„Was redest du da für einen Mist!“, meinte Rafael. „Mein Bruder heißt Silvan.“ Er deutete auf einen blassen, schmalen Jungen mit dünnem schwarzem Haar und dunklen Augen, die wie Löcher aussahen, der auf dem Fußballfeld stand.

Kapitel 12

T*l, N*rr S*lbersp*egel und d*s Mädchen, d*s nur noch d*e be*den L*ute sprechen konnte, d*e e*n Esel von s* ch g*bt, st*nden *mmer noch *uf dem Brotberg. S*e mussten nun zehnm*l d*s *lph*bet *ufs*gen, um d*e Menschen, d*e dumm w*e Brot w*ren, zu erlösen.

*lso spr*chen T*l und N*rr S*lbersp*egel nun zus*mmen d*e L*ute des *lph*bets, *uch d*e Uml*ute Ä, Ö und Ü und d*s sch*rfe ß, und d*s Mädchen ergänzte d*e zwe* Buchst*ben, d*e *hnen noch fehlten.

*ls T*l, N*rr S*lbersp*egel und d*s Mädchen d*s *lph*bet zum zwe*ten M*l *ufs*gten, hörten s*e plötzl*ch den Kön*g von Brot her*nkommen! Der h*tte *uf se* nem Sp*z*erg*ng durch se*n Re* ch Verlust*g plötzl*ch festgestellt, d*ss *m g*nzen Re*ch d*s *lph*bet zu hören w*r und d*e Erde von Verlust*g scheußl*ch d*runter erbebte. D*durch wurden nun d*e gel*ebten Buchst*benlöcher des Kön*gs zerstört – d*s durfte er *uf ke* nen F*ll zul*ssen!

Der Kön*g von Brot w*r e*n Eckenbrot, denn er h* tte selbst e* ne Brotverw*ndlung durchgem*cht – früher e*nm*l w*r *uch er e*n Mensch gewesen. *ber *m Gegens*tz zu den *nderen verw*ndelten Broten h*tte der Kön*g von Brot d*e Spr*che und den Verst*nd e*nes Menschen beh*lten – näml*ch durch den W*llen der Kön*g*n von Verlorenherz.

Der Kön*g von Brot h* tte b*ld her*usgefunden, d*ss d*s bedrohl*che *lph*bet von dem G*pfel se*nes gel*ebten Brotbergs k*m. *ber bew* chte den n*cht se*n D*ener Spr*chlos?

Doch *ls der Kön*g zum Brotberg k*m, d* l*g der D*ener Spr*chlos, der v*el l*eber H*mburger, Cheeseburger und Pommes *ß *ls Brot, *n e*nem Buchst*benloch und w*r *nsche*nend über se*ner g*nzen Fressere* e*ngeschl*fen. W*e konnte er nur?, fr*gte s* ch der Kön*g wütend. Und wer zum Henker *st *uf dem Brotberg und spr*cht schon zum fünften M*l d*s *lph*bet?

Der Kön*g von Brot l*eß se*nen unnützen D* ener we* terschl*fen. V*el w*cht*ger w*r jetzt, her*uszuf*nden, wer d*e Ordnung *n se*nem gel* ebten L*nd Verlust*g gefährdete. Der Kön*g von Brot e*lte w*e e*n junges Reh *uf den Berg h*n uf, um d*e unerwünschten E*ndr*ngl*nge vom Berg *n d*e T*efe zu stürzen, während d*e bebende Erde se*ne gel*ebten Buchst*benlöcher we*ter zerstörte und d*s Brot unter se*nen Füßen plötzl*ch Be*ne, *rme, Köpfe und Bäuche bek*m und *hn zu umz*ngeln beg*nn. Denn *uf dem Berg gew*nnen d*e Menschen m*t der Zerstörung der Buchst*benlöcher nun *uch *hre menschl*che Gest*lt und *hre Spr*che zurück und e*ne Fr*u, welche ger*de von e*nem Brot *n e*nen Menschen m*t d*cken W*ngen zurückverw*ndelt worden w*r, er*nnerte s*ch *uch schon w* eder *n die Gesch*chte des Kön*gs von Brot, d*e w*r h*er *m folgenden K*p*tel jetzt erzählen wollen.

Kapitel 13

Eigentlich ist diese Geschichte gar nicht so traurig. Sie ist sogar ein wenig lustig. Der kleine Bruder der Königin von Verlorenherz, der König von Brot, war überall für seine Esslust bekannt. Er aß von früh bis spät: Am frühen Morgen aß er stundenlang Marmeladebrötchen, mittags zehn Schweinebraten mit zwanzig Speckknödeln und abends, wenn er Schweinebraten und Speckknödel endlich fertig verzehrt hatte, ging er zum größten McDonald’s der Stadt Verlorenherz und aß sich dort bis Mitternacht durch das ganze Menü. Da er seine ganze Zeit dem Essen widmete, vernachlässigte er natürlich seine Frau, sodass sie ihm schon bald davonlief.

Sie war zuvor eine Köchin gewesen und hatte ihn eigentlich nur geheiratet, um in die Königsfamilie aufgenommen zu werden. Deshalb hatte sie ihn so lange die schönsten Speisen serviert, bis er sie wegen ihrer Kochkünste geheiratet hatte. Hätte sie nach der Hochzeit weiter für ihn gekocht, dann wäre es mit den beiden vielleicht gut gegangen – das konnte sie aber unmöglich damit in Verbindung bringen, dass sie nun doch tatsächlich die Schwägerin der Königin von Verlorenherz war und es bei einer solchen Dienerschaft nun wirklich nicht mehr nötig hatte, selbst für das Essen zu sorgen. Ihr Mann sagte dazu gar nichts, sondern bestellte sich einfach immer weiter Schweinebraten und Speckknödel aus der Küche oder ging zu McDonalds. Daraufhin liefen die dicken, fleischigen Wangen der ehemaligen Köchin zornrot an und sie selbst auf und davon.

Ihr Gatte bemerkte das nicht einmal, denn er liebte ja eigentlich nur sein Essen und brauchte daher keinen Menschen in seinem Leben, solange er nur genug zu essen hatte. Er aß nun immer mehr; sein Hunger hätte für ein ganzes Regiment gereicht und bald aß er der Königin alle Speisekammern leer. Nun merkte die Königin von Verlorenherz bald, dass mit ihrem Bruder nicht viel anzufangen war. Seine ständige Esserei ging ihr immer mehr auf den Geist und sie wollte ihn endlich nur noch loswerden. Nachdem sie vom König von Weichlieb verlassen worden war, überlegte sie, ob der Bruder ihr vielleicht in ihrem Reich Verlustig dienen könnte, das sie soeben neu gegründet hatte, damit die Menschen aus ihrem Volk denselben Schmerz erlitten wie sie, indem sie sich voneinander trennen mussten. So verwandelte die Königin ihren Bruder in ein weißes Eckenbrot, nannte ihn König von Brot und stellte das Reich Verlustig unter seine Herrschaft.

Verlustig war zu dieser Zeit eine weite Wüste – die wohl langweiligste Landschaft, die man sich vorstellen kann, weil in der Verlustigwüste gar kein Lebewesen lebte; nicht einmal ein Pflänzchen. Aber bald schickte die Königin von Verlorenherz Menschen nach Verlustig. Diese Menschen wurden von ihren Liebsten getrennt und waren deswegen sehr traurig. Sie saßen in der Wüste herum und erzählten sich immerfort traurige Geschichten. Das ärgerte den König von Brot, der in der Wüste stets an einem fein gedeckten Tisch mit den besten Speisen saß, der nie leer wurde. Denn die traurigen Geschichten der Menschen und ihr Weinen und Klagen verdarben ihm dabei den Appetit.

Glücklicherweise schickte die Königin ihm schon am zweiten Tag einen Gehilfen in die Wüste: einen Jungen, der so traurig war, dass er gar nicht über sein Leid sprechen wollte. Als der Junge sah, dass die anderen Menschen immerfort über ihr Leid sprachen und sich dabei besser fühlten, wurde er zornig und stampfte lauter Löcher in die Erde – das waren die Buchstabenlöcher von Verlustig, durch welche die Bewohner von Verlustig allmählich ihrer Sprache verlustig gingen.

Der Junge gefiel dem König. Er nahm ihn mit offenen Armen auf und nannte ihn „Diener Sprachlos“. Dann zauberte der König von Brot einen dichten grauen Nebel herbei, durch den man in Verlustig nichts mehr sehen konnte – schon gar nicht den Boden, auf dem man ging! Und so traten die Menschen bald in jedes der Buchstabenlöcher, bis sie gar nicht mehr sprechen konnten und deswegen in eine tiefe Trauer versanken.

Als nächstes zauberte der König von Brot einen riesigen Berg voller Kastenbrote herbei, von dem die Bewohner essen sollten. Und da die Menschen nun nicht mehr über ihr Leid sprechen konnten, stopften sie sich zum Trost massenweise mit diesem Brot voll. Das Brot war aber ein Zauberbrot: Es verwandelte die Menschen, welche davon aßen, selbst in Kastenbrote, sodass sie dem König auch durch ihren traurigen Anblick nicht mehr lästig werden konnten.

Der Junge, der die Buchstabenlöcher in die Erde gestampft hatte, wurde zum Lohn für seinen Dienst auf den Brotberg gesetzt und erhielt ein eigenes Tischlein namens Donald deck dich!, das sich immer wieder von selbst füllte. An diesem Tischlein saß er Tag und Nacht und stopfte sich mit Hamburgern, Cheeseburgern und Pommes voll, bis er irgendwann genauso aussah wie das Essen, das er aß.

Die Köchin mit den dicken, fleischigen Wangen, die den König von Brot verlassen hatte, wurde eines Tages ebenfalls nach Verlustig geschickt. Sie hatte sich in Verlorenherz in einen anderen Koch verliebt, den sie nun verlassen musste. Darüber war sie so traurig, dass sie in Verlustig genauso endete wie alle anderen Menschen: Als weißes, sprachloses Kastenbrot auf dem Brotberg inmitten der nebligen Buchstabenlöcherwüste von Verlustig.