Blood-Lady

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Z serii: Blood-Lady #2
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„Warum? Ihr habt doch nichts mit den Liebeleien eurer Eltern zu tun?“, fragte ich ihn nun so fasziniert, dass ich alle Einzelheiten wissen wollte. Es war interessant dieses komplett Neue wissen zu erlangen und das nicht aus einem Buch oder Ähnlichem, sondern von einem Vampir selbst. „Du würdest eine gute Journalistin abgeben.“ Ich schnaubte verachtend. „Nie im Leben!“ Diese brachten uns seit jeher nur Probleme ein. Ich befreite mich aus seinem Griff und legte mich nun ordentlich aber vor allem bequem an seine Seite. Das Zimmer war mittlerweile orange gefärbt und die Sonne strahlte wohl nur noch ein paar Minuten. Ich ließ meine Hand auf seiner Brust liegen, die sich beruhigend hob und senkte. Ich wollte spüren, dass er lebte. Das auch in ihm ein Herz schlug. „Du musst nicht wissen, was passiert ist. Aber merkwürdigerweise schienen ihm die Vampire wohl doch am Herzen zu liegen und er wollte nicht länger verdeckt leben. Seither hasst er mich. Daraus folgte ein Streit um die Machtverhältnisse, da er nicht mehr zurück wollte, wo auch immer er hergekommen war. Entweder gefiel ihm Deutschland oder er legte es auf einen Kampf mit mir an, was weiß ich.“ Er legte den Arm um mich und fuhr mir durch die Haare. „Aber Deutschland ist doch groß? Könnt ihr nicht beide hier leben? Früher gab es doch auch haufenweise Reinblüter?“ Er schien kurz zu überlegen und gedankenverloren, strich er mit seinen Fingern über meine nackte Schulter. „Kannst du dir vorstellen, dass es in einem Land zwei Präsidenten geben könnte? Die Situation zwischen uns ist einfach zu verzwickt. Wir haben unterschiedliche Ansichten, was das Regieren angeht. Die Welt hat sich verändert. Das, was früher möglich war, ist heute längst nicht mehr umsetzbar.“ Er unterbrach sich und gähnte ausgiebig. Damian hatte die letzte Nacht wohl ebenfalls wenig geschlafen. Ich schaute zu ihm auf und sah, dass er seine Augen geschlossen hatte. „Ich dachte ihr ergänzt euch so gut?“, warf ich ein und musterte ihn ausgiebig. Er wirkte, wie ein gefallener Engel. Langsam hob und senkte sich sein Brustkorb und für ein Monster, wirkte er viel zu friedlich. Wie schnell sich doch seine Aura verändern konnte. „Das war früher vor 400 Jahren. Die Zeit verändert Menschen. Aber ich kann mir immer noch nicht vorstellen, dass er einen Krieg anführen will.“ Und da war es wieder. Für ein paar Minuten hatte ich tatsächlich den Tod meiner Mutter und die derzeitigen Ereignisse vergessen können. Aber nun, war alles wieder greifbar. Das Blut, der Gestank, die Leichen und die Einsamkeit. Ich begann zu frösteln und vergrub mein Gesicht an seiner Schulter. Ich wollte vergessen, es einfach nicht wahrhaben. Aber war das wirklich die Lösung? Früher war ich vor dem Tod davon gelaufen, wollte nicht verstehen, dass sie mich für immer verlassen hatten. Ich arbeitete in einer Institution, dessen Hauptaufgabe das Morden war. Wo der Tod, für uns etwas vollkommen Normales sein sollte. Vielleicht, weil wir die Vampire nicht als ein Teil von uns sahen. Weil sie wie Insekten, niemand vermissen würde. Weil sie mehr ein Fluch, als ein Segen für uns Menschen waren. Wir steckten uns in die Opferrolle, die ihre Täter zur Strecke brachten oder sie einsperrten. Sie kontrollierten, da wir uns im Recht fühlten. Doch nun waren es unsere Leichen, unser Blut, das man vergossen hatte. Blut von Menschen, die man kannte. Und genau aus diesem Grund fühlten wir plötzlich Mitleid und Trauer. „Weißt du schon, was du jetzt machen willst?“, fragte ich ihn in der Hoffnung, dass wenigstens er einen Plan hatte. „Erst einmal muss ich herausfinden, wo er sich versteckt. Wenn ich ihn gefunden habe, werde ich ihn umbringen und schon ist alles im Reinen. So einfach ist das. Es war mein Fehler, dass ich ihn damals am Leben gelassen hatte. Hätte ich ihn schon damals ernst genommen, wäre das alles hier nicht passiert.“ Ich gab ihm keine Antwort. Sollte ich sagen: Nein, dich trifft keine Schuld? Ich fühlte und dachte nicht so, warum sollte ich daher lügen? Für mich hatte er noch immer eine Teilschuld an dem Ganzen. „Ein bisschen zu einfach findest du nicht?“, antwortete ich stattdessen. Ich war skeptisch, ob er sich wirklich so einfach umbringen lassen würde. Er war auch ein Reinblüter, besaß dieselben Fähigkeiten und vielleicht, hatte er sich in all den Jahren darum bemüht, mit Damian’ Kampfkünsten mitzuhalten, um sich bei ihm zu rächen? Vielleicht hatte er das alles über die Jahre hinweg geplant? „Wir werden sehen, was das Ministerium nun unternehmen wird“, antwortete er, drehte sich ebenfalls zu mir auf die Seite und legte seine Hand auf meinen Rücken, mit der er mich zärtlich an sich schob und mir einen leichten Kuss auf die Stirn gab. Das stimmte, was würde der Vize nun tun? Blinow lebte bis jetzt ausschließlich in Russland und ich hoffte, dass er die Arbeit meiner Mutter, nicht zu Nichte machen würde.

Doch da wusste ich noch nicht, dass sich alles ändern würde.

Zweite Trauer

Als ich die Augen öffnete, schien die Sonne mir genau ins Gesicht. Ich fluchte über den fehlenden Vorhang am Fenster und rückte benommen aus dem Licht. Schlaftrunken taumelte ich aus dem Bett und zu dem Fenster hinüber, wo ich die Vorhänge zuzog. Ich wollte nicht wissen, wie spät es war. Ich wollte vor allem eines, wieder ins Bett zurück.

Ich zog mein Shirt, meine Jeans und meine Shorts aus und sah, wie sich der Gürtel und der Hosenbund mit feinen, roten Linien auf meiner Haut abzeichneten. Das hatte man davon, wenn man voll bekleidet einschlief. Ich nahm die Decke vom Boden und musterte sie. Dass Amy tatsächlich so schnell bei mir einziehen würde, hatte ich nun wirklich nicht gedacht. Wohl wir beide nicht. Die Sache mit ihrer Mutter schien Sie sehr durcheinandergebracht zu haben. Vielleicht hatte es ihr gezeigt, wie sehr Sie mich brauchte. Ich überlegte, ob ich Sie selbst ausziehen sollte oder ob ich Sie so liegen ließ. Ihre Haare hingen wie ein Vorhang, über ihrem Gesicht und ihr Kopf, lag auf einem ihrer Arme. Ihre Beine waren angewinkelt, und wie Sie so schlief, wirkte Sie so unschuldig und rein. Trotzdem ich ihre Art und Weise kannte. Trotzdem ich wusste, dass Sie keinesfalls ein Engel war - zumindest, wenn Sie nicht gerade über den Tod ihrer Mutter trauerte. Nun jedoch wirkte Sie wie ein Bote des Himmels, die mir geschickt wurde, damit ich sündigte. Hatte ich jemals daran gedacht, von einem Menschen mehr als nur sein Blut haben zu wollen? Das ich jemals das Herz, den Körper und die Seele eines meiner eigentlichen Mätressen besitzen wollte? Wohl kaum. Diese Gedanken hatte Amy in mir erweckt. „Scheiß drauf“, murmelte ich und schmiss die Decke wieder beiseite. Ich glitt zu ihr und öffnete den Gürtel ihrer Hose. Eines der schwierigsten Dinge in der heutigen Welt waren diese Röhrenjeans. Eng anliegend ließen Sie sich ohne Mithilfe nur schwer entfernen. Ich war wirklich bereits viel zu alt und das Schwierigste an einer langen Lebensdauer, war die sich stetig verändernde Menschheit. Ob in der Mode oder ihrer Geschichte. Ich musste mich immer wieder an alles anpassen. Ich war regelrecht froh, dass meine Lebenszeit bald ein Ende haben würde. Noch weitere 400 Jahre würde ich nicht überstehen. Jetzt wo ich Amy kannte, so oder so nicht mehr. Mit ansehen zu müssen, wie Sie altern würde und ich nicht … Ich war unsagbar froh darüber, Sie erst jetzt getroffen zuhaben. Vielleicht akzeptierte ich es deshalb so plötzlich, eine Frau an meiner Seite zu haben. Vielleicht habe ich deshalb mein Herz an ihr verloren. Jetzt wo ich wusste, dass auch mein Leben sterblich war. Amy war einfach mein Schicksal.

Ich schaffte es, Sie von diesem lästigen Teil zu befreien, beugte mich über Sie und strich ihr die Haare aus ihrem so wunderschönen Gesicht. Ihre langen Wimpern umrahmten ihre leuchtend, braunen Augen, die im Augenblick hinter ihren Liedern versteckt waren. Ihre Lippen ließen mir einfach keine andere Wahl und ich gab ihr einen leichten Kuss. Viel zu lange hatte ich darauf verzichten müssen, diese zu berühren. Ich würde Sie niemals wieder gehen lassen und erst recht nicht, wegen Ihm! Was würde ich tun, wenn Sie eines Tages zu mir sagen würde, dass Sie zu ihm gehöre? Wenn er Sie davon überzeugen konnte, dass er der Bessere von uns war? Ich wollte es lieber nicht wissen und ich glaubte kaum, dass ich Sie dann noch am Leben lassen könnte. Wenn ich Sie nicht haben konnte, dann sollte es niemand tun! Ich war wohl tatsächlich gefährlich für Sie.

Ich knöpfte ihre Bluse auf und befreite einen Arm aus ihr, als ihr Kopf sich mir zuwandte. „Damian? Was tust du da?“, murmelte Sie abwesend. „Ich helfe dir beim Ausziehen“, antwortete ich zärtlich. Sie legte ihre Hand auf meine Brust und drückte mich leicht nach hinten, während Sie noch von dem wenigen Licht, das durch die Vorhänge drang, blinzeln musste. „Mir ist kalt“, sagte Sie nörgelnd und gähnte ausgiebig. „Guten Morgen“, sagte ich und küsste Sie erneut, als sich ihr Mund wieder geschlossen hatte. Sie schlang ihre Arme um meinen Hals und erwiderte jede meiner Bewegungen. Zum ersten Mal war Sie es, die nach meiner Zunge suchte, während Sie mit ihren Händen durch meine Haare fuhr. Ich löste mich von ihr und setzte mich auf Sie, dann nahm ich ihre Hand und zog Sie zu mir hoch. „Hey, ich bin grade erst aufgewacht“, protestierte Sie gähnend und legte ihren Kopf auf meine Schulter. Umso besser vergaß Sie gerade die Ereignisse der letzten Stunden.

„Dann wirst du gleich wach sein“, entgegnete ich und befreite sie komplett aus ihrer Bluse und ihrem BH. Sie atmete genervt aus und sah mich an. „Was ist?“, fragte ich verwundert. „Mit wem war dein erstes Mal?“ Ich schnaufte belustigt. „Wie bitte? Ist das jetzt so wichtig?“ Warum interessierte sie das? Mein Leben war so lang, dass ich nicht einmal mehr wusste, mit wie vielen Frauen ich bereits geschlafen hatte. „Irgendwie schon“, antwortete sie und ließ sich wieder nach hinten fallen. Ich musterte sie. Sah, wie sich ihre Brüste hoben und senkten und sie vor Anspannung ihren Bauch einzog. Begierig leckte ich mir über die Lippen. „Ich war 16 und damals, wurde man zu einem Mann gemacht. Das war in Adelsfamilien so üblich. Ich weiß nicht einmal mehr ihren Namen“, sagte ich und beugte mich wieder zu ihr hinunter. „Hast du nicht mal gesagt, dass dich meine Vergangenheit nicht interessiert?“ Ich legte meine Lippen auf die ihre, da ich nicht länger reden wollte. Meine Lippen glitten zu ihrem Hals, ihr Dekolleté, arbeiteten sich zu ihrem Bauch vor, währenddessen ich ihr den Slip auszog. „Das stimmt ja auch, aber man wird ja wohl mal neugierig sein dürfen, wie das Leben vor 400 Jahren so war.“ Ich küsste ihren Oberschenkel und drückte ihre Beine auseinander, bevor ich zu ihrem Mund, diesen strahlenden Augen, dessen leere, noch nicht ganz verflogen war, zurückkehrte. Ich wollte, dass diese Leere aus ihnen verschwand, und sich wieder der starke Ausdruck in ihnen widerspiegelte. „Auf jeden Fall war es strenger als das Jetzige.“ Ich wollte keine weiteren Fragen mehr hören. In den letzten Stunden hatte ich so viele Fragen beantworten müssen, dass ich es schon leid war. Ich drang in Sie ein und Amy stöhnte unter mir auf. „Das war … unerwartet“, keuchte Sie und drehte ihren Kopf zur Seite. „Was dachtest du denn, was ich vorhabe?“ Sie wollte ihre Arme um mich legen, aber ich fing Sie ab und drückte diese in ihr Kissen. „Du stehst auf diese dominanten Sachen oder?“ Ich drang härter in Sie ein, während sich ihr Körper vor Verlangen anspannte. Sie erbebte unter mir und wand sich mir entgegen. Ich wollte ihr die Ablenkung geben, die Sie meines Erachtens dringend brauchte. „Nicht auf alles, wenn du damit meinst, dass ich dich auspeitschen soll, tut es mir leid. So etwas mache ich aus Prinzip nicht“, sagte ich lustvoll und küsste ihre Brüste. Saugte an deren Nippel, bis diese Hart wurden. Ich wollte so vieles von ihr. Ich wollte so vieles mit ihr tun. Das, was wir am meisten brauchten, war Zeit. Zeit für uns beide, ohne irgendwelche Probleme, die wir bewältigen mussten. Ich wollte Sie, ich wollte, dass Sie sich mir vollends hingab. Das es auch für Sie nur noch mich in ihrem Leben gab. „Das hätte ich auch nicht zugelassen!“, entgegnete Sie entrüstet konnte aber ein leises Stöhnen dahinter nicht verbergen.

 

Ich hatte so lange keinen Sex mehr gehabt. Hatte Sie so lange nicht mehr berühren können, sodass sich mein gesamtes Verlangen nach ihr angestaut hatte und mich nun vollends übermannte. Ich hatte mir Zeit lassen wollen, hatte diesen Moment auskosten wollen, in dem Sie mich anblickte ohne Trauer, Verlust und Verzweiflung. Aber nun kam das Gefühl der Befriedigung viel zu schnell über mich und es war zu Ende, ehe es richtig begonnen hatte. „Amy, ich liebe dich“, raunte ich ihr zärtlich zu, als wir beide, schwer atmend zum Höhepunkt gekommen waren. Das ich so etwas jemals sagen würde. Liebe war für mich nie eine Option gewesen. Liebe zerstörte. Sie Verletzte, Sie war nichts als Ballast, wenn man Feinde hatte. Amy war mein Schwachpunkt und ich hatte niemals einen haben wollen. Und dennoch brauchte ich Sie. Ein Leben ohne Sie war unvorstellbar. Was sollte ich nur tun? Sie ließ mir keine Wahl mehr.

Ihr Kopf schnellte zu mir und ihre Augen glänzten. Sie schaute mich an, musterte mein Gesicht, als würde Sie mich zum ersten Mal wahrhaftig sehen. Das man mir - einem Reinblüter, in die Augen sah, war eines der Dinge, die mich an Amy faszinierten. Nicht einmal meine Mutter hatte es je gewagt, in jene Augen zu blicken, die den Tod brachten. „Ich liebe dich auch“, egal wie glücklich mich das in diesem Moment auch machte, eines musste ich dennoch wissen. „Sag es, dass du zu mir gehörst, dass du mein bist. Ich will - nein, ich muss es wissen. Ein für alle Mal. Bekenne dich zu mir. Vor der Öffentlichkeit, vor meinen Leuten, vor allen. Werde die Frau an meiner Seite.“ Sie zögerte und schien meine Worte zu überdenken, während ich ihr zärtlich über die Wange strich, um eine ihrer Haarsträhne beiseitezuschieben. „Ich gehöre zu dir. Meinetwegen, wenn es dich glücklich macht, gehöre ich dir auch. Aber erst, wenn wieder Ruhe im Ministerium eingekehrt, und die Ordnung wieder hergestellt ist, werde ich mich zu dir bekennen. Das verspreche ich dir.“ Ihrer Stimme las keinen Zweifel zu. „Ich denke, damit gebe ich mich vorerst zufrieden.“ Ich küsste sie, noch bevor ihr Handy anfing zu vibrieren.

***

Ich betrachtete mich noch einmal im Spiegel. Mein langes schwarzes Kleid wand sich eng um meine Beine. Pechschwarz, wie meine Seele. Nicht einmal Damian konnte meine Stimmung bessern. Diese Leere - die sich in mir ausgebreitet hatte, seitdem ich dieses Kleid und diese schwarzen Schuhe trug, ließen mich frösteln. Das dieser Tag bereits so früh kommen würde, hatte ich nie für möglich gehalten. Es würde für mich immer zu früh sein.

Ich war noch nicht bereit dazu, Abschied von ihr zu nehmen. „Und ich soll dich wirklich nicht begleiten?“, fragte Damian besorgt und ließ dabei seine Finger über meine Schultern gleiten. „Du weißt doch, dass Marvin mich abholt.“ Ich wand mich von meinem Spiegelbild ab und sank in seine Arme. Am liebsten würde ich einfach weiterhin mit ihm im Bett liegen, ihn anflehen, mich alles vergessen zu lassen, indem er mich berührte, aber das war nicht möglich. Ich wusste, dass ich mich dieser Tatsache stellen musste, dass sich einfach alles um mich veränderte.

„Deswegen ja“, grummelte er. Damian war ziemlich taktlos. Es interessierte mich im Augenblick nicht, ob er eifersüchtig war oder auch wütend darüber, dass ich mich lieber von Marvin begleiten lassen wollte. Es interessierte mich nicht. Es gab so viele Dinge, die im Augenblick wichtiger waren, denen ich mich stellen musste. Die ich zu überwinden hatte. Es klopfte an der Tür und Jim schritt herein. Mittlerweile war der kleine alte Mann mir richtig ans Herz gewachsen. „Frau Evers, Mister Waber ist eingetroffen.“

„Siehst du, da ist er auch schon“, sagte ich, löste mich aus seinen Armen und nahm meine schwarze Jacke in die Hand, die ich wohl bei dieser sommerlichen Hitze sowieso nicht brauchte. Mir war jetzt schon schlecht vor den bevorstehenden Stunden. Die Tage waren viel zu schnell vergangen und ich hatte mir sehnlichst gewünscht, dass dieser Tag nie kommen würde, seitdem Marvin mich angerufen hatte. Der Tod meiner Mutter war gerade mal 4 Tage her und man hatte die Beerdigung unserer Toten - wie ich fand, zu schnell organisiert. Im Grunde, war es mehr eine Trauerzeremonie an die Opfer. Es sollte ein neues Denkmal auf dem Friedhof eingeweiht werden und der Vize, würde eine Ansprache halten. „Kommst du jetzt oder willst du in meinem Zimmer auf mich warten?“, fragte ich ihn genervt, da er mir auf die Nerven ging. Ein Reinblüter bei einer Massenbeerdigung, an dem ein Reinblüter die Schuld trug. Das würde sicherlich prima ausgehen. Außerdem wollte ich ihn auch nicht wirklich bei mir haben, wenn es so weit war. Er war ein Vampir, dass war etwas Unausweichliches. Und in dieser Nacht waren so viele Menschen von Vampirhand gestorben, dass ich ihn einfach nicht mitnehmen konnte. Noch immer gab es eine Mauer, die zwischen uns stand und die im Augenblick unüberwindbar erschien, egal wie stark meine Liebe zu ihm auch war. „Dann sagst du mir eben später, wie er so ist.“ Ich brauchte einen Moment, um zu verstehen, wen er meinte. „Ach darum geht es dir, du willst einen Plausch mit dem neuen Minister halten.“ Damian nickte zustimmend. „Er ist ja heute erst in Deutschland angekommen und ich brenne darauf, mit ihm zu reden.“ Er gab mir den Blumenstrauß für das Grab meiner Mutter und wir machten uns gemeinsam auf den Weg nach unten.

Marvins BMW parkte nur wenige Schritte vor der großen Treppe des Hauseingangs. Er hob die Hand zu einem Hey, und blickte Damian finster an. Er trug eine schwarze Hose und darüber ein ebenso schwarzes Jackett mit einem roten Hemd. „Also dann, wir sehen uns später“, sagte ich zu Damian gewandt und wollte gerade die erste Stufe nach unten nehmen, als er mich am Arm packte und zurück zog. „Man geht nicht einfach, ohne sich ordentlich zu verabschieden“, sagte er und küsste mich demonstrativ, woraufhin mein Lippenstift an seinen Lippen klebte. Wenn mir zum Lachen zumute wäre, hätte ich wohl losgelacht aber dafür, war ich nicht in Stimmung. Ich hatte wirklich andere Sorgen. Ich drehte mich zu Marvin um, der mich entsetzt anstarrte, sich aber sichtlich darum bemühte, sich wieder zu fangen und stattdessen neutral zu wirken. Auch ich schenkte Damian nun bittere Blicke, löste mich von ihm und schritt die Treppe nach unten, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Ich musste ihm unbedingt beibringen, dass er mit mir nicht alles machen konnte, was er wollte! Aber vor allem musste er Taktgefühl erlernen. Ich mied Marvin‘ Blicke, da ich wusste, dass ihn das sicherlich verletzt hatte.

Im Auto zog ich den Lippenstift nach und säuberte die Ränder um meinen Mund „Wie geht es dir?“, fragte ich nach Minuten des Schweigens. „Wie schon“, antwortete er kühl. Wieso kam er mir gerade jetzt so fremd vor? Seit unserem Telefonat - was auch nicht gerade sehr herzlich abgelaufen war, hatten wir kein einziges Wort mehr miteinander gewechselt. Der BMW bog um eine Häuserecke und kam auf dem Gehweg vor einem Haus zum Stehen. Nicki hatte ebenfalls ein schwarzes Kleid an. Sie trug rote Ohrringe und an der einen Hand ihren Ehering. Sie öffnete die Tür und rutschte stumm auf die Sitzbank. Ich hatte mit ihr seit diesem Szenario, kein einziges Mal geredet. Marvin lenkte das Auto wieder Richtung Straße.

Die Stimmung war erdrückend und explosiv. „Nicki ich ...“, begann ich, als ich es schließlich nicht mehr aushielt. „Schon gut, ich kann es nicht mehr hören. Dieses Ständige: Es tut mir leid und du Arme und das wird schon wieder. Es ist immer dieselbe Mitleidsnummer“, schimpfte Sie wütend und schaute aus dem Fenster. Ich konnte Sie nur zu gut verstehen. Wahrscheinlich machte Sie gerade dasselbe durch, wie wir damals, als Vater und Schwester verstorben waren. „Eigentlich wollte ich mich dafür entschuldigen, dass ich dich zurückgelassen hatte und alles darauf Folgende. Ich hätte mich bei dir melden müssen, aber nach alldem war ich einfach nur zu feige gewesen“, erklärte ich ihr und Nicki blickte nach vorn. Sie bemerkte, dass ich Sie im Rückspiegel beobachtete und unsere Blicke trafen sich. „Ist schon okay, du hast deine Mutter verloren, du hattest andere Sorgen“, sagte Sie trist. Ihre Trauer war unverkennbar, etwas, was wir beide teilten. Wir hatten beide in dieser Nacht jemanden verloren, der uns sehr viel bedeutet hatte und ich war froh, dass Sie es mir nicht weiter übel nahm.

Wenig später fuhr der Wagen auf den Parkplatz des Friedhofes und Marvin quetschte sich in eine der letzten Parklücken. Ich war froh, endlich aussteigen zu können. Die erdrückende Stimmung im Auto war kaum auszuhalten gewesen. Diese Trauer und der Schmerz, diese leere und die Verzweiflung, die auf engstem Raum aufeinandertrafen, hatten die Fahrt unerträglich werden lassen. Wir gingen zu dem Eingang und bemerkten, dass weit hinter der Statue des Engels, ein großer, dunkler, eckiger Marmorfels emporragte, vor dem bereits Blumen niedergelegt worden waren. Der Friedhof war gefüllt, mit in schwarz gekleideten Menschen. Es waren viele anwesend, wie ich fand. Nicht nur Verwandte oder Freunde nahmen an dieser Gedenkzeremonie teil, denn sogar Fighter aus anderen Bundesländern waren anwesend. Sie alle waren hier, um Abschied zu nehmen. Um Trost zu finden, um noch ein letztes Mal ihrer Trauer freien Lauf zu lassen.

Das war es auch, was ich mir geschworen hatte.

Noch ein letztes Mal, würde ich meine Tränen zulassen. Noch ein letztes Mal die Verzweiflung und diesen tiefen Schmerz spüren. Und danach wollte ich stark sein.

Für Sie alle.

Wollte in mein neues Leben starten, was hoffentlich mit weniger Leid, tot und Blut zu tun hatte. Ich hatte ja sowieso fast niemanden mehr, den man mir noch nehmen konnte.

Die Menschenmasse versammelte sich vor dem Denkmal und ich sah, wie ein kleiner, korpulenter Mann, mit einem breiten Vollbart und mit braunen, kurzen Haaren sich einen Weg durch die Menge bahnte. Blinow musste bereits um die 45 sein, fast so alt wie meine Mutter. Ich fragte mich, wer nun der Vertreter in Russland war, jetzt wo er ja an die Spitze kam und in Deutschland leben musste. Vor dem Denkmal blieb er stehen und auch wir gesellten uns zu der Versammlung. Es herrschte stille.

Totenstille.

Als hätten selbst die Vögel ihre Lust am Singen verloren.

„Fighter, Freunde und Angehörige, der am 16. August gefallenen Eltern, Freunde oder Ehepartner.“ Seine Stimme hallte über den Platz und sie war so kräftig, so barsch, dass sich mir die Nackenhaare aufstellten. „Wir haben uns heute hier versammelt um den Verlust, dieser Menschen zu beklagen und um uns gegenseitigen Halt zu geben. Unsere Trauer und unser Entsetzen könnte nicht größer sein, über diese Tragödie, wie Sie sich hier abgespielt hatte. Noch nie hat es so einen Vorfall gegeben. Noch nie! In der Geschichte des Ministeriums, dieser Organisation, gab es so einen hinterhältigen Massenmord an Fighter. An Menschen, die ihr Leben dafür gaben, um die nichts ahnende, nichts wissende Bevölkerung zu schützen. Menschen, die Väter oder Mütter waren, die Ehepartner und zugleich der beste Freund waren. Menschen, die ihr Herz am rechten Fleck hatten und viel zu früh von uns gegangen waren. Sie alle waren Menschen, die wir Fighter nie vergessen werden. Bertolt Brecht hatte einmal gesagt: Der Mensch ist erst dann wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt. Und so lasst uns heute, an diesem Tag, mit einer Schweigeminute an unsere Verstorbenen zurückdenken. Lebet wohl. Ja, ich sage mit Absicht, Lebet wohl, denn sie werden weiterleben, in unseren Erinnerungen. Und das, was sie getan haben, wird weiterleben, wenn wir in den kommenden Jahren in ihrem Sinne weiterarbeiten.“ Er beendete seine Rede und alle senkten die Köpfe. Nur ich schaute in den Himmel. Ein paar vereinzelte Wolken, die nicht mehr waren, als Nebelschwaden zogen langsam aber wahrnehmbar über uns hinweg. Ich hatte ihr nie eine Chance gegeben, damit Sie es wieder gutmachen konnte, dass Sie mich all die Jahre vernachlässigt, mich allein gelassen hatte. Ich hätte verstehen müssen, dass Sie sich nach diesem Schicksalsschlag verändert hatte. Das Sie Rache wollte - auf ihre Art und Weise. Wie ein Kind war ich viel zu stur gewesen, den ersten Stritt zu wagen. Aber meine Erkenntnis kam zu spät. Wieso begann man immer erst dann etwas zu schätzen, wenn man es bereits verloren hatte?

 

Nun würde ich es wieder gut machen. Die Liebe meiner Mutter lebte noch immer in mir, egal wie Sie in den letzten Jahren gewesen war. Wie sehr Sie sich verändert hatte. Was Sie mir auch angetan haben mag, Sie war eine starke Frau gewesen, die nur an das wohl der anderen gedacht hatte. Sie hatte das Ziel meines Vaters weitergelebt und nun, würde ich dasselbe tun. Ich würde ihre Ziele, ihre Idealen fortführen und alles daran setzen, dass ihr Motto Bestand hatte. Denn nun konnte ich Sie mehr denn je verstehen, warum Sie auf Zusammenarbeit gesetzt hatte, als auf einen blutigen Krieg, den wir wahrscheinlich nie gewinnen würden. Jetzt da ich wusste, dass es zwei Reinblüter gab. Jetzt da mein Wissen über diese Welt größer war als jemals zuvor, fragte ich mich, ob wirklich wir der Grund für das Aussterben der Reinblüter gewesen waren, oder eben doch einfach nur die vergehende Zeit und ihre Liebeleien mit den Menschen? Ich glaubte, gerade der tot meiner Mutter, hatte in mir etwas verändert. Als hätte es mich wachgerüttelt und mich in dieses Jahrhundert zurückgeholt. Als hätte es diesen ganzen Hass, den ich in mir trug, durch Trauer und Schmerz ersetzt.

Die Schweigeminute endete und der Vize riss mich aus meinen Gedanken, zurück in das Hier und Jetzt. „Der Tod ist ein schmerzhafter, meist unerwarteter Verlust, der uns auch mit der eigenen Sterblichkeit konfrontiert. Wir, dass Ministerium haben aus diesem Massaker gelernt und werden dafür sorgen, dass diese Menschen nicht umsonst ihr Leben gelassen haben. Nehmen sie alle nun Abschied von diesen wunderbaren Menschen. Aber es ist ein Abschied, bei dem es doch, irgendwann ein Wiedersehen geben wird.“ Er beugte sich vor und richtete seinen Kopf dabei zu Boden, bevor er sich wieder aufrichtete und das Denkmal freigab.

Die Menschen teilten sich auf. Nicki ging zum Grab von Tom und wollte kurz allein sein. Ich und Marvin bestaunten erst einmal das Denkmal. Mit einem goldenen Schriftzug waren neben einem Zitat, alle Namen der gefallenen eingraviert worden. An oberster Stelle stand der Name meiner Mutter. Gedankenverloren ließ ich meine Finger darüber gleiten. Caroline-Amber Evers. Jeder einzelne Buchstabe glänzte golden im Schein der Sonne und es kam mir vor, als fühlten sich die Initialen meiner Mutter auf dem kalten Stein heiß an. „Wer Engel sucht in dieses Leben Gründe, der finde nie, was ihm genügt. Wer Menschen sucht, der wird den Engel finden, der sich an seine Seele schmiegt.“ Marvin las das Zitat vor, was in dem Stein eingemeißelt worden war. „Von Christoph August Tiedge.“ Ich wand meine Blicke von Mutters Namen ab und trat einen Schritt zurück. Meine Augen studierten die Namen der anderen Gefallenen. Es waren so viele Namen, so viele Menschen, so viele Schicksale. Meine Mutter hatte uns davor bewahren wollen und nicht einmal mit Damian‘ Hilfe, hatten wir etwas dagegen tun können. Wie nutzlos, diese Allianz am Ende doch gewesen war. „Manchmal frage ich mich, ob wir uns wirklich mit den Engeln vergleichen sollten, so blutbesudelt unser Handeln doch ist“, wand ich, meine Stimme von Trauer erfüllt, ein. „Das sollten wir! Da gibt es ein Zitat… wie ging es doch gleich.“ Marvin überlegte und ich blickte zu ihm auf. Seine Schultern hingen lustlos herab und sein Gesicht, blickte ebenso leer auf die Namen der Toten. „Luzifer war nicht der erste gefallene Engel. Premutos ist der älteste seiner Art. Der Herrscher über Leben und Tod. Zu Fleische geworden wird er auf die Erde zurückkehren um Krankheit, Hass, Tod und Sünde zu säen.“ Ich starrte Marvin schockiert an, woraufhin er sich mir ebenfalls zuwandte. Dieselbe Trauer lag in seinem Gesicht. „Das ist aus einem Film. Aber ich finde ihn sehr passend. Seit jeher brachte der Mensch nur Unheil in diese Welt. Wir töten, sterben, zerstören. Leben und herrschen wie Egoisten, die denken, dass diese Welt auf ewig währt. Aber so ist es nun mal nicht. Wir teilen diese Welt mit so vielen Organismen. Mit so vielen Lebewesen. Egal wie diese auch aussehen. Egal ob Pflanze, Tier oder Vampir. Der Mensch ist der Überbringer von allem Unheil auf dieser Welt. Ohne uns würde es den Vampir nicht geben. Ohne uns würde diese Welt nicht dem Untergang geweiht sein.“ Stille legte sich über uns. Er hatte recht. Ohne uns würde es den Vampir nicht geben. Wie auch immer er entstanden sein mag, sein menschliches Aussehen, hatte er von einem Menschen. Von einem von uns.

„Kommst du mit?“, fragte ich ihn nach ein paar Minuten des Schweigens. Er nickte zustimmend, als wusste er genau, was ich vorhatte, als kannte er jeden meiner Gedanken. Wir gingen zu dem Grab meiner Mutter, welches sich direkt neben dem meines Vaters und meiner Schwester befand. So viele Menschen hatte ich hier noch nie erlebt. So viele schluchzende Fighter, die unerbittlich Tränen vergossen. Dieser Schmerz der vielen Menschen erfüllte den Platz mit einer dunklen und finsteren Aura. „Nun seid ihr wieder alle beisammen“, sagte ich und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Wann hatte ich ebenfalls angefangen zu weinen? Marvin legte seinen Strauß dazu und hockend, blickte auch er zu dem Marmorstein meiner Mutter. Ich fühlte mich alleingelassen auf dieser Welt bei dem Anblick meiner gesamten Familie. Sie alle - ausgelöscht. „Ich frage mich, ob es weniger schmerzhaft gewesen wäre, wenn ich sie alle auf einmal verloren hätte. Ich bin es so leid, ständig aufs Neue trauern zu müssen. Dauernd vor einem Grabstein zu stehen und mir diese Trauerreden anzuhören. Man müsste meinen, ich hätte jetzt schon Erfahrung darin, zu trauern und diese Dinge zu verarbeiten aber es wird einfach nicht leichter.“ Meine Stimme erstickte, als sich meine Kehle zuschnürte und sich meine Beine abermals taub anfühlten. Am liebsten hätte ich laut geschrien. Ich konnte nicht mehr dagegen ankämpfen und gab mich den Tränen hin. Gab mich diesem Schmerz, der mich schluchzen ließ, geschlagen.

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