Blood-Lady

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Z serii: Blood-Lady #2
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Der Tag begann mit denselben Wolken der Nacht. Trüb, verregnet und wohl ganz in derselben Stimmung wie Amy. Was wohl nun passierte, nachdem die Präsidentin tot war? Der Vizepräsident lebte im Ausland und hatte dort selbst Familie und Kinder. Ich fragte mich, wie Blinow so war. Auf dem Vertretertreffen hatten wir fast ausschließlich nur über mich geredet. Ob ich meine Zusammenarbeit nach alledem mit ihm fortsetzen konnte? Ich musste dringend etwas unternehmen. Ich hatte keine andere Wahl mehr. Ich musste John aus dem Weg schaffen, denn erst wenn er verschwunden war, mussten sie mir dienen, ausnahmslos! Mir, dem letzten Reinblüter, der ich dann sein würde. Alle, sie hatten dann keine andere Wahl mehr. Niemand würde mich mehr verraten. Wenn ich nur wüsste, was sein Grund für diese BloodRebellion war. Oder zumindest wo er sich aufhielt. „Damian.“ Amy riss mich aus meinen Gedanken und sprach meinen Namen so verträumt und liebevoll aus, dass ich begriff, was mir die Wochen zuvor gefehlt hatte. Als Sie damals sagte, dass ich gefährlich für Sie war, dass Sie Angst vor mir hatte, dass ich ein Monster sei, hatte ich es für das beste gehalten, ihr den Abstand zu gewähren. Ich wusste nicht mehr, was das Beste für unser beider Leben war. Aber jetzt wusste ich es.

Jetzt war alles für mich klarer als jemals zu vor. Ich brauchte Sie und Sie brauchte mich. Wie dunkel und kalt mein Leben nur ohne Sie gewesen war. Vielleicht war Sie wie ein Lichtschein, der meine innere Hölle erleuchtete und diese versuchte zu erwärmen und mir den Ausweg zeigte. Ich drehte mich wieder zu ihr und gab ihr einen Kuss auf ihre trockenen Lippen. Sie blickte in meine Augen und schien die Nacht darin Revue passieren zu lassen. „Es war kein Albtraum, nicht wahr?“, fragte Sie im Flüsterton, als hätte Sie Angst, es laut auszusprechen. „Es ist die Realität, die du nicht mehr ändern kannst“, entgegnete ich behutsam. Ihre Augen waren starr auf die meine gerichtet. „Wie hast du den tot deines Vaters akzeptiert?“ Überrascht wich ich ihrem Blick aus, indem ich mich neben sie auf den Rücken rollte. „Wohl nie.“ Ich wollte nicht über ihn reden, aber Amy schien das nicht zu interessieren. Sie drehte sich zu mir, kuschelte sich an meine Seite und legte die Hand auf meine Brust. Dort wo mein Herz schlug. Gedankenverloren ließ ich ihre Finger in die meine sinken und starrte an die Decke. „Dann eben, wie hast du es verarbeitet.“ Ich kam an dem Thema wohl nicht vorbei. Wovor hatte ich Angst? Vielleicht war es an der Zeit, mich ihr zu öffnen. „Weißt du, ich habe meinen Vater wirklich geliebt. So wie keinen anderen sonst. Er war eine Respektsperson, aber hatte mir stets immer alles gegeben, was ich wollte. Sich Zeit genommen bei den Dingen, die er mir erklären musste. Er hatte mir zugehört, mich für mein Leben, meine Herrschaft vorbereitet und erzogen. Ich kann seinen tot nicht akzeptieren und der Schmerz, diese leere ist noch immer in meinem Herzen und hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin.“ Ich drehte meinen Kopf zu ihr. „Es stärkt uns und weißt uns den Weg, den wir gehen, mit dem einzigen Ziel, den Sinn von alles und allem zu verstehen. Ich habe mich auf diesem Weg gänzlich verloren.“ Sie richtete sich auf und setzte sich neben mich auf ihre Oberschenkel. „Ich verstehe es heute nicht und auch morgen nicht“, fuhr ich fort. „Wahrscheinlich werde ich es nie verstehen, warum ihr meinen Vater umbrachtet, aber ich darf nicht in Selbstmitleid versinken. Das war etwas, was er mir schon früh beigebracht hatte: Innerliche Stärke.“ Meine Augen blieben an ihrem Gesicht hängen, an dem das verschmierte Blut bereits angetrocknet war. Sie musste dringend eine Dusche nehmen und ihre Kleidung wechseln. Auch schon, weil ich diesen Gestank nicht ertragen konnte, der ihr so kostbares Blut verschandelte. „Wieso kommt es mir so vor, als wärst du das Einzige, was mir in meinem Leben noch geblieben ist?“, fragte Sie und wirkte so hilflos, wie ich es von ihr niemals erwartet hätte. Ihr Gesicht war nur ein trostloser Schatten mit leeren Augen, die in die meine blickten. Hinter ihrer starken Fassade war eine viel zu verletzbare Frau. Ich richtete mich ebenfalls auf und umschloss ihre Lippen mit den meinen. Ich wollte ihr Halt geben, wollte verhindern, dass Sie erneut in Tränen ausbrach. Ich wollte Sie bei ihrer Trauer unterstützen, da ich wusste, wie Sie sich fühlte. Ich wusste, was Sie verloren hatte und das man diese Lücke nie wieder schließen konnte. „Ich werde dich niemals verlassen, Amy. Wir beide sind das Einzige, was wir noch haben. Deshalb werden wir uns beide niemals verlassen können. Du gehörst zu mir und ich zu dir.“ Ich nahm ihren Kopf in meine Hände. Wie lange ich Sie auch ansah, ich konnte nicht genug bekommen. Sie hatte so viele Facetten und ich wollte Sie alle kennenlernen. Ich hatte nun die Chance, alles Geschehene vergessen zu lassen. Ihr zu zeigen, dass Sie vor mir keine Angst zu haben brauchte. Das ich kein Monster mehr war. Denn diese Worte aus jener Nacht hatten tiefe Spuren bei mir hinterlassen. Eine weitere Gabe, die nur Sie besaß. Sie erreichte mit ihren Worten mein Herz. Ich hatte das Gefühl, als könnte ich ihr Blut unter meinen Händen fließen spüren und meine Nackenhaare stellten sich auf. Annabell’ Blut musste unbedingt noch eine Weile anhalten! Ich zog mich zurück. Nicht vor ihr, sondern vor dem, was Sie nun mal war. Bis jetzt hatte ich nicht darüber nachgedacht, was mit mir geschah, wenn ich kein Blut mehr trank. Es war unvorstellbar. Ich musste mir eine neue Blood-Lady suchen, denn Annabell blieb unauffindbar. Nur leider wusste ich, dass sich dies als ziemlich schwierig erweisen würde. Immerhin gab es immer weniger von ihnen auf dieser Welt. Sie wurden von den Mischlingen - die ihr Blut bei Weitem nicht gerecht waren, verschlungen. Die Mischblüter kannten kein Sättigungsgefühl mehr, wenn sie erst einmal von diesem speziellen gekostet hatten. Dann gab es für ihre Opfer kein Zurück mehr. Deshalb waren auch die Blood-Ladys vom Aussterben bedroht. Das alles nur, weil sich diese komische Sippe von halb Menschen gebildet hatte. Zur Not musste ich wohl doch Menschenblut trinken. Alles war mir recht, solange ich Amy nicht unweigerlich Schaden zu fügte. „Lass … mich hier einziehen.“ Ihre Stimme klang nicht nach ihr und sie riss mich vollkommen aus meinen Gedanken. Sie war viel zu schüchtern und sie wirkte nun verschlossener und zurückhaltender als jemals zuvor. Wehmütig schaute Sie mich mit ihren leeren Augen an. Wie lang würde es wohl dauern, bis Sie wieder die Alte war? Dennoch breitete sich ein zufriedenes Lächeln auf meinem Gesicht aus. „Das hätte ich als Nächstes gefordert.“ Sie lächelte halbherzig und glitt von meinem Bett herunter. „Es werden harte Zeiten auf uns zu kommen“, prophezeite Sie und blickte verloren aus meinem Fenster. Amy schlang ihre Arme um sich selbst, als müsste Sie sich selbst halten. „Ich weiß, umso wichtiger ist es, dass du bei mir bist, denn nur hier kann ich dich vor ihnen beschützen.“

„Was macht dich so sicher, dass sie mich ebenfalls töten wollen?“ Woher hatte sie meine Gedankengänge so schnell erkannt? „Weil ich den Anführer kenne und weiß, was sein Ziel ist. Nämlich mich zu erniedrigen, bis ich am Boden liege. Da du nun etwas bist, dass mir etwas bedeutet, bist du für ihn wohl sehr interessant.“ Ich hatte bereits vergessen, dass ich soeben eine meiner weiteren Lügen offengelegt hatte. „Einen Augenblick mal, du hattest zu mir gesagt, du weißt nicht, wer der Anführer ist?“, bemerkte sie finster.

Wieso konnte sie immer so schnell ihre Gefühle ändern? Von Liebe zu Hass. Von Verzweiflung in Wut.

Waren Frauen immer so launisch?

Zweite Lüge

Ich schaute ihn fragend an. Wie viele Lügen hatte er mir noch aufgetischt? Warum hatte ich so verdammt Angst davor, ihn zu verlieren. Davor, dass sich herausstellen könnte, dass alles nur eine Lüge gewesen war. Wieso, begann ich mich nun so sehr an ihn zu klammern? „Das war gelogen, dass gebe ich zu. Aber damals habe ich es für das Beste gehalten, dir seine Existenz zu verheimlichen. Ich wollte das Ministerium da heraushalten, da dies meine Rache ist. Ich habe immer geglaubt, dass er zuerst mich erledigen will, bevor er das Ministerium so offen angreift. Scheinbar haben auch meine Informanten mich verraten.“ Ich drehte mich von ihm weg und beobachtete die Regentropfen, die langsam an seinem Fenster vorbei rannen. Ich fühlte mich leer. Einfach nur leer. Verlassen, als wäre meine Seele nicht mehr hier und nur mein Körper würde noch immer in diesem Leben verweilen. Was sollte ich noch hier? Ob meine Mutter nun bei Vater und meiner Schwester war? Waren sie nun alle wieder vereint? War sie nun wieder glücklich? Ich sehnte mich danach, von allen in die Arme genommen zu werden. Diese Gedanken hatte ich schon lange nicht mehr verspürt. Es hatte zwar eine Weile gedauert, bis sich damals, nachdem Tod meines Vaters und meiner Schwester, mein Leben wieder normalisiert hatte, aber ich hatte wieder lachen können. Ich hatte wieder leben können. Doch nun erschien es mir so weit hergeholt, so unvorstellbar, dass ich jemals wieder wahrhaftig glücklich sein würde. Warum hatte meine Familie nicht auch eine ganz normale sein können, die nichts von dieser verborgenen Welt wusste? Ich wollte sie alle wiederhaben. Ich wollte, dass sie hier vor mir standen und mir sagten, dass alles wieder gut werden würde. Das es nur ein böser Traum war. Ich wollte bei ihnen sein.

Ich war so mit mir selbst beschäftigt, dass ich vor Schreck zusammenzuckte, als Damian mich von hinten umarmte und mich an seine Brust zog. „Ich habe das Gefühl, als müsste ich dich bei mir einsperren, um zu verhindern, dass du dir etwas antust.“ Er klang ernst. Vielleicht war er der Einzige, der verstand, wie ich mich fühlte und wahrscheinlich auch, was ich alles in Erwägung zog. „Ich dachte, ich könnte dich nie verlassen?“, sagte ich argwöhnisch. Sein Kinn landete auf meinem Kopf. „Das könntest du auch nicht, weil ich es niemals zulassen würde.“ Ich lächelte, auch wenn ich nicht glücklich war. Seine Worte erreichten mein Herz nicht mehr. „Du solltest jetzt dringend unter die Dusche. Wenn du willst, besorge ich dir ein Umzugsunternehmen, das deine Sachen, dann zu mir bringt?“ Er hatte es wohl sehr eilig. „Nein danke, dass mach ich schon selbst. Ich muss etwas unternehmen. Ich brauche Ablenkung.“ Ich löste mich aus seinen Armen, drehte mich um und suchte nach meiner Tasche bis mir einfiel, dass ich sie gar nicht bei mir gehabt hatte. „Weißt du, was Marvin mit meinem Auto gemacht hatte?“, fragte ich ihn und ging dabei zum Spiegel hinüber, der an einer der Wände hing. Ich erschrak förmlich vor mir selbst. Wie hatte er mich küssen können?

 

Überall an mir klebte ihr Blut, dass Blut meiner toten Mutter. Diese Erkenntnis ließ mich erstarren und mir wurde noch kälter, als mir ohnehin schon war. Mein Blick viel auf Marvins Kette, die noch immer an ihrem Platz hing. Es stimmte nicht. Damian war nicht das Einzige, was mir geblieben war. Ich hatte noch immer meine Freunde, zumindest hoffte ich das. „Jim hat mir erzählt, dass er ihm den Schlüssel gegeben hätte. Geh du erst einmal duschen, dann …“, ich unterbrach ihn. „Ich werde mich nur kurz frisch machen. Duschen werde ich dann bei mir. Holst du bitte so lang meinen Schlüssel?“ Meine Stimme halte in meinem Kopf wieder und ich fragte mich, ob das tatsächlich die meine war. Er wirkte geknickt aber willigte ein. Konnte das wirklich dasselbe Monster sein? Im Augenblick erschien mir die Erinnerungen an seine Taten, sein grausames Verhalten Annabell gegenüber, wie ein schlechter Science-Fiction Film, nämlich vollkommen unrealistisch.

Ich hätte mir niemals erträumen können, dass eine Dusche so gut tun konnte. Fast akribisch hatte ich meine Haut geschrubbt, bis sie schon rötlich erschien. Ich wollte Mutters Blut, diese Bilder vergessen. Ich hatte Angst davor, zum Ministerium zu gehen oder Nicki anzurufen. Ich hatte Sie gestern einfach stehen gelassen und ich fragte mich, ob Sie mir das jemals verzeihen konnte. Ich machte mir Sorgen, wie es ihr ging. War Tom tatsächlich tot? Gerade jetzt, wo sie Zukunftspläne geschmiedet hatten. Nach ihrer Hochzeit, ihrem Hauskauf.

Ich wickelte meine Haare in mein Handtuch ein und zog mir einen warmen Pulli und eine Leggings an. Der Geruch von frisch gewaschener Wäsche betäubte meine Nase. Zum Glück konnte ich mir bei Damian sicher sein, dass er niemals auf diese Weise sterben würde. Er war der Einzige, von dem ich mir sicher sein konnte, dass ich ihn nie auf diese Weise verlieren musste.

Was sollte ich nur tun? Ich hatte noch immer so viele Fragen. Wer war alles gestorben? Und warum verdammt noch mal kannte Damian den Anführer? Und was hatte es mit dieser BloodRebellion nur auf sich? Ich nahm mein Handy und wählte die Nummer von Marvin. Ich musste ihn befragen. Das alles ließ mir einfach keine Ruhe, und wenn ich mich jetzt hinsetzen und den Fernseher einschalten würde, würde ich nur wieder im Selbstmitleid versinken und mich wieder fragen: Warum? Warum war ich nur so stur gewesen und hatte ihr nicht noch eine Chance gegeben? Warum hatte man mir alles genommen, was ich je geliebt hatte? Warum bestrafte man mich so? Ich war froh, als Marvin abnahm, bevor weitere – Warums - vor meinen Augen erschienen. „Marvin. Oh Gott sei Dank, ich dachte schon, ich hätte dich komplett vergrault oder so“, rief ich erleichtert. „Quatsch, warum auch?“, sagte er knapp und in seiner Stimme lag Kummer. Ob es daran lag, dass ich bei Damian geblieben war? Wie musste das für ihn ausgesehen haben, wo er immerhin von uns beiden noch nichts wusste? „Wie geht es dir jetzt?“

„Den Umständen entsprechend“, antwortete ich. „Hast du schon was von Nicki gehört?“ Meine Stimme bebte. Er zögerte mit seiner Antwort. „Nun ja, mehr oder weniger. Tom ist tot, ebenfalls ermordet. Ich war gestern noch einmal im Ministerium und war bei ihr, als sie ihn identifiziert hatte. Seitdem habe auch ich nichts mehr von ihr gehört.“ Ich atmete schwer aus. Nicht vor Erleichterung, sondern weil ich die Luft vor Anspannung angehalten hatte. „Das ... ist schrecklich. Sie tut mir so Leid“, sagte ich fassungslos und ließ mich in meinen Sessel fallen. Wie schnell konnte doch alles zerbrechen und vorbei sein? Die Zeit war wohl tatsächlich das Kostbarste auf dieser Welt. Etwas, was wir immer wieder vergasen. „Im Augenblick brauchst du nicht ins Ministerium zu kommen. Ich bin da und hier herrscht das reinste Chaos. Niemand weiß, wie es weiter gehen soll. Noch immer wird das Gebäude gesäubert. Glücklicherweise konnte man die Opfer bereits alle vollständig identifizieren und in die Leichenhäuser bringen. Die Presse war auch schon da. Niemand hatte eine Aussage gemacht, da ja niemand mehr Anweisungen gibt, was gesagt werden soll. Meine Güte, wer weiß, was die sich jetzt ausdenken. Terroranschlag oder so etwas! Das ist doch gefundenes Fressen für diese Sackgänger!“ Marvin hatte recht. Die außenstehende Presse machte uns immer nur Ärger. Am besten war es, ihnen sofort eine Story aufzutischen und nicht erst, nachdem sie sich eine ausgedacht hatten. „Mit den Krankenwagen und der Polizei lief alles glatt?“, fragte ich ihn neugierig. Ich fasste es noch immer nicht, über was wir uns hier unterhielten. Ich kam mir wie in einem Film vor. Einem ziemlich Schlechten. „Du weißt doch, wenn es um das Ministerium geht, fragen sie nicht sondern erfüllen nur ihre Pflichten.“

„Na ja aber trotzdem gibt es neugierige Mitarbeiter und bei diesen Ausmaßen ...“, entgegnete ich und vernahm, wie er schwer atmete. Wahrscheinlich nahm ihn das alles ebenfalls sehr mit. „Du warst gestern nicht lange hier. Überall Blut, Tod und verzweifelte, schreiende Menschen. Das alles erschien so unwirklich.“ Er brach ab. „Wie viele Tote sind es nun genau?“, fragte ich zaghaft. Ich wusste nicht, ob ich dies überhaupt wissen wollte. „Die noch inoffizielle Zahl liegt mittlerweile bei 40. Wie gesagt, hier geht alles Drunter und Drüber. Ich hoffe, dass der Vize bald eintreffen wird.“ Marvin klang verzweifelt und ich hörte, wie ihm etwas herunterfiel. „´tschuldigung“, gab er als Antwort in den Hörer. 40 war eine beträchtliche Anzahl. „Warst du … dabei? Als es passierte? Immerhin war deine Brille kaputt?“ Ich zögerte ihn dies zu fragen, aber meine Neugierde war zu groß. Ich wollte dieses Szenario so gut es eben ging nachvollziehen können. Ich musste wissen, wie es nur so weit hatte kommen können. „Ja. Aber weißt du … es war merkwürdig. Unsere Bibliothek ist eines der wertvollsten Dinge, die das Ministerium besitzt. Unser gesamtes Wissen, aus aller Herren Länder befindet sich hier unten. Und dennoch haben sie sich nicht erst die Mühe gemacht, zu mir hinunter zukommen, um alles zu zerstören. Sie sind wohl einfach … also sie waren wohl einfach …“

„… Auf dem Weg zu meiner Mutter“, warf ich ein und schnitt ihm die Worte ab. „Weißt du, dass ist doch unlogisch. Wo sie doch eh hier im Hauptsitz der Organisation waren und schon alle umgebracht hatten?“ Er hatte recht, dass war tatsächlich merkwürdig, zu mal jeder Vampir wusste, dass sich hier in Leipzig unser gesamtes Wissen verbarg. „Es ist ziemlich merkwürdig, der einzige Überlebende zu sein, gemeinsam mit Tobias, der mir gerade Kaffee gebracht hatte. Das Ganze ist so abstrus. Meine Brille ist mir im Übrigen im Gedränge danach heruntergefallen, als mich ein Mann anrempelte, der wohl jemanden gesucht hatte. Die Menschen waren panisch.“ Seine Stimme klang ruhig und bedrückt. Zu ruhig. „Marvin.“ Ich schaute zu meinem Fenster, an dem der Regen aufs Neue anfing zu hämmern, als bat er mich, dass Fenster zu öffnen. Ich durchquerte den Raum und blickte auf die nasse Landschaft unter mir. Den Straßen, auf deren sich bereits große, lange Pfützen gebildet hatten. Menschen liefen hektisch umher, um sich vor dem plötzlichen Regen einen Unterschlupf zu suchen. „Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist“, sagte ich schwermütig. „Das bin ich auch, glaub mir.“ Ein Blitz durchzog den Himmel, dicht gefolgt, von einem donnern. Gewitter am Tag waren im Sommer keine Seltenheit. „Amy. Ich mache mir wirklich Sorgen. Wer weiß, was diese Rebellion plant. Wenn sie wissen, dass du ihre Tochter bist, dann … ich will es nicht mal aussprechen.“

„Mach dir keine Sorgen Marvin“, beschwichtigte ich ihn. „Ich werde zu Damian ziehen.“ In diesem Augenblick fiel mir auf, dass ich Marvin noch nichts über mich und mein Blut erzählt hatte. Für ihn musste es ziemlich absurd klingen. Die ganze Situation gestern, unsere Vertrautheit, musste ihn sehr ins Grübeln gebracht haben. Für ihn war Damian kein Mann, sondern ein reinblütiger Vampir. Ein nicht zu trauendes Wesen. Unser Feind. Jetzt wohl noch mehr als zuvor. Eine Stille trat ein. „Weißt du“, begann ich zaghaft. Ich wusste nicht, wie sich eine unerwiderte Liebe anfühlte. Aber ich erinnerte mich an Annabell und wie katastrophal ihre Gefühle aus ihr herausgebrochen waren. Ich war ihm eine Erklärung schuldig. „Ich habe dir doch von dieser Blood-Lady erzählt. Du erinnerst dich?“

„Sicher“, antwortete er und ich vernahm ein gewisses Interesse. „Ich … also ich bin so jemand. Eine Blood-Lady.“ Erneute Stille. „Als ich mich damals bei unserem ersten Treffen geschnitten hatte, sind die Mischlinge allesamt verrückt geworden. Damian hatte es sofort bemerkt. Er wusste, dass ich anders bin, als die anderen. Deshalb hatte er auch mich als Botschafterin dieser Allianz ausgewählt. Auch der Überfall in meiner Wohnung war kein Zufall. Deshalb bin ich ihm so ... wichtig.“ Meine Worte klangen bittend nachdem Motto: Bitte verstehe die Situation. Bitte vergib mir, dass ich dich nicht lieben kann. Auch wenn das im Grunde nichts mit der Sache zu tun hatte. Am Ende wusste er seit gestern auch so über meine Gefühle für Damian Bescheid. „Vielleicht ist es aber auch einfach nur dein Blut, was ihm so wichtig an dir ist und dich so interessant für ihn macht“, sagte er und klang dabei wütend. „Wann hättest du es mir sagen wollen? Das du ihm dein Blut gibst?“, entgegnete er verärgert. „Bitte was? Marvin so ist das nicht! Ich habe und werde niemals so etwas tun, klar!“, erwiderte ich bestimmt. „Du weißt doch, wie ich bin und wie sehr ich die Vampire verabscheue. Nun noch mehr als jemals zuvor! Außerdem ...“ Er unterbrach mich. „Dennoch gehst du zu ihm?“ Marvins wütender Tonfall erschreckte mich. Hatten wir uns jemals ernsthaft gestritten? „Er ist genauso eine Kreatur, wie all die anderen! Wo ist der Unterschied? Seine Reinblütigkeit?“ Mein Atem beschleunigte sich. Marvins Wut auf mich konnte ich im Augenblick wirklich nicht gebrauchen. „Ich weiß es doch auch nicht“, sagte ich flehend. „Ich weiß doch selber nicht, was mit mir los ist aber im Augenblick …“ Meine Stimme erstickte in den Tränen, die in mir aufstiegen. Im Moment war ich viel zu angeschlagen, was meine Gefühle anging. „Im Augenblick brauche ich einfach seine Sicherheit, die er mir gibt.“ Die Sicherheit, dass er mich nie verlassen konnte. Seine starken Arme, die mich immer auffangen würden und seine Augen, die mich ausschließlich mit Liebe anblickten. Damian gab mir einfach eine komplett neue Welt, mit neuen Gefühlen und einem neuen Leben. Und dieses Leben, was ich gerade führte, konnte ich so nicht weiter hinnehmen. Aber das verschwieg ich ihm lieber. „Na schön, wie auch immer.“ Marvin stöhnte verärgert aber seine Stimme klang versöhnlich. Ich schniefte und lehnte mich an mein Fenster. Ich spürte die Kälte der Fensterscheibe an meiner Stirn. „Tut mir leid Amy, ich wollte nicht so taktlos sein. Du hast gerade deine Mutter verloren, mich jetzt mit dir zu streiten, ist nicht ganz fair.“ Ein Stein fiel mir vom Herzen. „Marvin, du bist mir wichtig und ich will nicht, dass sich zwischen uns was ändert. Ich brauche dich!“, wisperte ich kleinlaut. Wie gern würde ich ihn nun vor mir haben, um zu sehen, was er fühlte und dachte. War ich zu egoistisch, jemanden so etwas zu sagen, der in mich verliebt war? „Ich rufe dich an, wenn es etwas Neues gibt.“ Er gab mir also keine direkte Antwort. Was hatte ich auch erwartet? „Danke, Marvin“, sagte ich und erhob mich wieder. „Wir sehen uns dann.“ Damit legte er auf und ich begann damit, die Umzugskartons aus dem Keller zu holen, um meine Sachen so schnell wie möglich aus dieser Wohnung zu haben.

Damian konnte es nicht lassen und mietete mir einen Transporter, mit dem er Jim beauftragte, mir zu helfen. Ich bekam bei ihm ein eigenes Zimmer, auch wenn das niemals meine Wohnung ersetzen konnte. Meine Selbstständigkeit würde mir wohl sehr schnell fehlen und wahrscheinlich, würde ich mich auf diesem riesigen Anwesen wohl nie wirklich zu Hause fühlen. Glücklicherweise verzog sich seine Mutter den gesamten Tag über in ihr Zimmer und kam laut Damian, nur nachts heraus und da, hatte ich vor bereits zu schlafen. Ich mochte diese Frau nun Mal nicht und das, würde sich auch so schnell nicht ändern. Aber ich hatte mittlerweile so viele Erinnerungen in dieser Wohnung, an meine Mutter und an Vampire. An Blut und Angst. An Marvin und mich, dass es sich nur positiv auswirken konnte, aus den alten vier Wänden herauszukommen. Ich wollte und musste wieder einmal von neu anfangen und dieses Mal, wollte ich es richtig machen. Ich konnte nichts dagegen unternehmen, dass ich an Damian mein Herz verloren hatte. Auch wenn ich es mir noch nicht getraute von Liebe zu reden. Ich wusste, wie er sein könnte. Wusste was er war, aber ich konnte es nicht ändern. Zu mir war er nun Mal anders und ich hoffte, dass auch ich ihn verändern konnte. Das ich diesen Hass und diese Wut in ihm lindern konnte. So wie er meinen Hass, meine Trauer, mein Selbstmitleid im Keim ersticken konnte, sofern er mich einfach nur in seine Arme nahm. Für ihn war Liebe ebenfalls etwas komplett Neues und damit konnte auch er nicht wirklich umgehen. Gerade er, der so viel Macht besaß, dass er dies schnell mal ausnutzen oder vergessen konnte. Diesen Damian würde ich wohl nie wieder vergessen. Aber ich war mir sicher, dass ich die Kraft hatte, ihn zu verändern. Das die Zeit ihn ruhiger werden ließ. Ihn vergessen ließ, dass er ein Reinblüter war. Zumindest hoffte ich das.

 

Ich bezog gerade mein Bett, nachdem ich mich gefühlt eine halbe Stunde mit einer Bediensteten darum gestritten hatte, die dachte, es sei ihre Aufgabe, als Damian hereinkam. Er wirkte müde und sichtlich mitgenommen. „Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte ich ihn besorgt. Er ließ sich auf mein Bett fallen und machte meine Arbeit damit zunichte. „Es ist nicht einfach herauszufinden, wo er sich aufhält.“

„Sich, wer aufhält?“, fragte ich und schmiss die fertige, frisch bezogene Decke eingeschnappt auf ihn. „John Lane. Der Anführer der rebellierenden Vampire.“ Er rieb sich die Augen und erinnerte mich an ein müdes, schläfriges Kind, bevor er die Decke beiseiteschob. „Wer ist dieser John eigentlich?“ Ich wollte wissen, wie der Mensch beziehungsweise Vampir war, der meine Mutter ermordet und dieses Blutbad angerichtet hatte. Dieser John war bestimmt genauso ein Psychopath, wie Frau Báthory. „Er ist genau wie ich, ein Reinblüter.“ Mein Unterkiefer klappte auf. „Was hast du denn erwartet? Das die Mischblüter sich einem anderen unterwerfen und die Befehle eines Reinblüters einfach so missachten?“, fragte er und lachte dabei. „Aber ... das kann doch nicht sein! Wusste meine Mutter von ihm?“ Schockiert setzte ich mich zu ihm aufs Bett. „Nein, wohl niemand außer ich und ein paar Weiteren noch Lebenden.“ Ich verstand es nicht. Hatte das Ministerium wirklich so wenig Ahnung von der Vampirwelt? Bis jetzt haben wir uns immer für allwissend gehalten. Haben uns wie ein zweiter Gott gefühlt und über die Vampire bestimmt. Aber wahrscheinlich war das immer nur eine Wunschvorstellung des Ministeriums - nein der Menschheit, gewesen. „Wie konnte seine Existenz geheim bleiben?“ Damian wich meinem Blick aus und mittlerweile wusste ich, was dies bedeutete. „Was hast du damit zu tun?“, fragte ich ihn kritisch. „Es ist eine lange Geschichte.“

„Und ich habe Zeit, viel zu viel Zeit.“ Er zog seine Schuhe aus und legte sich, mit dem Gesicht zur Decke gewand erneut auf mein Bett. „Na schön. John und ich waren mal so etwas wie Brüder. Die Lane’ und die Báthory’ waren seit jeher miteinander befreundet. Somit sind wir quasi zusammen aufgewachsen. Und da wir so lange leben, heißt Freundschaft für uns viel mehr, als für euch Menschen. Sein Vater war wie mein Zweiter genau, wie seine Mutter und umgekehrt. Wir waren gleich alt und trotzdem, war ich schon immer derjenige gewesen, der das Sagen gehabt hatte. Ich hatte das Gefühl, dass er zu mir aufsah, wie ein kleinerer Bruder.“ Seine Augen fixierten die Decke und ich war mir sicher, dass er sich gerade alles bildlich vorstellte. Das er an die Zeiten früher dachte, als wäre es erst gestern passiert. Wie oft war ich ebenfalls so tief in Gedanken versunken. In Gedanken an früher, wo sie alle noch lebten ... „Was ist dann passiert?“, fragte ich ihn interessiert und wollte damit diese düsteren Gedanken vertreiben, die sich erneut in meinen Kopf schlichen. Ich brauchte diese Ablenkung. Ablenkung von ihr, von diesen Bildern, diesen schrecklichen Gedanken.

Ich hatte zum ersten Mal die Chance, etwas über Damian zu erfahren. Ich wollte, dass er kein Fremder für mich blieb. „Weißt du, ich hätte ihm niemals zugetraut, dass er sich gegen mich stellen würde. Während ich mit 14 bereits den ersten Menschen ausgesaugt hatte, hatte er nicht einmal seine Zähne entwickelt. Während ich mit 16 bereits die Kraft meiner Augen einsetzen konnte, zog er es lieber vor, Bücher zu studieren und Tee zu trinken. Er war ein kluger Bursche während ich eher der praktisch veranlagte von uns beiden war. Während er behutsam an die Sachen ranging, ging ich mit dem Kopf voran. Während er jede Schmetterlingsart im Garten kannte, wusste ich, wie man einen Menschen köpfen konnte. Eine Diskussion mit ihm war aussichtslos. Er entwickelte sich schnell zu einem sehr redegewandten Mann. Wir ergänzten uns einfach ziemlich gut.“ Ich schaute ihn skeptisch an. „Klingt eigentlich sehr sympathisch“, stellte ich fest, was ich sofort wieder bereute, als Damian meinen Arm ergriff und mich so abrupt und brutal zu sich zog, dass sich um mich herum alles drehte, als ich mehr als unsanft auf seinem Oberkörper landete. „Sag das nie wieder!“ Seine Stimme klang gereizt und resolut. „Was ist denn los?“, fragte ich ihn wohl ebenso wütend, während er mich fester an sich zog. „Ich würde es ja noch akzeptieren können, wenn du dich mir abwendest, aber ich würde dir niemals vergeben, wenn du mich wegen ihm verlassen würdest.“ Jetzt verstand ich, warum er so aufgebracht war. Da John ein Reinblüter war, hatte auch er das Recht, mich in Anspruch zu nehmen. Meine Gedanken klangen komisch. Ich war ein Mensch! Gab ich mich so schnell meiner Rolle als Blood-Lady hin? Bei Damian war Angst, einfach viel zu nahe mit Brutalität verbunden. Das merkte ich nun erneut. „Meine Mutter betrog meinen Vater und das ausgerechnet mit dem von John. Daraufhin brachte mein Vater den seinen um. Du musst wissen, es war erlaubt, wenn gleich auch nicht gern gesehen, wenn der Meister mit seiner Blood-Lady intim wurde, aber niemals! Niemals durfte man die Frau, eines anderen Reinblüters anfassen!“

„Wieso durfte man die Blood-Lady dann nicht auch heiraten?“, fragte ich ihn aber die Antwort lag mir bereits auf der Zunge. „Sie war immer noch ein Mensch und würde unsere Reinblütigkeit vernichten. Man hätte mit ihr keine Kinder zeugen können. Die Blood-Lady war einzig und allein als Mätresse da. Als die zweite Geliebte, die ihr Blut ihrem Meister gab und ihm zu gehorchen hatte, solange sie lebte“, erklärte er mir. Bloß gut, dass wir nicht mehr in diesem Jahrhundert lebten! „Seine Mutter beging daraufhin Selbstmord und John wurde zu einem Vollwaisen. Er wollte untertauchen, und da meine Mutter sich an dem Ganzen schuldig fühlte, ließ sie veranlassen, dass seine Reinblütigkeit ein Geheimnis blieb. Als er in die Welt ging, war er gerade mal 20, nicht mal Erwachsen. Bei uns Vampiren gilt man erst mit 25 als Erwachsen, wie du sicherlich weißt, und kann sein Elternhaus normalerweise auch erst dann verlassen.“ Kein Wunder, bei den Ganzen Dingen, die sie tun konnten, wie etwa mit einem einzigen Blick zig Leute umzubringen. Da bedarf es schon einer längeren Erziehung. „Jedenfalls hatten wir, also alle Vampire, die damals lebten, seine Existenz verleugnet und er konnte als Mensch untertauchen. Seine Eltern … sie hatten schon früh bei ihm bedenken gehegt, da er seine Zähne erst so spät entwickelte und er selbst, kein Interesse an Blut zeigte. Da er viel zu … Gutherzig war, sodass es meine Mutter und mich nicht wunderte, dass er als gewöhnlicher Mensch weiterleben wollte. Auch wenn es für mich unverständlich ist, warum man seine Reinblütigkeit unterdrücken will? Zumal er sowieso nie wirklich als Mensch leben konnte, da er Blut brauchte. Ich frage mich wirklich, wie und wo er all die Jahre gelebt hatte. Älter wurde er ja schließlich auch nicht.“ Damian war eben stolz wer und was er war, dass merkte man ihm an. Das die anderen Vampire nicht mehr stolz auf ihre Andersartigkeit waren und sich stattdessen unter die gewöhnlichen Menschen mischten und einfach grundlegend anders darüber dachten als er, war für ihn wohl mehr als unverständlich. „Was meinst du eigentlich mit Zähne entwickeln?“, fragte ich wissbegierig. „Nun ja so, wie ihr Frauen eure Periode irgendwann bekommt, so bekommen wir eben plötzlich wahnsinnige Lust auf Blut und …“, er unterbrach sich, als ich in lautes Gelächter ausbrach. Das erste Mal seit Langem und meine Mundwinkel schmerzten dabei. „Tut mir leid, erzähl weiter“, sagte ich und zwang mich dazu, mich wieder zusammenzureißen. Was war das Bitteschön für ein Vergleich? „Entschuldige dich nicht, es beruhigt mich, dich wieder lachen zu sehen.“ Das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben breitete sich in mir aus und jegliche Euphorie verschwand. Wie konnte ich Lachen, wo Nicki gerade am Boden zerstört war, meine Mutter nicht mehr lebte und viele andere Menschen ebenfalls trauerten? Das Ganze war gerade mal 24 Stunden her! War ich bereits so abgebrüht? „Jedenfalls, bekommen wir dann zum ersten Mal Lust auf Blut und in diesem Moment, wo es uns übermannt zeigen sich unsere Zähne und wir wissen, dass wir diese Person oder Ihr Blut wollen, sofort. Zum aller ersten Mal. In der ersten Zeit ist dieses Gefühl noch berauschend, fast wie eine Droge. Sobald dir etwas entgegenkommt, dessen Adern zu pulsieren scheinen, kannst du dich als Reinblüter einfach nicht mehr zusammenreißen. Heute in meinem Alter, sind meine Zähne und mein Durst, dass geringste Problem. Mit 14 traf ich das erste Mädchen, welche in mir diesen Durst weckte. Sie hieß glaube ich Victoria. Bei John jedoch trat dies in den ganzen 20 Jahren nicht auf, soweit ich weiß.“ Es war merkwürdig, dass er sich nach all den Jahren an ihren Namen erinnerte. „Es ist dann ja fast so, als wäre sie deine erste große Liebe", warf ich nachdenklich ein. „Amy, eine Blood-Lady ist nicht zum Lieben da“, ermahnte er mich. „Der Blutdurst hat rein gar nichts mit der Person zu tun, sondern mit dessen Blut. Es ist eher wie das erste Mal, wenn du unbedingt einen Vergleich ziehen willst. Jedenfalls, was John die Jahre über getrieben hat, weiß ich nicht.“ Er schien das Thema nicht weiter vertiefen zu wollen. Vielleicht merkte man sich die Person, mit dem man das berühmte erste Mal geteilt hatte, ja auch sein Leben lang. So wie es eben bei einigen von uns der Fall war. „Was ist das eigentlich mit euren Augen? Könnt ihr nur Vampire damit töten oder auch Menschen?“ Diese Frage beschäftigte mich schon länger und endlich konnte ich ihn danach fragen. „Nur Vampire. Diese Fähigkeit wurde uns vom Teufel selbst geschenkt.“ Wer es glaubt. „Deshalb können wir auch nur diejenigen töten, die von ihm abstammen. Ich dachte immer, dass John um die Welt reist, sich jegliche Sprachen aneignete und sich nun eine Menschenfrau genommen hatte, mit der er glücklich seine letzten Jahre in denen er altern und sterben würde, verbringen wollte. Fern, von der Welt der Nacht, des Blutes. Warum also gerade jetzt? Am Ende seines Lebens?“ Ich fragte mich, was John so verändert haben musste. So wie Damian ihn beschrieb, konnte ich kaum glauben, dass er so etwas tun würde. Das er so kaltherzig, all diese Menschen ermorden ließ und dabei wohl auch selbst Hand anlegte. „Vor ein paar Jahren tauchte er urplötzlich wieder bei mir auf und … die Sache eskalierte.“