Blood-Lady

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Z serii: Blood-Lady #2
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Blood-Lady
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Mandy Hopka

Blood-Lady

Habsucht

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

Zweite Verzweiflung

Zweite Lüge

Zweite Trauer

Zweite Wut

Zweite Welle

Zweiter Durst

Zweiter Hass

Zweites Geständnis

Zweite Verwirrung

Zweite Schmerzen

Zweiter Verlust

Zweites Ende

Epilog

Das Warten versüßen?

Impressum neobooks

Prolog

Die Welt erschien tiefschwarz.

Der Himmel war grau. Dicke Wolken verdeckten die Sonne, die meine Stimmung zumindest ein wenig hätte bessern können. Ihre Augen, bevor Sie gestorben war ... Keine Angst, kein Mitleid. Es schien fast so, als wäre Sie froh darüber gewesen - wie eine Erlösung, dass ich sie umgebracht hatte. „Rafael, würdest du bitte unsere Leute zusammenrufen“, bat ich ihn ausgelaugt und müde. Ich hatte die fast 5 Stunden andauernde Autofahrt kein Auge zubekommen und selbst davor, hatte ich nicht schlafen können. Man müsste meinen, für einen Vampir sei es normal nachts nicht zu schlafen, aber nicht, wenn man über 48 Stunden keine einzige Minute an Schlaf bekommen hatte. Rafael - mein bester Freund und treuster Mitstreiter, blickte mich besorgt an. „Mach ich, aber willst du dich nicht erst einmal hinlegen John? Du hast sicher eine ereignisreiche Nacht hinter dir. Ich möchte wirklich nicht wissen, wie es dort zugegangen ist. Wenn mein Arm nicht … ich hätte dich wirklich gern unterstützt.“ Er machte sich wie immer viel zu viele Sorgen um mich und bereits die Tage zuvor, hatte er mir immer wieder gesagt, wie sehr er es hasste, sich den Arm gerade jetzt gebrochen zu haben, sodass er mir bei so einer wichtigen Sache, nicht zur Seite stehen konnte. „Es geht mir gut Rafael, wirklich. Ich werde mich danach ausruhen. Versprochen“, beschwichtigte ich ihn und hing meine Jacke, die noch immer nass vom Regen war, an Ihren Platz. Mit einem unverständlichen Blick wand er sich von mir ab und führte seinen Befehl aus, indem er in einer der vielen Türen dieses Anwesens verschwand. Ich selbst stieg die Treppe nach oben in mein Zimmer, um mir etwas Trockenes aber vor allem Sauberes, anzuziehen. Noch immer klebte das Blut vieler Menschen an meinen Klamotten und das, widerte mich an. Ich existierte zwar vom Blut der Menschen, aber nicht von diesem. Sie alle hätten nicht sterben müssen, wenn sie nicht so töricht mit dem Leben anderer spielen würden. Das Leid musste endlich ein Ende haben.

Ich zog mir schnell ein neues Hemd aus dem Schrank, gepaart mit einer neuen Jeans und stiefelte wenig später zurück in die untere Etage, in der sich neben der Küche und dem Aufenthaltsraum, auch mein Versammlungszimmer befand. Nicht alle meine Leute waren anwesend, aber immerhin die wichtigsten. Das Gute an einem Unterschlupf war, dass viele hier herkamen, um sich auszuruhen und zu entspannen. Genau hier, in dieser Burgen-, Wald- und Berglandschaft fühlten wir uns frei. Frei von dem Käfig der Menschen, in den sie uns steckten. Ich hatte einen Ort geschaffen, an dem wir Vampire sein konnten, wie wir waren. Fern vom Ministerium, mit seinen Dutzenden Regeln und Spionen, die uns keinen Tag ruhen ließen und durch die wir uns fühlten, wie ein Vogel im Käfig. Aber vor allem fern von diesem arroganten Mistkerl, der dachte, diese Welt gehöre ihm allein. Der dachte, dass er etwas Besseres sei, nur weil sein Blut keinen einzigen Tropfen Mensch enthielt. Die Welt hatte sich verändert, warum verstand er dies nicht? Warum begriff er nicht, dass die Reinblütigkeit schon lange nicht mehr existierte? Das sich unsere Rasse veränderte? Könnte ich ihm doch nur etwas nehmen, was für ihn mehr Bedeutung hatte, als sein Leben selbst. Aber wahrscheinlich war und würde das immer nur er selbst sein. „Leute“, begann ich und setzte mich an meinen Platz. Gut, meine Vertreter der anderen Bundesländer, waren bereits angekommen und saßen auf ihren Stühlen, wo sie mich gespannt anstarrten, als ich den Raum betrat. Als ich ihnen meine Pläne mitgeteilt hatte, hatten sie mir nicht nur Ihre Unterstützung zugesagt, sondern waren auch noch selbst hierher gereist. So etwas nannte ich Zusammenhalt. „Die Vampirwelt spricht über uns, über Sie. Wie ist es denn nun genau gelaufen? Wir hoffen doch, dass unsere Leute ihnen etwas gebracht haben? Wir hätten Ihnen gern noch mehr zu Verfügung stellen können. Sie alle wären gestern gern dabei gewesen“, fiel mir Paul sofort ins Wort. Er war Vertreter von Bremen und einer meiner jüngsten Mitstreiter. Damit war er noch ziemlich grün hinter den Ohren. Ein guter Kämpfer, aber kein guter Stratege. „Die anderen und ich haben das erreicht, was wir wollten. Ich hatte nicht vor, gleich meine gesamte Streitmacht zu demonstrieren. Es reicht, wenn sie denken, dass dies alle meine Leute waren. Der Schreck sitzt tief, dass genügt mir im Augenblick. Trotzdem danke.“ Ich nickte ihm dankend zu und er schien meine Denkweise nachvollziehen zu können. Manchmal war selbst für mich der Tatendrang meiner Leute zu impulsiv. Es war schwer, alle meine Leute im Zaun zu halten. Man braucht immer eine gewisse Taktik im Krieg und das, verstanden leider nicht alle. Wir waren viele, aber man durfte Damian nicht unterschätzen. Er war immer noch ein Reinblüter und gewiss nicht dumm. „Ich dachte wir besprechen nun, wann wir unsere erste, offizielle Aktion starten und wie diese aussehen soll.“ Meine Vorhänge waren zugezogen und Kerzen, sowie eine kleine Lampe erhellten nur spärlich den Raum. Da die Sonne ja bedeckt war, hätte man sich das auch sparen können. Dadurch wurde meine Müdigkeit nun immer schlimmer, in diesem schummrigen Licht und der Wärme, die ihm Raum lag. Ich hoffte, dass der Wetterumschwung, die heiße Sommerluft ein wenig abkühlen konnte. Peter erhob sich, und gerade als er etwas erwidern wollte, ging die Tür auf und alle wussten sofort, wer Sie war. „Annabell?“, fragte ich verwundert und schaute genauer hin, um sicherzugehen, dass es keine Fata Morgana war. „Was willst du hier? Wie hast du mein Anwesen gefunden? Weiß er davon? Und ...“

„Stopp mal bitte!“, unterbrach Sie mich und schüttelte anmutig den Kopf. Das konnte nicht sein! Wusste er etwa, wo wir waren? Hatte er Siegeschickt, um uns zu warnen? Nein, dass war zu unlogisch für ihn. „Er weiß nicht, dass ich hier bin und er weiß auch nichts von deinem Unterschlupf, keine Sorge“, erklärte Sie und trat zu mir heran. Annabell war eine seltsame Frau geworden. Sie wusste, über Ihr besonderes Blut Bescheid und das die Mischblüter hier im Raum Sie bis aufs letzte aussaugen konnten - mal abgesehen davon, dass ich dies nicht zulassen würde, aber dennoch, schritt Sie vorwärts wie eine Balletttänzerin. Anmutig, mit einem Hauch von Arroganz. Selbstsicher und sich Ihrer Stellung sichtlich bewusst. Ohne Angst, vollkommen entspannt. „Was willst du dann hier?“, fragte ich Sie verwundert aber vor allem misstrauisch. „Ich habe mich von Damianos abgewandt. Von nun an bin ich eine freie Lady. Ich bin hier, um dich zu bitten, mich in deine Reihen aufzunehmen und mir Schutz zu gewähren, John Lane.“ Sie legte eine Hand auf meine Schulter. Ihre Fingernägel erschienen mir überdimensional lang und viel zu spitz. Fast wie die krallen einer Katze. „Du weißt, dass mein Blut besonders ist und ausgezeichnet, selbst für eine Blood-Lady. Nicht umsonst hätte Damian mich so sehr von dir ferngehalten, immerhin bin ich nicht die einzige Lady in diesem Jahrhundert", fuhr sie unbeirrt fort. Das letzte Mal, als wir uns getroffen hatten, war vor 10 Jahren gewesen. Damals hatte ich Sie auf seinem Grundstück gesehen, als ich ihm einen unangekündigten Besuch abstattete. Annabell und ich wechselten damals nur ein paar Worte miteinander. Sie war ja auch noch ein Kind gewesen, vollkommen uninteressant und vor allem auch unverständlich für mich, dass ein Kind auf seinem Anwesen herumsprang. Aber als Sie dann mit Ihrer kleinen Puppe und Ihrem rosa Kleid an mir vorbei tänzelte, wusste ich sofort, dass Sie eine Blood-Lady war und Damianos Sie sich reservierte, da Elvira ihm wohl zu langweilig geworden war. Bis dato hatte ich keine Ahnung von Ihrer Existenz gehabt. Ja, er hatte Sie vor mir versteckt. „Ich wäre bereit, dir im Gegenzug, was von meinem scheinbar so kostbaren Blut abzugeben. Gerade jetzt ist das für dich sicher von Vorteil.“ Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Die Vorstellung, dass er Sie bereits mehrmals angesabbert hatte, widerte mich an, aber Ihr Blut war eindeutig eines der besten, dass konnte ich auf dieser kurze Distanz wahrnehmen. Wie er wohl dreinschauen würde, wenn ich ihm unter die Nase reiben könnte, dass Sie jetzt zu mir gehörte? Ich brauchte Blut, je besser es war, desto stärker war auch ich und ein Kampf gegen Damianos würde mich mehr Kraft kosten, als ich im Augenblick besaß. „Hast du nicht mal zu einem meiner Kollegen gesagt, du würdest ihn lieben? Ihn lieben und dich mir nicht anschließen wollen?“, fragte ich argwöhnisch. Wie lange war es her, dass ich jemanden geschickt hatte, um Sie auf unsere Seite zu ziehen? Zwei Jahre? Vielleicht auch drei? Er hatte Sie bereits seit Kindertagen an erzogen und auf sich abgerichtet. Die Liebe konnte jemanden verrückt machen und ich glaubte zu wissen, dass Sie alles für ihn tun würde - sogar sich als Spion dem Feind anzuschließen. Doch Ihr Blick verfinsterte sich. Wie konnte man nur so schöne, leuchtend grüne Augen besitzen aber eine Aura haben, wie eine hinterhältige Hexe? „Leider gehört sein Herz nun jemand anderes. Ich will ihn am Boden sehen, einfach nur vernichten! Ich will das er denselben Schmerz verspürt, wie ich.“ Sie sprach mit so viel Abscheu und Ernsthaftigkeit, dass ich mich abrupt aufrichtete. Er musste Sie wohl sehr tief getroffen haben, dass Sie ihn nun so sehr hasste. Aber wohl bei keiner anderen Sache als der Liebe, lagen Hass und Glück so eng beieinander.

 

Aber das war es nicht, was mein Herz plötzlich schneller schlagen ließ, meine Hoffnung aufs Neue schürte und mir meine Müdigkeit nahm. „Wie bitte? Sag mir nicht, dieser Idiot hat sich verliebt?“ Ich konnte es nicht glauben! Endlich tat sich mir eine Chance auf! Die Chance, ihm dort zu treffen, wo er am verwundbarsten war. Ihm sein dreckiges Grinsen aus dem Gesicht zu reißen. Ich wollte ihn am Boden sehen - genau wie Sie, und nun war es endlich so weit! Diese Frau musste bei Weitem besonders sein, wenn Sie sein kaltes Herz erwärmen konnte. „Wir wollen doch dasselbe John, oder nicht? Ich kann dir helfen“, sagte Sie sicher und erwiderte jeden meiner skeptischen Blicke. Ihre Augen bestätigten Ihre Gedanken. „Ich glaube wir kommen ins Geschäft meine Liebe“, sagte ich intrigant.

Meine Zeit würde bald kommen und die Seine, neigte sich dem Ende entgegen.

Zweite Verzweiflung

Mein Herz bebte. Was konnte nur passiert sein? Der Regen durchnässte sofort meine Sachen und meine nassen Haare klebten in meinem Nacken, als ich die Autotür wieder zuschlug und zum Eingang des Ministeriums rannte. Drei Krankenwagen versperrten mir die Sicht und viele aufgewühlte Menschen liefen panisch umher. Schon bereits der Eingang ließ mir mein Blut in den Adern gefrieren.

Blut.

Blut auf dem Boden, an den Wänden, den Sesseln, der Türen, dem Fahrstuhl … einfach überall. Der Gestank im inneren war fast unerträglich.

Leichen.

Überall.

Am Empfang, bei den Sesseln. Tote Fighter. Tote Menschen.

Wer hatte das getan? Wer würde so etwas Schreckliches nur tun?

„Was zum ...“ Ich atmete schwer und meine Beine fühlten sich taub an. Ich unterdrückte meine Übelkeit. Was war mit meiner Mutter? Diese Frage ließ mich erstarren. War sie um diese Uhrzeit noch hier gewesen? „Amy? Amy, hey geht es dir gut?“ Marvin rüttelte mich aus meiner Starre. „Meine … Mutter“, stammelte ich und rannte zum Fahrstuhl, wo ich panisch auf dessen Knopf hämmerte. Ich ignorierte Martin - unseren Techniker, dessen letzte Worte zu mir gewesen waren, dass ich meine Haare öfters offen tragen sollte. Nun war er tot. Aus seiner Kehle tropfte das letzte bisschen Blut, welches er noch in sich trug. Er lag nur wenige Zentimeter von meinen Füßen entfernt aber gebannt starrte ich auf den Knopf. Ich wollte ihn mir nicht genauer ansehen. „Amy, warte mal.“ Marvin ergriff mich am Arm. „Lass mich los!“, schrie ich und seine Brille, die bereits zersprungen war, rutschte ein Stück nach vorn. Doch es schien ihn nicht zu stören. Stadtessen folgte er mir, als ich wie in Trance den Fahrstuhl betrat. Ich wollte ihn nicht fragen, was hier geschehen war, geschweige denn überhaupt mit jemandem reden. Im Augenblick gab es für mich nur eines, was wichtig war: Meine Mutter! Ich verspürte noch nicht einmal Freude, dass Marvin wenigstens noch lebte. Ich spürte nur diese innere Kälte, die sich in mir ausbreitete, je näher ich der Gewissheit kam.

Ihr konnte einfach nichts passiert sein! Warum sollte Sie auch um so eine Uhrzeit im Ministerium gewesen sein?

Meine letzten Worte, die ich zu ihr gesagt hatte, meine letzten Gedanken an Sie durchzogen mich wie ein Gewitter. Gib es zu, du hast versagt, was deine Familie angeht. Aber dafür sitzt du jetzt hier oben. … Wozu? In der Zeit, wo ich Sie am meisten gebraucht hätte, war Sie nie für mich da gewesen. Das Einzige was Sie interessierte, war Macht und Erfolg. Ich brauche Sie nicht mehr … „Das stimmte nicht!“, wisperte ich leise und starrte auf die Knöpfe im Inneren des Fahrstuhles. Selbst an denen klebte das Blut eines Menschen. … Jetzt warte doch mal, Amy! Lass uns reden ... Das hatte Sie mir hinterher gerufen, doch ich war zu stur gewesen. … Auch ich habe Fehler gemacht, schwerwiegende Fehler. Aber all das tat ich nur, um nicht nur uns, sondern auch unsere Freunde zu beschützen. Mann kann nicht immer nur an sein Eigenes wohl denken ... Was hatte ich getan? … Du weißt, dass Sie dich liebt, Sie ist deine Mutter und das wird Sie ihr Leben lang bleiben ...

„Was stimmte nicht, Amy?“ Ich nahm seine Worte kaum wahr. Ich fühlte mich wie in einem Albtraum. Ich hatte Sie dafür gehasst, dass Sie mich im Stich gelassen hatte, aber war Sie doch das einzige, mir noch verbleibende Stück Familie, was ich besaß. Gerade in der letzten Zeit waren wir auf einem guten Weg gewesen, dass ich ihr bestimmt bald verziehen hätte. Die Tür schwang auf und ein paar Fighter standen im Büro meiner Mutter. Sie waren es, die die Arbeit der Polizei übernahmen, die natürlich nicht eingeweiht werden konnte. Doch alles schien nun so unwichtig. Selbst als Sie damals allein, mit dem Tod ihres Mannes und ihres Kindes klarkommen wollte und mich mit allem allein gelassen hatte, mit all diesen Gedanken, der Einsamkeit, dieser tiefen Trauer. Alles schien nun so verdammt unwichtig! Ich schob die Menschen beiseite, die mir die Sicht versperrten.

Hände, die mich packten. Arme, die sich um meine Taille schlangen. Stimmen, die meinen Namen sprachen, um mich davon abzuhalten, zu ihr zu laufen. Dennoch entriss ich mich diesen. Die Umgebung verschwamm immer mehr. Alles, was ich sah, war meine Mutter auf ihrem Stuhl, die Augen weit aufgerissen. Aus ihrem Hals tropfte Blut aus einer Wunde, die nur ein Vampir dort hinterlassen haben konnte. Gestorben war sie dann allerdings an einer Stichwunde mitten in ihr Herz, wo ihr Oberteil bereits blutdurchtränkt war.

In das Herz meiner Mutter, was nie wieder schlagen würde.

Ich ging zu ihr und nahm ihre Hand, bat sie vergebens die Augen zu öffnen. Ihr Blut haftete an meinen Händen, was mich nur noch mehr dazu brachte zu schreien. Um mich zu schlagen, bittere Tränen zu vergießen und mich übergeben zu wollen. Ich verlor komplett die Fassung.

Das alles durfte nicht wahr sein …

Das konnte nicht sein! Man konnte sie mir nicht auch noch genommen haben. So viel Unglück verdiente doch niemand! „Ich liebe dich doch“, wisperte ich und holte notgedrungen Luft, als ich zu ersticken drohte. „Amy ...“ Marvin wusste wohl auch nicht, was er tun oder sagen sollte und stand einfach nur hinter mir. Sprachlos und stumm, wie all die anderen im Raum, die mich beobachteten. Ich hob meine andere Hand zu ihrem Gesicht und schloss mit meinen Fingern ihre Augen, die so leer und trübe wirkten, als wäre ihre Seele längst woanders. Tränen rannen meine Wange entlang. Tränen für sie, die Mutter niemals sehen würde. „Es tut mir so leid“, sagte Marvin mit leiser Stimme. Ich schaute ihn an und wand meine Blicke von meiner toten Mutter ab. Ich entdeckte noch mehr Blut an den Wänden und rieb mir die Augen, um die Tränen los zu werden, die mir die Sicht erschwerten. „Die Zeit beginnt … Die BloodRebellion wird kommen?“, stand - wohl mit dem Blut meiner Mutter, an der Wand. Was hatte das zu bedeuten? Hatten sich Damian’ Feinde nun tatsächlich auch gegen uns gestellt? Kam nun ihr Hass zum Vorschein, der sich über all die Jahre der Herrschaft des Ministeriums angestaut hatte? „Wieso … Wieso habt ihr nichts getan verdammt!“, schrie ich in meiner Verzweiflung zu den Menschen, die mich mitleidig ansahen. „Amy, sie haben uns überfallen und wahrscheinlich alles haargenau geplant. Wir wurden überrascht und hatten überhaupt keine Chance“, erklärte Marvin behutsam. Von den anderen Fightern, getraute sich wohl keiner mehr etwas zusagen. „Keine Chance? Wir sind das Ministerium! Wir müssen doch vor so etwas gewappnet gewesen sein! Das so etwas Mal passieren würde, war doch klar!“, sagte ich nach Worten ringend. „Gerade jetzt, wo meine Mutter bereits angekündigt hatte, dass sich unter den Vampiren was zusammenbraut!“ Ich wischte mir erneut die Tränen aus meinem Gesicht, bis ich bemerkte, dass das Blut meiner Mutter noch immer an meinen Händen klebte und sich wohl nun auch in meinem Gesicht befand. Schockiert wich ich von ihr und stürzte dabei fast über den anderen Stuhl. „Nein“, wimmerte ich und schluckte, um mich nicht übergeben zu müssen. Marvin wollte mich in die Arme nehmen. „Lass mich!“, entgegnete ich stattdessen und entriss mich ihm erneut. Ich konnte hier nicht länger bleiben und Sie anstarren. Darauf hoffend, dass Sie ihre Augen aufschlagen und nach Luft schnappen würde. Das dieses Blut einfach nicht das ihre war. Das ich mich bei ihr entschuldigen konnte, wir Zeit hatten. Zeit, um zu reden, zu lachen. Zeit, die ich verspielt hatte und das nur, weil ich zu stur gewesen war, ihr zu vergeben. „Ich verstehe es nicht. Das hätte man doch verhindern können!" War sich das Ministerium wirklich so sicher gewesen, dass es die Vampire so unter Kontrolle hatte? Dass Sie niemals einen Anschlag planen würden und sich damit getrauten, sich gegen uns zu stellen? Hatten wir einfach zu viel Vertrauen in unsere Macht gehabt?

„Damian! Er musste davon gewusst haben! Hätte er meine Mutter nicht für seine Zwecke benutzt, dann hätte Sie schon viel früher reagiert und dann wäre das alles hier nicht passiert!“ Zielgerichtet durchquerte ich den Raum und verschwand wieder im Fahrstuhl. „Amy, bitte warte doch.“ Marvin quetschte sich durch die Tür, die hinter ihm zusprang. „Du kannst doch jetzt nicht einfach bei ihm reinplatzen, er ist immer noch ein Reinblüter! Und überhaupt, wie kommst du darauf, dass er etwas damit zu tun hat! Die BloodRebellion ist das Ergebnis aus der Gruppe, die sich gegen uns und ihn gestellt haben, oder nicht?“ Ich hörte ihm nicht zu, für mich war es klar. Eben da er ein Reinblüter war, der alles wusste und der mit seinen komischen Augen vielleicht alles töten konnte, was ihm in die Quere kam, hätte er dies zumindest verhindern können! Wenn er meine Mutter nicht überredet hätte, noch ein paar Wochen zu warten, wäre Sie jetzt nicht tot. „Amy! Jetzt … verdammt noch mal!“ Er riss mich an meinem Arm zu ihm herum und ich schaute ihm in seine Augen. Sie waren glasig und er wirkte verzweifelt. So verzweifelt, wie ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte. „Sie ist tot! Und er ist der Falsche, an dem du Rache üben willst! Er ist gefährlich!“ Seine Worte fühlten sich wie ein eiskaltes Messer an, welches er mir in mein Herz rammte und das daraufhin reglos in meiner Brust verharrte.

Sie ist tot.

Nein! Niemals! „Du unterschätzt mich!“, entgegnete ich aufgebracht und entriss mich abermals seinem Griff.

Im Eingang trafen wir auf Nicki, die von ein paar Rettungssanitätern beruhigt wurde. „Nein, das kann nicht sein! Das ist eine Verwechslung ganz sicher“, konnte ich Sie vor Verzweiflung schreien hören. Unsere Augen trafen sich und Sie rannte zu mir hinüber. „Amy, sag ihnen, dass Tom noch da oben ist und mithilft! Er kann nicht tot sein!“ Sie schrie so verzweifelt, dass ich Sie einfach ignorierte. „AMY!“, rief Sie mir panisch nach, bevor ihre Stimme versagte und Sie zu Boden ging. Ich schloss die Augen, als ich die letzten Meter zur Eingangstür ging. Ich konnte mich unmöglich auch noch ihrer Trauer annehmen.

Was geschah hier gerade? Das war ein einziger Albtraum und ich würde sicherlich jeden Moment aufwachen!

Mittlerweile waren viele Mitarbeiter Vorort. Viele vergossen bittere Tränen, schlugen und traten um sich. Kämpften mit den Leuten, die sie beruhigen wollten. Sie konnten wahrscheinlich genau wie ich nicht wahr haben, dass der Mensch den sie liebten, tot war. Überall liefen aufgewühlte und panische Menschen und Rettungskräfte umher.

Ich ging zu meinem Auto und Marvin passte mich ab. Er öffnete die Fahrertür und setzte sich ans Steuer. „Was soll das!“, schrie ich ihn an. „Steig aus!“

 

„Du kannst in deinem Zustand nicht fahren! Wenn ich dich schon nicht von diesem Irrsinn abhalten kann, dann werde ich dich zumindest sicher dort hinbringen!“ Ich wäre verwundert gewesen, über seine plötzlich dominante Haltung, war er doch sonst immer recht unentschlossen und kleinlaut. Aber im Augenblick hatte ich andere Sorgen. So gab ich nach und lotste ihn zu Damian’ Grundstück. Mir war es egal, solange ich endlich eine Erklärung, einen Schuldigen für das alles bekam. Auch wenn mir bewusst war, dass es mir meine Mutter und die Zeit, die wir miteinander haben könnten, nicht zurückgeben würde.

***

Die Wolken verzogen sich langsam und auch der Regen schien sich zu beruhigen. Es war bereits so spät in der Nacht, dass es sich schon fast nicht mehr lohnte zu schlafen. Das Gefühl, etwas verloren zuhaben verschwand einfach nicht mehr. Es machte mich rasend. Wütend, auf mich selbst. „Hatte ich mich so sehr verändert?“, oder hatte ich mich ändern wollen? Hatte ich damals versucht, mein Leben neu zu ordnen, nachdem Amy in mein Leben getreten war? Hatte ich etwa Hoffnungen gehabt? Aber wenn, dann was erhoffte ich mir aus ihr oder uns? Wieso bedeutete sie mir überhaupt so viel? Was war es, dass mich seit unserem ersten Aufeinandertreffen so an Sie band, dass ich keinen einzigen klaren Gedanken mehr fassen konnte, seitdem ich Sie versuchte, aus meinem Leben zu verbannen? Diese Fragen, die ich mir schon immer stellte, nachdem ich Sie getroffen hatte und von denen ich wusste, dass auch Sie sich diese stellte, nahmen einfach kein Ende. Ich schaute in den Raum zurück. Vielleicht hatte ich damals ja wirklich überreagiert aber ich konnte nicht anders. Annabell hatte meine Befehle missachtet und noch dazu versucht, mir Sie zu nehmen. Sie. Die erste Person, die ich in meinem Leben liebte. Von der ich wollte, dass Sie ihr Leben lang an meiner Seite blieb. Sie zu verlieren war das Letzte, was ich gewollt hatte und nun hatte ich es mir selbst zuzuschreiben. Aber ich war nun mal ein Reinblüter und ich durfte meine Autorität nicht verlieren. Auf gar keinen Fall! Nicht einmal für Sie würde ich mich so ändern, mich und das, was ich war, so verleugnen. Blut stieg in meine Nase, gefolgt von Schritten und Stimmen. Der bittere Geruch von altem Blut mischte sich mit dem pulsierenden und flüssigen Blut jener Person, nach der ich mich so verzehrte. Schneller als angenommen sah ich Sie wieder - jedoch nicht so, wie ich es mir gewünscht hatte. Die Tür wurde aufgerissen und ich glitt verwundert von meiner Fensterbank herunter. Ihr Anblick zerriss mein Herz in tausend Stücke. Tränen unterlaufene Augen, rote Wangen, voller widerlich, altem Blut. Ihr Ausdruck kummervoll, verzweifelt aber vor allem wütend. „Von wem ist das ganze Blut?“, fragte ich durcheinander und ging ihr entgegen, bis Sie überraschend versuchte mich zu schlagen. Ihre Hände waren so blutverschmiert wie ihr Gesicht und selbst an ihrer Kleidung haftete dieser widerliche Gestank. Irgendwo hatte ich diese bittere Note schon einmal wahrgenommen. Nur von wem? Ihre Augen, in denen mehr Verachtung als Wut funkelte, hafteten auf den meinen, als würde Sie mich damit umbringen können. Ich fing den Arm in der Luft ab und Sie schlug mit der anderen, die Sie nun zur Faust geballt hatte, gegen meinen Oberkörper. Woher auch immer diese Wut auf mich kam, ich ließ Sie gewähren, solange sich Amy damit besser fühlte, wenn Sie diese an mir ausließ. Sie zitterte ohnehin wie Espenlaub, sodass in den Fausthieben die auf meinen Oberkörper gerichtet waren, nur wenig Kraft dahintersteckte. „Du Arschloch! Warum hast du nichts getan und stattdessen dabei zugesehen!“, schrie Sie mich an, schubste mich zurück und ging schlussendlich wieder auf Abstand. „Wovon redest du hier eigentlich?“, fragte ich sie ruhig in der Hoffnung sie beruhigen zu können. Tränen rannen ihr die Wangen hinunter und ich musste mich zusammenreißen, sie ihr nicht aus dem Gesicht zu wischen, um Sie anschließend in die Arme zu nehmen. „Tu nicht so unschuldig! Du hast genau gewusst, was heute Abend passieren würde! Gut für dich was? Jetzt wo das Ministerium so angeschlagen ist, kannst du in Ruhe deine ganzen krummen Nummern abziehen und die Vampire wieder vorantreiben. Wenn du meine Mutter nicht hingehalten hättest dann … dann“, ihre Stimme brach und ich wurde langsam ungeduldig. Was zur Hölle war hier nur los? Ich verstand noch immer nicht, was Sie von mir wollte. Was überhaupt geschehen war. Alles, was ich jetzt wusste, war, dass dieses ekelerregende, langsam trocknende Blut was an ihr haftete, ihrer Mutter gehörte. Ich ging ein paar Schritte auf Sie zu, bevor ich innehielt, als ich bemerkte, dass wir nicht allein waren. Meine Blicke trafen auf eine halbe Portion mit einer kaputten Brille. War das etwa Marvin? Wie hatte ich auf so jemanden nur eifersüchtig sein können? Ich entschloss mich dazu, ihn einfach zu ignorieren. „Fass mich nicht an!“, schrie Sie abwertend und wehrte sich so sehr dagegen, sich von mir in die Arme nehmen zulassen, dass ich den Gedanken wieder verwarf. „Amy, lass uns gehen, dass bringt doch nichts“, rief Marvin besorgt und machte ein paar Schritte in unsere Richtung. „Verschwinde!“, entgegneten wir beide gleichzeitig und schauten uns kurzzeitig verwundert an, während Marvin abrupt stehen blieb. „Wieso … wieso hast du das nur zugelassen?“, fragte Sie nun ruhig und mit zitternder Stimme. Wenigstens schien Sie sich zu beruhigen. „Amy, ich schwöre dir, ich habe keine Ahnung, was hier los ist!“ Sie sackte zu Boden und landete auf ihren Knien, wo Sie schluchzend ihren Tränen freien Lauf ließ.

„Das Ministerium wurde überfallen“, wand Marvin sich an mich. Der Idiot, der dachte, dass Amy auf solche Witzfiguren wie ihn stand. „Sie haben alle ermordet, die im Ministerium waren, einschließlich der Präsidentin. Sie erklärten uns den Krieg mit den Worten: Die BloodRebellion beginnt.“ Sein Hass mir gegenüber war kaum zu überhören. Wieso hatte ich davon nichts gewusst? „Wie viele Mischblüter waren es?“, fragte ich kühl. „Wir schätzen es bis jetzt auf über 100, mit über 50 Toten und keine Verletzten. Zum Glück war es bereits so spät, dass sich nicht mehr allzu viele im Ministerium aufgehalten hatten. Keiner möchte sich ausmalen, was dann los gewesen wäre.“ Ich schaute ihn ungläubig an. „Ich habe sie unterschätzt, das räume ich ein. Ich hatte keine Ahnung, dass sich bereits so viele …“ Ich stockte, als Amy sich wieder erhob. Sie taumelte zu mir und schlug mit der Faust erneut gegen meinen Oberkörper. Ich ließ Sie gewähren, was sollte ich auch tun. So verzweifelt, wie Sie wirkte, wusste Sie wohl selbst nicht, was Sie hier gerade tat. „Du hättest was tun können. Du bist an allem schuld! Wenn du Sie nicht hingehalten hättest, würden viele noch leben. Du bist ein Versager.“ Sie weinte und ihr Zustand brachte selbst mich dazu, Reue und Mitleid zu empfinden. Mal wieder. „Es tut mir so leid, Amy“, erwiderte ich mitfühlend und zog Sie zu mir heran. Endlich ließ Sie es zu, sich von mir in die Arme nehmen zu lassen. Ihre Tränen ergossen sich auf meinem Shirt und ihre Trauer, ihre Verzweiflung übermannte Sie wohl nun vollkommen. Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich Sie hätte niemals allein lassen dürfen. Wie viele Fehler hatte ich in letzter Zeit begangen? „Du solltest jetzt gehen, Fighter“, rief ich zu Marvin hinüber, der noch immer an der Tür stand und dessen Blick mir verriet, wie gern er an meiner Stelle sein würde. Er verriet mir, dass er mehr als verwundert darüber war, dass wir beide uns bereits so nahe standen.

Wenn er wüsste, wie nahe.

Ihm schien es nicht zugefallen, allein zurückzufahren und Sie hierzulassen aber sich mit mir anlegen wollte er wohl dann doch nicht und so zog er, mit einem letzten abwertenden Blick, die Tür hinter sich zu und ließ uns allein zurück. „Wieso? Ich hätte ihr sagen müssen, das … und jetzt ist Sie tot. Meine Schwester und mein Vater. Sie musste genau dasselbe durchmachen wie die beiden. Warum meine Familie? Was soll das alles?“ Sie verlor erneut das Gefühl ihrer Beine und ich ging mit ihr zu Boden. Sie hörte nicht auf, zu schluchzen und Tränen zu vergießen. Erst als Sie wohl keine Kraft mehr hatte zu weinen, beförderte ich Sie zu meinem Bett, wo Sie sogleich in meinen Armen einschlief. Aber ich konnte in dieser Nacht unmöglich schlaf finden.

Ich überlegte, was ich falsch gemacht hatte. Ich hätte gedacht, meine Informationen über die Widersacher wären lückenlos. Ich hatte viel Vertrauen in meine Informanten gelegt aber scheinbar, hatten selbst Sie mich verraten. Amy drehte sich auf den Rücken und ich ließ meine Augen über Sie gleiten. Selbst im Schlaf wirkte Sie trauernd und hilflos. Amy hatte recht. Ich hatte versagt. Ich hatte sie hingehalten, da ich nicht geglaubt hatte, dass sie so schnell gegen das Ministerium vorgehen würden. Ich hatte einen Fehler begangen. Ich, der nie Fehler machte und nun musste Amy daran leiden. Dafür würde er bezahlen. Dafür, dass er Amy das angetan hatte, würde er noch qualvoller sterben müssen, als ich es bis jetzt vorgehabt hatte. Ich würde ihn zuerst finden und nur ich würde sein blutendes und pulsierendes Herz in meiner Hand zerquetschen. Ich und kein Fighter auf dieser Welt würde mir diese Rache nehmen. John war das Unheil meines gesamten Lebens.