Helen und die Häute der Frauen - Erster Teil: SOKO Haut

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Selbst bei der jetzt folgenden Häutung hatten die beiden Jäger noch eine starke Erektion, die immer wieder ins Bild kam. Weiter mit nackten Unterkörpern, die Hosen um ihre Füße, begannen die beiden Jäger, den blutigen Körper Doreens von den Füßen abwärts bis zum Hals zu häuten. Beim Ablösen der Haut vom Brustkorb löste sich unter dem zerrenden Zug der Hand an der Haut und über der Klinge des Skinners die linke Silikonprothese aus ihrer Tasche und glitt ins Gras.

Bald lagen die Hautlappen am Boden und nur die Füße und Unterarme mit den Händen steckten noch in ihrer Haut. Der Kopf war von der blutigen, abgezogenen Haut zugedeckt.

Das graue Bild schwankte und wurde schwarz. Die Schwärze deckte das Grauen zu. Der Film war zu Ende.

Borhagen ließ einen Moment den Raum weiter im Dunkeln, lockerte den Griff an ihren Schenkel etwas und ließ kommentarlos den zehnminütigen Streifen erneut ablaufen und stoppte an den Stellen, die er für wichtig hielt. Nachdem das Band dann erneut vollständig durchgelaufen und alle Punkte besprochen waren, brauchte Helen tatsächlich einen Cognac. Dann ging das Licht an und grell mischten sich in der Erinnerung die grausigen Bilder.

Borhagen, der das Snuff-Video nun schon mehrfach gesehen hatte, wartete bis Helen sich gefasst hatte. Helens Betroffenheit war greifbar, sie war stark berührt. Sie wusste, diese Bilder würden nie wieder aus ihrem Kopf verschwinden. Sie musste sich einen gewaltigen Ruck geben, um die eben gesehenen Szenen zu analysieren. Borhagen füllte den angekündigten Cognac in zwei Gläser. Helen fand keine Zeit, um sich echte Gedanken darüber zu machen, ob BHs Griff an ihren Schenkel schon als sexuelle Belästigung zu werten war oder unter die Rubrik emotionale Zuwendung fiel. Sie tranken still und saßen noch eine kurze Weile schweigend. Dann versuchten sie, mit gedämpfter Stimme das Gesehene unter dem momentanen Eindruck zu analysieren. Borhagen diskutierte mit Helen das Gesehene.

„Grausig“, sagte er, „Eine unglaublich schöne Frau. Das war eine schreckliche

Hinrichtung. Das Video ist echt“, meinte Borhagen, „jedenfalls haben es die Ungarn behauptet.“

„Mir ist jetzt richtig übel. So etwas Schlimmes habe ich bisher noch nie gesehen. Eine bildschöne Frau, ja wirklich. So teuflisch ermordet. Mir ist ganz anders. Sieht wirklich echt aus.“

„Der seltene Fall eines Snuff-Filmes. Angeblich haben alle bisher bekannten anderen Snuff-Filme einer Prüfung nicht standgehalten, waren Fake.“

„Das habe ich auch so in Erinnerung“, sagte Helen.

„Jedenfalls wird es von den Filmen behauptet, die man so landläufig aus der Presse kennt.“

„Mir wäre es offen gestanden lieber, wir hätten es auch hier mit einem Fake zu tun“, meinte Helen.

„Die Ungarn behaupten, dieses Video würde unter der Hand in Videotheken gehandelt und sei auch schon im Internet gesichtet worden.“

„Der Markt für Snuff-Videos wächst mit den Smartphones und der Aktivität der islamistischen Terroristen“, warf Helen ein.

Ihr Fazit war, auch nach Kenntnis der Akten, die sie in den vergangenen acht Stunden gelesen und schon auf ihrem PC zusammengefasst hatte, dass es eine geplante Beseitigung von drei überflüssig oder gefährlich gewordenen Personen war. Eine Gewinnoptimierung war durch die Produktion eines Snuff-Filmes und dem Verkauf der anschließend entnommenen Organe für die Täter und ihre Organisation erzielt worden. Sie errechneten einen möglichen Gewinn von mindestens einer, wahrscheinlich bis zu drei Millionen Euro. Sie rechneten zusammen: sechs Nieren, drei Lebern, drei Herzen, drei Lungen. Aber wie hatten sie alles schnell abtransportiert? Bei der Menge sollte ja wohl ein Hubschrauber mit im Spiel sein oder ein Flieger auf einem nahen Feldflugplatz. Die Verteilung musste ja an verschiedene Zentren gegangen sein. Das würde eine großangelegte Logistik erfordert haben.

Da meinte BH: „In der Nähe ist doch ein Flugfeld der Nato. Ich habe da schon recherchiert. Die ungarischen Kollegen konnten keine erhöhte Flugaktivität für den fraglichen Zeitraum nachweisen.“

„Da wurde möglicherweise einiges vertuscht. Das heißt aber auch, dass potentielle Empfänger schon bereit waren und auch nicht unbedingt in der absoluten Nähe.“

„Ja, warum nicht. Ist doch immer so. Die Transplantationsteams standen sicher schon parat.“

„Aber auch die Typisierung der „Spender“ müsste vorher erfolgt sein, um das Geld sicher zu kassieren.“

„Budapest ist in der Nähe und damit auch Kliniken und Transplantationsteams.“

„Dann war alles von langer Hand geplant. Darf ich noch einen Cognac haben, ich brauch ihn jetzt tatsächlich. Übrigens habe ich nur eine Niere bei Doreen gesehen. Die hinter der Leber. Die rechte ist mir entgangen.“

BH schenkte Helen einen vollen Cognacschwenker ein. Helen trank, ohne zu spüren, was im Glas war. Danach hatte sie einen leichten Schwips.

„Wir lesen noch mal den Bericht der Pathologie, Helen. Geht es dir jetzt besser?“

„Kann ich noch nicht sagen. Das braucht sicher Tage.“

Sowohl Helen als auch Borhagen hatten interessante Details erkannt, die bisher nicht schriftlich erwähnt worden waren oder auf Grund der Übersetzung vergessen, oder falsch interpretiert worden waren. Dann versuchten sie doch, das Gesehene weiter Punkt für Punkt zu analysieren.

Borhagen übernahm die Gesprächsführung. Für Helen wurde es nach zwei doppelten Cognacs etwas schwer, sich zusammenzureißen. Der Inhalt der Videos und BHs Hand auf ihrem Schenkel, die inzwischen keineswegs mehr immer ganz ruhig an der gleichen Stelle liegengeblieben war. Sie hatte zwischenzeitlich sogar gehofft, er würde weiter gehen. Aber daraus wurde dann nichts, auch wenn sie ihm die Gelegenheit bot und er schon dicht dran war.

Die Szenen am Beginn des Streifens wirkten gestellt. Der Streifen war an vielen Stellen geschnitten, die Schnittstellen nicht immer sauber adaptiert. An einigen Sequenzen glaubten sie zu erkennen, dass die Szenen mehrfach gedreht worden waren.

Helen meinte, dass ihr noch etwas aufgefallen sei, als sie das Häuten das zweite Mal gesehen hatte. Sie konnte dieses Gefühl nicht genauer definieren. Sie wusste, dass es sie noch beschäftigen würde. Sie konnte nicht sagen, was ihr aufgefallen war.

Die Szenen der sogenannten Vergewaltigung waren von der jungen Frau, die von Borhagen schon als Doreen identifiziert worden war, schauspielerisch nicht zwingend echt dargestellt. Helen hatte das Gefühl, sie, Doreen, sei überrumpelt worden. Der Kampf im Gras sollte gespielt sein. Aus dem traditionellen Vögeln in Bauch und Rückenlage, war dann aber urplötzlich blutiger Ernst geworden.

Das heiß, man konnte der Meinung sein, dass bis zu diesem Punkt ein Schauspiel ablief. Drehbuchartig inszenierte Szenen, wie in jedem Porno. Dann kam der Bruch, als Doreen von den Jägern plötzlich auf den Bauch gedreht und ihre Arme hinter dem Rücken gefesselt wurden. Es war eindeutig, mit dem Fesseln der Arme war das „Spiel“ zu Ende. Man sah es auch an dem entsetzten Blick von Doreen. Dieser Blick war auch das, was Borhagen und Helen so tief erschütterte. Dieser Blick, der von der Erkenntnis ihres Endes erzählte.

Woher er so sicher wisse, dass es sich um „Doreen“ handle, wollte Helen wissen.

„Das finden sie in Mandys Biographie, dort wird ihre Tätowierung exakt beschrieben. Auch der Skorpion in ihrem Schritt. Ich habe einen Zettel an die Stelle geheftet.“

„Ja“, sagte Helen, „das ist mir nicht entgangen. Ein Beweis ist es dennoch nicht. Reine Spekulation. Wenn wir kein beweisendes Genmaterial finden, zählt unsere Meinung nicht.“

„Ok“, sagte Borhagen und ging nicht näher auf Helens Kritik ein.

„Da ich alles jetzt schon mehrfach gesehen habe, ist mir dennoch etwas aufgefallen, was wir fototechnisch bearbeiten müssen. Ist ja auch alles in Großaufnahme gezeigt. Ich sagte Ihnen, glaube ich, dass mir dieser Marek ein paar Bilder der Schneiderpuppen auf WhatsApp geschickt hat. Er hat auch eine Aufnahme von Doreens Schritt gemacht. Da sehen Sie, was ich meine.“ Er zeigte Helen das Bild auf seinem Handy. Er erklärte dazu:

„Siehst du, Helen, hier im Schritt, neben der Rosette des Anus hat die junge Frau ein kleines Muttermal. Das liegt außerhalb des Tattoos. Ich habe schon eine Beurteilung durch unsere Leute veranlasst.“

„Ist ja mal was anderes.“

„Wieso?“

„Die meisten haben ein solches Erkennungsmal neben den Lippen“, Helen musste unwillkürlich grinsen, „ich meine natürlich im Gesicht. Bekannte Schauspieler zum Beispiel. Ich meine Schauspielerinnen.“

BH hatte verstanden und sagte ebenfalls grinsend: „Tatsächlich. Da muss man bei den Lippen vorsichtig sein.“

Donnerwetter, dachte Helen, BH ist sehr locker drauf, erst mein Schenkel und jetzt greift er tatsächlich dieses obszöne Wortspiel auf.

BH reichte ihr ein Statement des Labors von heute Mittag herüber, in dem eine Identität der Aufnahme im Snuff-Video mit dem Tattoo der Schneiderpuppe bestätigt wurde.

Helen war überrascht, dass das die Ungarn nicht auch gekonnt hatten.

„Glückwunsch, Chef“, sagte sie nur. „Dann haben wir ja das schon geklärt.“

BH fasste dann zunächst kursorisch einzelne Punkte zusammen, ohne endgültiges Fazit. Für eine abschließende Wertung war der aktuelle Zeitpunkt zu früh.

Borhagen und Helen waren sich jedoch einig, dass die beiden Jäger als Vergewaltiger selbst unter Zwang gehandelt hatten. Und das nicht nur in Kenntnis des Endes auf der Waldwiese. Was sicherte diese Hypothese? Es fiel beiden auf, dass die Männer sich sehr schwerfällig bewegten, was ihre Bewegung mit den Füssen anbelangte. Nur kleine Trippelschritte. „Aber mit heruntergelassener Hose kann man auch keine großen Schritte machen“, meinte Helen. Beim Rückspulen und Vergrößern sah man kurzfristig ein Metallteil an den Beinen der Jäger. Fußfesseln unter der Hose, trotz geschickter Kameraführung. Fesseln würden die These bestätigen und waren Hinweis genug zu vermuten, dass die sogenannten Vergewaltiger selber Gefangene waren, was wiederum nicht im Gegensatz zu dem Polizeibericht über ihren Tod stand. Aber egal, die Fußfesseln waren Fakt und schließlich auch an den Leichen nachgewiesen.

 

Sie sagte Borhagen wieder, dass ihr bei der Häutungsszene etwas aufgefallen war. Sie kam davon nicht weg. Sie überlege krampfhaft, was es war, konnte es jedoch nicht benennen. Sie meinte aber, gesehen zu haben, dass die Hände häufig wechselten. Sie würde sich den Streifen noch einmal ansehen müssen. Borhagen bat sie, den Gedanken weiter zu verfolgen. Alles sei wichtig.

Es gab noch einen Diskussionsbedarf bezüglich der sogenannten Dauererektion der Jäger bei der Vergewaltigung, die immer wieder und provokant in Großaufnahme bei der Penetration gezeigt wurde. Sie sollte wohl auf die weiblichen Betrachter dieses Videos zielen. Das war der eigentlich pornographische Teil des Videos. Der Teil vor der Ermordung, als es überwiegend um die Vergewaltigung von Doreen ging. Doreens schöner, nackter Körper wurde in allen möglichen Positionen, in denen filmtechnisch eine Penetration möglichst drastisch und anregend gezeigt werden konnte, zwischen den Jägern fixiert. Dabei gab es auch eine Position, die sehr an das kompromittierende Foto erinnerte, das ihr Ex-Freund vor einem Jahr ihrem Chef zugespielt hatte. Helen fragte sich, ob BH wohl auch daran dachte und ob er dieses Foto wohl behalten hatte. Genau an dieser Stelle meinte BH, dass diese Doreen eine wirklich schöne Frau gewesen war.

„Sehen sie das Tattoo in ihrem Schritt?“

BH hatte den Film angehalten, damit sie den Skorpion in Doreen Schritt genau sehen konnte, wie seine Zangen die leicht klaffenden Schamlippen umrahmten und der gestachelte Schwanz sich um die Rosette ringelte. Er ließ den Film weiter laufen. Nahezu in diese Bemerkung hinein kam die erwartete anale Penetration durch den fast unnatürlich stark erigierten Penis des hinter Doreen knienden Jägers. Laut sagte Helen, dass sie sich frage, wie man diese selbst für einen Porno beachtliche und starke Dauererektion erklären könne und wie diese Penetration ohne Gel so glatt erfolgen konnte. War die Erektion echt oder computertechnisch manipuliert oder medikamentös beeinflusst? Helen konnte zu diesem Thema keinen weiterführenden Beitrag leisten, der über ihre Kenntnis der Einnahme der bekannten PDE 5-Hemmer wie Viagra und Co. hinausging. Sie würde sich informieren müssen. Borhagen meinte, sie werde morgen in den anderen Videos, den eigentlichen Pornos, noch drastischere Erektionen zu sehen bekommen. Er grinste dabei unverhohlen. Es gäbe Medikamente zum Injizieren, direkt in den Schwellkörper. Diese würden eine langdauernde Erektion möglich machen, die auch länger als 30 Minuten anhalten würde. Er habe seinen Urologen gefragt. Mit solch einer Dauererektion könne einiges angestellt werden, hätte sein Urologe grinsend gemeint. So eine stabile Stoßstange würde auf alle Fälle anhaltenden Eindruck machen, hatte er noch angeführt. Na, dachte Helen, höre ich da etwas raus? Sie wollte aber keine Stellung beziehen, bei ihrem Cognacpegel. So hatte BH selten geredet. Dann erinnerte sich Helen, dass Moneypenny ihr erst vor kurzem angedeutet hatte, dass es bei BH zu Hause nicht mehr gut lief und er sehr oft alleine war. Nein, sie hatte sogar gesagt, er sei wieder solo und sie solle sich ihn krallen.

Dann musste sie doch darauf zurückkommen. Der Cognac wirkte sichtlich.

„Wissen Sie, wie das Mittel heißt? Ist ja nicht unbedingt schlecht. Da kann so mancher länger durchhalten. Ist doch durchaus positiv.“

„Muss ich nachfragen. Frauen haben sicher etwas davon, wenn der Partner länger standfest ist.“

„Sage ich doch“, meinte Helen und dachte, Vorsicht Helen, der Cognac lockert. „Frauen brauchen meistens länger, bis sie so weit sind“, fügte sie dennoch an.

„Ist wohl ein biologisches Prinzip“, meinte BH.

„Genau, zum Auffüllen des Genpools durch weitere Partner bis der Höhepunkt da ist. Ich brauch noch einen Cognac, Chef“, bat Helen und dachte, damit die Frau als Spermasammlerin unterwegs sein soll. Pscht. Jetzt ist Schweigen wie Gold.

BH schenkte noch eine Runde Cognac aus. Das war der dritte Doppelte.

Helen musste noch etwas loswerden.

„Haben Sie noch dieses Foto, das Ihnen vor einem Jahr anonym zugestellt wurde und von dem wir meinten, dass ich darauf nicht zu identifizieren sei?“

„Ja, ich dachte mir, dass wir es eventuell doch noch gegen ihren Ex-Freund verwenden müssen. Oder gegen diejenigen, die sie belästigen könnten. Haben Sie auch noch das Exemplar, das Ihnen mit der Drohung auf den Schreibtisch gelegt wurde?“

„Ja“, sagte Helen mit leicht belegter Stimme und dachte, dass sie seinem Argument keinen Glauben schenken konnte. Ihre Frage war ein Volltreffer geworden. Das Foto hatte ihn damals zu sehr beschäftigt. Er hatte damals betont, welch ungewöhnlich schöne Frau abgebildet sei. Dabei sah man auf diesem Foto sehr detailliert ihren breit geöffneten Schritt, kniend von hinten, sehr ähnlich der Position von Doreen gerade eben. Auch hier war der schmale rosa Streifen des Introitus zwischen den schmalen Schamlippen und der makellos rosa Rosette darüber sichtbar.

„Heben Sie es auf. Ich hoffe zwar nicht, dass wir es noch einmal brauchen werden.“

Er machte eine kurze Gedankenpause, dann fragte er zu ihrer Überraschung: „Sind sie seitdem noch solo, Helen?“

Helen drehte sich wieder zu ihm hin und wieder kamen ihre Knie in Berührung und wieder wanderte seine Hand gefährlich dicht an ihren Schritt. Sie blieb dort und Helen konnte kein System in den Bewegungen seiner Finger erkennen.

„Ja, Chef, ich brauche momentan keine feste Bindung. Ich nutze immer wieder die Gunst des Augenblickes und der Überraschung.“

„Aber sie begeben sich nicht bewusst in riskante Begegnungen?“

Helen wurde warm. Jetzt wird er deutlich, dachte sie und spürte seine Hand überdeutlich. Ob er jetzt wissen will, ob ich an One-Night-Stands interessiert bin?

„Nein, Chef, normalerweise kann ich entsprechende Risiken schon einschätzen.“

Sie gingen wieder zur Tagesordnung über und analysierten ihr weiteres Vorgehen. Beide waren der Ansicht, dass das sogenannte Mutterband des Filmes technisch

aufgearbeitet werden musste. Es stellten sich viele Fragen. Wer war der Produzent? Kein Hinweis auf der Schachtel des Bandes, ganz im Gegensatz zu den anderen Bändern, die überwiegend aus ein und derselben Produktion stammten. Helen würde sie auf den Bändern finden, meinte Borhagen. Sie stammten von einer arabischen Firma. Helen dachte, das kommt mir bekannt vor.

„Allerdings doch merkwürdig“, sagte sie laut, „wo doch angeblich Muslime in Bezug auf Erotik eher konservativ sind. Soweit ich weiß, ist Pornografie, Homosexualität und Analverkehr in Saudi-Arabien und vielen islamisch geprägten Ländern verboten oder sogar mit der Todesstrafe belegt. Besonders bei den Sunniten.“

„Kann schon sein“, meinte Borhagen, „aber wenn es ums Geschäft geht, fallen die Hemmungen. Außerdem wurden die Filme wohl nicht mit Muslima gedreht. Kein Gesicht der Frauen hatte eine arabische oder orientalische Physiognomie. Alle eher mit ausgesprochen nordischem Einschlag.“

„Ja, habe schon gehört, dass die Moralvorstellungen der Muslime wohl sehr gespalten sind. Kurzzeitehen mit Entlohnung sind erlaubt. Sogenannte Genussehen von 15 oder weniger Minuten Dauer soll es geben. Wir würden das als Prostitution werten und mit sogenannten „Ungläubigen“ darf sowieso alles gemacht werden“, warf Helen ein.

„Was heißt „Ungläubige“?“

„Alle, die keine Muslime sind.“

„Unglaubliche Hybris.“

„Das liegt an ihrer Verssammlung, die nicht hinterfragt werden darf. Kritische Fragen hierzu gelten als Gotteslästerung. Das haben die sich hübsch ausgedacht. Hat wohl schon Mohamed eingeführt.“

„Ja, hat wohl auch einen sehr politischen Hintergrund, diese Religion“, meinte Borhagen, „und wir haben dazu jetzt einen Fragenkatalog, der auch zum Teil die übrigen Filme betrifft.“ Er hatte einen Zettel vorbereitet, den er Helen gab. Jetzt gab er ihren Schenkel frei.

-Wer hat den Streifen gedreht.

-Wo ist er in der vorliegenden Form produziert.

-Wie kam der Streifen auf den Markt.

-Auf welchem Wege wurde der Streifen für ein interessiertes Publikum zugänglich.

-Wie lange und wie oft wurde der Streifen gedreht?

-Wie professionell war die Nacharbeitung.

-Waren Wiederholungen erkennbar, Schnitte.

-Waren Überspielungen da, und wenn, konnte man die Überspielungen rekonstruieren, konnte man gelöschte Sequenzen sozusagen wiederbeleben.

Helen warf ein, dass die letzten Fragen nur dann beantwortet werden konnten, wenn es sich um das Mutterband handelte.

„Was ist das“, wollte Borhagen wissen, „die Ungarn sprachen von Mastertape.“

„Ja, ja, das war eben auch keine anatomische Bezeichnung, das ist dasselbe, eben der englische Ausdruck. Gelegentlich wird es auch source tape genannt.“

Die Hinrichtung war nach Meinung der ungarischen Analysten und auch nach Borhagens Meinung echt. Helen musste dieser Vorstellung unter dem Eindruck des eben Gesehenen beipflichten. Ein echter Snuff-Film also.

Nach beider Meinung begann die „ Echtheit“ der Szenen, als Doreen von beiden

Jägern im „gespielten Vergewaltigungskampf“ nach den diversen publikumswirksamen Penetrationen, die mit großer Hingaben für das Detail gefilmt waren, in Bauchlage gebracht wurde, die Arme auf den Rücken gedreht und an den Handgelenken brutal mit einem Kabelbinder gefesselt. Doreen merkte da, dass das Spiel eine für sie unerwartete Wende nahm, eine tödliche. Man erkannte in ihrem stummen Blick die Echtheit des Entsetzens. Auch ihr vom Schmerz gezeichnetes Gesicht, nachdem ihr die Fleischerhaken unter der Achillessehne durchgestoßen wurden.

Weiter fiel die zufällige, kurze Sequenz mit dem Campingtisch und den Kühlboxen auf, wie auch das scheinbare Aufheben der herausgeschnittenen Organe, die weggetragen wurden. Das verstärkte die Vermutung, dass es Schnitte im Filmmaterial gab. Hier war wohl etwas vergessen worden.

Borhagen und Helen kamen zu guter Letzt zum vorläufigen Ergebnis, dass

1. die sogenannten Jäger zur Tat gezwungen wurden,

2. Organe entnommen wurden,

3. mehrere Personen als eigentliche Täter im Hintergrund waren,

4. Schnitte und Überspielungen vorhanden sein mussten.

5. Da ihnen von den Ungarn versichert worden war, das Original in der Hand zu halten, sollte die Möglichkeit geprüft werden, ob man Schnitte und Überblendungen, Löschungen wieder kenntlich machen konnte.

Hierzu wollte Borhagen amtseigene IT-Spezialisten einschalten. Diese hatte er schon informiert und sie wollten schon morgen an die Arbeit gehen, um das Mastertape zu analysieren. Das hieß, Borhagen hatte ihr seine Kopie des Videos vorgeführt.

6. Borhagen wollte morgen die Ungarn fragen, ob man Hinweise für eine Hubschrauberlandung auf dem Wiesengelände hatte.

Helens emotionale Betroffenheit wurde durch den Zwang zur professionellen Stellungnahme einer harten Probe unterworfen. Sie war Zeuge eines Mordes geworden, hatte einem Menschen beim Sterben zugesehen, hatte erlebt, wie dieser Mensch sein kommendes Ende voraussah. In dieser Situation war sie noch nie gewesen, auch wenn Doreens Ende schon drei Jahre zurück lag. Für Helen war es eben erst passiert. Und sie war eben dabei gewesen.

Sie rief sich zurück zur Diskussion. BH sagte eben, dass er schon IT-Spezialisten ihres Institutes mit dem Fall beschäftigt hatte.

Ja, warum dann die sogenannte Geheimhaltung, dachte Helen, haben wir es mit der Kontrolle eines begrenzten Lecks zu tun? Das würde ja dann ihre direkte Umgebung betreffen und nicht die Forschungsabteilung.

Dann ging Borhagen zu weiteren Punkten über. Zu Dr. v. Eynim meinte Borhagen:

„Lesen sie die Briefe der Frauen genau. Sie werden die Verdachtsmomente verstehen und ihre Vernehmungsstrategie bezüglich des Doktors und der Frauen entsprechend aufbauen. Da gibt es viel Gesülze und pornographische Details, die keiner wissen will, Wiederholungen, die ermüden. Es geht immer um das Rein-Raus. Dennoch, es werden Leute erwähnt, die eventuell noch wichtig sein könnten. Lesen Sie es also bitte genau. Und dann brauchen wir die DNA vom Doktor, um sie mit dem in Ungarn vorhandenen DNA-Pool abzugleichen.“

 

„Das war mir gleich klar, dass das eine unserer ersten Handlungen sein muss“, sagte Helen und vermied bewusst, meiner Handlungen zu sagen. Ein leichtes Grinsen konnte sie sich nicht verkneifen bei der Vorstellung, dass es spannend wäre, die DNA des Doktors nicht nur aus einer zufälligen Haarwurzel oder seinem Mundabstrich zu gewinnen. Es gab ja noch andere Wege. Musste ja immerhin ein sehr attraktiver Mann sein, möglicherweise ein Blaubart, was sie sich im Augenblick allerdings nicht vorstellen konnte.

Eine Liste des Personals der Klinik, das engen Kontakt zum Doktor hatte, mit Adressen, Telefonnummern und E-Mail-Adressen, hatte Borhagen schon von Moneypenny erstellen lassen.

„Moneypenny wird Ihnen die Liste aller Personen, die engen Kontakt zum Doktor haben, rüberreichen. Wir sollten auch sein Umfeld abklopfen.“

Klar, dachte Helen, das klassische Vorgehen. Die Suche mit der Gießkanne. Sie sah sich schon von Haus zu Haus gehen und an geschlossene Türen klopfen.

„Wie weit darf Moneypenny informiert werden?“, wollte Helen wissen.

„Nur das absolut Nötigste. Wir wissen ja nicht, wo das Leck sein könnte. Korruption ist ja vielfältig. Ich denke nicht ausdrücklich an Moneypenny. Eher gar nicht. Aber je weniger bekannt wird, desto sicherer könnten unsere Recherchen sein.“

„Hm.“

„Ach, noch etwas. Ich habe nun ja schon des Öfteren mitbekommen, dass Deo Sie immer wieder anmacht. Wenn das zu viel wird, lassen Sie es mich wissen. Sind andere auch aufdringlich? In letzter Zeit?“

„Nicht mehr als früher schon. Ich bin es gewöhnt, mich zu wehren. Ich kann durchaus aggressiv werden. Und mit einem alleine werde ich allemal fertig. Machen Sie sich bitte keine unnötigen Sorgen. Oder gibt es etwas, was ich wissen sollte?“

„Ich habe nur per Zufall und unbemerkt mitbekommen, dass sich einige Kollegen

etwas wenig professionell über Ihre besonders ansprechenden körperlichen Vorzüge

geäußert haben. Wir haben in unseren Reihen einige ungebildete und unerzogene Kollegen. Also wenn Sie dennoch Unterstützung brauchen, bin ich für Sie da.“

„Danke, aber bis auf Deo ist mir bisher keiner ernsthaft auf die Nerven oder gar an die Wäsche gegangen. Mit den Augen gehen viele manchmal weit, sehr weit.“

BH stöhnte und meinte: „Mir ist es heute deutlich zu heiß, Helen. Ich brauche Kühlung. Geht es dir auch so? Gottseidank sind wir für heute durch.“ BH ließ jetzt ihren Schenkel los.

„Ja, was soll ich jetzt dazu sagen, ich in meiner Reitkluft, meinen warmen Hosen, wie sie ja fühlen können.“ Sie dachte, seine Hand ist wie ein Heizofen. Die meiste Zeit hatte er ihren Schenkel als Handablage benutzt. Ob seine neues „Solo-Sein“ den Hormonpegel derartig hochtrieb?

„Also“, fing BH wieder an und reagierte nicht auf Helens Einlassung, „Deo ist dir tatsächlich schon an die Wäsche gegangen.“

„Ja, in der Tat. Er hat mich beim Schießtraining heftig an den Brüsten gepackt. In genau dem Moment, als wir alleine waren und ich mich nicht wehren konnte, beim beidhändigen Schießen. Ich habe es ignoriert. Es war mir die Sache nicht wert, ihm dann noch zu sagen, dass ich ihm das nächste Mal in die Eier trete. Ich mache es dann einfach.“

„Du sagst mir aber, wenn du Unterstützung brauchst.“

Helen lachte los. „Beim in die Eier treten? Ja, mache ich.“

Helen ging an ihren Schreibtisch zurück und zog sich die Liste aus dem Intranet. Sie war froh, durch diese Gespräche von Doreens letzten, verzweifelten Blicken abgelenkt worden zu sein. Ehe sie wieder zur Tagesordnung überging, rief sie BH an und meinte:

„Chef, wir sollten, wenn sie in berechtigter Sorge um ein Leck sind, nicht über das Intranet kommunizieren. Unsere Türen sind ja nur fünf Meter voneinander entfernt.“

„Richtig, Helen, machen wir es in Zukunft mündlich oder eben wie früher, mit Notizzetteln.“

Dann formulierte Helen das eben Gesehene. Es fiel ihr nicht leicht, die Kontenance zu bewahren. Es würde eine Weile dauern, bis die brutalen Bilder der Häutung und der Vergewaltigung, die ständig im Hintergrund abliefen, verblassen würden. Sie mailte nochmals an Raul und kündigte ihm die Liste an, mit der Bitte um mögliche weitere E-Mail-Accounts der Personen. Vielleicht könnte man ja einige bedeutsame Kontakte hacken. Das könnte die Arbeit beschleunigen.

Sie arbeitete alles nacheinander ab und fuhr mit der Lektüre von Mandys Tagebuch fort und machte sich weitere Notizen zu Mandys Beschreibung des Container-Bordells und Doreens Fähigkeit, sich von Marics Doggen oder sonstigen Riesenrüden bespringen zu lassen. Borhagens Post-its waren zudem eine gute Wegführung durch die Fülle der pornographischen Einzelheiten. Zu diesem Thema hatte er angefügt: „Stark, oder? Kaum zu glauben. Man will da keine Bilder haben.“

Helen dachte, nein, will man nicht wirklich, obwohl sich zwangsläufig Bilder entwickelten. Sie stellte dennoch fest, dass die Gesamtheit dieser erotischen Schilderungen sie keineswegs kalt ließ. Im Gegenteil, sie wurde streckenweise richtig heiß gemacht. Und dazu noch das Fingerspiel ihres Chefs auf ihrem Schenkel. Was Mandy beschrieb, war eine Huldigung des Rein-Raus-Spiels, gelebte Pornographie. Es gab keine Tabus. Selbst das Extremste war Realität. Alles konnte keineswegs kommuniziert werden. Sie würde einen gesonderten Ordner anlegen, in dem die gescannten Texte vollständig archiviert blieben.

Es war spät, als sie mit Mandys Tagebuch und der Zusammenfassung fertig war. Sie schaute auf ihre Uhr und beschloss, noch die Liste für ihre kommende Recherche zusammenzustellen. Manuelas Briefe würde sie morgen bearbeiten und dann die Verknüpfungen herausfiltern. Sie hatte schon manch bizarren Fall mitbearbeitet. Dieser jedoch hatte eine besonders üble Dimension und eine erheblich erotische dazu.

Es war kurz vor 18 Uhr und Zeit für das Hockey-Fitnesstraining. Das wollte sie unter keinen Umständen versäumen, nachdem schon der Ausritt ausgefallen war. Das Schießtraining hatte sie gedanklich abgehakt. Das war Pflicht und sie war immer eine der Besten, sowohl bei der Dienstpistole als auch mit der MP. Dabei war es gleichgültig, ob ihr eine MP-UZI oder eine HK hingelegt wurde. Viel wichtiger war, dass sie ihre Muskeln trainieren musste. Insbesondere ihre Gesäßmuskulatur. Eben die üblichen Problemzonen, Bauch, Beine, Po. Sie war stolz auf ihren knackigen Hintern, der völlig ohne Cellulitis schon immer von ihren Freundinnen ein wenig neidvoll bewundert worden war. Von den einen wurde sie daher als „schöne Helena“ und den anderen als die „Schönhintrige, die Kallipyge“ bezeichnet. Helen sagte dann immer, hier wird eben viel Arbeit reingesteckt. Diese Zweideutigkeit fiel keinem wirklich auf. In letzter Zeit war allerdings ihre Aktivität in dieser Richtung etwas reduziert. Das wollte sie unbedingt ändern. Aber auch ihre Oberweite war ein neidbesetztes Thema. Selbst Annegret, die nie an Selbstzweifeln litt, meinte, dass in Helens Begleitung keine Frau außer ihr einen zweiten Blick abbekäme. Das sei etwas frustrierend.

Im Kampf gegen den Verfall wollte Helen daher das Fitnesstraining heute nicht verpassen. Annegret hatte schon den kommenden Mittwoch, also übermorgen, als „Sauna“-Ersatztermin geplant und die entsprechenden Kandidaten eingestimmt. Es schien ihr Spaß zu machen, Helen zu verkuppeln bzw. an den Mann zu bringen, oder besser, an die Männer. Ihr Ziel war es zweifellos, Helen den richtig harten Gangbang schmackhaft zu machen. Schon während des Studiums hatte Annegret in ihrer etwas schrillen Art geglaubt, Helen auf die Sprünge helfen zu müssen. Dass das keinesfalls nötig war, ergaben dann die Rückmeldungen der gemeinsamen Männerbekanntschaften. Helen war bei ihren Erfolgsmeldungen dagegen immer sehr zurückhaltend, sodass Annegret den jeweiligen Männern die Würmer aus der Nase ziehen musste, um zu erfahren, dass Helen keineswegs auf der Brennsuppe daher geschwommen war. Das stimulierte Annegret, Helen immer wieder neue Bekanntschaften anzudienen. Aus dieser Zeit hatte die besondere Freundschaft mit Raul überlebt. Auf seinen gekonnten und beachtlich ausdauernden körperlichen Einsatz griff Helen seit dieser Zeit gerne und immer wieder zurück. Das gleiche galt andererseits auch für Raul. Für beide galt: „Alte Liebe rostet nicht“. Beide waren sich jedoch einig, sich auf ihre körperlichen Erlebnisse zu beschränken. Auf Gefühlsduseleien wollten sie verzichten. Jeder hatte jenseits der sexuellen Kommunikation sein eigenes Leben. Raul hatte Tussi für die Seelenmassage und das Kuscheln beim Einschlafen. Nur mit Helen konnte er seine erotischen Phantasien ausleben. Mit ihr war das absolute Nageln möglich.