Helen und die Häute der Frauen - Erster Teil: SOKO Haut

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Helen dachte: Wenn ich das BH demnächst schicke, wird er wieder Fragen zu weiblichen Lüsten haben. Und vor allem, ob sie das auch so empfand. Das war eben schon ganz schön abgefahren gewesen. So direkt und grenzwertig hatte sie noch nie mit ihm geredet. Und das Gefühl seiner warmen Hand auf ihrem Schenkel war bei ihr überproportional gespeichert. Wieder musste sie daran denken, was das für eine Situation gewesen wäre, wenn sie ihr Sommerkleid angehabt und er ihren nackten Schenkel gegriffen hätte. Bei diesen Gedanken zog es ihr kräftig in den Unterleib. Sie dachte, dass sie heute Abend einen brettharten String anziehen würde.

Dann ging sie ins Internet und recherchierte über Bücher mit Anleitung zum Bondage. Sie markierte einige und würde sich später weiter darum kümmern. Bondage! Wenn BH sie jetzt noch nach eigenen Erfahrungen fragte, ging das Thema des Nebenschauplatzes in eine weitere Stufe.

Was hier von Clarissa vorlag, war wie ein richtiges Lehrbuch zur Unterstützung der weiblichen Lustentwicklung. Ein Katalog mechanischer Hilfen durch, gelinde formuliert, folterähnliche Anwendungen. Angefügt waren weitere Bemerkungen wie „von Hagen bevorzugt“, „Tonis Spezialität“, „Marics Favorit“, „Dragans perverse Spezialität“, „für den Gangbang besonders geeignet“, „schmerzhaft, besonders beim Hängen“. „An der Stange, zum Bespringen durch die Hunde geeignet.“ Dann auch Zeichnung der Fickmaschinen unterschiedlicher Art. Auch die unterschiedlichen Formen der Dildos waren festgehalten worden. Wie ein Katalog von Orion oder ähnlichen Versandfirmen.

Helen wurde ganz anders, als Clarissa beschrieb, wie es sich auf der Fickmaschine anfühlte, wenn die dicken Dildos eindrangen und dabei immer schneller wurden, bis sie der Orgasmus überfiel. Sie schrieb auch, dass die Bereitschaft, den Orgasmus zu wollen, mit dem Fesseln kam, wenn der Körper so ganz gespreizt geöffnet war und für die Penetration vorbereitet wurde und die Muskeln nur noch isometrisch angespannt werden konnten.

Immer wieder versuchte Clarissa zu zeigen, wie die Seile um ihre Brüste gewickelt wurden. Sie malte auf, wie die Brüste nach dem Fesseln anschwollen und die Seile abrutschsicher gewickelt waren, wie die Arme auf den Rücken gedreht, die Beine gespreizt und die Knoten geschlungen wurden. Sie malte die diversen Geräte zum Fixieren der Frauen beim Gangbang auf, wie sie knieten oder über Böcke gebogen waren und geöffnet wurden. Sie zeigte, wie die Spreizstangen eingesetzt wurden. Sie malte die Fickmaschine immer wieder, und wie sie davor kniete und daran festgebunden wurde. Sie zeichnete, wie die Plugs und Dildos in ihren Körper eindrangen, und welcher Teil der Plugs für die Dehnung des Sphinkters wichtig war. Es war die Kerbe, die ein Abrutschen in die Tiefe verhindern sollte. An dieser Kerbe musste der Plug dick genug sein, um eine dehnende Wirkung zu haben. Sie beschrieb auch den Gangbang-Drehteller, auf dem sie von einem Freier zum anderen gedreht wurde.

Dabei gab es auch kurze Kommentare, welche Stellung ihr besonders gefallen hatte. Ironisch schrieb sie, dass die Knotentechnik als Kunst gelte. Diese Technik diente nur zum Offenhalten des weiblichen Körpers. Jedenfalls die, mit der sie gefesselt wurde. Seitenlang malte sie auf, wie sich die unterschiedlichen Peitschen und Gerten um den Körper wickelten, zwischen die Beine und um die Brüste, und in welcher Position sie gefesselt war, um effektvoll gepeitscht zu werden. Darunter stand dann, wer es am besten konnte und welche Technik beim Peitschen bevorzugt wurde. Wie viele Hiebe hintereinander erfolgten, wie lang dann die Pause zur Erholung war und was in der Pause passierte. Hagen wurde beim Peitschen nicht erwähnt, wohl aber Toni, Maric, Dragan, Richard und Ron. Clarissa beschrieb, dass meist nach sechs Schlägen eine andere Hautpartie ausgewählt wurde. Oder ein Schlag auf den Rücken, einer über die Brust, der dritte zwischen die Beine. Dann wieder von vorn in einem bestimmten Rhythmus. Danach folgte das belohnende Vögeln. Oft auch als Gangbang mit der Biker-Community. Beim Peitschen waren die Augen meist verbunden, sodass die Abwehrbewegung erst nach dem Schlag erfolgte, sozusagen genau in den neuen Schlag hinein. Clarissa beschrieb, dass sich bei den Bikern nach dem Peitschen immer drei beim Vögeln ablösten, wobei meistens zwei gleichzeitig mit dem Vögeln beschäftigt waren, und danach dann wieder die Peitsche kam. Dann waren wieder drei Neue dran. So ging das oft über mehrere Stunden, bis sie von allen 20 oder auch mehr Bikern gevögelt worden war. Das war ihr Wochenenderlebnis, das sie nicht missen wollte. Am Wochenende war sie die Braut von allen. Und das wollte sie auch so haben.

Helen machte eine Datei der Namen und Zusammenhänge und dachte, bei diesem Inhalt kommt es nicht mehr auf sprachlichen Schliff an. Hier wurde nur Pornographie transportiert. Ein neuer Name tauchte auf, Ron. Und Clarissa erwähnt auch einen Araber, der im Zusammenhang mit Ron auftrat. Er kam in Begleitung von Richard und Winfried. Mit Ron begann auch eine neue Ära bei den Bikern, das hieß, in diesem Bikerclub. Ron brachte ganz junge Mädchen aus Russland mit, die im größer gewordenen Kreis der Biker als neues Futter eingestreut wurden. Clarissa schrieb, dass es auffällig war, dass die besonders hübschen immer schnell wieder verschwunden waren, wenn der Araber, Adil oder Omar, dagewesen war.

Helen kam nicht lange ins Grübeln. Der Name Adil war neu. An einer Stelle wurde erwähnt, dass er ein Bordell in Budapest betrieb und mit Ron, dem neuen Bikerboss zusammenarbeitete. Clarissa schrieb wörtlich, dass „die Bikergang von einer kriminellen, arabischen Großfamilie“ unterwandert worden sei, denn es seien „noch weitere Libanesen neu im Club. Alle von der gleichen Sippe“. Der Name Omar tauchte inzwischen immer wieder auf. Auch auf den Herkunftsbezeichnungen der Videobänder. Aber Omar war ja ein häufiger arabischer, oder besser, islamischer Name. Omar war doch einer der ersten Kalifen nach Mohammed? Hier tat sich eine neue Spur auf. War es eine Spur zum sogenannten horizontalen Djihad? Wurden hier Frauen für die Prostitution mit den sogenannten Gotteskriegern rekrutiert? Sie nannten diese Form der Prostitution ja „verheiraten.“

Helen fasst zusammen:

Clarissa hatte eine ganz klar ähnliche Vergangenheit hinter sich wie Mandy und lebte ihre Promiskuität ganz aus. Wie kam man immer an derart kaputte Frauen wie der Doktor?

Andererseits, stellte Helen nüchtern fest, musste sie ja ganz zurückhaltend sein. Mit fünf oder sechs hatte ihr Bruder ihr beigebracht, wie sie ihm einen runterzuholen hatte, sie hatte blasen und später seine Kameraden von den „roten Pionieren“ hart wichsen und blasen müssen, die sie dann später im Keller der Tante regelmäßig gevögelt und dabei auch immer das Hintertürchen benutzt hatten. Nur waren diese Jungs in der Pubertät gewesen und keine Erwachsenen. Vom Prinzip war es das Gleiche. Dann las sie, was den Unterschied zu ihrer Biografie ausmachte. Ihr hatte es immer Spaß gemacht. Sie hatte kein Trauma durch diese Ereignisse erlitten, eher das Gegenteil, denn seit dieser Zeit war sie jedenfalls einfach scharf auf alles, was eine Hose anhatte, und hatte immer gleich den Gedanken im Kopf, was wäre wenn.

Völlig emotionslos beschrieb Clarissa, wie sie seit ihrem sechsten Lebensjahr immer zur Mittagszeit, nach der Schule, von ihrem Stiefvater, den sie Vater nannte, missbraucht wurde. Sie beschrieb, wie es begann und wie sehr sie sich daran gewöhnt hatte, als erstes nach der Schule ihrem Stiefvater wohl zu tun und auch lernte, alles zu schlucken. Danach kamen ihre Geschwister von der Schule und es gab Mittagessen. Nach einer Zeit des Eingewöhnens nahm er sie dann auf den Schoß und gewöhnte sie an die Penetration. Mit ihrer ersten Regelblutung, die auch recht früh kam, wurde auf den Analverkehr umgestellt. Helen dachte, genau wie bei Mandy. Sie wussten beide, dass sie dieses Geheimnis niemandem mitteilen durften. Das hatte ihr ihr Stiefvater eingeschärft. Sie hatten ein gemeinsames Geheimnis zu hüten.

Clarissa arbeitete schon in der Klinik, bevor diese von Doktor v. Eynim übernommen wurde. Sie behielt ihren Arbeitsplatz und arbeitete weiterhin in der Klinik mit Dr. von Eynim zusammen.

Es war zunächst die Geschichte des Kennenlernens, aus der sich die Liebesbeziehung zwischen Clarissa und Hagen von Eynim entwickelte. Sie beschrieb auch eine Begebenheit auf dem Münchner Oktoberfest, das sie mit Hagen von Eynim besuchte, als auch Omar mit Winfried, Richard und andere auftauchten. Sie stürzte sich in dieser Nacht in ein spontanes Abenteuer, einen Gangbang mit Italienern auf dem nächtlichen Parkplatz.

Nachdem Helen die Passage mit dem Gangbang auf dem Ferrari fertiggelesen hatte, brauchte sie eine kleine Weile, um sich zu sammeln. Diese Episode war Spitzenpornographie pur. Sie fühlte sich so nass wie Clarissa, die beschrieb, dass sie wie ein Kieslaster tropfte, als sie mit der Gruppe italienischer Burschen zum Ferrari ging, wo der Gangbang stattfinden sollte.

Dann las sie weiter und war gespannt, ob noch etwas zu Richard und Co. gesagt werden würde. Es war angenehm, nicht immer auf Post-its von BH zu stoßen. Ob sie wollte oder nicht. Helen fragte sich, wie stark BH wohl durch diesen Text erregt werden würde, nachdem sie jetzt mit verschleimtem String dasaß.

Sie markierte jetzt ihrerseits Passagen, um BH auf Wichtiges hinzuweisen. Durch diese Überlegungen war sie wieder beim Thema.

Da rief BH an. Auch das noch, dachte sie, ausgerechnet jetzt. Als ob er gemerkt hätte, dass sie über ihn nachdachte.

„Wie sieht es aus?“

„Ich bin völlig fertig von diesen permanenten pornographischen Einzelheiten. Da kann man kaum kalt bei bleiben.“

„Aha, lassen Sie mich raten, Sie sind im gehackten Ordner. Wäre nett, wenn Sie mir die Datei zuspielen könnten.“

 

„Mach ich über meinen USB-Stick. Ich denke da an das Leck. Ich will das nicht über das Intranet machen. Ich hänge Lesezeichen an die delikaten Stellen. Sie werden ihren Spaß damit haben. Das ist wirklich alles rattenscharf. Ich werde aber nicht nur die Pornographie bewerten. Aber die bekommt von mir ein extra Sternchen. Eigentlich müsste man eine Zulage wegen seelischer Grausamkeit für diese Lektüre bekommen“, meinte Helen noch.

„Wieso, kostenlose Pornographie am Arbeitsplatz! Wo gibt es das noch! Aber zur Sache. Lesen Sie in Ruhe weiter. Dieser Richard wird mir immer suspekter. Nachdem Sie mir den Hinweis gegeben hatten, habe ich nochmal nachgelesen. Vielleicht steckt auch Kinderpornographie dahinter. Ich wollte Sie mit meinem Anruf nur aufmuntern, genau zu lesen, und nicht alles in die Pornoecke zu verbannen. Aber Sie haben recht, die Texte von Mandy waren schon beeindruckend.“

„Ja, stimmt, aber diese Texte von Clarissa sind nicht minder scharf. Und Sie glauben es nicht, aber Richard taucht auch wieder auf. Und andere bekannte Namen. Ich komme gleich rüber. Ich will unbedingt Ihr Gesicht sehen, wenn Sie im Dienst pornographische Artikel lesen.“

BH hörte ihren Kommentar nicht mehr, er hatte schon aufgelegt.

Also doch, sagte sie zu sich und testete, bevor sie zu BH ging, ob ihr dünnes Sommerkleidchen einen feuchten Fleck hatte. Sie nahm dazu ihren Handspiegel aus der Handtasche. Es war nichts. Es war einfach nur das Gefühl ihrer feuchten Erregung.

Sie zog den Scan von Clarissas Tagebüchern auf ihren USB-Stick, auch die Zeichnungen, die sie auch noch nicht alle gesehen hatte, und ging zu BH. BH war am Telefon. Ein Ferngespräch mit der ungarischen Polizei, wie sie mitbekam. BH hatte schon einen Ordner vorbereitet und machte Helen ein Zeichen, es in diesen Ordner zu spielen, den er schon aufgemacht hatte. Helen hatte in aller Eile noch einige Lesezeichen an die wichtigen Passagen gesetzt.

Aha, BH hatte einen separaten Ordner für Dateien von außerhalb angelegt. Clever, dachte Helen. Sie hatte aber dafür ihren privaten Rechner. BH war knauserig, das war bekannt.

Eine knappe Stunde später rief er wieder an.

„Rate mal, welche Passage mir gerade besonders gefällt.“

„Gangbang mit italienischen Migranten hinter der Ochsenbraterei, Festzelt 13, auf dem Ferrari! Stimmt`s?“

„Treffer, du hattest recht, rattenscharf. Man muss schon richtig durchatmen beim Lesen. Das geht richtig in die Hüfte. Unglaublich, wie diese Frau diesen Gangbang beschreibt.“

Aha, dachte Helen, so nennt man das vornehm als Polizeioffizier im Dienst, in die Hüfte. Eigentlich meinte er sicher die Etage tiefer. Sie hatte geglaubt, das gehe direkt auf die Eier und die Hose spanne gewaltig. Aber er war wieder beim Du. Laut sagte sie: „Ich kenne keine Texte in der Literatur, die dieses Thema in dieser Direktheit so gekonnt formulieren. Ich kenne überwiegend Texte, die andeuten.“

„Das stimmt“, meinte BH, „wenngleich ich in dieser Literatur nicht so bewandert bin. Welches Buch meinst du?“

„Zum Beispiel Opus Pistorum von Henry Miller Es gibt noch weitere Literatur.“

„Hab davon gehört, jedoch nicht gelesen.“

„Macht nichts, mit unserem Fall schließen Sie so manche Bildungslücke.“

„Woher wissen Sie das mit Festzelt 13? Waren Sie schon auf dem Oktoberfest?

„Nein, und auch noch nicht auf einem Ferrari hinterm Festzelt 13. Ich weiß also nicht, wie sich das anfühlt, was Clarissa da erlebt hat“, sagte sie grinsend. „Jedenfalls nicht, wenn ein Ferrari die Unterlage ist.“

„Sonst schon?“

„Klar! Ich bin ja nicht mehr dreizehn.“

„Wahnsinn. Was bin ich für ein Waisenknabe. Und das Festzelt?“

„Ich habe einfach gegoogelt! Da erfährt man manches. Übrigens, die Geschichte mit der Anmache an den Damentoiletten habe ich schon von anderer Seite gehört und kenne es selbst.“

„Ich bin noch verabredet, Helen, halten Sie mich weiter auf dem Laufenden, insbesondere mit Onkel Richard und diesem ominösen Omar! Seien Sie im Übrigen bitte vorsichtig. Ich möchte nicht hören, dass Ihnen etwas passiert ist.“

BH hatte aufgelegt. Helen war irritiert. Hatte BH etwas mitbekommen? Hatte sie ihm etwa versehentlich auch den Drohbrief gemailt? Oder erinnerte er sich an die Geschichte von letztem Jahr? Wahrscheinlich war es das. Sie hatte ihn ja daran erinnert. Aber die Konversation wurde gelegentlich doch sehr locker. Ein ganz neuer BH. Nannte sich einen Waisenknaben!

Uschi Steinmüller

Die Lektüre zu Uschi beschränkte sich auf die Informationen, die in den Akten aus Ungarn zu finden waren, und auf das, was sie eben in Clarissas Tagebuch gelesen hatte.

Unter dem Briefkopf - Ursula Steinmüller - stand mit Schreibmaschine geschrieben:

„Hiermit überlasse ich Herrn Dr. med. Hagen von Eynim den Geländewagen GW 300, zur freien Verfügung. Der Wagen ist Vollkasko versichert. Versicherungen und Zulassung bleiben bei Ursula Steinmüller. Die Versicherung ist über die Überlassung informiert und hat die Police entsprechend aufgestockt. Kopie des Schreibens an die Versicherung liegt anbei.

Gez.: U. Steinmüller.

In Kopie waren beigefügt die Papiere von DB und die Zulassungsnummer.

Helen wusste, dass sie an diesem Punkt noch etwas nachhaken musste bei der Befragung des Dr. von Eynim und Uschi Steinmüller.

Am Ende der kompletten Lektüre war es gegen Morgen. Helen war todmüde und dennoch ziemlich aufgedreht. Eine Lärche als Eule. Die Lektüre bot Helen den

Hinweis auf durchaus unterschiedliche Motivationen für das Verbrechen: Die Porno-Szene, Machtkämpfe im Bordellbereich, Organhandel, auf Drogen bisher kein sicherer Hinweis, ebenso bisher auch nicht von Diamantenschmuggel, wenngleich Doreen ja als Kurier eingesetzt worden war, zumal sie von Ost nach West ebenso unterwegs waren wie umgekehrt. Sie war operiert worden mit dem unterstellten Ziel, in dem neu geschaffenen Reservoir insgesamt bis zu vier Liter zu transportieren. BH war sich bezüglich der Möglichkeit eines Einsatzes als Drogenkurier noch nicht sicher. Die beteiligten Personen waren zu unterschiedlich engagiert. Eine Hauptmotivation war nicht erkennbar. Es war für Helen ein Konglomerat vielfältiger Motive. Ein Gemischtwarenladen kriminellen Engagements. Die Analyse der unterschiedlichen Motivationen war ein Grund des Auftrags. Damit war auch die Analyse der kriminellen Energie eingeschlossen. Bezüglich der OP an Doreen musste es aber eine starke Motivation geben. Eine, die mehr Geld brachte pro Jahr als eine Vermarktung im Bordell.

Die erste Frage war, dachte Helen, was haben wir, die zweite Frage, was brauchen wir an weiteren Informationen.

Das „Was haben wir“ lag im grauen Postkasten und auf Helens Schreibtisch, bis auf das Material, das BH an sich genommen hatte. Helen dachte an die Pornos, die sie schon früher mit ihrem Freund aus dem Internet heruntergeladen hatte. Da waren schon sehr heiße Streifen dabei gewesen, da gab es sehr anregende Sequenzen. Zwar waren alle irgendwie ähnlich, um das Rein-Raus ging es immer, dennoch hatten sie deutlich variierende und stimulierende Impulse. Doch das hier bedeutete eine neue Qualität, ging eine deutliche Spur weiter.

Das Sexvideo, das sie von Annegret erhalten hatte, brachte eine weitere Komponente der Sexspiele ein. Lust bei erzwungenem Sex. Da fiel ihr wieder ein, dass sie eine Idee im Zusammenhang mit dem Pornovideo gehabt hatte und nicht mehr wusste, welcher Gedanke sie in Anspruch nahm. Und dann war da das Snuff-Video, das BH Helen am gestrigen Nachmittag gezeigt hatte und dessen Inhalt Helen zusammengefasst hatte, aber nicht vergessen konnte.

Helen legte in ihrem Laptop eine Datei für die Dokumentenliste, eine Personenliste und eine Liste mit der Zuordnung von Personen- und Dokumentenliste an. Schließlich fügte sie noch die Lokalitäten und Zeiten hinzu. Damit waren die Beziehungen von Personen, Zeit und Raum miteinander verknüpft und jederzeit darstellbar. Raul hatte ihr ein Programm gegeben, das Verknüpfungen erkennen konnte. Daraus ergab sich plötzlich ein graphisch darstellbares Netzwerk der tatsächlichen Beziehungen. Es war aber auch eine möglicherweise unübersichtliche Flut von Informationen. So war erkennbar, dass zum Beispiel Manuelas Freund Georg eigentlich auch Maric und den DOM kennen musste und über Ruth auch mit Maric Geschäfte mit Manuelas Körper gemacht hatte. Manuela ihrerseits hatte mit Doreen im Pflegebereich zusammengearbeitet. Manuela kannte Mandy. Nach Durchsicht von Manuelas Briefen war ersichtlich geworden, dass Mandy und Doreen auch in der Peepshow im Hinterhof neben Manuelas Wohnung gearbeitet hatten. Diese und andere Kombinationen konnte Helen durch ihre Verknüpfungsstrategie nachweisen. Aber es ergaben sich auch völlig überflüssige und sinnlose, eher verwirrende Kombinationen, die neue Denkarbeit erforderlich machten.

Wenn sich Helen und BH am Mittwochnachmittag treffen würden, war die große Runde längst abgeblasen, ja gar nicht erst angeregt. Die „SOKO Haut“ blieb auf BH und Helen begrenzt und hatte externe Mitarbeiter, die nicht in die innerpolizeiliche Korruption verwickelt waren.

Helen hatte mit Raul schon verabredet, die Pornos aufzuarbeiten. BH wollte sich um die Sicherstellung der Finanzierung kümmern. Raul hatte schon angefangen, nach einem Programm zu suchen, mit dem er die Pornostreifen über ein spezielles Analyseprogramm nach speziellen Begriffen und biometrischen Daten der von ihm vorgegebenen, bekannten Gesichter und Körper durchforsten konnte. Diese Beispielgesichter und - körper würden dann heute Abend durch die Zielpersonen ersetzt werden.

Mittwoch, 25. Mai 2011

Raul

Es war der dritte Tag, an dem sich Helen mit dem Hardcore-Porno-Thema beschäftigen musste. Es war wieder ein fürchterlich heißer Tag. Heute sollte der Saunaabend ablaufen. Das war wenigstens eine Perspektive.

Sie war etwas früher aufgestanden, um noch ein paar Maßnahmen für den Saunaabend in Ruhe vor dem Dienstbeginn zu erledigen. Dazu gehörten die äußerst sogfältige Rasur der Achseln und das perfekte Enthaaren im Schritt. Fürs Waxen war die Zeit zu knapp. Aber auch mit der Klinge und der Pinzette befreite sie ihre Schamlippen von jedem vorwitzigen Härchen. Rund um ihre makellose Rosette hatte sie noch nie ein einziges Härchen gehabt, das beseitigt werden musste.

Heute trug sie ihre rote „Alarmbluse“, wie Moneypenny sie nannte, und machte wegen der Hitze einen weiteren Knopf auf. Es würde ja dunkel sein bei der Filmpräsentation. Außerdem dachte sie noch an BHs warme Hand auf ihrem Schenkel am Montag. Vielleicht war wieder so eine Anwandlung fällig. Dann würde ihr sicher wieder richtig warm werden. Dann war der offene Knopf angemessen. Diesmal würde BH auf ihre Haut treffen. Es kribbelte gewaltig bei diesem Gedanken. Über der Bluse trug sie eine leichte, weiße Kostümjacke, die sie ausziehen würde. Ihr weißer Rock war kurz und glockig mit roten Mohnblumen, die zum Rot der Bluse passten, schmaler roter Ledergürtel und rote High Heels, mit denen sie fast so groß war wie BH. Ein lockerer Steg hielt sie an der Ferse. Darunter ihr hautfarbener String, ein Nichts von Textil, und ein hautfarbener Push-Up-BH, der die Nippel schonte bzw. frei ließ. Ein Push-Up war eigentlich überflüssig, aber sie fühlte sich auf diese Weise etwas angezogener und dachte, dass sie für BH die Nippel durch die Bluse piksten lassen wollte.

Am frühen Nachmittag bat Borhagen Helen zu sich, um ihr die weiteren Filme zu zeigen.

Sie nahm wieder am bekannten Ort Platz. Linker Stuhl. Wie immer war BH noch am Telefon. Sie hatte die von Guido Crepax gezeichnete Geschichte der O dabei. Sie hatte das Buch ein wenig manipuliert. Beim unbefangenen Blättern würden gleich die Seiten mit besonders drastischen Zeichnungen aufgehen.

Diesmal hatte sich Helen einen Becher Kaffee mitgebracht und auch an BH gedacht, der allerdings viel Milch und Zucker brauchte. Diese Zutaten hatte sie am Kaffeeautomaten in ihrer leichten Sommerkostümjacke verstaut. Das Buch hatte sie unter den Arm geklemmt und ließ es gekonnt auf seinen Sitz fallen. Die Zutaten für den Kaffee holte sie jetzt aus der Tasche ihrer Kostümjacke und legte sie neben den Pappbecher. Dann hängte sie ihre Kostümjacke über ihre Stuhllehne.

„Danke“, sagte BH, kippte Milch und Zucker dazu und verkleckerte beim Umrühren den Kaffee auf seinem Schreibtisch.

„Egal, mach ich später sauber.“

Helen stand auf und dachte, ich bin im falschen Film. BH hatte zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, Jeans an. Er hatte auf ihren Vorschlag reagiert. Mit ihrer Aufmachung war sie völlig overdressed. Sie holte einen flachen Stapel Papierservietten aus dem Vorzimmer. Moneypenny grinste und meinte: „Schon wieder? Ich bin dann mal weg. Zahnarzttermin.“

 

„Wie, du lässt uns jetzt hier alleine?“

„Ja, das hat dir doch noch nie etwas ausgemacht!“

„Stimmt. Aber das Thema ist jetzt doch sehr anregend und du weißt, was am Montag gelaufen ist. Es hat sich etwas geändert.“

„Weiß ich, aber rührte sich da auch was?“

„Glaub schon. Jedenfalls optisch. Ich habe nicht nachgetastet, falls du so etwas meinst. Vorgestern war seine Hand immerhin schon auf meiner Hose. Und ich bin nicht blind, auch wenn eine Anzugshose etwas weiter geschnitten ist.“

„Wenn du so etwas merkst und auch noch siehst, dann hättest du aber heute keine direkte Kampfbereitschaft signalisieren dürfen, es sei denn…“, meinte Moneypenny mit Blick auf ihren schenkelumspielenden Rocksaum und grinste unverschämt breit. „Dein Unterrock blitzt auch an einigen Stellen sehr reizvoll.“

„Ist kein Unterrock. Nur ein raffinierter Saum.“

Sie kam näher und flüsterte ihr ins Ohr: „Wenn ich ein Mann wäre, würde ich mich auch an dir vergreifen. Ich könnte es kaum erwarten, über dich herzufallen. Übrigens, ein kleiner Hinweis, der Chef hat wohl sehr bewusst sein Outfit geändert. Jeans und Polohemd. Das hast du ja wohl gesehen. Hast du auch gesehen, in den Jeans hat er einen richtig knackigen Hintern. Jetzt sieht man etwas von ihm. Und: Seine Frau ist endgültig ausgezogen, sicher. Er ist wohl somit endgültig wieder ohne weibliche Betreuung.“

Helen verriet mit keiner Miene, dass sie den Vorschlag in punkto Jeans gemacht hatte.

„Erinnerst du dich noch an die Gartenparty vom Chef vor zwei Jahren, Helen?“

„Nein, was war da so besonders?“

„Du erinnerst dich tatsächlich nicht?“

„Na, erzähl schon, wenn du es für so wichtig hältst.“

„Also, Helen, ich stand ja nur zufällig daneben, als BHs Frau dich anfunkelte, weil du ja angeblich die neue Flamme ihres Mannes sein warst.“

„Ach das. Das habe ich längst vergessen.“

„Tja, Helen, sie scheinbar nicht. Sie soll extrem eifersüchtig auf dich gewesen sein. Für sie bist du in ihrer verwirrten Phantasie langsam von der Ziehtochter zur Geliebten ihres Mannes geworden.“

„Das sagst du mir jetzt!“

„Ja. Der Ring ist ja jetzt frei. Sie ist ausgezogen. Er trägt auch keinen Ring mehr.“

„Na und? Habe das schon am Montag bemerkt.“

„Und noch etwas, Helen. Das hübsche Foto von dir, das vom letzten Jahr, du weißt schon, das mit dem direkten Blick auf deine zwölf, das liegt seit einiger Zeit in seiner Schreibtischschublade obenauf. Außerdem hat er mich gefragt, ob du noch solo bist seit letztem Jahr, nachdem dein Freund ausgezogen ist.“

„Wie?“ Helen tat, als ob BH ihr diese Frage nicht gestellt hätte. Alles musste Moneypenny auch nicht wissen.

„Ja. Du weißt ja, eine gute Sekretärin muss alles wissen und sich um vieles kümmern.“

„Leck mich am Arsch“, entfuhr es Helen. „Das sagst du mir jetzt. Das sind ganz neue Züge an ihm.“

„Stimmt. Aber glaub mir, BH bleibt weiter korrekt. Auch wenn seine Hand mal kurz auf deinem Schenkel war. Er kann nicht anders. Andererseits reizt dein Röckchen schon. Mehr als etwas fummeln wird er nicht. Aber glaube mir wirklich, BH ist von der „Alten Schule“ und gut erzogen. Falls er mehr zugreift, Helen, hat das mehr Qualität als das Hecheln deiner übrigen Kollegen oder gar Deos. Und BH ist wieder frei. Seine Frau ist weg.“

„Du würdest am liebsten morgen hören, dass er mich auf seinem Schreibtisch gevögelt hat, stimmt’s Moneypenny?“

„Ja, doch. BH hält große Stücke auf dich.“

„Kannst du nicht noch mehr ins Detail gehen? Was weißt du diesbezüglich noch?“

„Ob er so ein Bild von dir auch zu Hause hat, sozusagen als Vorlage? Er riecht jedenfalls zum ersten Mal nach Mann. Du wirst es nachher auch merken.“

„Mann-o-mann, ich ahnte noch nicht, wie direkt du sein kannst, Moneypenny.“

„Manchmal muss man das sein. Ich habe dir gesagt, er ist wieder solo, definitiv. Schnapp ihn dir. Ich muss jetzt los und ihr müsst euch um euch selber kümmern.“

„Ja“, sagte Helen „und viel Vergnügen.“

„Dir auch. Ich werde ja nachher sehen, ob was mit dir passiert ist.“ Moneypenny grinste wieder schief.

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