Helen und die Häute der Frauen - Erster Teil: SOKO Haut

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Klar, dachte Helen und fasste zusammen, dass im Folgenden überwiegend sexuelle Handlungen aller Art unter volljährigen Menschen beschrieben wurden. Sie hatte kaum beschlossen, alles Kommende jetzt ziemlich abzukürzen, da tauchte der Name Dragan als DOM im Club auf. Wieder ein Zettel von Borhagen: „Dieser Name taucht auch bei Mandy auf. Ist es eventuell der Gleiche?“ Helen dachte, ich war nicht dabei, aber von Dragan würde ich mich auch vögeln lassen, nach den Beschreibungen von Mandy. Das sollte sie BH aber besser verschweigen.

Und dann kam der Text von Manuela, in dem sie den Beginn ihrer Beziehung zum Chateau beschrieb. Reine Pornographie eigentlich, aber so beschrieben, als habe man es immer schon so gelesen. Nicht ohne Faszination stellte Helen fest, dass zwar schon andere, bekannte Schriftsteller die Inbesitznahme des weiblichen Hinterns, überwiegend aus männlicher Sicht, drastisch beschrieben hatten. Jeder auf seine Weise und immer wieder anders. Dort reihte sich auch Manuela ein und lieferte die Beschreibung der Penetration des weiblichen Arsches aus ihrer Sicht bzw. nach ihrem Gefühl. Sie konnte sich dabei ja nicht sehen. Sie hatte sicher die Augen geschlossen, als sie penetriert wurde, ganz im Gegensatz zu dem, der es tat. Faszinierend diese gänzlich unterschiedlichen Wahrnehmungen. Kürzlich erst hatte Helen ein Buch gelesen, in dem Szenen in einem Swinger-Club beschrieben wurden. Ihr fiel der Name nicht ein, flämisch oder so. Jedenfalls hatte die hinhaltende Swingerin keine Kontrolle mehr über die Häufigkeit und Qualität der analen Penetrationen. Nahezu jeder, der vorbeikam, schob seinen Schwanz bei ihr rein und arbeitete sich ab. So erging es auch Manuela. Manuela schrieb weiter vom ersten Besuch im Chateau:

Das wirklich Berauschende waren die schnell wiederkehrenden Orgasmen, die ich auf diese Weise erlebte und die mich süchtig machten. Das war dann auch die Triebfeder für mich, weiter zu machen, nachdem ich gleich als erste Handlung dramatisch ausgepeitscht und anschließend sensationell gevögelt worden war. Meine natürliche Geilheit wurde dadurch nicht nur befriedigt, sondern auch noch verstärkt. Hinzu kam, das wurde mir später klar, dass die Männer, die ich dort erlebte, deutlich stärker gebaut waren als Georg. Das war eine sehr erfreuliche Überraschung. Ich hatte also ein besonderes Erlebnis. Ich hatte dazugewonnen. Seit dem ersten anonymen Sex hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben den absolut unwiderstehlichen Drang ihre Eier und Penisse, ihre Erektionen mit Mund und Händen zu spüren. Endlich konnte ich mich diesen wunderbaren Körperteilen hemmungslos widmen. Ich wollte sie in meinem Mund zur Erfüllung bringen, ihr Sperma genießen. Ständig harte und stabile Erektionen zu erleben, war wie eine Offenbarung. Im Sandwich zwischen ihnen gefangen zu sein, war ein Höhepunkt. Georg ahnte nicht, dass er mir geheime Wünsche erfüllte.“

Nach dieser Lektüre muss Helen tief Luft holen. Ihr war mehr als nur etwas warm geworden. Sie fand, dass das alles sehr anregend geschrieben war. Fast zu anregend.

An dieser Stelle klebte auch ein weiterer Post-it von BH. Er musste diese Passage sicher ebenso angeregt gelesen haben wie sie selbst:

„Sehr anregend!? Aber wer ist dieser DOM? Maric wird erwähnt und ein Chateau d‘Au. Bitte abklären.“

Helen war jetzt ziemlich klar, dass sie vorhatte, sich in genau das eben beschriebene Chateau d‘Au zu begeben. Und sie hatte schon Kontakt mit Frau Ruth Sonne aufgenommen, die Manuela, gegen kleine Jungs für ihren Freund Georg, in Zahlung genommen hatte.

Helen resümierte und sagte sich, dass diese ganze Pornographie ja für die Lösung des Falles nicht in jedem Detail hilfreich war. Wer wollte, konnte es ja selber in der gesonderten Datei nachlesen.

Manuela beschrieb, dass sie ihrem DOM sehr schnell hörig wurde und der erste Schritt dorthin schon bei der ersten Fahrt ins Chateau erfolgte. Damals verlangte er im Auto und im Beisein von Georg, dass sie sich auszuziehen habe, woraufhin er ihr dann den Analplug und den Dildo platzierte und festband und ihr die Fesseln anlegte und dabei die Hände auf den Rücken band. Sie beschrieb das Prozedere aufregend genau. Wie sie seine Wärme und seinen Atem spürte und seine Finger in ihrem Schritt. Die Dominanz des DOMs war dabei so überzeugend und einfordernd, dass Manuela von diesem Moment an sich ihm vollständig unterwarf und Georg kaum noch wahrnahm. Hinzu kam, dass er sie gleich im Anschluss an die Fahrt im Chateau erniedrigte, auspeitschte und von seiner sexuellen Potenz vollständig überzeugte. Diesen ersten, überwältigenden Orgasmus mit ihm nach dem Peitschen würde sie nie wieder vergessen. Sie beschrieb, dass es nicht nur ein normaler Orgasmus war, sondern ein total überwältigender. Sie spürte, wie sie selber abspritzte. Sie dachte, sie würde wahnsinnig werden. Solch einen Orgasmus hatte sie noch nicht erlebt. Später gewann eine Erkenntnis bei Manuela Raum. Sie wusste plötzlich, welche Person sich hinter ihrem DOM verbarg. Und sie wusste, dass er schon andere junge Mädchen von sich abhängig gemacht und in die Prostitution geführt hatte. Aber diese Warnung war für sie ohne Relevanz, da sie ihm schon verfallen war. Sie verstand, dass sein wichtigstes Argument sein beeindruckender Körper und sein stabiler, mächtiger Penis waren.

Helen bekam bei dem Gedanken, selber an diesen DOM zu geraten und die gleichen Manipulationen wie Manuela zu erleben, weiche Knie. Auch sie fand, dass ein stabiler, mächtiger Penis ein bedeutendes Argument war, überhaupt keine Frage. Vielleicht sogar das wichtigste. Jedenfalls in diesem Kontext. Ja, sie wollte es auch erleben. Sie wollte diesen Schritt über diese Grenze wagen. Plötzlich war wieder das Gefühl von BHs Hand auf ihrem Schenkel da und sie konnte sich nicht dagegen wehren, dass sie sich Gedanken über BHs Männlichkeit machte. Ganz konkret dachte sie über die Möglichkeit nach, ihm die Hose zu öffnen und zu erleben, wie erregt er war und wie sehr sie ihn weiter erregen konnte. Die Bilder vermischten sich. BH als Dragan.

Die intensive Beschreibung von Dragans Männlichkeit hatte sie ziemlich erregt. Ihr wurde heiß bei dem Gedanken, von Dragan auf die gleiche Weise wie Manuela im Chateau eigeführt und gevögelt zu werden. Dies ist kein Roman, sagte sich Helen, dies ist alles Realität.

Manuela beschrieb doch tatsächlich dem Doktor, ihrem „geliebten Herzblatt“, wie sie Dragans Gehänge knetete, bis er in ihren Mund ejakulierte und dabei zuckte und tief in ihren Hals stieß, und sie sein Sperma mit Genuss schluckte, während er ihren Kopf wie in einem Schraubstock hielt und auf seinen Schaft drückte. Sie beschrieb, wie sich alles in ihrem Mund ausbreitete, und sie vom Duft und Geschmack seines Spermas völlig betäubt war und danach regelrecht süchtig wurde.

Helen dachte, habe ich nicht vorhin noch darüber sinniert, wie überwältigend dieses Erlebnis vor drei Wochen in der Sauna war, die Eier der Burschen in den Händen zu halten und die Eichel und ihren Samenerguss im Mund zu erleben? Manuela beschrieb es genauso. Also war sie nicht alleine mit ihrer Lust und Lustempfindung. Auch Manuela erlebte die Lust mit Mund und Händen. So würde es den meisten Frauen gehen. Nur konnten die wenigsten darüber reden. Faszinierend, dachte Helen, wie Manuela die Lust der sexuellen Unterwerfung schildert. Das Lusterlebnis, von mehreren Männern, wie beim Sandwich, gleichzeitig überwältigt und ausgefüllt zu werden, das sah man gelegentlich in Pornofilmen, aber es wurde selten verbalisiert. Manuela beschrieb es. Und sie beschrieb die Lustempfindung beim Gangbang, wenn sich die Männer ohne Pause an ihr abwechselten, ihre Brüste, ihren Körper durchkneteten und sie von einem Orgasmus zum nächsten getrieben wurde. Wow!

Belebende und betörende Getränke und Speisen halfen bei der Schmerzbewältigung bei den BDSM-Spielen und beim Peitschen, und trieben Manuelas Stimmung und Lust weiter an. Ihr Erdulden stimulierender Manipulationen kannte keine Grenzen. Besondere Höhepunkte erlebte sie schließlich auch durch Maric, der ihr eine noch intensivere Stufe der sexuellen Erfüllung bot. Manuela philosophierte über die Gründe und kam zum Ergebnis, dass neben seiner körperlichen Ausstattung und Standfestigkeit auch seine Technik in der Beherrschung des weiblichen Körpers, gepaart mit einer keinen Widerspruch duldenden Brutalität, ausschlaggebend war. Er war scheinbar ein kompletter Liebhaber. Körperlich, intellektuell und emotional eben gut ausgestattet.

BH hatte wieder ein Post-it angehängt: „Wieder Drogen?? Klar Drogen!! Solche Exzesse sind ohne nicht denkbar.“

Nachdem Helen die Lektüre dieser Briefe beendet hatte, dachte sie darüber nach, ob man diese Texte nicht einem Verlag anbieten sollte, der sich auf Pornographie verstand und über Spezialisten verfügte, die das eine oder andere Detail noch ausarbeiten konnten. Spezialisten mit erweitertem Wortschatz, die eben noch mehr als Vögeln und Ficken auf Lager hatten.

Sie rief Raul an und erklärte ihm, was sie vorhatte.

Raul sagte: „Scharf warst du immer schon, aber die Geschichte dieser Frauen macht dich noch schärfer. Diese Geschichten machen dich richtig an, wie mir scheint.“

Helen antwortete: „Hier hast du recht, Raul, das sind aber auch Texte, die es in sich haben.“

„Helen, du machst mir ernsthaft Sorgen. Kann es sein, dass deine Außenwirkung im Moment so erotisierend ist, dass du solche anonymen Ankündigungen, wie du sie mir geschickt hast, provozierst?“

„Du meinst, meine Pheromone ziehen durch die Gänge des Institutes und machen die Männer so spitz, dass sie mir solche Ankündigungen schicken müssen?“

„War nur so eine Idee.“

„Müsstest du doch auch schon gemerkt haben“, meinte Helen und dachte, dass er eigentlich Recht hatte, sonst würde es sie ja nicht so dringend ins Chateau ziehen.

 

„Hast du abgewiesene Liebhaber, von denen ich noch nichts weiß?“

„Weißt du doch wohl. Ex-Freund Peter, den ich vor etwa einem Jahr rausgeschmissen habe. Der Schießtrainer, der mich schon am Busen gegrabscht hat. Nicht nur gegrabscht. Der hat ja richtig hart zugegriffen. So hart, wie es sonst nur beim Liebespiel passiert.“

„Hast du deinem Chef von diesem Drohbrief erzählt?“

„Hätte ich sollen. Wollte es. Ich habe diese neue Drohung aber verschwiegen. Nur du weißt davon. Ich habe den Zettel aber gesichert. Die Akten sind ja auch gefilzt worden. Das habe ich meinem Chef allerdings erzählt. Die Spurensicherung war schon da.“

„Ihr habt da auch noch ein weiteres, internes Problem.“

„Genau, das haben wir. Und es sind auch schon das BKA und der BND eingeschaltet worden. Jetzt aber ernsthaft, man sollte diese Texte der Frauen publizieren. Was hältst du davon?“

„Muss ich mir Gedanken machen. Ich melde mich später, Helen.“

Wenn Raul keine Idee zur Vermarktung dieser Texte hatte, würde sie sich darum kümmern. Solche geilen Texte durften nicht verloren gehen.

Sie überlegte weiter, welche Aufgaben sie an Stefan delegieren konnte. Stefan durfte auf keinen Fall diese Texte zu lesen bekommen. Nachdem er sie schon so ungeniert angestarrt und gemustert hatte, wollte sie ihm überhaupt gar keinen Einblick in den Kriminalfall geben. Sollte sie von Chefseite auch nicht. Nur lästige und zeitaufwändige Recherchen, die nicht minder wichtig waren, sollte er durchführen. Helen hatte noch voller Zorn seine ungezogenen, aufdringlichen Blicke, mit denen er sie förmlich auszogen hatte, vor Augen, hatte seine Blicke regelrecht auf ihrer Haut gespürt. Sie hatte auch vor Augen, wie seine Blicke wanderten. Erst über sie, dann zum Schreibtisch. Sie wollte sich nicht ausmalen, was diesem Stefan dabei durch den Kopf gegangen war. Sie konnte es sich denken und wurde bei dieser Vorstellung noch ärgerlicher. Ein Blick in den Spiegel zeigte ihr, dass ihre Nippel tatsächlich durch diese Bluse piksten. Zusammen mit ihrer guten Oberweite war das durchaus ein Hingucker. Sie würde sich in Zukunft noch sorgfältiger kleiden müssen. Schlimm genug, dass man auf den Testosteronspiegel mancher Männer achten musste. Dass er eine Beziehung zum vermuteten Leck oder gar zu der Androhung und dem Durchstöbern der Akten haben könnte, hatte BH durch seine Empfehlung quasi ausgeschlossen. Sicher war das jedoch keineswegs.

Egal, Stefan war ihr nach dieser Blickattacke mehr als unsympathisch, obwohl er eine Figur hatte, die sie zunächst zu mehr angeregt hatte, und er auch nicht gerade hässlich aussah. Sie hatte ja sogar schon daran gedacht, dass sie mehr mit ihm anfangen könnte. Aber wie dem auch sei, sie brauchte einen Helfer, der grobe Arbeiten verrichten konnte.

Helen schossen so viele Gedanken durch den Kopf, dass es zeitweise schwer fiel, eine Struktur in diesen Fluss zu bekommen. Mal waren es Passagen aus den Briefen von Manuela, mal Passagen aus Mandys Tagebuch. Die komplizierten OP-Techniken beschäftigten sie. Waren sie ein Schlüssel zum Verständnis der Vorgänge?

Hagen von Eynim selber hatte einige Male mit Maric in Budapest operiert. Das wiederum bedeutete, sie kannten sich auf medizinischem Sektor sehr gut und arbeiteten zusammen. Mandy und Manuela schrieben immer wieder, dass er mit Maric neue minimalinvasive OP-Techniken ausprobiert hatte. Insbesondere Brustaufbau und Operationen im Bauchraum.

Helen dachte, er hat wohl lange experimentiert, um die Scheidenvergrößerung minimalinvasiv hinzubekommen. Und die diente dem Drogentransport, ganz klar. Diese Operation war wohl schwierig. Ist Mandy daran gestorben und wurde dann gewinnbringend ausgeschlachtet? Möglich oder sogar wahrscheinlich.

Helen googelte nach Operationstechniken im Bauchraum von Frauen. Danach wusste sie, dass zuerst der Uterus raus musste, um Platz zu schaffen. Der hatte bei Mandy auch gefehlt. An den Scheidenstumpf konnte man dann ein Stück Darm als Stumpf annähen, um den Stauraum für den Drogentransport zu bekommen. Sie googelte weiter nach den Preisen und kam zum Schluss, dass Kokain von West nach Ost und Heroin von Ost nach West geliefert wurde. Das Heroin kam aus Afghanistan, obwohl die USA und die Nato im Lande waren. Das Kokain kam aus Südamerika und war für die Russen bestimmt oder andere, z.B. die Nato-Truppen in Afghanistan. Auf einer Reise hin und her transportierte jede Frau, die wie Doreen umgebaut worden war, Drogen im Wert von einer Million Euro oder mehr.

Helen beschloss, diese Überlegung baldmöglichst mit BH zu erörtern. Vielleicht war ja was dran.

Zum Schluss erwähnte Mandy beiläufig, eher resignierend, das Verschwinden von Doreen auf einer Reise nach Ungarn. Sie hatte wohl einen Verdacht, denn sie suchte Doreens Spind im Pflegeheim auf. Doch dieser war geöffnet worden und leer. Es gab keine Spur mehr von Doreen. Maric war seltsam unbeteiligt. Mandy schob das auf seine östliche Mentalität. Dennoch erstattete Mandy eine Vermisstenanzeige, die jedoch zu nichts führte. Mandy erwähnte noch, dass sie bei der Polizei nachgefragt hatte, ob ihre Anzeige weiter bearbeitet worden sei. Nach einigem hin und her erfuhr sie, dass niemand etwas von einer Anzeige wusste. Mandy hatte den Durchschlag ihrer Anzeige dabei. Man bat sie, die Kopie zur Überprüfung abzugeben. Als sie wieder nachfragte, war auch diese Kopie verschwunden und niemand konnte sich erinnern. Da war ihr klar, dass Doreen eben einfach in dem sie beide umgebenden Sumpf verloren gegangen war und ein weiteres Nachfragen auch für sie gefährlich werden konnte. Mandy war stark verunsichert gewesen und brachte dies zum Ausdruck in diesen Notizen.

Helen beschloss, Stefan zu beauftragen, Mandys Vermisstenanzeige zu überprüfen. Es musste ja wohl einen Vorgang geben, falls Mandys Bericht stimmte. Auch musste man nochmal bezüglich der DNA an der Zigarre in Mandys Leiche nachhaken. Da war doch etwas sehr faul. Vielleicht war das ja sogar ein Hinweis auf das Leck.

Als Helen mit dem „Porno“, wie sie diese Berichte nannte, fertig war, brauchte sie eine Pause, um Abstand zu gewinnen. Wenn ich Raucher wäre, dachte sie, würde ich jetzt eine oder zwei Zigaretten rauchen. Oder auch drei.

Sie holte sich einen Becher Kaffee aus dem Automaten. BH war auch da, um sich Kaffee zu holen. Aha, dachte sie, inspirierende Kommunikation à la Steve Jobs zur Verbesserung der Gruppenintelligenz am Kaffeeautomaten oder auf dem Weg zur Toilette.

„Na, wie kommen Sie voran, Helen“, fragte er.

„Was soll ich dazu sagen. Bin eben mit dem Bericht von Mandy und Manuela durch. Diese Pornographie kann man ja kaum ertragen, geschweige denn wiedergeben, aber das habe ich wohl schon kommuniziert.“

„Eben, deshalb bleibt alles erst einmal auf unseren Schreibtischen. Genau wie bei unserer laufenden Dokumentation. Beim letzten Fall, „Weißes Fleisch“, war es ja ähnlich“, meinte BH.

„Ja, prinzipiell schon, aber hier wird alles ausformuliert. Beide Frauen scheinen Spaß an deutlichen Beschreibungen zu haben. Man läuft Gefahr, beim Lesen das Wesentliche zu übersehen. Teilweise sehr gute Formulierungen, was die sexuellen Empfindungen und Wünsche der Frauen anbelangt.“

„Sie finden, dass die erotischen Lüste und Wünsche gut getroffen sind?“

„Ja, durchaus. Mir wurde jedenfalls zwischendurch schon mal ganz anders.“

„Ist sehr interessant zu lesen, was Frauen am männlichen Körper so lustvoll empfinden. Männer gehen ja von einer anderen Stoßrichtung aus.“

Helen lachte laut auf. „In der Tat. So kann man sagen. Das trifft ganz besonders auf bestimmte Stellungen beim Verkehr zu.“

„Pardon, so wollte ich es eigentlich nicht gesagt haben. Kommt aber der Sache nahe.“

„Extrem nahe. Ist schon so. Immer wieder beschreiben die Frauen das sehnliche Warten auf die Penetration.“

„Als Mann denkt man da wenig drüber nach. Da geht es eher um das „jetzt rein“.“

Einen kurzen Moment überlegte Helen, ob ihr Chef wohl jetzt das Foto ihres blanken Hinterns mit anregendem Pfläumchen vor Augen hatte, und nahm den schon fast frivolen Diskurs auf: „Ich habe in der mir bekannten erotischen Literatur kaum so detailliert gelesen, was eine Frau bei der Penetration empfindet und was sie beim Samenerguss im Mund für Lustempfindungen entwickelt.“

„Und die eigene Erfahrung wird bestätigt, Helen?“

„Ja, sicher, voll und ganz, Chef“, sagte sie und dachte, Himmel, wie geht das wohl jetzt weiter, und musste sich BH ohne Hose vorstellen. Im Jackett, lockeres Hemd knapp über den Hüften. Der Rest frei. Nur noch lange Socken und Halbschuhe. Und das am Kaffeeautomaten. Ob er wohl beim Gedanken „jetzt rein“ einen Steifen bekommen hatte?

„Damit man bei dieser Lektüre nicht den Faden verliert, habe ich Sie vorgewarnt. Ich finde, dass wir einige Personen noch genauer unter die Lupe nehmen müssen. Richard zum Beispiel. Wir kennen nur seinen Vornamen. Falls die Berichte stimmen, haben er und Dragan Mandy als Minderjährige über Jahre hinweg kontinuierlich missbraucht, in die Prostitution geführt. Richard schon in der Schweiz, seit sie ca. neun Jahre alt war, Alfons schon früher, aber der ist wohl tot. Dragan seit dem zwölften Lebensjahr. Ein Araber mit dem Namen Omar wird noch erwähnt.“

„Dragan scheint eher außen vor zu sein“, meinte Helen. „Wenn Mandy schon 14 war und nicht gezwungen und entlohnt wurde, ist Dragan aus dem Schneider. Könnte aber als Zuhälter belangt werden. Mandy ist jedoch tot. Wir können sie nicht mehr befragen. Dann kommt noch das Problem der Verjährung. Zwei bis 38 Jahre. Aber das wird erst vom Gericht festgelegt. Dazu braucht es einen Prozess und Verurteilte.“

„Also, klar, darüber machen wir uns erst einmal keine Gedanken.“

„Wir müssen die Liste der möglichen Freier in Mandys Tagebuch analysieren. Vielleicht finden wir dort weitere Hinweise.“

„Ja, schalten Sie auch diesbezüglich ihren IT-Mann ein.“

„Jetzt haben wir ja leider Gründe, warum keiner aus unseren Reihen diese Aufgabe übernehmen kann“

„Ja“, war BHs knappe Antwort. Er fügte noch hinzu: „Bedenken habe ich auch wegen der verschwundenen Vermisstenanzeige Mandys bezüglich Doreen. Das ist sehr suspekt. Der BND-Mann soll in den nächsten Tagen kommen.“

„Und die fehlende DNA-Analyse der Zigarre in Mandys ausgeweideten Bauchraum.“

„Richtig. Daran habe ich gar nicht mehr gedacht.“

In diesem Moment machte Helens Handy bloing.

Eine SMS von Raul:

„Also, Helen, ich bin doch schon, man glaubt es kaum, heute in Clarissas Rechner eingedrungen, als sie im Internet war. Ich habe dir eine ganze Datei ihrer Briefe und Texte an und für Hagen v. Eynim geschickt. Lies das erst einmal durch. Dann ruf mich bitte an.“

„Ah“, sagte Helen.

BH runzelt die Stirn „gibt es etwas Neues?“

„Raul hat etwas gefunden. Wir kommen voran. Raul hat neuen Lesestoff. Vielleicht geht der schriftlich ausformulierte Porno weiter. Er hat den Rechner von Clarissa gehackt und ihr intimes Tagebuch gefunden, schreibt er.“

„Da bin ich gespannt. War meine Idee nicht so schlecht, im direkten Umfeld des Doktors zu stochern. Listen Sie auf, welche Personen in diesen Ring gehören und halten Sie mich auf dem Laufenden.“ BH stellte seinen Kaffee ab, lockerte seinen Schlips und knöpfte den Kragen auf.

„Mir ist so unglaublich warm. Geht es dir auch so?“

„Ähnlich. Bin heute aber besser gewappnet als gestern, Chef. Und auch besser als Sie mit Krawatte und Jackett.“ Sie hob, verschmitzt grinsend, ihr ohnehin sehr kurzes Sommerröckchen vorne leicht hoch und dachte an gestern. Heute würde seine Hand auf dem nackten Schenkel arbeiten. Das wäre eine weitere Eskalation. Er folgte ihren Händen mit dem Blick. Sie sagte: „Wenn Sie auf den Anzug verzichten würden, wäre Ihnen sicher wohler. Ich denke, Hemd und Jeans wären bei diesen Temperaturen doch angemessen. Obwohl, ich habe sie ja noch nie ohne Anzug gesehen.“ Dabei dachte sie, eben habe ich es mir aber teilweise vorgestellt.

„Sie haben Recht. Der Anzug ist eigentlich wirklich Quatsch.“

„Sehen sie, geht doch. Übrigens fragten Sie auf den Post-its, ob Sie die Geschichte der O lesen müssten.“

„Ja, und muss ich?“

„Hilft beim Verständnis. Man lernt dazu.“ Helen sah BH direkt an, grinste frech und dachte an den Montag. „Aber ich habe eine Ausgabe mit Cartoons davon zu Hause. Das geht schneller. Ich bringe sie morgen mit. Man sieht dann auch direkt, was gemeint ist. Auch das Rein-Raus.“

 

„Ah, so. Na prima, machen Sie das, Helen. Danke.“

Damit verschwand BH mit seinem Kaffee in seinem Zimmer. Das Jackett hatte er über die Schulter geworfen. Der Kaffee war inzwischen sicher auf trinkbare Temperatur heruntergekühlt.

Helen sah ihm nach, dachte, dass ihn das eben etwas irritiert hatte. Sie stellte sich vor, wie er von hinten ohne Hosen aussehen könnte. Ob er wohl noch einen knackigen Arsch hatte? Wenn er demnächst in Jeans erschien, würde sie mehr zu sehen bekommen. Wenn sie schön eng waren, auch von vorne. Bei all den verwirrenden und erotischen Gedankenspielen hatte sie vergessen, ihn nach dem Sinn ihrer Überlegungen in Bezug auf Kokain und Heroin zu fragen. Dafür hatte sie den Nachweis, dass ihn die geheimen Lüste der Frauen doch beschäftigten. Sozusagen die andere Seite, die auffangende Seite der „Stoßrichtung“. Die Frage nach der Wirkung durch den Stoß.

Helen rief Raul an. Raul ging nicht ran, wie so oft. Helen simste:

„Wie hast du das so schnell geschafft? Hast du mir die Datei schon geschickt?“

Raul simste wenig später:

„War Zufall. Clarissa war im Internet. Hat ihre E-Mails gecheckt. Da kam ich rein bei ihr.“

Wie sich das anhört, dachte Helen, kam ich rein bei ihr! Immerhin eine Formulierung, die voll ins Thema passte.

„Und? Hast du mir die Datei schon geschickt?“

„Ja, auf deine Adresse bei Yahoo.“

„Danke, melde mich später.“

Sie rief BH an, der sofort abnahm.

„Hallo Chef, habe ganz vergessen, Sie noch etwas zu fragen.“

„Schießen Sie los.“

„Also, meine Überlegung zum Verständnis der Operation von Doreen, der ein Stück Darm an die Vagina angenäht wurde, ist, dass sie als Drogenkurier von West nach Ost und zurück unterwegs gewesen sein muss. Kokain nach Osten und Heroin nach Westen. Dabei transportierte sie jedes Mal Mengen von drei bis vier Kilo. Sehen Sie das auch so?“

„Ich habe auch schon an diese Möglichkeit gedacht, bin aber wieder abgelenkt worden. Wozu könnte diese OP noch von Nutzen sein. Rein experimentell? Für spezielle Sexspiele?“

„Ups, was für Sexspiele? Kenne ich da was noch nicht?“

„Weiß auch nicht, war nur so ein Gedanke. Zum Beispiel für Sex mit Pferden, nachdem Hunde schon dran waren. Gibt es doch. So ein Hengst braucht doch mehr Platz!“

„Gibt es da Bildmaterial?“ wollte Helen wissen und dachte an ihren Hengst. Solch ein großes Teil brauchte in der Tat Platz. Aber nichts war unmöglich.

„Ich kenne keine diesbezüglichen Videos oder Bilder. Denkbar ist vieles, wie wir ja jetzt schon gelernt haben. Was kann man noch transportieren? Der Aufwand muss sich ja lohnen. Diamanten! Aber wozu? Die umgebauten Frauen als Drogenkurier! Die Überlegung hat was. Denken wir weiter darüber nach und fragen mal vorsichtig bei unserem Rauschgift-Dezernat nach, wie und wo die Wege sind. Wir kommen vom Hölzchen aufs Stöckchen. Nur gut, dass wir nicht unter Zeitdruck arbeiten müssen und auch noch forensische Forschung betreiben können.“

„Sie hatten vorhin eine Andeutung gemacht. Müssen wir uns Gedanken um die Loyalität unserer engeren Kollegen machen?“, wollte Helen wissen.

„Bin noch nicht in der Lage, mich dazu verbindlich zu äußern“, gab BH zurück. „Wir beide müssen unsere Informationen auf alle Fälle zurückhalten. Nichts geht nach außen, auch nicht an Stefan. Wenn es dennoch nötig wird, müssen wir beide wissen, wer welche Informationen erhalten hat. Auch Stefan sollte, wie gesagt, nur Handlangerdienste übernehmen und nicht wissen, welchen Sinn seine Arbeit hat. Er sollte keine Kenntnisse vom eigentlichen Vorgang erhalten. Andererseits hat der „Interessierte“ inzwischen schon Akteneinblick. Er kennt aber unsere Überlegungen dazu noch nicht. Bis später.“

„Moment bitte noch“, rief Helen, „ich will Stefan ansetzen, Mandys Vermisstenanzeige in Bezug auf Doreen zu überprüfen.“ Aber BH war schon dabei aufzulegen und hörte sie nicht mehr.

Im Hintergrund hörte Helen noch ein Handy klingeln. BH legte auf.

Helen überlegte: Wenn wir da stochern und etwas ist tatsächlich faul, dann sind die Betroffenen gewarnt. Also erst mal keine diesbezügliche Recherche durch Stefan. Das hatte auch keine Eile. Als BH „Video“ gesagt hatte, war Helen ein unbestimmter Gedanke durch den Kopf geschossen. Was war mit dem Video? Was war ihr aufgefallen? Sie sah die Hände, die Doreen häuteten. Diese Bilder ließen sie nicht mehr los. Sie hatte die Idee, dass es unterschiedliche Hände waren. Aber welche! Daneben hatte BH noch völlig überflüssigerweise das Bild eines erigierten Pferdepenis in Doreens Körper in ihrem Kopf etabliert. Sowas sprengte jede Phantasie. Sie wurde das Bild nicht los und konnte sich kurzfristig nicht auf den eigentlichen Gedanken fokussieren. Sie holte sich einen weiteren Kaffee aus dem Automaten.

Clarissas Tagebuch, von Raul gehackt.

Helen stellte den Kaffeebecher in sicherer Entfernung von ihrem privaten Laptop auf den Schreibtisch und fuhr den Rechner hoch. Sie rief die Datei mit dem Snuff-Video auf und scrollte zu den Sequenzen der Häutungsphase. Sie hatte Recht gehabt. Sie fand eindeutig, dass es drei Paar Hände waren, die sich an Doreen zu schaffen machten. Die Hände, die ihren Brustkorb mit Gewalt öffneten, gehörten zu keinem der Jäger. Doch wem gehörten sie? Eventuell dem Raucher der zweiten Cohiba? Sie schloss die Datei und ging ins Internet. Bei Yahoo fand sie die Ankündigung einer E-Mail von Raul, als sie ihren Account öffnete. Sie lud die von Raul kommentarlos geschickte Datei herunter.

Dann öffnete sie die Unterordner und ordnete sie nach Inhalt. Sie las alles sehr aufmerksam. Die Datei, die Raul ihr gemailt hat, war ein Tagebuch. Die sogenannten Briefe, von Raul so tituliert, waren Rudimente, angefangen, aber nicht zu Ende geschrieben.

Schon wieder Briefe an den Doktor, dachte Helen. Nicht das schon wieder. Nun auch noch Tagebücher von Clarissa!

Was es alles zu erzählen gab, alles Frauen mit Logorrhoe! Dann musste sie sich korrigieren. Clarissa schrieb weitgehend emotionslos, ungeübt. Enthielt sich Wertungen. An den Briefansätzen merkte man ihr Bemühen, Emotionen zu formulieren. Es gelang ihr nur manchmal, sie gab bei diesen Versuchen schnell auf. Es waren nicht viele Briefansätze und das Tagebuch war auch nicht ganz locker zu lesen. Es war zwar nach Datum geordnet. Doch der Inhalt war eher zufällig zusammengestellt. Clarissa beschrieb Themen, wie sie ihr gerade in den Sinn kamen oder angeregt wurden. Aber in ihrem Tagebuch war eine genaue Zusammenfassung ihrer Beziehung zu Dr. von Eynim, den sie wohl sehr geliebt hatte bzw. noch immer liebte. Unter den wenigen emotionalen Äußerungen fand sich der Satz: „Jede meiner Tränen war es wert, für die Liebe zu Dir vergossen zu werden.“

Dann kam der Scan eines ganzen DIN-A5-Schulheftes. Es waren ungelenke Zeichnungen, überschrieben mit „Fesseltechniken von Toni“. Hierbei war ein weiblicher Körper mit gut entwickelter Oberweite in verschiedenen Verrenkungen gefesselt dargestellt. Die Technik des Schnürens der weiblichen Brust wurde beschrieben. Auch, wie die Schnüre gelegt werden mussten, damit sie nicht abrutschten, wenn daran gezogen wurde. Darstellungen eines weiblichen Arsches, und wie die unterschiedlichen Dildos, Plugs und Haken darin verschwanden und an welchen Stellen wie tief welche Größe bevorzugt wurde. Auch die spezielle Anatomie wurde entsprechend beschrieben.

Ist ja sehr spannend, dachte Helen. Die Fesselungen waren mit roten Strichen gekennzeichnet.

Kunstvolle Folterungen, dachte Helen, muss doch schmerzen, wenn die Brust so von Seilen verschnürt und daran gezogen wird. Obwohl, mancher Zug an den Brüsten war durchaus mit Lust besetzt. Sie dachte an den Saunaabend, da hatte mancher Griff in ihre Brust den Orgasmus erst richtig lustvoll vorbereitet. Clarissa schrieb, dass es Lustgefühle erzeuge, genau wie das Reiben der Nippel. Gestelle, in denen eine Frau verrenkt wurde, mit der Bemerkung, dass alle drei Löcher bequem bedient werden konnten.