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„Da hast du vollkommen Recht.“ Oliver drückt mir einen Kuss auf die Stirn und steht auf, um seine Kleider zusammen zu sammeln.

„Was hast du vor?“ frage ich ihn, während er sich anzieht.

„Es ist schon spät. Ich sollte jetzt gehen.“

„Bleib doch hier. Warum möchtest du schon wieder gehen?“

„Ich kann nicht.“

„Warum nicht? Hat es irgendwas mit dem zu tun, über das wir soeben gesprochen haben?“

„Ich bin seit meinem achten Lebensjahr alleine und das wird sich nicht ändern. Ich brauche meine Freiheit.“

„Wenn du das brauchst, möchte ich dir nicht im Weg stehen. Übernachtest du wieder in einem Hotel?“ Ich kann meine Bedrückung nicht verbergen, aber Oliver scheint es gar nicht zu bemerken.

„Mitchell fährt mich nach Hause.“

Ich begleite Oliver durch meine Wohnung. An der Tür greife ich nach seinem Arm und drehe ihn zu mir um. „Wenn ich dir zu nahe getreten bin, tut es mir leid. Ich wollte mich nicht aufdrängen.“

„Das hast du nicht. Ich melde mich bei dir.“ Er bückt sich zu mir nieder und küsst mich kurz auf den Mund.

Obwohl ich ihm seine Worte nicht wirklich glauben kann und ich mich abgewiesen fühle, lächle ich ihm trotzdem zu, als er mir nochmals einen Blick über seine Schulter zurückwirft, bevor er im Treppenhaus um die Ecke verschwindet.

Ich sollte mich glücklich schätzen, dass so ein Typ wie Oliver Falk mich zur Kenntnis genommen hat. Wir haben einige schöne, interessante Stunden miteinander verbracht, die frei von jeglichen böswilligen Gefühlen oder Gedanken waren. Wir haben viel miteinander geredet, gelacht und uns geliebt und dennoch schlägt mein Herz in einem beunruhigendem Takt, wenn ich an seinen verschlossenen Gesichtsausdruck denke, den er in unserer letzten gemeinsamen Minuten aufgesetzt hatte.

Ich versuche mich von meinem inneren Aufruhr zu beruhigen und nehme eine kühle Dusche, da mein Körper sich immer noch erhitzt anfühlt, von Olivers sanften und wohltuenden Berührungen.

6.

Meine Agenda kündigt mir einen mit Terminen vollgestopften Tag an, als ich einen Blick darauf werfe. In wenigen Augenblicken erwarte ich einen Mann, der laut meinen Angaben nach seinem Bruder sucht, mit dem er seit einigen Monaten keinen Kontakt mehr hatte. Nachdem er mehrmals versucht hatte ihn zu erreichen, wurde ihm mitgeteilt, dass die Adresse und auch seine Telefonnummer nicht mehr gültig seien.

Auch wenn die Vergangenheit meiner Kunden meistens eine traurige Geschichte mit sich tragen, freue ich mich auf die bevorstehende Aufgabe, denn eine Ablenkung von meinem Privatleben kommt mir sehr gelegen. Ich muss die ungewollten Gedanken an den gut gebauten, attraktiven Fussballer wenigstens für eine Weile entfliehen können, sonst bin ich bald verloren.

Jetzt erst mal muss Nils Landert und sein Bruder an erster Stelle stehen, denen ich hoffentlich helfen kann.

Gerade als ich für das nachfolgende Gespräch meine Unterlagen bereit lege, ertönt eine Melodie von meinem Smartphone. Mein Körper verspannt sich augenblicklich und meine Hände fangen an zu zittern, als ich nach meinem Telefon greife, in der grossen Erwartung es Oliver könnte sein, der sich bei mir meldet.

Umso grösser ist die Enttäuschung, nachdem ich den Namen des Anrufers auf meinem Display gelesen habe. Ich möchte mich nicht mit Ron unterhalten, weil er sicherlich merken würde, dass mich etwas bedrückt und ich kann ihm keine Erklärung liefern, ohne dass ich Oliver verrate. Daher lege ich es wieder auf den Pult zurück.

Ich habe keine Lust irgendjemandem eine Rechenschaft über meine Gemütsverfassung abzugeben. Weder meiner Schwester noch Ron. Erstere wurde ich verschont, da heute ihr freier Tag ist, den sie mit ihrem Ehemann zusammen geniesst und Ron konnte ich mit Leichtigkeit wegdrücken.

Die Türklingel schallt vom Empfangsraum hinüber in mein Büro. Ich stehe auf und gehe den näher kommenden Schritten entgegen.

Draussen erwartet mich ein schlanker Mann, mit widerspenstigen roten Haaren, der unsicher um sich sieht, als wisse er nicht, was er hier verloren hat.

„Sie müssen Herr Landert sein.“ Ich strecke ihm meine Hand entgegen und lächle ihm aufmunternd zu.

„Sind Sie Frau Verena Rapone?“

Ich nicke ihm zu. „Folgen Sie mir doch bitte in mein Büro. Also Herr Landert, wie kann ich Ihnen behilflich sein?“ frage ich ihn, als wir uns an meinen Schreibtisch gesetzt haben.

„Ich suche meinen Bruder.“

„Das haben Sie bereits am Telefon gesagt. Ich brauche den Namen Ihres Bruders. Die vollständige Adresse, an der er zuletzt wohnte und alles was Sie sonst noch von ihm haben und wissen.“

Der Mann auf der anderen Seite des Tisches teilt mir alles mit, was ich wissen möchte. Er ist nicht mehr zu bremsen, als er aus der gemeinsamen Kindheit von ihm und seinem Bruder zu erzählen beginnt und lasse ihn sprechen, so lange bis er von sich aus endet.

Aus Erfahrung weiss ich, dass es wichtig für meine Suche sein kann, die Klienten aussprechen zu lassen. Was immer sie sagen wollen, sollen sie es tun, auch wenn es nur dazu dient, um ihrem Kummer Luft zu machen.

„Haben Sie ein Foto von ihm?“ möchte ich von ihm wissen, als er aufgehört hat zu reden.

Herr Landert zieht ein kleines Stück Papier aus seiner Hosentasche und schiebt es mir über den Tisch hinweg zu.

Ich betrachte eingehend das Bild darauf und kann einige Gemeinsamkeiten zwischen dem Mann, der vor mir sitzt und dem, der mir auf dem Foto zulächelt, erkennen.

„Was glauben Sie, hat Georg dazu bewegt, von zu Hause wegzulaufen?“

„Ich zerbreche mir schon während den letzten Monaten jeden Tag darüber den Kopf. Ich nehme an, es hat mit einem Streit zwischen ihm und meinem Vater zu tun. Aber beide schweigen eisern darüber, was bei ihrem Wortgefecht vorgefallen ist.“

„Hatten Sie viel Kontakt mit ihrem Bruder, als er, mild ausgedrückt, ausgezogen ist?“

„Anfangs schon. Er wurde jedoch immer stiller, ruheloser und wollte mir nichts mehr erzählen. Irgendwann bin ich zu seiner Wohnung gegangen. Ich vermisste ihn und wollte ihn sehen. Als ich dann....“ seine Stimme bricht ab.

„Als Sie dann?“ hacke ich nach.

„Als ich dann in seine Wohnung trat, wusste ich, warum er sich so seltsam verhält. Überall lagen leere Bierflaschen und Drogenutensilien herum. Ich erkannte Georg kaum wieder. Früher war er das genaue Gegenteil von dem, was ich an jenem Nachmittag sah. Er war immer perfekt gekleidet, sah gesund und fit aus. Aber an jenem Tag war er unrasiert, ungeduscht und sass in einem Haufen von Essensresten. Danach habe ich mich über eine Woche nicht mehr gemeldet. Ich glaube ich war zu schockiert von seinem Anblick. Es hätte mich nicht davon abhalten sollen, mich bei ihm blicken zu lassen, denn es war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen oder gehört habe. Er ist aus seiner Wohnung ausgezogen. Keine Ahnung wohin oder zu wem er gegangen ist. Bitte helfen Sie mir ihn zu finden.“ Nils Landert sieht mich flehend an. „Ich habe grosse Angst, dass er früher oder später irgendwo in einer Gasse liegen könnte.“

„Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um Georg zu finden.“ versichere ich dem rothaarigen Mann.

Auch wenn ich ihm etwas von seiner Sorge nehmen konnte, so plagt ihn doch eine undefinierbare Unruhe, die er nicht von sich schieben kann. Auch wenn die beiden Männer sich eine längere Zeit weder gesehen noch gehört haben, kann ich den unsichtbaren Faden, der die Brüder zusammenhält spüren, was mir eine gewisse Zuversicht verleiht, den vermissten Bruder zu finden.

Gerade als ich Nils Landert verabschiede taucht Ron in der Tür auf. Etwas überrascht über seinen Besuch gehe ich wieder in mein Büro zurück und bitte ihn, mir zu folgen. Ich sammle die verstreuten Blätter, die ausgebreitet auf meinem Schreibtisch liegen, zusammen und lächle meinem besten Freund zu, den ich schon beinahe mein ganzes Leben kenne.

Wir besuchten dieselben Schulen, lebten bis vor kurzem in derselben Strasse und haben uns nie aus den Augen verloren. Ron, Kimi und ich galten als das sonderbarste und unzertrennliche Trio, in unserer Gegend. Niemand, aber auch wirklich niemand konnte uns etwas anhaben. Bis vor drei Jahren.

Ron unterbricht meine abschweifenden Gedanken, wofür ich ihm sehr dankbar sein kann. „Bist du beschäftigt?“

„Kann man wohl sagen. Was willst du hier?“

„Ich habe gerade Mittagspause und wollte mal nachsehen, wie es meiner Lieblingsfreundin so geht? Du meldest dich nicht mehr, hast keine Zeit und nimmst nicht einmal das Telefon ab. Ich habe schon mehrmals versucht dich anzurufen, aber jedes Mal ertönt die Computerstimme auf deinem Smartphone. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht. Ich melde mich bei Ihnen, so schnell es geht.“ imitiert Ron gekonnt die Stimme auf meinem Anrufbeantworter. „Also meine Süsse, was hält dich so sehr gefangen, dass du keine Zeit mehr für mich hast?“

Ein schlechtes Gewissen ergreift mich, als sich die ozeanblauen Augen von einem überaus charmanten Mann in meine Gedanken brennen, während ich Ron ansehe.

„Sorry. Ich habe gerade viel um die Ohren. Ich werde es wieder gut machen.“

„Dann gehst du heute Abend mit mir aus? Wir könnten zuerst etwas essen und danach in die Burg gehen. Was hältst du davon?“

„Ich weiss nicht...“

„Warum zögerst du? Es ist Freitag. Du solltest dir auch etwas gönnen und dich amüsieren. Wann waren wir das letzte Mal aus?“

„Wir waren doch eben erst in Rheineck und haben bis zum Morgengrauen durchgetanzt.“

Ron lächelt mich an. „Das ist bereits über einen Monat her. Also, was meinst du?“

 

Mein Telefon, das neben mir auf der Tischplatte liegt, klingelt und dreht sich durch die Vibration im Kreis. Ich habe grosse Mühe meine Verwunderung zu verbergen, nachdem ich einen kurzen Blick auf das Display geworfen habe und den Namen des Mannes lese, der meine Gedanken in den letzten Tagen zu dominieren scheint.

Nur wann habe ich den Namen in meiner Kontaktliste gespeichert? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er mir seine Privatnummer gegeben hat.

„Ich muss kurz ran.“ entschuldige ich mich bei Ron. Nehme mein Telefon in die Hand und gehe ans Fenster.

„Hallo?“ frage ich in den Hörer. Absichtlich nenne ich den Namen nicht. Ich möchte nicht, dass Ron etwas von Oliver erfährt. Jedenfalls jetzt noch nicht, da ich selber keine Ahnung habe, wohin unsere Bekanntschaft uns bringt.

„Ist die Überraschung gelungen?“ fragt mich die tiefe und überaus männliche Stimme, die mir in den letzten Tagen sehr vertraut wurde.

„Ich wusste doch, dass ich sie nicht habe. Wie konntest du meinen Code knacken?“

„Das war ganz einfach.“ Ich kann sein Grinsen, das sich auf sein Gesicht gestohlen haben muss, deutlich in seiner Stimme hören, was jedoch gleich wieder verschwindet, als er weiterspricht. „Verena,“ Er klingt ernst und nachdenklich, was mir eine Gänsehaut verursacht. „Ich reise in zwei Stunden nach Dortmund, da wir morgen ein Testspiel gegen die deutsche Nationalmannschaft haben.“

„Das weisst du bestimmt schon länger, oder?“

„Ja.“ ist seine einfache Antwort darauf.

„Warum hast du es mir dann nicht schon gestern mitgeteilt?“

„Unser Abschied war auch so schon genug getrübt. Da wollte ich nicht noch mehr Salz in die offenen Wunde streuen.“

„Denkst du nun, es ist besser so?“ Meine Laune droht in den Keller zu fliegen und nehme nur knapp das Geräusch hinter mir wahr.

„Ruf mich an, wenn du Zeit hast. Ich muss zurück zur Arbeit.“ verabschiedet sich Ron von mir.

Doch bevor er aus meinem Büro verschwindet, rufe ich ihm nach. „Holst du mich um acht Uhr ab?“

„Geht klar.“ Er dreht sich um und verlässt meine Räumlichkeiten.

Hat er meine Nervosität und die gleichzeitige Freude über den unbekannten Anrufer bemerkt? Seine Mimik wirkt verschlossen und etwas bedrückt, als er aus meinem Sichtfeld tritt.

„Verena?“ ertönt Olivers Stimme aus meinem Smartphone. „Bist du noch da?“

„Ja, natürlich. Ich musste nur noch eben jemanden verabschieden.“

„Wer war das?“

Höre ich da etwa eine gewisse Eifersucht heraus oder wünsche ich mir das vielleicht nur zu sehr? War das möglicherweise sogar meine Absicht, als ich Ron zugesagt habe, mit ihm auszugehen? „Ron.“

„Wer ist dieser Ron?“ Seine Stimme klingt jetzt etwas verärgert und verletzt zugleich.

„Er ist mein bester Freund.“

„Läuft da etwas zwischen euch?“

„Nein. Wir gehen nur zusammen aus. Gib mir einen Grund, warum ich zu Hause bleiben sollte?“ Etwas genervt füge ich hinzu. „Warum sollte ich mich nicht amüsieren?“

„Du kannst alles machen, was du willst. Aber lass mir dir eines sagen. Auch wenn wir nur eine Affäre haben, werde ich mit keiner anderen Frau, als mit dir, ins Bett gehen. Was ich ebenfalls von dir erwarte.“

Mir verschlägt es beinahe den Atem. „Das hältst du also von mir?“ fahre ich ihn enttäuscht an. „Du glaubst also, dass ich allen Männern, die meinen Weg auf irgendeine Weise kreuzen, die Beine breit mache?“ entrüste ich mich und atme heftig ein und aus.

„So etwas habe ich nie behauptet.“

„So hat es aber geklungen.“

„Ich wollte dir nur verdeutlichen, dass es während unserer Beziehung keine andere Frau für mich geben wird.“ versucht er mich zu beschwichtigen, was ihm auch gelingt.

„Ron und ich sind nur gute Freunde.“ beteuere ich ihm ein weiteres Mal. Näher möchte ich nicht darauf eingehen.

„Ich vertraue dir.“ Er klingt ruhig und gefasst, aber seine warnende Drohung, die darin mitschwingt, entgeht mir nicht.

Es bleibt einen Augenblick lang still. Niemand von uns sagt etwas und trotzdem halte ich den Hörer fest an mein Ohr, um ja nichts zu überhören, wenn er etwas sagt.

„Weisst du, was ich jetzt gerne tun würde?“ unterbricht Oliver mit seiner herzbrecherischen Stimme das angespannte Schweigen.

„Sag es mir.“ flüstere ich beinahe.

„Ich würde gerne über deine betörenden Lippen streichen. Sie küssen und schmecken. Dich an mich drücken und an dir schnuppern. Lange deinen Duft einatmen, damit ich für die folgenden Tage deinen Geschmack immer an mir habe.“

Ich bin hin und weg über seine Worte. Wenn mir jemand gesagt hätte, dass dieser weltberühmte Fussballer solche Gedanken haben kann, hätte ich laut herausgelacht. Aber jetzt klopft mein Herz so fest, dass ich schon glaube, es müsse vor Glücksgefühlen zerspringen.

„Wie lange bist du weg?“ Ich versuche unser Gespräch auf eine andere Bahn zu lenken.

„Wir kommen am Sonntagabend zurück.“

„Darf ich dich bei dir zu Hause besuchen?“ frage ich etwas nervös und halte meinen Atem an, während ich auf seine Antwort warte.

„Ich freue mich darauf. Wirst du dir den Match ansehen?“

„Sollte ich?“

„Es würde mir viel bedeuten, wenn ich wüsste, dass du zusiehst.“

„Dann habe ich morgen Abend ein Rendezvous mit meinem Fernseher.“

„Mitchell wird dich am Sonntagnachmittag abholen.“

„Ich brauche keinen Fahrer. Ich werde mit Sicherheit den Weg ein zweites Mal nach Küssnacht finden, auch ohne deinen Bodyguard. Und ausserdem, wer beschützt dich, wenn du unnötigerweise Mitchell zu mir schickst?“ füge ich neckisch hinzu.

Ohne auf meine scherzhafte Bemerkung einzugehen, antwortet mir Oliver in einem ernsthaften Tonfall. „Mitchell ist nicht mein einziger Leibwächter.“

„Ach so. Wie viele sind es denn?

„Das erfährst du noch genug früh.“

Vor nicht einmal einer Stunde bin ich nach Hause gekommen. Mein letzter Termin, oder besser gesagt Treffen, dauerte länger, als ich angenommen habe. Zwar war es anfangs etwas holprig zwischen meiner Kundin und ihrer Tochter, aber mit der Zeit verlief es relativ entspannt. Es bleibt mir nicht mehr viel Zeit, bis Ron kommt.

Ich war schon nahe dran, mein Telefon in die Hand zu nehmen, um Ron für heute Abend abzusagen. Lieber würde ich jetzt einen gemütlichen Abend zu Hause verbringen. Mir ist plötzlich nicht mehr nach feiern und tanzen zumute und trotzdem mache ich mich für den Ausgang fertig. Denn ich möchte Ron nicht noch mehr Dynamit liefern, um auf mich wütend und enttäuscht zu sein.

Schnell ziehe ich mir ein schwarzes Sommerkleid über, das meiner Figur schmeichelt und lege etwas Schminke auf. Gerade als ich meine Haare fertig frisiert habe, läutet es an der Tür. Ich schnappe mir noch kurz meine Handtasche und begrüsse Ron, der schon ungeduldig vor meiner Wohnung wartet.

„Wow, du siehst hinreissend aus.“ Ron lässt seine Blicke auf und ab wandern, als hätte er mich noch nie so gesehen.

„Ich sehe doch aus wie immer?“ und schliesse meine Wohnungstür ab.

„Nein.“ lautet seine schlichte Antwort. „Du strahlst förmlich vor Wohlbefinden.“

Es wird mir etwas bang ums Herz, als ich einen besonderen Glanz in seinen Augen entdecke. Ich wende mich schnell ab und packe spielerisch seinen Arm, wie in alten Zeiten. „Lass uns endlich gehen. Ich habe richtigen Kohldampf.“

„Dann habe ich genau im richtigen Restaurant reserviert.“

Die thailändischen Speisen waren köstlich und wie immer völlig genug. Danach fuhren wir nach Rheineck in unser Lieblingslokal, wo ich nun an der Club Bar stehe und gerade an meinem Cocktail nippe, als ich ein Paar Augen auf mir spüre. Ausnahmsweise nicht die von Ron. Denn der kann heute Abend kaum die Augen von mir lassen, was mich etwas beunruhigt.

Ich blicke mich im Club um und entdecke ihn, am anderen Ende der Bar. Keine Ahnung wer das sein könnte, ich habe ihn vorher noch nie gesehen. Sein Gesichtsausdruck verrät keinerlei Regung, als er bemerkt, dass er mir aufgefallen ist. Er wirkt gross, muskulös und hat etwas düsteres an sich. Ich drehe meinen Kopf weg und hoffe inständig, dass Ron bald wieder auftauchen wird, aber lasse den Typ nicht aus meinem Blickfeld. Es entgeht mir keine Bewegung von ihm, was auch nicht schwer ist, da er nur ab und zu sein Glas an die Lippen führt und mich ununterbrochen beobachtet.

Ich atme auf, als ich Ron sehe, der wieder auf mich zukommt.

„Gehen wir etwas auf die Tanzfläche?“ fragt er mich, als er bei mir angekommen ist.

„Ich habe heute keine Lust.“

„Was ist los mit dir? Sonst kannst du es kaum erwarten, dein Tanzbein zu schwingen. Komm schon.“

„Also gut. Es schadet ja nichts, die vielen Kalorien, die ich vorhin zu mir genommen habe, wieder wegzutanzen.“

„Ganz meine alte Freundin.“ Ron lächelt mir zu, nimmt mich an der Hand und zerrt mich mit ihm. Besiegt gehe ich auf die Tanzfläche und bewege mich im Takt zur Musik. Ich schwinge meine Hüften und bewege meine Arme zu den heissen Beats, die der DJ in voller Lautstärke durch den Club dröhnen lässt. Ich fühle mich wohl. Jedenfalls solange, bis Ron anfängt mich ständig an sich zu ziehen. Es nervt mich und macht mich wütend, dass er seine Hände nicht bei sich lassen kann, obwohl er weiss, dass zwischen uns nichts mehr laufen wird.

Irgendwann habe ich genug und entschliesse mich eine Erfrischung zu holen. Ron folgt mir an die Bar. Kaum bin ich an der Theke, spüre ich ganz genau dieselben starren Augen auf mir, wie schon vor einigen Minuten.

„Siehst du den Typ, der in der anderen Ecke steht?“ frage ich Ron, als wir uns auf einen Barhocker niederlassen. „Er hat ganz kurze Haare, dunkel gekleidet und sieht sehr muskulös aus.“

„Ja, warum? Gefällt er dir?“

„Kennst du ihn?“ möchte ich von Ron wissen ohne auf seine Bemerkung einzugehen.

„Nein. Es sieht nicht so aus, als würde er sich gerade prächtig amüsieren.“

„Er beobachtet mich schon die ganze Zeit, seit wir hier sind.“

„Hat er vielleicht etwas mit einem deiner Fälle zu tun?“

„Das glaube ich nicht.“ Ich sehe abermals zu diesem Typen hinüber und überlege angestrengt, weshalb er mich so unverhohlen beobachtet. „An meiner Arbeit kann es nicht liegen. Es muss einen anderen Grund geben, warum er mich so in sein Visier genommen hat.“

„Soll ich zu ihm gehen und ihn fragen, was er von dir möchte?“ Ron macht bereits einen Schritt auf ihn zu, aber ich halte ihn schnell am Arm zurück.

„Das werde ich schon selbst machen.“

„Soll ich dich begleiten?“

„Nein. Aber bleib in der Nähe. Ja?“

„Na sicher doch.“

Mit einem Kloss im Magen, der sich immer mehr verhärtet und mir mein Unwohlsein noch bestärkt, gehe ich ans andere Ende der Theke. Kurz vor meinem Ziel bleibe ich stehen und sehe ihn unverwandt an, was mich selber sehr überrascht.

Seine Augen wirken noch kühler, als von Weitem. Sein Gesicht verrät keine einzige Gefühlsregung. Er scheint kalt und unnahbar wie ein Stein zu sein. Seine Augen bohren sich in meine und sieht überhaupt nicht überrascht aus, dass ich zu ihm hinübergekommen bin. Mir läuft es kalt den Rücken hinunter, als ich mir sicher bin, dass er etwas von mir möchte. Dass er es tatsächlich auf mich abgesehen hat.

„Was wollen Sie von mir?“ platzt es ohne Vorwarnung aus mir heraus.

„Ich erledige nur meine Arbeit, Frau Rapone.“

Woher zum Teufel weiss er meinen Namen? Hat das alles doch mit einem meiner Fälle zu tun? Ich kann es mir wirklich nur schwer vorstellen. „Woher kennen Sie meinen Namen?“ frage ich ihn mit einer derart ruhigen Stimme, wie es mir nur möglich ist und versuche meine Empörung zu unterdrücken.

„Von meinem Arbeitgeber.“

Ich kann mich kaum beherrschen. Dieser selbstgefällige Ausdruck in seinen Augen gefällt mir gar nicht. „Und wer, verdammt nochmal ist ihr Arbeitgeber?“

„Oliver Falk.“

Habe ich ihn richtig verstanden? Oliver? Sagte er wirklich Oliver? Mir wird beinahe übel, als ich die Worte richtig zusammengereimt habe und stütze mich an der Bar ab.

„Aber...“ mehr kommt nicht über meine Lippen. Tausend Fragen rasen in meinem Kopf umher, aber keine davon erhält in diesem Augenblick eine Stimme. Ich starre den unbekannten Mann entsetzt an, bis ich mich wieder einigermassen gefangen habe.

„Wer sind Sie und warum beobachten Sie mich?“

„Luc Müller.“ Er hält mir seine Hand entgegen.

„Mich brauche ich ja nicht vorzustellen. Sie wissen ganz bestimmt mehr über mich, als dass mir lieb ist.“ und greife nach seiner ausgestreckten Hand. Zum ersten Mal zeigt sich so etwas wie ein freundliches Lächeln auf seinem Gesicht.

 

„Herr Falk hat mich beauftragt, auf Sie aufzupassen. Das ist alles.“

„Warum?“

„Vermutlich macht er sich Sorgen, dass Ihnen etwas zustossen könnte, wenn wir Sie nicht beschützen.“

„Das brauchte ich bis anhin auch nicht. Warum sollte ich jetzt einen Bodyguard brauchen?“

„Sie treffen sich mit einer sehr berühmten Person. Wenn Sie wüssten, was Menschen unternehmen, um jemandem wie Oliver Falk Schaden zuzufügen, würden Sie meinen Schutz nicht mehr hinterfragen.“

„Es weiss doch gar niemand, dass wir uns treffen? Dass wir uns überhaupt kennen.“

„Wenn Sie sich da mal nicht täuschen. Und ausserdem...“

Als er nicht weiterspricht, sehe ich ihn aus zusammengezogenen Augen an. „Was ausserdem?“

„Ausserdem würde meinem Boss gar nicht gefallen, wenn er sie so gesehen hätte, wie sie eben mit diesem Kerl getanzt haben.“

Ich schüttle nur meinen Kopf. Was bildet sich dieser Mann überhaupt ein? Voller Hochspannung verlasse ich den Club, ohne mich nochmals umzudrehen und nehme mein Smartphone aus meiner Handtasche.

Nach nur dreimaligem Klingeln hebt er ab. „Was fällt dir ein?“ schreie ich in den Hörer. Ich gebe ihm nicht einmal die Gelegenheit mir Hallo zu sagen. Ich bin viel zu wütend und traurig darüber, dass er mich beobachten lässt. „Warum hetzt du mir Meier auf die Versen? Hast du mir nicht noch vor wenigen Stunden gesagt, dass du mir vertraust?“ Meine Stimme klingt sogar in meinen Ohren schneidend kalt und äusserst fremd. Ich entferne mich etwas vom Club, um den neugierigen Blicken der anderen Gäste, die vor dem Gebäude ihre Zigaretten rauchen, auszuweichen und bemerke nicht, dass mir Olivers Bodyguard in sicherem Abstand folgt.

„Hast du Luc also bereits kennengelernt?“

„Was für eine blöde Frage. Natürlich habe ich das. Warum ist er hier?“

„Ich möchte dich in Sicherheit wissen?“

„Vor was? Was sollte schon geschehen? Ich bin mein ganzes Leben lang ohne einen Leibwächter zurechtgekommen. Warum sollte sich das jetzt plötzlich geändert haben?“

„Weil du deine Freizeit mit mir verbringst.“

„Wer sollte schon von uns beiden wissen?“ schreie ich ihn an. „Niemand.“ gebe ich gleich selbst die Antwort auf meine Frage. „Denn wenn wir uns sehen, sind wir die meiste Zeit in meiner Wohnung und vögeln uns um den Verstand. Das ist es doch, was du willst und sonst nichts. Und kaum hast du das bekommen, was du willst, steigst du aus meinem Bett und verlässt mich.“ Keine Ahnung, was in mich gefahren ist. Ich habe kein Recht, Oliver so anzufahren und doch glaube ich, dass ich all meinen aufgestauten Gefühlen freien Lauf lassen musste, die sich in mir angesammelt haben. Vielleicht hätte ich etwas zurückhaltender sein sollen, aber jetzt ist es schon zu spät für irgendwelche Reue.

„Verena, was ist los mit dir? Warum bist du so aufgebracht?“ Oliver klingt äusserst ruhig und beherrscht.

„Ich dachte du vertraust mir.“ schleudere ich ihm abermals an den Kopf. „Du wolltest doch nur wissen, was ich mit Ron mache. Wie wir uns unterhalten, wie wir uns gegenüber benehmen, wie wir miteinander umgehen. Stimmt's? Aus diesem Grund hast du Meier auf mich angewiesen. Warum machst du dir überhaupt solche Mühe? Wir haben nur eine Affäre. Das ist alles. Und wie lange die geht, eine Woche, einen Monat, vielleicht auch länger, das bestimmst du! Du allein.“

„Was habe ich dir angetan Verena?“ Seine Stimme klingt nicht mehr so beherrscht und selbstsicher wie ich es von ihm kenne. Eher bedrückt. „Wirfst du mir vor, dass ich hier in Dortmund bin und nicht bei dir in der Schweiz?“

„Vielleicht.“

„Ich bin Fussballer, verdammt noch mal!“ Jetzt ist er es, der in den Hörer brüllt. „Wir sind in den letzten Vorbereitungen für die Weltmeisterschaft und in gut einem Monat reise ich mit der Schweizer Nationalmannschaft nach Brasilien. Was erwartest du von mir?“ Er macht eine kurze Pause und wartet vergebens auf eine Antwort. „Denk nicht einmal daran, dass ich dich dem Fussball vorziehen könnte.“ fährt er weiter, als ich nichts auf seine Frage erwidere. „Denn das wird nämlich nie geschehen. Dieser Sport ist alles für mich. Entweder du siehst das ein oder wir lassen es gleich bleiben.“

Niedergeschlagen setzte ich mich auf einen der Steine, die den Parkplatz von dem Vorplatz des Clubs voneinander trennen. Er hat völlig Recht. Es steht mir nicht zu ihn dafür zu bestrafen, dass er nach Deutschland reisen musste. Wahrscheinlich bin ich zu sehr bedrückt, dass er mir nicht früher mitgeteilt hat, dass er übers Wochenende verreisen musste. Zu enttäuscht, dass ich ihn drei Tage nicht sehen werde. Deprimiert, dass er mir nicht vertraut, obwohl er mir versichert hat, dass er dies tut. Aber gesagt, ist gesagt. Daran kann ich nichts mehr ändern. Um es nicht noch schlimmer zu machen, beende ich am besten schnell unser Telefonat.

„Gute Nacht Oliver.“ bringe ich gerade noch heraus, ohne dass er die Tränen, die sich einen Weg aus meinen Augen stehlen, in meiner Stimme hören kann.

„Was läuft zwischen dir und Ron?“

„Frag doch deinen Bodyguard.“ Ich drücke die rote Taste und starre noch lange auf mein stilles Telefon, als könnte es mir mitteilen, was ich tun soll.

Ich versuche das ganze Gespräch nochmals in meinem Gedächtnis Revue passieren zu lassen. Aber die Schmerzen in meinem Herzen, trüben meine Sinne so sehr, als dass ich noch einen klaren Gedanken fassen könnte.

Ich wollte Oliver zur Rechenschaft ziehen. Dafür, dass er mich von einem seiner Bodyguards beschatten lässt. Aber wann hat die Unterhaltung eine ganz andere Wendung angenommen? Ich wollte mich nach unserem Gespräch besser fühlen und nicht so fürchterlich einsam, wie in diesem Moment. Ich wollte ihm klar machen, was ich von seiner Kontrolle halte. Dabei habe ich alles kaputt gemacht. Es ist lange her, seit ich mich in den Armen eines Mannes geborgen gefühlt habe. Bei Oliver hatte ich von Anfang an diese wunderbaren Empfindungen. Doch jetzt sollte das schon wieder zu Ende sein? Ich lasse meinen Tränen freien Lauf und bleibe auf dem harten Stein, der sich in meine nackten Beine bohrt, sitzen.

„Was machst du hier draussen in der Dunkelheit? Ich habe dich überall gesucht.“ Ron kniet sich vor mich hin. Schnell wische ich die letzten Spuren meiner vergossenen Tränen von meinen Wangen ab und versuche meinen besten Kumpel anzulächeln, was mir nicht richtig gelingen möchte.

„Bring mich bitte nach Hause.“

Er sagt nichts, sieht mich nur an bevor er mir seine Hand entgegenstreckt und mich auf die Füsse zieht.

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