Vampire unter uns!

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Der psychische Vampirismus

Der zweitgrößte Kreis jener, die man zum Vampirismus zählen mag, sind die psychischen Vampire; wobei man dieses „psychisch“ in doppelter Hinsicht verstehen kann.

Einerseits mag es jene „Vampire“ geben, die Energie von anderen Lebewesen beeinflussen und sie für sich benutzen; auf der anderen Seite kann man darunter aber auch Menschen verstehen, die sich einfach zum Vampirismus hingezogen fühlen und so tun, als seien sie Vampire.

Es gibt Menschen, die sich für Vampire halten, jedoch nach den ungeschriebenen „internen Definitionen“ der Subkultur keine Vampire sind. Diese Menschen identifizieren sich stark mit der Wesenheit des Vampirs und gehen über das Maß des Rollenspiels hinaus. Sie kleiden sich, wie sie glauben, dass Vampire sich kleiden würden; tragen vielleicht falsche Eckzähne und versuchen, einem vampiralen Lebensstil nachzueifern. Sie besitzen jedoch keinerlei Aura oder „Fähigkeit“ eines Vampirs. Solche Personen treiben sich häufig in den Weiten des Internets herum, in welchem sie behaupten können, etwas zu sein, ohne es verifizieren zu müssen. Dort geben sie sich häufig Namen, die das Dunkle in ihnen hervorheben sollen und daher irgendwo ein „Dark“ oder Ähnliches beinhalten oder verwenden Namen aus gängigen Romanen wie ‚Lestat’ – oder ‚Louis de Irgendwas’.

Das soll nicht heißen, dass dies pauschal gilt. Es ist lediglich eine Auffälligkeit. In der Subkultur werden solche Personen häufig als „Poser“ bezeichnet.

Die meisten der wirklichen psychischen Vampire hingegen wissen gar nichts von ihrer Natur. Es sind Menschen, die anderen unbewusst die Energie aussaugen, sie für ihre Dinge vereinnahmen und sie verschiedenster Ressourcen berauben. (Je nachdem, was man alles unter dieses Gebiet zählt, ist definitiv dieser Bereich der Größte, denn ganze Nationen verfahren nach diesem vampiristischen Prinzip).

Diese Energiesauger tun dies jedoch nicht bewusst, es liegt in ihrer Natur; in ihnen herrscht eine Art Energiedefizit, das sie mithilfe der Energie anderer auffüllen. Diese Parasiten tun dies oft nicht nur auf einer energetischen Ebene, sondern beherrschen dies nicht selten auch auf der materiellen. Dafür verwenden sie verschiedene Manipulationstechniken, die von Mitleid bis hin zu Gewalt gehen. Manchmal sind es aber auch einfach nur Menschen, deren bloße Anwesenheit einen müde macht, so dass man unbewusst registriert, dass sie einem auf die Energie drücken.

Die bewussten psychischen Vampire, die häufig auch Psi-Vampire genannt werden, setzten die energetischen Techniken bewusst und direkt ein.

Inwieweit man an eine Aura, körperlichen Energiefluss, Chi etc. glaubt, ist jedem selbst überlassen. Es sei kurz erwähnt, dass jeder Mensch wissenschaftlich nachweisbar ein elektromagnetisches Feld besitzt und auch Biophotonen in seine Umwelt abstrahlt. Wie dem auch sei, Psi-Vampire manipulieren mittels verschiedenster Techniken ihr Energiefeld und das der Menschen um sie herum. Mittels dieser Techniken ziehen sie anderen Menschen Energie ab und machen sie zu ihrer eigenen. Dieses Phänomen wird in manchen Kreisen als „Draining“ bezeichnet.

Die meisten der sich selbst als solche bezeichnenden Vampire in Deutschland behaupten von sich, psychische Vampire zu sein. Diese Form des Vampirismus bietet allerdings auch einige Vorteile – sie ist noninvasiv, hinterlässt also keine sichtbaren Spuren oder Verletzungen. Man braucht sich z.B. nur in eine Disco zu setzen und die Energie um sich herum aufzusaugen. Man braucht, selbst wenn man es gegen den Willen des Gegenübers macht, keine Genehmigung – da ein körperliches Energiefeld derzeit nicht messbar ist, können Angriffe auf dasselbe auch nicht als Straftat gewertet werden.

Man benötigt weder spezielle Werkzeuge noch Zähne, es besteht keine Gefahr einer Infektion mit Keimen und man kann mehr oder minder anonym in seinem Tun bleiben.

Manche Psi-Vampire behaupten, aus all diesen Gründen wäre diese Art des Vampirismus die „gehobenste“.

Allerdings sind genau diese „Vorteile“ auch die Gegenargumente. Denn da es sich kaum nachweisen lässt, behaupten andere, dass es sich beim psychischen Vampirismus größtenteils um Gedankenbilder der „Praktizierenden“ handelt.

Selbst wenn nicht, so wird beim psychischen Vampirismus häufig angeführt, dass es sich dabei um durchaus erlernbare Techniken handelt, die von jedem Menschen praktiziert werden können und daher keinen Vampir ausmachen.

Allein anhand dieser Darlegungen sieht man wieder die Probleme in der Definition eines Vampirs. Allerdings handelt es sich, unabhängig davon wie derjenige definiert wird, der die Techniken ausübt – sei es Mensch oder Vampir – dennoch um eine Form des Vampirismus, denn man greift auf die Energie eines anderen Menschen zu.

Die geistig und in Form von Romanen und Filmen am weitesten verbreitete Vorstellung des bluttrinkenden Vampirs ist, was den Personenkreis in der Subkultur betrifft, die wohl kleinere Sparte.

Der sanguine Vampir

Das Bild, wie ein Vampir einem Menschen in den Hals beißt und das Blut hervorsprudelt, gibt es in der Subkultur so gut wie nicht und wird zumeist verneint und abgelehnt.

Der sanguine Vampir ist die Form des Vampirs, die man sich dennoch am ehesten auch unter dem Begriff des Blutsaugers vorstellt. Hierbei handelt es sich um jene, die tatsächlich das Blut von anderen trinken und daraus Energie und Emotionen ziehen – letztendlich hierdurch das Leben.

Zumeist findet ein solcher Austausch in einem sicheren Umfeld, zwischen Spender (Donor) und Vampir statt, zumeist gesichert durch einen Bluttest seitens des Spenders.

Meistens wird zur Blutgewinnung spezielles Material (Blutabnahme) verwendet, aber auch ein Messer, Skalpell oder eine Rasierklinge, mit der die Haut geritzt oder geschnitten wird. Die Menge an getrunkenem Blut bleibt dabei realistisch meist recht gering.

Der Biss als Technik wird nur sehr selten verwendet, da er erhebliche Gefahren beinhaltet und daher in einem solchen Vertrauensverhältnis, wie es zwischen Spender und Vampir meist herrscht, nicht angewendet wird, um Schaden zu vermeiden. (Was nicht heißt, dass nicht gebissen wird – manchmal mag sogar Blut dabei fließen –, aber der Biss wird normalerweise kaum als Mittel angewendet, um realistisch an Blut zu gelangen.)

In der Subkultur selbst gibt es zumeist Regeln, die dem beidseitigen Schutz dienen und allgemein wird anerkannt, dass Sicherheit im Vordergrund steht.

Solche Blutabnahmen und das Trinken sind nicht selten ein sehr erotischer Akt und jedes Mal ein sehr persönlicher Austausch.

In der Wissenschaft gibt es Begriffe wie Hämatophagie und Hämatophilie für das Trinken von Blut. Dies bezeichnet teilweise auch den körperlichen und / oder geistigen Drang und die Notwendigkeit Blut zu trinken, damit der Vampir bei Kräften bleibt. In der Medizin wird dieses Phänomen auch gerne schnell als eine Art Psychose angesehen und als sexuelle Paraphilie bezeichnet.

Viele sanguine Vampire behaupten, dass es für sie in unbestimmten Abständen notwendig ist, Blut zu sich zu nehmen. Menschenblut ist dabei, rein energetisch und genetisch, besser verwertbar als das Blut eines Tieres.

Die Gefahren des sanguinen Vampirismus, sowohl für den Spender (Blutverlust, Verletzungen, Infektionen etc.) wie für den Vampir (Körperverletzung beim Spender, Krankheiten durch das Blut etc.) sind beiden Seiten zumeist sehr bewusst. Daher wird auch ein gehobenes Maß an Achtung und Sicherheit erwartet und darauf geachtet. Nichts geschieht gegen den Willen.

Der menschliche Leser, für den das Phänomen des Vampirismus eines aus Geschichten und Legenden ist, mag von der Vorstellung, dass jemand das Blut eines anderen trinkt – und dies auch noch im gegenseitigen Einverständnis, vielleicht sogar zur gegenseitigen Lustgewinnung – befremdet, vielleicht sogar angeekelt sein. Doch im Grunde ist diese Form der Abneigung nur eine Reaktion auf etwas Ungewohntes, denn an sich ist dieser Austausch nur ein intimer Akt. Blut und Fleisch haben die meisten Menschen schon im Supermarkt an der Fleischtheke gekauft, zwar nicht das eines Menschen, aber macht es das besser?

Doch die vermutete Natur des Bösen und ein Kern dunkler Wahrheit liegt sehr wohl in den Geschichten, die sich um den Schatten ranken, der durch die Nacht streift und Menschen das Leben nimmt.

Die Subkultur des Vampirismus wird, gerade von christlichen Stellen, sehr kritisch angesehen und darin wird viel Böses vermutet. Dass es diese Natur durchaus gibt, sei unbestritten… Doch findet sich in genannter Subkultur viel mehr Respekt und gegenseitige Anerkennung als in den meisten anderen menschlichen Bereichen. Dieser Respekt bietet auch ein hohes Maß an Sicherheit, durch Selbsterkenntnis und Selbstkontrolle.

Das von den Menschen als solches definierte „Böse“ findet sich in viel häufiger und größerer Form in seinen eigenen Reihen; die Schrecken, welche die heutigen moralisierenden und verurteilenden, großen Religionen anderen angetan haben, sind in keiner Weise mit dem zu vergleichen, was in der Subkultur stattfindet – selbst wenn es auch dort die Dunkelheit in ihrer reinsten Form gibt…

Das seltenste und gefährlichste Phänomen, das auf dem alle warnenden Stellen ihre Parolen aufbauen, sind die Jäger. Dies sind jene Vampire, die – oft sogar in der Subkultur selbst – als psychisch Kranke angesehen werden. Jene, die dunkle Dinge tun, die einen (Straf-)Tatbestand erfüllen. Dies sind Vampire, die über jede Grenze hinausgehen und sich Blut nehmen, ohne einem Codex – außer vielleicht ihrem eigenen oder den verbotenen – zu folgen.

In ihrer Welt wollen sie göttergleich und unsterblich werden; sie dienen der Natur und unterwerfen sich nicht den Regeln der Menschen. Für manche von ihnen mag die Jagd auf die ultimative Beute – den Menschen – einen ebensolchen Reiz ausmachen, wie für den Menschen die Jagd auf ein wildes Raubtier.

 

Durch die Geschichte sind verschiedene Fälle von solchen „kriminellen“ Vampiren bekannt geworden. Manche mögen in den Statistiken unter Mord oder Folter einfach untergegangen sein. Gegeben hat es sie durchaus und es gibt sie noch immer.

Mit einem zunehmenden Maß an wissenschaftlichen und kriminaltechnischen Möglichkeiten wächst jedoch auch die ‚Herausforderung’ an den Jäger, denn der Jäger ist nur dann vollkommen, wenn er nicht als solcher erkannt wird.

Endworte

Es gibt Welten neben, unter und über der des Menschen. Es gibt Menschen, die so edel sind, dass sie sich von den anderen durch ihre Taten abheben. Der Großteil der Menschheit jedoch dümpelt auf einem recht bescheidenen, geistigen und kontrollierten Niveau herum und lässt sich vom TV ruhig stellen und von den Medien so weit einschüchtern, dass er kontrollierbar genug bleibt, um ihn auszubeuten.

In diesem Artikel habe ich beim psychischen Vampirismus die Verbindung dazu gezogen, dass ganze Nationen bei bestimmter Definitionsfolge dieser Art des Vampirismus frönen, sei es indem sie durch Steuern ihre Bürger aussaugen oder sei es, dass sie andere Länder wirtschaftlich und an Schätzen oder Arbeitskraft ausbeuten – die Liste ist endlos…

Bei näherer Betrachtung stimmt dies aber nicht direkt, denn eigentlich handelt es sich hierbei weniger um eine Art des Vampirismus, als um eine Form des Melkens. Denn die Bürger wissen um das, was mit ihnen getan wird – ihnen wird nur eingeredet, es wäre gut für sie.

Man braucht Feindbilder, um Massen zu kontrollieren. Im Kleinen funktioniert dies tatsächlich sogar noch mit dem Bild des Vampirs.

Es gibt diese Realität neben der des Menschen – Vampire sind unter ihnen. Und selbst wenn es nur besondere Persönlichkeiten sind, die diesen Namen für sich beanspruchen – so wie man einen Titel für sich beansprucht – so sind sie ebenso real.

Menschen fürchten, was sie nicht kennen. Vampire sind Wesen, die nach wie vor im Dunkel bleiben und viele ihrer Taten und Angewohnheiten wird der Mensch nicht verstehen. Der Urtypus dieser Angst vor ihnen scheint noch in den meisten Menschen, neben einer Form von Faszination, fest verwurzelt zu sein.

Angeblich handelt es sich bei jenen, die sich mit dem Vampirismus auf den verschiedenen Ebenen beschäftigen, um einen großen Personenkreis der untereinander real und virtuell vernetzt ist.

Abgesehen davon, dass solche Aussagen mehr als nichts sagend sind, lassen sie ein vollkommen falsches Bild entstehen.

Es gibt durchaus Personen, die sich zu Gruppen (Häusern, Covens, Havens etc.) zusammengeschlossen haben, diese Gruppen sind aber zumeist sehr klein. Es gibt durchaus auch reale Treffen und solche Vereinigungen, die in mehr oder minder großen Abständen tatsächlich zusammenkommen – zumeist handelt es sich dabei aber um Vereinigungen, die sich im Internet zusammengeschlossen haben und selbst, wenn sie eine Vereinigung darstellen, ist es nur sehr selten, dass alle gemeinsam sich treffen.

Die meisten Gemeinschaften und den meisten Austausch zu dem Thema gibt es auf internen Seiten im Internet, auf denen teilweise auch recht brisante Themen besprochen werden.

Wirklich reale Zusammenkünfte und Vereinigungen gibt es zwar, sie sind aber eher selten.

Dies mag vorwiegend an der starken Individualisierung liegen; Vampire sind von Natur aus eher Einzelgänger. Es sind Wesen, die ihrem Leben einen hohen Wert beimessen und sich daher nur schlecht in Gemeinschaften ‚unterwerfen’ können. Gemeinschaften können aber nicht ohne eine gewisse Struktur bestehen, durch die sich Individuen oft eingesperrt fühlen.

In den virtuellen Weiten des Internets funktioniert dies weitaus besser, da man größtenteils sowieso anonym ist und Strukturen dort nur bedingt und oberflächlich zum Tragen kommen.

Oft existiert zwar der Wunsch, in den geregelten Strukturen eines Tempels oder Ordens mehr zu lernen, als man durch Eigenstudium und eigene Kraft erreichen könnte; oft ist auch die zusammengeschlossene Macht einer Vereinigung und die dadurch größeren Möglichkeiten zu lernen und ggf. zu lehren durchaus reizvoll – aber es macht auch Angst. Denn viele ‚Vampire’ (auch wenn sie sich als Außenseiter der Gesellschaft sehen und als Teil von etwas, das mehr ist – ggf. auch erhabener ist als die Menschlichkeit) fühlen sich dennoch durch gewisse Sicherheiten und eingefahrene Bahnen, die sie durch eben jene Gesellschaft haben, doch sehr gestützt. Der Schritt noch tiefer zu gehen, ist manchen dann doch ein Schritt zu tief in das Dunkel.

Menschen, die sich zum Vampirismus gehörig fühlen, suchen nicht selten die Nähe zu Großstädten, da diese mehr Möglichkeiten in verschiedenste Richtungen bieten. Sei dies die Möglichkeit der psychischen Vampire, Menschenmengen in Discos etc. aufzusuchen; sei dies die Suche nach Gleichgesinnten oder einfach eine Art von Schutz, den die Anonymität einer Stadt eher zu bieten vermag als ein ländliches Leben, wo jeder jeden kennt und sich unliebsame Geschichten und Gerüchte schnell weiter tragen.

Aber sei es auch, weil die gefährlichsten Schatten hier in den Abgründen der Straßen untertauchen und ihre Jagd beginnen...

Das Dunkel wartet hier draußen. Und im Dunkel verbergen sich die Schatten. Hier sind die Bereiche, die jenseits derer des Menschen liegen und von ihren Regeln und Gesetzen nur am Rande berührt werden.

Sie sind gefährlich und verführerisch.

Doch nur, weil sie oft nicht verstanden werden, bedeutet dies nicht, dass sie böser sind als die Dinge im Licht.

Vampire trauen sich in jene Bereiche, die andere nicht zu betreten wagen – sie sind bereit, ihr Innerstes zu erforschen und darin mehr zu finden als den Kern, den die Gesellschaft als Menschlichkeit definiert.

Namen sind nur Namen. Was ein Individuum ausmacht, ist die Erkenntnis dessen, wer und was man ist.


Der Autor: Mordor (Frater Mordor; „Frater“, lat. für „Bruder“ bezieht sich auf seine Ordensarbeit) ist Schriftsteller und Künstler. Er hat Meistergrade in verschiedenen Kampfkünsten (Ninjutsu [BBT] und Kick-Boxen), ebenso in verschiedenen Energiearbeiten.

Er lernte in verschiedenen Orden, Dojos und anderen Schulen und setzte sich dabei auch wissenschaftlich und unter Einbezug von Naturgesetzen (vorwiegend Physik und Biologie), Psychologie und Medizin mit Themen wie Magie, Okkultismus und Vampirismus auseinander. Er beschäftigt sich mit den Randbereichen der menschlichen Welt und versucht sein Wissen und seine Erfahrungen (auch in Extrembereichen) ständig zu erweitern.

Er hat verschiedene Bücher zu okkulten Themen veröffentlicht. Sein Buch über Vampirismus wurde von der Bundesprüfstelle indiziert.

Bernd Harder mit Mark & Lydia Benecke

Vampire ohne Bis(s)

Blutsauger haben goldene Augen, leben abstinent und sind der Traum aller weiblichen Teenager – zumindest in der Buchreihe „Bis(s)“, die wieder einmal einen Vampir-Boom ausgelöst hat. Echte Vampire sind dagegen häufig verschattete Existenzen, denen es an Energie mangelt. Und die müssen sie sich holen. Der Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke und die Psychologin Lydia Benecke haben die „Vampyr-Szene“ intensiv ausgeforscht. Der Journalist Bernd Harder vom Skeptiker-Magazin sprach mit den beiden.

„Dracula“ war in Bram Stokers Erzählung von 1897 ein Erotomane auf dem Kreuzzug gegen die Tabus und Prüderie des viktorianischen Zeitalters – Liebhaber und Verführer, Blutsauger und Zerstörer. Liest man aktuelle Vampir-Romane, hat man das Gefühl, in einer Fotolove-Story der „Bravo“ zu blättern.

Lydia: Das ist richtig. Der Sunnyboy-Vampir Edward Cullen aus der „Bis(s)-Reihe“ zum Beispiel verkörpert nichts anderes als den klassischen Märchenprinzen. Er wird als überirdisch attraktiv dargestellt, ist moralisch hochstehend und stets um das Seelenheil seiner menschlichen Partnerin Bella besorgt, die er allzeit aus gefährlichen Situationen rettet. Ganz im Gegensatz zu „Dracula“, der als egoistisches, triebgesteuertes Wesen auftritt, christliche Werte verabscheut und die von ihm begehrte Frau Mina nicht beschützen, sondern besitzen will.

Mithin war der Vampir á la „Dracula“ eine subtile literarische Metapher für Sexualität. Heute scheinen die „Bis(s)“-Romane eher der Gegentrend zur viel zitierten Übersexualisierung der Gesellschaft zu sein.

Lydia: Beide Romankonzepte bedienen die Grundbedürfnisse ihrer Zeit – und die sind in der Tat völlig gegensätzlich. „Dracula“ steht für das wilde, rücksichtslose Ausleben sexueller Bedürfnisse, symbolisiert durch das Beißen und Aussaugen. Edward dagegen tut alles, um seine blutlüsternen – also sexuellen – Triebe im Zaum zu halten. Beide, Dracula wie Edward, waren beziehungsweise sind Idole, besonders bei weiblichen Lesern. Wahrscheinlich hat das etwas mit Grundbedürfnissen zu tun, die in der Realität nicht befriedigt werden.

Welche Bedürfnisse treiben die „Fanpires“ von „Bis(s)“ und „Twilight“ denn um?

Lydia: In der Vergangenheit fanden Wünsche nach Selbsterfüllung und sexueller Freiheit ihren Ausdruck in den Phantasien um die amoralische und zügellose Gestalt des Grafen Dracula. In unserer heutigen Gesellschaft haben glücklicherweise auch Frauen mannigfaltige Möglichkeiten zur Selbstentfaltung – im Beruf ebenso wie in Partnerschaft und Sexualität. Die Kehrseite dieser Entwicklung ist aber, dass Beziehungen oft eben nicht ein Leben lang halten, und dass der konservative Traumprinz, der Sex, Treue, Romantik und Sicherheit gleichermaßen garantiert, eher ein Auslaufmodell ist.

Aus dieser Perspektive ist nachvollziehbar, dass ein Romanheld wie Edward, der seine Triebe im Griff hat und Sex nur in einer gefestigten Liebesbeziehung praktiziert, viele Leserinnen mehr anspricht als der hemmungslose Dracula – dessen Lebensstil in einer heutigen Großstadt vermutlich kaum mehr auffallen würde.

Mark: Das kann ich unterstreichen. Meiner Erfahrung nach handelt es sich bei den harten „Bis(s)“-Fans weniger um Menschen, die sexuell zu wenig erleben – das vielleicht auch –, sondern eher einen unerfüllten Wunsch nach vollkommener Nähe haben. Dieses Motiv wird durch das Vampirische nach wie vor bedient: ewige Liebe.

Das könnte man wohl durchaus positiv sehen – wenn die „Bis(s)“-Autorin Stephenie Meyer nicht gerade bekennende Mormonin wäre, die an der Brigham-Young Universität im Mormonenstaat Utah studiert hat. Einer Institution, deren „Ehrenkodex“ unter anderem außereheliche und homosexuelle Beziehungen untersagt.

Lydia: Ja, die Cullen-Familie in der „Bis(s)“-Reihe lebt im Einklang mit mormonischen Grundwerten. Der dreizehnte Glaubensartikel der Mormonen fasst diese Einstellung so zusammen: „Wir glauben, dass es recht ist, ehrlich, treu, keusch, gütig und tugendhaft zu sein und allen Menschen Gutes zu tun (...). Wenn es etwas Tugendhaftes oder Liebenswertes gibt, wenn etwas guten Klang hat oder lobenswert ist, so trachten wir danach.“

Damit steht der Lebensstil der Cullens in strengem Kontrast zu den anderen Vampiren, die „böse“ sind und ihre Triebe ohne Rücksicht auf Menschenleben ausagieren. Die Vampire in den „Bis(s)“-Romanen sind stereotype Figuren, rigide in Gut und Böse eingeteilt. Stephenie Meyers Botschaft ist mithin typisch für ihren mormonischen Glauben: Sündige Regungen müssen mithilfe starker moralischer Überzeugungen kontrolliert werden.

Andererseits ist die Idee, christliche Werte und Moralvorstellungen in eine Vampir-Geschichte zu verpacken, gar nicht so neu. Auch in Bram Stokers „Dracula“-Roman behalten die Werte, Normen und Institutionen der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung die Oberhand: Der Kampf gegen die verdrängten Triebe wird am Ende durch Draculas Vernichtung gewonnen.

Euer Buch Vampire unter uns! möchte erklärtermaßen dem Vampir-Thema „ein wenig Real Life“ beigeben. Tatsächlich besteht die Vampir-Szene nicht aus jugendlichen „Bis(s)“-Fans. Was sind und tun „echte“ Vampire?

Mark: Echte Vampyre – das „y“ im Namen markiert den Unterschied zu den Vampiren aus Film und Literatur – sind eine zahlenmäßig sehr kleine Subkultur, die weltweit nur wenige tausend Anhänger hat. Es handelt sich um Menschen, die von Zwängen, Ängsten und manchmal auch Blutdurst oder Energiehunger getrieben werden.

 

Das mag befremdlich klingen, aber ich kenne mehrere „echte“ Vampyre und finde sie sehr sympathisch. Darüber hinaus halte ich sie, wenn sie sich – wie jeder andere auch – ihre Schwächen eingestehen, für durchaus entspannt. Niemand von den Vamypren findet die weichgespülten „Bis(s)“-Romane oder „Twilight“-Filme gut. Kein Wunder, denn bei den echten Vampyren geht es wie in allen „identity groups“, um viel tiefer gehende Seelenregungen. Dazu mal ein Zitat einer echten, organisierten Vampyrin aus einer E-Mail an mich:

Es war sehr schön, mit dir zu sprechen, zu trinken und zu feiern. Ich weiß nicht, ob Dir das so bewusst ist, aber Markus und ich haben noch einmal darüber gesprochen, wie schön es war, das Gefühl vermittelt zu bekommen, dass wir keine Irren sind und dass wir sogar in einem Saal voller Leute ohne Scham die Hand heben konnten, als Du gefragt hast, wo die Vampyre sitzen. Nach all der Zeit, die wir damit verbracht haben, uns im Verborgenen zu halten und niemandem etwas von unserem „wahren Ich“ (so pathetisch das klingen mag) zu zeigen, war es wie eine Befreiung, wenigstens für ein paar Stunden ganz wir selbst zu sein. Vielen Dank auch dafür. Das hat sehr gut getan.

Lydia: Die Atlanta Vampire Alliance (AVA)1 hat im Jahr 2006 online Personen befragt, die sich selbst als Vampyre sehen. Demnach besteht die Szene aus etwas mehr Frauen als Männern, der Großteil ist unter 30 Jahren alt. Nur 48 Prozent der weiblichen und 66 Prozent der männlichen Vampyre sind heterosexuell – ein größerer Anteil ordnet sich als bi- oder homosexuell ein.

Des Weiteren fällt auf, dass viele der Studienteilnehmer von schwierigen Kindheitserlebnissen berichten. Fast die Hälfte der Befragten wurde körperlich misshandelt, sexuell missbraucht oder erlebte beides. Da verwundert es nicht, dass sehr viele an einer diagnostizierten Depression, viele auch an verschiedenen Angststörungen, Zwangsstörungen, Schlafstörungen und chronischen Kopfschmerzen leiden. Außerdem sticht hervor, dass laut deren Angaben ungewöhnlich viele Hochbegabte (IQ zwischen 125 und 175) unter den Vampyren zu finden sind.

Ist die Vampir-Szene mithin eine Art Therapiegruppe für psychisch Kranke?

Lydia: Der genannten Studie zufolge scheint es besonders viele seelisch belastete Menschen in der Vampyrszene zu geben. Eine Szenezugehörigkeit an sich kann niemals eine Therapie ersetzen. Aber sie kann soziale Isolation – an der viele Menschen mit Depressionen und Ängsten leiden – mildern. Auch das Gefühl, mit dem „Anderssein“ nicht alleine dazustehen, also mit den eigenen Besonderheiten in einer Gruppe akzeptiert zu werden, kann entlastend wirken und den Betroffenen helfen, sich selbst etwas positiver wahrzunehmen. Interessant finde ich, dass von den Befragten nur acht Prozent sagten, sie würden lieber „normal“ sein und ihr Empfinden, ein Vampyr zu sein, aufgeben. Diese Quote ist unserer Erfahrung nach höher.

Allerdings gaben drei Viertel der Befragten an, überhaupt keiner festen Vampyr-Gruppe anzugehören und das Bluttrinken und/oder Energieziehen hauptsächlich an privaten Freunden, Beziehungs- oder Sexualpartnern einvernehmlich auszuleben. Viele nehmen als Ersatz für menschliches Blut auch tierisches Blut her und – für mich überraschend – Schokolade!

Gibt es Überschneidungen mit der Gothic-Szene?

Lydia: In der AVA-Studie gab nur etwa ein Drittel der Vampyre eine Zugehörigkeit zur Gothic-Szene an.

Wo könnte ich eine Vampyrin kennenlernen?

Mark: Die Szene spielt sich vorwiegend im Internet ab, teils mit regelmäßigen Treffen im realen Leben. Wer sich mit den ganzen Sigils, den vampirischen Erkennungszeichen, auskennt, könnte eine/n Vampyr/in auch im Alltag erkennen, etwa an einem Bladed Ankh. Die Chancen sind aber gering.

Und wie groß ist die Gefahr, nachts in einer Großstadt von einem Vampyr oder einer Vampyrin überfallen und gebissen zu werden?

Mark: Null Komma null.

Lydia: Extrem unwahrscheinlich. In der AVA-Studie zum Beispiel hatten auch nur zwei Prozent der Befragten irgendeine Vorstrafe. Vampyre scheinen sehr gesetzestreu zu sein.

Nichtsdestotrotz beobachten einige Jugendschützer die Vampir-Szene mit Argwohn und warnen vor „sehr manifesten Gefährdungen“2 – in erster Linie allerdings für die Protagonisten selbst. Gefahren sollen sich etwa ergeben aus „gesellschaftlichen Entfremdungsprozessen, der Habitualisierung von Grausamkeiten sowie den sexualisierten und fetisch-motivierten Gewalterfahrungen“3. Insofern könne ein Ausflug in die Szene der Real-Life-Vampyre „mit erheblichen Traumatisierungen“4 verbunden sein.

Mark: Ich selbst habe als jemand, der nun wirklich in den Schuppen rumgehangen ist, die man sonst nur als Filmfantasie á la „Blade“ kennt, noch nicht ein einziges Mal irgendwelche habitualisierten Grausamkeiten oder etwas Traumatisierendes bei Vampyrfeiern erlebt. Ich bin auch nicht schlauer als andere, aber immerhin war ich mittendrin. Wenn mal jemand etwas Schlimmes dort erlebt hat, dann sicher nicht durch Gewalterfahrungen, sondern weil die Person sich möglicherweise psychisch überhoben hat. Das kann einem aber auch passieren, wenn man Extremsport betreibt oder sich Filme anschaut, die man besser nicht gesehen hätte.

Lydia: Auf welchen Fakten beruht diese Pauschalkritik überhaupt? Mir liegen keine wissenschaftlich begründeten Erkenntnisse vor, dass die Beschäftigung mit solchen Themen oder auch eine Vorliebe dafür eine nachweisbare Gefährdung für damit in Berührung kommende Menschen darstellt.

Besonders interessant finde ich hier das Stichwort „gesellschaftliche Entfremdungsprozesse“. Was ist damit genau gemeint? Die „Gesellschaft“ besteht doch nicht – wie man sich das in Diktaturen gewünscht hat – aus einem gleichgeschalteten Kollektiv, sondern aus einer sehr heterogenen Vielzahl von Menschen, die sich in zahllose Untergruppen aufteilen, ob nach Beruf, Religion, Hobby, Freizeitaktivität, politischer Einstellung, Modegeschmack oder sonstigen Vorlieben. Und selbst innerhalb dieser Untergruppen herrscht hinreichend Diversität. Wer also sollte in der Vampyr-Szene wovon entfremdet sein?

Aber ist Blutdurst zum Beispiel wirklich völlig harmlos? Zumal – und das ist ein konkreter Kritikpunkt – „die Opfer vampirischer Gewalt schlicht als Beute, Donor oder Source bezeichnet werden“.5

Mark: Die Bezeichnung „Beute“ habe ich in über zehn Jahren noch nie gehört. Dass die Blutspender „Donoren“ heißen, kommt daher, dass dies das normale angloamerikanische Wort für „Blutspender“ ist. Ausserdem gilt in der Szene der Grundsatz: „safe, sane and consensual“. Sicher muss der Kontakt sein und in gegenseitigem Einverständnis sowie bei geistiger und körperlicher Gesundheit stattfinden.

Auch die Formulierung „Opfer vampirischer Gewalt“ halte ich für mindestens missverständlich. Denn niemand, der nach realen Vampir-Verbrechen gesucht hat, ist bislang fündig geworden. Die amerikanische Kollegin und Autorin Katherine Ramsland6 beispielsweise hat ebenso wie ich selbst enge Kontakte zu Szene-Mitgliedern und ein geschultes Auge für Straftaten. Doch obwohl wir beide tief in die Schwärze gefasst haben, konnten wir unabhängig voneinander nichts, aber auch wirklich gar nichts fürchterliches zu Tage fördern.

Lydia: Ein verantwortungsvoller Umgang mit dem eigenen Körper und mit Leib und Leben anderer Menschen ist gerade bei Gruppen, deren Aktivitäten ein Verletzungspotenzial bergen, durchaus gegeben. Ob dies nun ein Boxverein, eine sadomasochistische Gruppe oder ein Vampyrzirkel ist, ist letztendlich Geschmackssache. Entscheidend sind Bewusstsein, Verantwortungsgefühl und ein kontrollierter Umgang mit den eigenen Vorlieben.

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