Monas braune Augen

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KAPITEL 2 - VERGANGENHEIT
Eine verhängnisvolle Anschuldigung

Zwei Wochen nach diesen Ereignissen waren Mike und Mona bei den Röslers am Sonntag zum Mittagessen eingeladen. Thelma hatte afrikanisch gekocht. Es war ein warmer, sonniger Tag, das erste Grün zeigte sich in den Bäumen am See. Im Windschatten konnte man bereits auf der Terrasse sitzen.

Die Villa selbst war eingeschossig mit einem runden Pavillon in der Mitte. Die Terrasse nahm die gleiche geschwungene Linie auf, die schon die neobarocke Fassade zeigte. Sie lag allerdings ungefähr zwanzig Meter oberhalb des Sees. Über eine steinerne gewundene Treppe konnte man zum See hinabsteigen. Die nächsten Grundstücke, ebenfalls mit Villen aus dem 19.Jahrhundert, lagen in größerer Entfernung.

Im Erdgeschoss befanden sich die Wohnräume, die noch die Originaltäfelung aus der Erbauungszeit besaßen. Der schönste Raum war das sogenannte Kaminzimmer oder Bibliothek im westlichen Flügel der Villa mit großen verglasten Bücherschränken an allen Wänden und einem dominierenden Kamin an der westlichen Seite. Vier Meter hohe vielfach unterteilte Sprossenfenster wiesen auf die Terrasse. Die weiteren Räume waren, neben dem Kaminzimmer das Wohnzimmer und das sogenannte Herrenzimmer, ein kleiner Salon mit Billardtisch, Clubsesseln, Bar und einem Tischfußballspiel. Etwas abgesetzt lag der Salon oder Speisesaal, der wie ein Anbau wirkte und dessen Fundamente bis zum See reichten. In diesem Raum stand der Esstisch, an dem bei Bedarf bis zu zwanzig Personen Platz fanden.

Heute war der Tisch allerdings nur für sechs Personen gedeckt. Ein riesiger venezianischer Kristallleuchter hing im Zentrum der Decke. Vor dem Speisesaal lag die hochmodern eingerichtete Küche. Zentrum der Villa war das ovale Foyer mit Granitwänden im Schinkelschen Stil. Jenseits des Foyers Richtung Osten schlossen sich Schlafräume, Kinderzimmer und drei Bäder an. Das Dachgeschoss war nur in Teilen ausgebaut. Es enthielt Gästezimmer und Bäder.

Kurz vor dem Mittagessen standen alle auf der Terrasse beim Aperitif. Martin hatte Mike auf die Seite genommen, um mit ihm über seinen Beruf zu sprechen. „Mike, was ich dich schon immer fragen wollte, du arbeitest doch, oder?“

„Ja, natürlich. Ich bin, wie man so schön sagt ‚Vertriebler‘, also Verkäufer für Dienstleistungen.“

Martin war überrascht, „Verkäufer? Gefällt dir dein Job?“

„Ja, schon. Meine Eltern wollten mich damals, nach Abschluss der Hochschule ins Bankenfach drängen. Zuerst war ich bei der Landesbank Stuttgart. Habe auch gut verdient. Es hat mir aber nicht gefallen. Weißt du, ich brauche Kommunikation, Menschen. Nur Zahlen entscheiden zu lassen, ist nicht mein Ding. Natürlich geht es noch besser, ich fühle mich aber ganz wohl.“

Martin bohrte nach, Mike begann ihn zu interessieren. „Bist du erfolgreich in deinem Job?“

„Da solltest du meinen Chef fragen. Na ja, hier in Berlin gehöre ich schon zum Stamm. Über sich selbst zu urteilen, ist immer ein bisschen schwierig. Ich könnte mit Sicherheit noch besser sein.“

„Wie viel Leute seid ihr in Berlin im Vertrieb? Versteh mich bitte nicht falsch, aber die Fragen haben durchaus ihren Sinn.“

„Wir sind im Moment knapp unter dreißig für den Raum Berlin und Brandenburg.“

„Was für eine Ausbildung hast du denn?“ Mike lächelte verlegen. „Es wird dir nicht gefallen, nur den Bachelor in Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft. Zum Master hat’s nicht mehr gereicht. Den Bankkaufmann hab ich auch noch.“

Martin fasste Mike freundschaftlich auf die Schulter. „Da täuscht du dich aber, ich wäre froh, wenn mein ältester …, lassen wir das lieber.“ Martin räusperte sich. „Was hältst du davon, in meiner Firma anzufangen, zuständig für den Verkauf und bei Erfolg zusätzlich als mein Stellvertreter.“

„Ist das dein Ernst?“

„Über solche Dinge scherzt man nicht, ich meine es ernst!“

„Das kommt überraschend, ich muss mir das erst noch überlegen …“

In diesem Moment stellte sich Mona an die Balustrade der Terrasse und schlug an ihr Glas, dass es hell erklang. „Ich bitte um eure ungeteilte Aufmerksamkeit. Hallo, auch du Kevin. … Danke! Mike, kommst du bitte zu mir?“, was Mike auch sofort tat.

„Wir haben Euch etwas mitzuteilen.“ Mike rückte dicht an Mona und legte seinen Arm um ihre Hüfte. „Wir haben uns verlobt und wollen noch dieses Jahr heiraten.“ Thelma umarmte ihre Tochter und auch Mike.

Leise flüsterte sie ihm ins Ohr. „Mach sie glücklich, ich verlasse mich auf dich.“ Martin war hellauf begeistert, schränkte jedoch ein, zumindest versuchte er den Eindruck zu erwecken.

„Was sind das bloß für Zeiten, früher wurden die Väter …“ Weiter kam er jedoch nicht. Mike hatte sich schnell von Mona gelöst und ließ sie verdutzt stehen. Er ging direkt auf Martin zu, während dieser noch seine persönliche 'Kränkung' kundtun wollte.

Martin verstummte, als Mike vor ihm stehenblieb und sich verneigte. „Herr Rösler, ich möchte ganz offiziell und mit Ehrerbietung um die Hand Ihrer Tochter Mona anhalten. Bitte gewähren Sie mir diese Ehre?“ Mike hatte sich immer noch verneigt und zeigte eine ernste Miene. Mona stand die Überraschung im Gesicht, sie brachte keinen Ton heraus. Mit großen Augen blickte sie zu ihrer Mutter. Thelma sah sie lächelnd an und nickte. Und Martin, er strahlte über das ganze Gesicht und spielte mit.

So ging er zu Mona, nahm ihre Hand und führte seine Tochter zu Mike. Dann legte er ihre Hand in seine. „Werdet glücklich miteinander, meinen Segen habt ihr.“

„Und meinen! Lieber Mike, das war gelungen, vielen Dank.“ Thelma gab Mike einen Kuss auf die Wange.

Denise verfolgte neugierig das Schauspiel. Auch sie gratulierte Mona und Mike und dachte für sich: Da hat sich Mona wirklich was Besonderes geangelt. So wünsche ich mir das auch einmal.

„Du musst dich bei deinem Vater und deiner Mutter bedanken“, flüsterte Mike Mona zu. Mona hatte nun aber kein bisschen Lust, hier weiter zu spielen.

„Mike, ich denke du hast alle überrascht. Ich frage mich gerade, ob du nicht die Reihenfolge vertauscht hast, hm? Dann war unsere Verlobung zuvor gar nicht gültig und du hast mir das bewusst verschwiegen. Mike, so was macht man nicht mit seiner Angebeteten, ich erwarte deine Entschuldigung!“ Sie verschränkte die Arme und blickte ihn mit 'Verachtung' an.

Thelma musste lachen. „Ja, Mike. So ist das, wenn man mit dem Feuer, besser mit meiner Tochter spielt.“ Mike wollte gerade ansetzen, als Denise dazwischen platzte.

„He! Mona, Mike. Merkt ihr noch was? Ihr habt so schön angefangen und jetzt macht ihr so ein Kasperles Theater der untersten Schublade daraus. Echt krass. Ihr seid schlimmer als Kevin.“ Kevin protestierte kurz.

Mike schreckte auf. „Denise, … ähm ja, da hast du Recht. Mona, Thelma, Martin. Entschuldigt bitte. Natürlich meine ich es ernst mit Mona. Mona bitte, natürlich war unsere Verlobung echt und rechtens! Ich wollte nur die Tradition wahren.“ Sie wollte zu einer Antwort ansetzen, als Denise sie unvermittelt sehr energisch unterbrach.

„Mona, treib es nicht auf die Spitze. Du machst sonst alles kaputt!“ Mona blickte ungehalten zu Denise. „Was mischt du dich da ein. Ich …“

Wieder unterbrach sie Denise. „Ich kenne dich schon ein paar Jahre und ich weiß, was bei dir hier oben gerade abgeht.“ Sie tippte dabei an ihre Stirn. „Halt dich einmal zurück, auch wenn’s schwerfällt. Bitte! Mike, deine Ansprache fand ich sehr schön.“

Jetzt griff auch Thelma ein. „Mona, strafe nicht deinen Verlobten für eine Handlung, die es leider heute viel zu selten gibt. Mike, das hast du sehr gut gemacht.“ Mona schaute empört in die Runde, sie war keinesfalls gewillt klein beizugeben.

Bevor sie jedoch loslegen konnte, ergriff Mike die Initiative und nahm ihre linke Hand. „Mona, das ist u n s e r Tag heute. Wir sollten uns darüber freuen. Deine Eltern haben uns beiden ihren Segen gegeben. Das ist doch wunderbar. Von meinen Eltern haben wir keinen bekommen.“

Mona neigte leicht ihren Kopf. Sie lächelte, ihre Augen glänzten. „Hast ja Recht.“ Martin erhob sein Glas. „Sind jetzt alle zufrieden? Dann lasst uns auf das Verlobungspaar anstoßen.“

Thelma verschwand wortlos und kehrte nach einer Viertelstunde in einem traditionellen afrikanischen Kleid zurück. Es war ein einfaches dunkelbraunes Leinenkleid mit dreiviertellangem Ärmel. Darüber hatte sie ein breites hellblaues Tuch wie einen Schal gelegt, der sich vor ihrer Brust kreuzte. „Es ist aufgetragen, kommt bitte alle zum Essen herein!“ Während sie beim Essen saßen, klingelte es an der Tür.

Kevin öffnete und herein traten Kai, Monas Stiefbruder, und ein weiterer Mann, der aber kaum älter war als er selbst. Beide trugen dunkle Anzüge mit grellen Krawatten, was die Seriosität sehr beeinträchtigte. Kai selbst war 1,85m groß und hatte lange glatte dunkelblonde Haare, die ihm im Nacken bis zur Schulter reichten. Seine graublauen Augen strahlten eine gewisse Kälte aus. Arrogant traten er und sein Begleiter auf.

„Da kommen wir ja gerade richtig, gibt es hier etwas zu feiern?“ Kai blickte verächtlich auf das Essen. „Oh, pfui Daibel, afrikanischer Fraß. Ist was für Tiere!“ Martin stand auf und reagierte gereizt. „Ich wüsste nicht, dass wir dich eingeladen haben. Du bist hier nicht willkommen!“

„Ist mir bekannt, aber du bist mein Vater und ich werde dich jetzt vor dieser Brut hier retten!“ Er deutete auf Thelma und Mona. Dann wandte er sich Mike zu. „Wer bist du denn, der Neue von Mona? Wie kann man sich bloß mit einer Niggerin einlassen!“

Mona sprang auf, doch Mike hielt sie zurück. „Der macht unsere Feier kaputt, das lasse ich mir nicht bieten!“ Mike erhob sich von seinem Stuhl und trat dicht vor Kai. Beide fixierten sich.

 

„Es ist mir nicht bewusst, dass wir ein Bier miteinander getrunken und auf das 'du' angestoßen haben. So was mache ich nur mit sympathischen Zeitgenossen und dazu zählen Sie mit Sicherheit nicht! Und übrigens, Mona ist im Gegenteil zu Ihnen eine gebildete wohl erzogene junge Frau, die ich heiraten werde. Gute Umgangsformen sind Ihnen wohl unbekannt.“

Mike legte seine Stirn in Falten und ballte die Fäuste. „Und eine Niggerin sehe ich hier nirgends, höchstens einen Rassisten der untersten Schublade. Noch mal so eine Bemerkung und es hat Folgen.“ Mike packte Kai am Kragen. „Entschuldige dich bei Mona und zwar auf der Stelle.“

Kai schüttelte sich verächtlich und ließ Mike wie einen dummen Jungen stehen. Er wandte sich von Mike ab. „Du interessierst mich einen Dreck. Nun zu dir Vater! Ich habe hier Beweise.“ Kai zeigte dabei auf die Tasche seines Begleiters, „dass deine ach so geliebte Thelma dich betrügt, ein großes Vermögen unterschlagen hat und mit einem Afrikaner schon seit Jahren verheiratet ist!“ Alle waren entsetzt aufgrund dieser Behauptungen.

Thelma aber senkte den Kopf und sagte kein Wort. „Mami, sag was!“

„Thelma, Liebes, was ist los?“ Alle redeten durcheinander. Martin legte seinen Arm schützend um Thelma.

Mike hatte sich als erster von dieser Ansage erholt und ging wieder auf Kai zu. Er war fast zehn Zentimeter kleiner gegenüber diesem. „Zeig mir deine Beweise und zwar pronto!“ Kai stand wie ein Triumphator in der Mitte des Raumes. „Mein Anwalt, Herr Acis hat alle Beweise dabei!“

„So, so, Anwalt, hm?“ Und an den zweiten jungen Mann gewandt: „Können Sie sich ausweisen?“

„Selbstverständlich, hier ist meine Visitenkarte!“

„Visitenkarte, so was kann sich heute jeder selbst drucken. Ich möchte Ihren Personalausweis, Namen und Adresse Ihrer Kanzlei sehen.“ Martin ließ Thelma los und kam Mike zu Hilfe.

„Hier auf der Visitenkarte stehen Namen und Kanzlei, Sie können gerne im Internet nachschauen. Sie werden die Bestätigung finden.“

„Da bin ich mir sicher, deswegen will ich ihren Ausweis sehen, ob sie tatsächlich die hier angegebene Person sind.“

„Fassen Sie mich nicht an, ich bin nicht verpflichtet, mich hier auszuweisen!“, wehrte sich Kais Begleiter.

Kai wurde laut. „Vater, frag doch deine Frau mal, was sie vor zwei Wochen in der Schweiz gemacht hat. Du wirst sehen, sie lügt! … Und deine so tolle Tochter Mona hat alles gewusst. Die beiden haben hunderttausende Euro auf die Seite geschafft, dein Geld! Denen glaubst du natürlich.“

Mike war außer sich, unterbrach Kai und packte ihn an der Krawatte. „Woher bist du denn so genau informiert über Höhe und ob überhaupt Geld unterschlagen wurde. Du kannst da nur Bescheid wissen, wenn du selbst mit dahintersteckst. Keine Bank würde dir Auskünfte erteilen!“

„Kai macht doch mit Mami keine gemeinsame Sache, niemals“, warf Mona ein. „Das sehe ich auch so.“ Martin beobachte fassungslos die gesamte Szenerie.

Seine Frau Thelma saß mit gesenktem Kopf und Tränen in den Augen auf einem Stuhl. Mike und Mona hatten sich mit Kevin und Denise vor Kai aufgebaut, während sein Begleiter schon in der Tür stand, um schnell das Weite suchen zu können.

„Schluss jetzt. Ich will wissen, was hier los ist.“ Und zum sogenannten Rechtsanwalt gewandt: „Sie verlassen augenblicklich das Haus und du Kai bleibst hier, das ist eine Familienangelegenheit.“ Martin ging zu Thelma und setzte sich neben sie. „Thelma, ist da was Wahres dran?“ Thelma schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht verheiratet mit einem Afrikaner, das ist eine dreiste Lüge.“ Dann fing sie an zu schluchzen und schwieg. „Mama, bitte sag was!“, bettelte Denise. Aber Thelma schwieg weiter, Tränen rannen über ihre Wangen.

„Mami, wenn du nicht redest, tu ich es. Mike ist sowieso informiert.“ Thelma schreckte hoch. „Mona, warum hast du das getan, du hast es mir versprochen …“, wimmerte Thelma leise. „Ja, aber ich vertraue Mike und es geht doch jetzt um dich. Wir halten doch alle zu dir, bitte sag endlich was.“

Thelmas Stimme überschlug sich, sie schrie auf. „Lasst mich alle in Ruhe, ich kann und darf nichts sagen und dir Mona, sag ich in Zukunft auch nichts mehr, du hast mich schamlos verraten!“ Sie stand auf, riss sich von Martin los und rannte aus dem Zimmer.

Aufgewühlt und geschockt suchte Mona Schutz bei Mike. Martin verstand die Welt nicht mehr, Kai grinste triumphierend. Als Mike dies sah, ging er auf Kai los und verabreichte ihm einen so heftigen Fausthieb, dass seine Knöchel schmerzten. Kai ging zu Boden, seine Nase blutete. Er rappelte sich aber schnell wieder auf und hielt sich seine Nase. „Du hast mir die Nase gebrochen“, heulte Kai und wollte sich auf Mike stürzen. Kevin und Martin konnten die beiden Kampfhähne gerade noch auseinanderbringen.

Mona saß zusammengesunken auf einem Stuhl. Und Martin befahl: „Alle setzen sich jetzt bitte an diesen Tisch, Denise hol bitte ein Taschentuch für Kai. Keine Gewalt mehr, haben wir uns verstanden! So, Mona du bist jetzt wohl außer Kai die einzige, die hier etwas Licht in die Angelegenheit bringen kann.“ Martin war ganz der Geschäftsmann.

„Ich weiß nicht viel, Mami hat mir nur gesagt, dass Kai eine große Schweinerei vorhat, um sie und mich endlich von dir zu trennen und dass es auch um dein Geld geht, das er sich anscheinend unter den Nagel reißen will. In der Schweiz sollte sie Informationen dazu erhalten. Das ist alles! Sie ist dann auch die zwei Tage in die Schweiz gefahren. Was dabei herausgekommen ist, weiß ich nicht.“

„Das ist alles?“, Mona nickte stumm. Mike stand jetzt direkt hinter ihr. Er bestätigte nochmals Monas Angaben.

„Gut, Kai, jetzt du … ich warte!“ Kai hielt sich immer noch die Nase. „Ich hab keine Ahnung, was sie da redet. Sie will sich doch nur rechtfertigen. Thelmas Abgang beweist doch alles. Ich habe stichfestes Beweismaterial. Ich stelle dir das aber gerne zur Verfügung.“ Martin versteinerte fast. „Das will ich jetzt genau wissen!“ Der Tag endete in einer Art und Weise, womit keiner rechnen konnte.

Die Farben der Sonne

Mona wollte ihre Mutter nochmals sehen, die hatte sich aber eingeschlossen. Sie versuchte es anschließend noch bei ihrem Vater. Er wollte sich jedoch zuerst Klarheit verschaffen, insbesondere nachdem Thelma auch ihn nicht zu sich ließ.

So verließen Mike und Mona traurig und verunsichert die Villa. Der schöne warme Frühlingstag ging langsam zur Neige. Schon jetzt war abzusehen, dass es einen wunderbaren Sonnenuntergang geben würde. Während der Heimfahrt nach Friedrichshain fing Mona an zu weinen. „Sie hat mich als Verräterin bezeichnet, meine eigene Mutter. Das macht mich total fertig. So habe ich mir diesen Tag nicht vorgestellt. Alles ist kaputt!“

Mike tröstete sie. „Gar nichts ist kaputt. Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Siehst du Mona, zuerst ich und jetzt du. Das ist wohl vom Schicksal so bestimmt. Aber wir beide halten zusammen und wir schaffen das.“

„Meinst du?“

„Ja, sicher!“

„Ich weiß nicht.“ Mona war einfach nur traurig. „Mona, ich habe eine Idee, wir fahren jetzt zur Modersohnbrücke. Schließlich wollten wir heute unsere Verlobung feiern. So haben wir wenigstens einen würdigen Abschluss. Ich glaube, dass es sich heute besonders lohnt.“ Was denn?“

„Lass dich überraschen.“

Als sie dort ankamen, waren sie nicht die einzigen. Mindestens hundert Menschen hatten sich zum Schauspiel ‘Sonnenuntergang’ versammelt. Die Brücke ist berühmt für ihre Sonnenuntergänge. Sie liegt im Stadtbezirk Friedrichshain.

Beide suchten sich ein freies Plätzchen am Geländer. „Mike, ich weiß nicht, was mit meiner Mutter los ist. Irgendetwas stimmt nicht. Was glaubst du denn?“

„Oh, Mona, wenn ich das wüsste. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass sie was Böses getan hat. Ich habe sie bei Kais Auftritt heute von Anfang an beobachtet. In ihren Augen stand meiner Meinung nach die pure Angst. Ich glaube, sie versucht uns zu schützen! Dein Stiefbruder ist in meinen Augen ein ganz großes A…Punkt, Punkt, Punkt.“

„Ja, du hast Recht, meine Mutter sagte noch, dass sie mit dem Schlimmsten rechnet. Und das wir es noch nicht verstehen würden. Vielleicht war das heute der Anfang?“

„Ich weiß es nicht, Mona. Ich verspreche dir aber heute und hier, dass ich deiner Mutter helfen werde, soweit es eben in meiner Macht steht.“

„Danke Mike, lass uns weiterhin so zusammenhalten. Ich liebe dich!“

„Ich liebe dich auch, Mona. Mehr als alles andere auf der Welt“ Sie küssten sich und die Welt wie die vielen Menschen um sie herum verschwanden einfach.

Als sie beide voneinander ließen, stand die Sonne im Westen wie ein orangeroter Ball über der Silhouette von Berlin. Die Bahngleise unter ihnen schimmerten um die Wette in orange, rot, pink und lila. Der Himmel leuchtete von hellgelb bis dunkelrosa. Alles tauchte in ein wunderbares warmes Licht.

Rückhalt für Thelma

An einem Dienstag um die Mittagszeit. Mike war zu Hause und hatte seinen Bürotag. Weder von Martin oder Thelma hatten sie zwischenzeitlich gehört. Die Telefonanrufe liefen alle ins Leere. Mike fiel es schwer, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Da klingelte es an der Haustür. Wieder Werbung, dachte Mike bei sich und reagierte nicht. Es klingelte ein zweites und drittes Mal, diesmal nur heftiger und länger. Mike ging zum Türöffner, keine Antwort.

Er wollte sich gerade wieder schimpfend in sein Arbeitszimmer begeben, als es an der Wohnungstür klingelte. Mike schaute durch den Spion und traute seinen Augen nicht, Thelma stand vor der Tür. Er öffnete und war im ersten Moment schockiert.

Sie stand gesenkten Hauptes mit verheulten Augen da, inmitten von zwei großen Koffern und einer riesigen Reisetasche. „Thelma? Was ist passiert? Komm rein!“ Er stand vor ihr, wollte sie in den Arm nehmen, zögerte aber dabei. „Hallo Mike, danke dass du mich einlässt.“ Thelma trat ein, Mike beeilte sich das Gepäck hineinzutragen.

Nachdem er alles abgestellt hatte, drehte er sich zu ihr hin und umarmte sie spontan. „Thelma?“ Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter und er drückte sie fest an sich. „Warum sollte ich das nicht tun?“

„Ich überfalle dich hier ohne Vorwarnung mit Koffern, das ist doch wohl eher abschreckend.“

„Nie und nimmer, du bist bei mir immer willkommen. Sollte ich das noch nicht ausdrücklich gesagt haben, so tue ich das heute.“ Thelma sagte kein Wort und folgte Mike.

Er führte sie in das große Eckzimmer, bot ihr auch etwas zu trinken an. „Ähm, Entschuldigung, Thelma das ich frage, kommst du von zuhause?“

„Nein, ich war bis heute Morgen im Hotel, habe aber jetzt kein Geld mehr und muss mir das erst wieder besorgen.“

Mike war bestürzt. „Wie lange warst du denn schon im Hotel, warum hast du nicht angerufen? Wir haben uns schon Sorgen gemacht, weil wir die ganze Zeit nichts von dir gehört haben.“

„Ja, ich weiß, aber ich habe mich so geschämt. Ich habe euch alle hintergangen und den Zeitpunkt, mit euch zu sprechen, verpasst. Ich dachte, ihr seid wütend auf mich.“

„Wie kommst du denn darauf. Hat dir das irgendjemand so gesagt?“ Thelma schüttelte den Kopf. „Fast drei Wochen war ich im Hotel, habe niemanden von der Familie gesprochen, geschweige denn gesehen, ich vermisse meine Kinder.“

„Drei Wochen? Mach das nie wieder, hörst du! Mona und ich lassen dich nicht im Stich. Möchtest du gleich reden oder warten, bis Mona zurückkommt?“

„Warten wir auf Mona, kann ich mich bitte etwas hinlegen?“

„Natürlich, du bleibst auf jeden Fall jetzt bei uns und keine Widerrede. Ich richte dir unser Gästebett.“

„Danke Mike.“ Mit Tränen in den Augen umarmte sie ihn.

Während sie sich hinlegte, telefonierte Mike mit Mona. Knapp eine Stunde später war sie zuhause. Sie stürmte an Mike vorbei. „Wo ist sie?“

„Im Gästezimmer, sie schläft.“

„Ah, gut, entschuldige bitte, dass ich dich nicht begrüßt habe, aber dein Anruf hat mich total konfus gemacht.“ Sie gab ihm einen flüchtigen Kuss. „Erzähl!“ Nach wenigen Minuten war alles berichtet.

 

„Danke, Mike. Ist es dir wirklich recht, wenn sie bei uns bleibt?“ Mike nickte. „Was dachtest du denn? Ich habe deine Mutter vom ersten Augenblick an gemocht.“ Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und schaute ihr lange tief in die Augen, ehe er ihr einen Kuss gab.

„Danke, Mike, genau dafür liebe ich dich.“

„Nur dafür?“

„Du weißt ganz genau, wie ich das meine, hm?“ Als Thelma aus dem Gästezimmer kam, begrüßte sie ihre Tochter überschwänglich. Mona bedrängte sie, endlich zu erzählen, was passiert war.