Das Paradies ist zu Ende

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Kapitel 3: Junge Lehrerin

Im Jahre 1949 konnte ich ordentlich schreiben und schrieb meine Erlebnisse meinem Tagebuch. Ich fand es interessant, weil ich, wie mein großer Bruder, meine Gedanken beschreiben konnte. Ich hatte mein Tagebuch getauft und nannte es Hella, weil ich mein Tagebuch als Freundin betrachtete. Hella erinnerte mich an Helga, gleichzeitig war mein Tagebuch nicht Helga, Hella war meine Buchfreundin, der ich alles erzählen konnte. Meine Tagebücher hießen immer Hella und wurden von Hella I bis XV markiert. Ohne meine Tagebücher hätte ich kaum meine Kindheit beschreiben können. Unsere Schulklasse hatte erneut einen Lehrerwechsel. Unsere neue Lehrerin gefiel mir. Durch die Nachkriegszeit bekamen wir, nach dem siebten Lehrerwechsel, endlich eine nette Lehrerin, die in Larenbuch und in unserer Klasse bleiben wollte. Ich ging wieder gerne zur Schule und erzählte zu Hause von unserer netten Lehrerin. Meine Schwester meinte: „Louis, wenn du so begeistert von deiner Lehrerin bist, strengst du dich vielleicht an und schreibst bessere Klassenarbeiten, damit du wieder gute Zeugnisse bekommst.“ Ich antwortete: „Dörte, weißt du, sie ist nicht nur sehr nett, sie sie sieht auch klasse aus, ich strenge mich sehr an, um gute Noten bekommen.“ In mein Tagebuch schrieb ich: Unsere neue Lehrerin ist eine sehr schöne Frau. Sie ist sechsundzwanzig, eins-siebzig groß und schlank. Ihre schwarzen Haare hat sie meist nach hinten gekämmt und zu einem Knoten geflochten, den sie nicht, wie die meisten Frauen im Nacken, sondern oben am Kopf trägt. Die Haare lassen ihr Gesicht frei, auffallend sind ihre fast schwarzen Augen mit langen Wimpern. Sie hat eine hohe Stirn, wenn sie nachdenkt, legt sie, wie Rosanna, ihre Stirn in Falten. Mir gefallen ihre dunklen und großen Augen. Ihre goldenen Ohrringe mit dem schwarzen Stein passen zu ihren Augen. Sie ist fast so braun wie Reinhild, der sie sicher auch gefällt. Unsere Lehrerin erinnerte mich, wegen ihrer braunen Haut und ihren schwarzen Haaren, ein an meinen tunesischen Freund. Sie ist vielleicht reich, weil sie immer tolle Kleider trägt. Ich finde, dass ihr blaue, rote und beige Farben gut stehen. Sie hat fast immer Schuhe mit hohen Absätzen.“ Dörte lachte und sagte: „Du hast sie toll beschrieben, ich würde sie auf der Straße sofort erkennen und ich glaube, dass dir alles an ihr gefällt. Gefällt sie Linde und Rosanna auch?“ Ich antwortete: „Dörte, es stimmt. Reinhild, Rosanna und Linde gefällt sie auch gut. Als wir uns in der Pause unterhielten, sagte Rosanna, sie ist sicher die schönste Frau in unsrem Dorf. Ich antwortete Rosanna, ich glaube, deine Mutter ist genauso schön, aber halt anders, weil sie blond ist. Rosanna fragte mich, gfällt dir mei Mutter? Ich glaube, d' Frau Kofer hat längere Füß. -Im alemannischen sind mit Füßen die Beine gemeint.- Ich sagte zu ihr, wenn dei Mutter hohe Absätz hät, hät sie genauso lange Füße. Rosanna lachte und sagte zu mir, ich frag meine Mutter, ob sie, wenn du zum Zahnarzt kommst, hohe Absätze anzieht, damit du‘s vergleichen kannst. Ich sagte zu ihr, aber d' Esther un dei Mutter sin beide klasse Fraue. Rosa sah mich an und fragte, sagsch du zur Esther du? Ich antwortete, ach Rosanna bloß heimlich für mein Tagebuch, sonst sag ich, Frau Kofer. Rosanna fragte, schreibst du Tagebuch und schreibst du au von mir un unsrer Lehrerin? Darf i des mal lese? Weisch Rosa, antwortete ich, a Tagebuch schreibt mr nur für sich, deshalb gibt mers niemand zum lese. Rosa sagte, mi dät dei Buch interessiere, wenn du mir‘s zum lese gibsch, darfsch dir ebes wünsche. Dörte lachte und fragte: „Was hast du dir von Rosanna gewünscht?“ Ich lachte und antwortete: „Dörte, ich überlege noch, was ich mir wünschen kann.“ Dörte lachte und sagte, es freut mich, dass ihr endlich eine nette Lehrerin habt. Ich hatte mir von Rosanna natürlich etwas gewünscht, das wollte ich Dörte jedoch nicht sagen. Ich flüsterte Rosa ins Ohr: „I dät gern no mol dei Kätzle seh.“ Rosa lachte, lehnte ihren Kopf an mein Ohr, dabei kitzelten mich ihre Haare und flüsterte: „I glaub du schpinsch, des müsst i doch beichte.“ Ich fragte: „Musch du älles beichte, no isch des fascht wie mei Tagebuch, blos du musch's eber sage, der's dann weiß, mei Tagebuch isch für mi alleinigs.“ Rosa nahm meine Hand und ging in eine Ecke des Schulhofs und fragte leise: „I überleg, ob ich es beichte muss, isch des wirklich dein Ernscht, darf i dann dei Tagebuch lese?“ Ich antwortete: „Rosanna, du gfällsch mir ganz arg, on i dät dich so gern richtig agucke. Wenn i des darf, no darfsch mei Tagebuch lese, aber warum interessiert dich mein Tagebuch?“ „Weisch Louis“, antwortete Rosanna, „i bin neugierig was du da neischreibsch, on überleg, ob i des beichte muss, i möcht des im Pfarrer nit erzähle, wahrscheinlich isch's kei Sünd, wenn du mi ansiehst.“ Ich sah das tolle Mädchen an und sagte: „I denk es isch kei Sünd.“ Als ich mich umdrehte, stand unsere Lehrerin hinter uns und fragte: „Habt ihr Geheimnisse?“ Ich überlegte meine Antwort, sah unsere Lehrerin an und fragte: „Frau Kofer, wir haben über's Beichten geredet, weil ich evangelisch bin, weiß ich nicht, ob man etwas beichten muss, wenn man glaubt, es wäre keine Sünde?“ Frau Kofer sah uns freundlich an und sagte: „Man muss nur das beichten, was unrecht oder sündig ist. Wenn man kein Unrecht begeht, muss man es nicht beichten.“ Rosa fragte: „Frau Kofer, dr Louis schreibt a Tagebuch, das ich gerne lesen möchte, aber er wünscht sich was von mir und ich weiß nicht, ob es eine Sünde ist.“ Frau Kofer strich Rosa über die Haare und sagte lächelnd: „Rosanna du begehst sicher keine Sünde, wenn du Louis Wunsch erfüllst, warum interessiert es dich, was Louis in sein Tagebuch schreibt?“ Frau Kofer strich mir ebenfalls über meinen Kopf, ich lehnte mich an sie und konnte ihren Körper und ihr Parfüm riechen. Sie sagte: „Louis du schreibst Tagebuch, das finde ich toll, darf ich es ebenfalls lesen, wenn ich dir einen Wunsch erfülle?“ Es klingelte, die Pause war zu Ende. Auf dem Weg ins Klassenzimmer sagte Rosa: „Du wurdest ganz rot, dätsch du unser Lehrerin au gern nacket seh, no sag i ihr, was du dir wünschst, no kann sie nach mir dei Tagebuch lese, jetzt müssen wir uns bloß überlege, wo i dir dein Wunsch erfülle kann.“ Ich antwortete: „Rosa, das darfsch unsrer Lehrerin doch nit sage.“ „Ha, Louis“, lachte Rosa, „es war bloß Spaß, das frag i se doch nit in echt.“ Im Klassenzimmer fragte Linde: „Was hasch mit dr Rosanna so lang beschproche?“ Ich sagte: „Weisch, Linde, mir sin evangelisch, d' Rosa hat mir erklärt, wie des mit der Beichte isch, es hat mich intressiert.“ Da wir alemannisch sprachen, versuchte ich unsern Dialekt in meinem Tagebuch festzuhalten. Alle Larenbucher fanden Frau Kofer sehr nett. Sie tratschten über sie und meinten, unsere Lehrerin wäre wohlhabend, vielleicht sogar reich. Manche Menschen in Larenbuch fanden sie wohl deshalb besonders nett. Frau Kofer war nie überheblich, sie unterhielt sich mit allen Bürgern. Anscheinend fühlte sie sich in unserem Dorf sehr wohl, denn sie nahm an Veranstaltungen im Dorf teil. In unserem Dorf mit viertausend Einwohnern gab es 1950 acht Autobesitzer. Der Kohlenhändler hatte einen Magirus LKW, ein Kolonialwarenhändler hatte einen Hanomag Lastwagen. Ein anderer Kolonialwarenhändler hatte ein Opel Cabrio. Ein Arzt hatte einen VW und ein Motorrad, ein anderer Arzt hatte einen Opel. Es gab zwei Fabrikanten, einer besaß einen Mercedes und und stellte Kämme aus Zelluloid her. Der andere hatte einen Borgward und stellte Metalldrehteile her. Zu diesen acht PKW Besitzern kam unsere Lehrerin, sie hatte einen französischen Renault 4 CV. Alle Jungs in meiner Klasse interessierten sich für Autos. Ich schaute den kleinen, blauen Renault meiner Lehrerin an. Im Gegensatz zum Volkswagen und zu manchen andern deutschen Autos, hatte der kleine, blaue Renault schon 4 Türen, die vorderen Türen gingen nach vorne auf. Es war ein 4 CV mit 750 ccm und 21 PS, ihr 4 Zylinderviertakt erreichte eine Spitzengeschwindigkeit von 100 km/h. Der Motor befand sich, wie beim VW hinten. Der VW-Käfer hatte damals 1200 ccm und 27 PS. In der vorderen Haube, des Renault, die nicht so abfiel wie beim VW-Käfer hatte er im kleinen Kofferraum das Ersatzrad. Seine Scheinwerfer waren, im Gegensatz zum Mercedes, jedoch wie beim VW im Kotflügel eingebaut. Ihr blaues französisches Auto wurde in unserem Dorf rasch bekannt. Obwohl Frau Kofer im Unterricht streng war, mochten wir sie. Wir waren in unserer Klasse 38 Kinder, was natürlich Disziplin erforderte. Privat war unsere Lehrerin sehr nett, sie schenkte meiner Mutter mal Lebensmittel, auf eine so nette Art, dass meine Mutter nicht beschämt war. Sie kam bei uns vorbei und sagte: „Ich bin am Wochenende nicht zu Hause und habe zu viele Lebensmittel, bitte Frau Lautr, verbrauchen sie diese, sonst sind sie bis Montag schlecht.“ Gestern ließ sie sich von Lindtraud erzählen, warum ich neben ihr saß. Unsere Lehrerin strich mir über die Haare und fand mich, wie sie sagte, sehr nett. Sie drohte den Kindern unserer Klasse wieder Strafen an, falls sie mich oder Linde ärgern würden. Ich wurde seit geraumer Zeit nicht mehr geärgert, die Jungs hatten sich daran gewöhnt und die Mädchen fanden es lustig, dass ich in ihrer Reihe saß. Unsere nette Lehrerin hatte eine Wohnung in der alten Schule. Die Junggesellen aus Larenbuch, versuchten ihr Glück bei ihr. Es wurde gemunkelt, dass auch verheiratete Männer ihr nachliefen. Sie ließ sie alle abblitzen, obwohl sie an den Dorffesten teilnahm und gerne tanzte. Meine Mutter erzählte: „Manchmal holt sie auch Frauen zum tanzen, mit mir hat sie auch zweimal getanzt, sie tanzt und führt wie ein Mann. Ich kann verstehen, dass Männer verrückt nach ihr sind. Ihr Lachen wirkt ansteckend. Louis du hast ein Riesenglück mit deiner Lehrerin. Sie ist zu Frauen und Männern sehr nett, bleibt aber immer unverbindlich.“ Als meine Schwester mit meiner Mutter überlegte, wie alt sie wohl wäre, sagte ich: „D' Frau Kofer isch siebnezwanzig.“ Meine Schwester fragte: „Woher weißt du das?“ Als ich antwortete: „Ha, das kann i doch seh“, lachte meine Schwester und sagte zu meiner Mutter: „Frag sie mal, ich bin gespannt, wie gut Louis schätzte.“ Meine Mutter war etwas verlegen, als sie fragte und meinte, ihre Tochter wollte wissen, ob Louis richtig schätzte. Ich hatte richtig geschätzt. Frau Kofer war wohl ebenfalls überrascht. Unsere Lehrerin war sportlich, sie schwamm und lief sehr gut Ski, sie konnte gut werfen. Wenn sie einen beim Völkerball mit einem gezielten Wurf traf, fiel man meist hin. Selbst größere Jungs fürchteten sich, von ihr getroffen zu werden. Unsere Familie ging gerne Baden, deshalb gingen wir, entweder ins Freibad nach Schailberg, oder zu einem Leisener Weiher, in dem man baden und schwimmen konnte. Es war ein Weg von vier Kilometer. Ab und zu trafen wir unsere Lehrerin. Sie hatte rote, oder gelbe Badeanzüge an, die gut zu ihrer braunen Haut und ihren dunklen Haaren passten. Im Winter machte unsere Familie am Wochenende oft eine Skitour. Dabei trafen wir manchmal unsere Lehrerin. Es gab hinter dem Gastof „Zum Windhaus“ einen steilen Hang. Dort beobachtete ich unsere Lehrerin, wie sie in sanften Schwüngen den Hang hinunter fuhr und sah, dass sie gut Ski laufen konnte. Sie zeigte sich häufig an Sonntagen auf dem Sportplatz, wenn der Larenbucher VfB Fußball spielte. Unser Sportplatz hatte eine Radrennbahn mit zwei schrägen und erhöhten Kurven. Manchmal wurden Radrennen ausgetragen, die bis in die Abendstunden dauerten. Auch hier begegneten wir unter den Zuschauern unserer Lehrerin. Als sie meine Mutter sah winkte sie ihr. Meine Mutter setzte sich neben sie, meine Geschwister saßen neben meiner Mutter. Ich saß neben Frau Kofer und lehnte mich an ihre Schulter. Sie roch wie Helga, nach französischem Parfüm. Frau Kofer legte ihren Arm um meine Schultern und meinte mir wäre vielleicht kalt, ich genoss den Duft ihres Parfüms und schmiegte mich eng an ihren warmen Körper der nach Esther roch. An diesem Abend liebte ich meine Lehrerin. Ich wurde von meinen Mitschülerinnen und Mitschülern gesehen und beneidet. Als ich nachts von unserer Lehrerin träumte war ich glücklich. Zunächst redete Frau Kofer mit den Eltern von Lindtraud und sagte, Lindtraud könne Kleider und alles was sie zum Anziehen braucht bei ihr aufhängen. Sie könne sich vor der Schule in ihrer Wohnung waschen, oder Duschen und sich umziehen, dadurch würde sie von den Mädchen und Jungs nicht mehr gehänselt. Lindtraud ging täglich drei Kilometer zu Fuß zur Schule. Schulbusse gab es damals noch nicht. Wenn es regnete durfte sie manchmal bei Frau Kofer übernachten. Lindtraud war ein fröhliches Mädchen, durch das Angebot unserer Lehrerin empfing mich jeden Morgen eine strahlende Linde. Sie erzählte: „Frau Kofer hat eine schöne Wohnung mit einem großen Bad und schönen Möbeln. Wunderschönen Fotos hat sie in ihrer Wohnung aufgehängt. Sie ist sehr nett zu mir. Wenn Lindtraud zu Hause in der Landwirtschaft helfen musste, fuhr unsere nette Lehrerin sie manchmal heim. Lindtraud ging morgens immer früh zu Hause weg, um sich bei unserer Lehrerin zu waschen und umzuziehen. Damit es schneller ging half ihr Frau Kofer beim Duschen und Anziehen. Wenn sich Lindtraud neben mich setzte roch sie frisch gewaschen und nach Rosenseife. Sie lachte mich an und sagte: „Louis, jetzt muss dich niemand mehr bedauern, weil du neben einem stinkenden Bauernmädchen sitzt.“ Da Linde inzwischen Schulfreundinnen hatte, fragte ich: Linde möchtest du jetzt lieber neben einem Mädchen sitzen?“ Linde schüttelte den Kopf und sagte: „Ich sitze gerne neben dir und nicht aus Dankbarkeit, sondern weil ich dich mag.“ Sie streichelte mich, als ich rot wurde, lachte sie. In den Sommerferien half ich Lindtraud beim hüten der Kühe. Ich lernte, wie man Kühe melkt und wie man sich aus dem Euter Milch in Mund spritzen kann. Da Lindtraud in den Sommerferien wieder nach Kühen und Landwirtschaft roch, schmeckte die Milch, die ich aus dem Kuheuter in meinen Mund spritzte, nach Lindtraud. Meine Lehrerin lud meine Mutter und mich, nach den Sommerferien, in ihre Wohnung ein. Meine Mutter zog sich eines ihrer Sonntagskleider an. Ich war, als meine Mutter bei Frau Kofer klingelte, etwas aufgeregt, ich glaube meine Mutter war es auch. Frau Kofer öffnete uns und sagte: „Ich freue mich sehr, über ihren Besuch.“ Meine Mutter und Frau Kofer tranken Kaffee. Für mich hatte Frau Kofer Kakao gekocht. Es duftete nach Kaffee und Kakao. Im Gegensatz zu den Wohnungen, die ich bislang kannte, waren die Möbel von Frau Kofer hell, heute würde man sagen, sie waren skandinavisch. Der Tisch war für vier gedeckt, weil Lindtraud auch da war. Frau Kofer sah, dass ich mich freute und meinte, es wäre für mich sicher netter, wenn ich nachher mit Lindtraud spielen könnte. Es gab zum Kaffee eine richtige Torte. Meine Lehrerin sagte: „Lindtraud half mir beim Backen. Ich aß im Leben erstmals Torte und kam mir vor wie im Himmel. Meine Mutter schämte sich, weil ich so viel aß. Meine Lehrerin sagte: „Frau Lautr, es freut mich, weil es Linde und mir gelang, eine Torte zu backen. Ich liebe meinen Beruf und bin gerne Lehrerin, aber keine perfekte Hausfrau. Ohne Lindtraud wäre die Torte nicht so perfekt geworden. Ich freue mich, dass es ihnen und ihrem Sohn schmeckt. Louis, bei mir darfst du essen so viel du magst.“ Meine Mutter bewunderte die Goßfotos. Esther Kofer sagte: „Fotografieren ist mein Hobby, ich entwickle meine Filme in der Dunkelkammer selbst. Meine Mutter erzählte, dass ihr Mann, seine Fotos ebenfalls entwickelte und gern fotografierte. Sie sagte: „Frau Kofer, sie sind eine Künstlerin.“ Lindtraud fragte: Frau Kofer, darf i mit Louis im Zimmer, was sie mir eingrichtet hen, schpiele?“ Meine Mutter sagte: „Louis, sei bitte vorsichtig und mach nichts kaputt.“ Lindtraud fragte: „Frau Kofer, darf ich Louis auch ihre andern Zimmer zeigen, weil ihre Wohnung so schön ist?“ Frau Kofer fragte: „Frau Lautr, möchten sie auch gerne meine Wohnung sehen, damit sie wissen, wo ihr Sohn künftig lernt?“ Meine Mutter war etwas verlegen, was ich bei ihr kaum kannte und sagte: „Frau Kofer, wenn es ihnen keine Umstände macht, sehe ich gerne ihre Wohnung an.“ Ich hatte noch nie eine so tolle Wohnung gesehen. Wir saßen in einem Esszimmer mit einem langen, massiven, schweren, hellen Eichentisch, direkt neben der Küche. Esther Kofer sagte: „Ich ließ in der Küche eine Trennwand einbauen und habe ein Esszimmer eingerichtet, die Küche war mir zu groß.“ Der Tisch hatte eine Eckbank mit durchbrochenen Stäben. Am Tisch standen zwei Eichenstühle mit Armlehnen, einen hatte sie meiner Mutter angeboten, ich saß mit Lindtraud auf der Eckbank, unsere Lehrerin saß uns gegenüber ebenfalls auf einem der Eichenstühle. Frau Kofer zeigte uns ihre Wohnung, mit ihrem großen Wohnzimmer. Das Wandregal, hatte die Schreinerei Haug, nach ihrer Zeichnung gefertigt. In der Ecke hatte sie ein helles cognacfarbenes Ledersofa und zwei Ledersessel mit Armlehnen. Die Regalwand war aus hellem Eichenholz. Meine Mutter gab etwas an und erzählte: „Mein Vater hatte in Stuttgart eine Möbelfabrik, deshalb weiß ich, wie schön und wertvoll sie eingerichtet sind.“ Frau Kofer zeigte uns ihr Schlafzimmer, mit dem hohen, langen, weißen Schrank der mehrere Spiegeltüren hatte. Der Raum wurde von einem Himmelbett ausgefüllt. Esther sagte: „Ich erbte das große Himmelbett und den gedrechselten Schreibtisch. Ich brachte es nicht übers Herz, auf die wertvollen Möbel zu verzichten, inzwischen schlafe ich himmlisch in meinem Himmelbett.“ An der Wand, neben dem Schreibtisch war ein helles Bücherregal. Sie hatte in ihrem Himmelbett eine indirekte Beleuchtung. Am Schrank hatte sie kleine Spiegelleuchten. Da die Schulwohnung große und hohe Räume hatte, war das Schlafzimmer sehr groß, sie hatte deshalb den Schrank etwas von der Wand weggerückt und hinter dem Schrank eine Sprossenwand anbringen lassen. Sie lachte und sagte: „Hier mache ich Gymnastik, um nicht einzurosten und um meine Turnübungen zu sehen zu sehen, ließ ich auf der Schrankrückseite zwei Wandleuchten und Spiegel anbringen.“ Das hübsche Gästezimmer, hatte sie zwei Betten mit Nachttischchen, einen hellen, großen Schrank und ein Regal, auf dem einige Kinderbücher standen. Es war derzeit Lindtrauds Zimmer. Frau Kofer hatte ihr zwei Puppen, einen Kaufladen und einige Bücher geschenkt. Lindtraud knipste die Lichter an und sagte: „Tante Martha un Louis, mit Licht sieht mr die schö Lampe no besser. Es isch s‘ schönste Zimmer, fascht wie im Paradies, i find es ganz toll, dass i manchmal hier wohnen darf.“ Frau Kofer zeigte uns noch die kleine Dunkelkammer, die sie eingerichtet hatte um ihre Fotos zu entwickeln. Ein Klo und ein Bad das kaum von dieser Welt sein konnte. Das Klo roch überhaupt nicht, denn es hatte, für die damalige Zeit eine außergewöhnliche Wasserspühlung. Das Bad war groß, Esther Kofer hatte eine Dusche, eine große Badewanne und ein Bidet das ich damals noch nicht kannte. Ich brachte meine Mutter in Verlegenheit, weil ich fragte, ob es zum Füße waschen wäre. Lindtraud sagte: „Louis, das han i au denkt, aber weisch des isch zum Po un zum Kätzle wäsche“. Es rettete meine Mutter aus ihrer Verlegenheit. Meine Mutter fragte: „Frau Kofer, ist ihre schöne Wohnung, durch die Schule nicht sehr laut?“ Frau Kofer antwortete: „Frau Lautr, über mir ist eine riesige Bühne, unter mir sind Klassenzimmer, in denen ist es nur laut, wenn die Schüler in der Schule sind. Abends, nachts und am Wochenende ist es so ruhig wie auf einem Friedhof. Es ist nur etwas umständlich, meine Einkäufe die Treppe hochzutragen. Seit Lindtraud manchmal hier ist, habe ich beim Tragen eine Hilfe.“ Ich sagte: „Frau Kofer, ich helfe ihnen nach der Schule ebenfalls gerne.“ Meine Mutter freute sich über meine Hilfsbereitschaft. Während sich Frau Kofer mit meiner Mutter unterhielt, spielte ich mit Lindtraud Mühle. Es gelang mir, einige Male einzusperren, was sie gemein fand. Als meine Mutter in unser Zimmer kam, sah ich, dass sie geweint hatte und war erschrocken. Meine Mutter sagte: „Louis es sind Freudentränen, weil du eine so nette Lehrerin hast.“ Frau Kofer sagte: „Liebe Frau Lautr, Ich bin Lehrerin aus Berufung, deshalb möchte ich, dass die Kinder gerne lernen. Es ist eine Nachhilfe, ohne Zwang und es ist freiwillig.“ Ich war überrascht, dass Frau Kofer meine Mutter beim Verabschieden umarmte und auf die Wange küsste. Dies kannte ich nur von Mutters Kusinen aus Hamburg, bei uns waren Umarmungen damals unüblich. Meine Lehrerin beugte sich zu mir herunter und sagte: „Louis, wir treffen uns künftig öfters bei mir, um zu lernen.“ „Ha toll“, sagte Lindtraud, „dann könnet mir au manchmal Mühle schpiele.“ Auf dem Heimweg sagte meine Mutter: „Louis, du hast eine wunderbare Lehrerin, sie erzählte mir, sie könne sich bei fast vierzig Schülern leider nicht intensiv um einzelne Schüler kümmern. Sie hätte die Schüler und Schülerinnen ihrer Klasse lange beobachtet. Ich wäre sozial, lieb und intelligent. Sie würde mich deshalb gerne mit einigen andern aus meiner Klasse nachmittags zusätzlich unterrichten. Dies wäre natürlich kostenlos. Sie würde gerne testen, wie man spielerisch lernen könne, damit es den Kindern gefallen würde.“ Meine Mutter war von unserer Lehrerin begeistert. Sie war so gerührt, dass sie erneut weinte und Frau Kofer erzählte: „Mein Louis hatte mit ständigem Lehrerwechsel Pech. Endlich sind meine Gebete erhört worden, er bekam eine Lehrerin, die ihn für die bisherige Schulzeit entschädigt.“ Meine Mutter bedankte sich in ihrem Abendgebet bei Gott für diese Fügung, und schloss unsere Lehrerin in ihr Gebet ein. Ich dachte wie langsam Gottes Mühlen mahlen würden und betete wieder. „Esther Kofer wurde aus Berufung Lehrerin“, sagte meine Mutter, „sie opfert sogar ihre Freizeit, um Schüler lebensnah zu unterrichten. Sie versprach mir, dass sie euch helfen würde, das Gymnasium zu schaffen.“ Als Frau Kofer mit meiner Mutter und Lindes Eltern über Nachhilfeunterricht gesprochen hatte, sprach sie mit Reinhilds Mutter und mit Rosannas Eltern. Reinhilds Mutter und Rosannas Eltern waren ebenfalls von unserer Lehrerin begeistert, wie alle Kinder unserer Klasse. Dies übertrug sich auf die Eltern und schließlich auf die Menschen in unserem Dorf. Es war geplant, dass wir am Mittwoch und am Donnerstag von 14:00 bis 17:00 unserer nette Lehrerin besuchen würden. Wir waren zu viert und fühlten uns privilegiert, weil wir auserkoren waren und von unserer Lehrerin privat unterrichtet wurden. Am Mittwoch gab ich mir in der Schule besondere Mühe, um bei Frau Kofer positiv aufzufallen. Auch Lindtraud, Reinhild und Rosanna meldeten sich häufig. Als die Schule aus war, sagte Lindtraud zu mir: „Schade, dass du nicht hier bleiben kannst, sondern erst nach Hause musst.“ Ich war sehr aufgeregt als ich kurz vor zwei klingelte. Lindtraud und Frau Kofer öffneten mir gerade die Türe als auch Rosanna und Reinhild die Treppen rauf sprangen. Frau Kofer zeigte uns ihre schöne Wohnung, die ich schon mit meiner Mutter gesehen hatte. Sie sagte: „Jetzt wisst ihr wo meine Toilette ist und wie meine Zimmer aussehen, deshalb müsst ihr meine Wohnung nicht heimlich anschauen. Wenn ihr etwas wissen wollt, könnt ihr mich ungeniert fragen. Wenn ich euch noch etwas zeigen kann, fragt mich bitte. Meine Dunkelkammer, in der ich meine Fotos entwickle, ist für alle verboten, denn wenn meine Filme falsch belichtet werden, sind sie wertlos. Ich sage euch immer zuerst, wie wir unseren Nachmittag gestalten und was wir uns beim nächsten Mal erarbeiten werden. Wir setzen uns am besten in mein Esszimmer an den großen Tisch und schreiben zunächst ein Diktat, dann üben wir das Einmaleins und danach erzählt jeder von euch eine kleine Geschichte. Heute seid ihr noch ein schüchtern, weil ihr das erste Mal hier seid, aber ihr könnt mir gerne Vorschläge machen, wenn euch etwas interessiert. Vielleicht interessiert euch ein Thema und ihr geniert euch, mich zu fragen. Deshalb steht im Flur eine Schale, dort könnt ihr anonym einen Zettel einwerfen, dann unterhalten wir uns bei eurem nächsten Besuch darüber. Wenn ich eure Schrift, die ihr verstellen könnt, erkenne, erfährt niemand, von wem die Frage stammt. Bevor ihr nach Haus geht, trinken wir eine heiße Schokolade und essen den Marmorkuchen, den ich mit Lindtraud gebacken habe. Lindtraud ist eine tolle Hausfrau, sie kann gut kochen und seit sie manchmal bei mir wohnt, ist meine Wohnung immer sauber und aufgeräumt.“ Das Diktat war nicht besonders schwierig, ich glaube wir hatten wenig Fehler. Rosanna hatte nie Fehler, dafür konnte sie nicht so gut rechnen wie Lindtraud. Ich war im Rechnen und beim Diktat immer der Schlechteste. Ich schrieb gute Aufsätze, konnte interessante Geschichten erzählen und gut Zeichnen. Das Fach Biologie interessierte mich ebenfalls. Frau Kofer sagte: „Louis, du hast vielleicht nicht immer das Wissen, das die Schule verlangt, aber du bist ein Junge mit viel Fantasie und mit einer Begabung, die dir in deinem Leben nützlich sein kann. Du musst dir einen Beruf suchen, bei dem dir deine instinktive Sicherheit, mit der du Menschen erkennst, etwas nützt. Du hast immer passende und gute Ausreden und gute Argumente. Mir gefällt, dass du dich für andere einsetzt, sogar für Mädchen und Jungs, die zu dir nicht immer nett sind. Ich glaube, dass du mit Menschen gut zurechtkommst. Alle Lehrer haben dir gute Beurteilungen geschrieben, obwohl du ein Lausbub bist und mit Schulwissen nicht immer glänzen kannst. Es ist dir wichtig, dass Menschen gerecht behandelt werden, deshalb mögen wir dich. Meine liebe Lindtraud, du bist ein kluges Mädchen, du liebst Tiere und kannst gut mit ihnen umgehen, du könntest Tierärztin werden, ich glaube dies würde deinen Eltern ebenfalls gefallen. Du bist ein kräftiges Mädchen und könntest sicher auch Kühe und Pferde behandeln. Ich glaube, dass wir bei deinen Eltern Überzeugungsarbeit leisten müssen, damit du ins Gymnasium darfst.“ Linde lachte und sagte: „Aber Frau Kofer, Tierärzte sind doch Männer.“ „Linde, mein Schatz“, antwortete Frau Kofer, „das bleibt nicht so, vielleicht wirst du in Larenbuch die erste Tierärztin, das wäre doch toll. Bei Reinhilds Mutter und bei den Eltern von Rosanna ist es leichter. Wenn ich mal weit in die Zukunft blicke, glaube ich, dass in künftigen Generationen viele Mädchen Abitur machen und studieren. Jetzt setzen wir uns gemütlich hin, trinken heißen Kakao und essen Marmorkuchen. Es ging uns himmlisch, Frau Kofer erzählte von Kriegserlebnissen und der Flucht. Sie hat erlebt wie ihre Eltern und ihre Schwester starben. Ich fragte: „Frau Kofer, dürfen wir sie lange als Lehrerin behalten? Leider hatten wir schon so viele verschiedene Lehrer, wir würden uns sehr freuen, wenn wir endlich eine so nette Lehrerin behalten dürfen.“ Sie lächelte und sagte: „Es gefällt mir in Larenbuch, euer Schwarzwald ist fast ein Paradies. Ihr hattet Glück, dass euer Dorf im Krieg nicht zerstört wurde. Ich mag eure Klasse und bleibe gerne an eurer Schule, ich begleite euch zur Prüfung ins Gymnasium. Ich lerne mit euch noch in den ersten Klassen des Gymnasiums. Reinhild und Linde wollen nicht ins Gymnasium. Wir müssen es noch nicht entscheiden, vielleicht überlegt ihr es euch.“ Als wir uns verabschiedeten, umarmte sie uns und sagte: „Wir sehen uns morgen in der Schule und nachmittags wieder hier.“ Lindtraud durfte, wenn wir nachmittags Unterricht hatten, bei Esther übernachten. Beim Frühstück fragte meine Schwester: „Louis, gehst du gerne in die Schule, weil dir deine Lehrerin gefällt, oder weil du etwas lernen möchtest?“ Ich lachte und antwortete: „Beides, Frau Kofer gefällt mir und bei ihr ist der Unterricht interessant, deshalb freue ich mich jeden Tag auf die Schule. Wenn das Wetter schön ist, machen wir oft Lehrgänge. Frau Kofer unterhält sich mit uns über Landschaften, Bäume, Pflanzen und Tiere. Sie erklärt uns Baum- und Getreidearten und sagte, wir könnten junge Tannentriebe gegen den Durst essen. Sie bat uns, welche zu sammeln und kochte aus unseren gesammelten Tannentrieben eine würzige Melasse. Unsere tolle Lehrerin bot uns Schülern in der Pause auf einem großen Tablett Butterbrote mit Tannensirup an, der fast wie Honig schmeckt. Sie sagte, die Schweizer nennen es Tannenschösslihonig. In Läden würde es unter dem Namen Tannenkraft angeboten.“ Als wir unsere Lehrerin fragten, wie man diesen tollen Sirup herstellt, diktierte sie uns die Rezeptur.“ Dörte war erstaunt und ließ sich die Rezeptur zeigen, die ich in mein Tagebuch geschrieben hatte.

 
 

Andere Schüler beneideten uns um unsere tolle Lehrerin. Wenn wir bei unserem Lehrgang durch unser Dorf gingen, achtete sie auf Disziplin und versuchte uns Gleichschritt beizubringen. Sie bat uns, alle Dorfbewohner zu grüßen, die uns begegnen. Unsere Lehrerin grüßte ebenfalls und unterhielt sich mit ihnen. Sie war beliebt in unserem Dorf. Sie kaufte fast alles, bei den Geschäften in Larenbuch. Ihre Kleidung ließ sie von Reinhilds Mutter schneidern. Es gab wohl niemand im Dorf, der von Esther Kofer nicht begeistert war. Die Larenbucher erfuhren nicht, ob und wie reich Frau Kofer war. Da viele Geschäftsleute profitierten, neidete ihr niemand ihren Reichtum. In unserem Dorf gab es eine Fahrrad- und Motorradreparaturwerkstatt. Seit Frau Kofer ihren Renault dort reparieren ließ, bestellte er beim Malermeister ein neues Schild, er nannte sich jetzt: Fahrrad-, Motorrad- und Autoreparaturwerkstatt -Manfred Sulm-. Mein Onkel hatte eine NSU Quick, es war ein Leichtmotorrad. Als er uns besuchte, ließ er seine NSU Quick bei Herrn Sulm reparieren. Ich war dabei, als Herr Sulm erzählte: „Wenn Frau Kofer nit wär un ihre Rechnungen so prompt zahle dät, könnt ich den Vorrat an Ersatzteil nit lagern. Keiner weiß, woher die Lehrerin Geld hat, aber des isch mir au egal.“ Die Bürger unseres Dorfs hätten gerne ihre Neugier befriedigt und mehr über das Vermögen unserer Lehrerin erfahren. Der Bänker konnte es nicht herausfinden. Er sagte: „Auf ihr Konto wird nur ihr Lehrergehalt überwiesen.“ Obwohl es für Bänker eine Schweigepflicht gab, erzählte er: „Manchmal kommt eine große Überweisung von ihrem Konto einer Frankfurter Bank. Mehr konnte ich nicht erfahren. Vielleicht hat sie vermögende Eltern.“