Das Paradies ist zu Ende

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Mein Bruder und meine Schwester konnten an dem Sonntag nicht zur Schtond, ich glaube sie waren in Schailberg, weil sie eine Veranstaltung im Gymnasium hatten. Wie jeden Sonntag, ging ich nach der Kirche und der Kinderkirche, mit meiner Mutter zu Gerners zum Mittagessen. Unterwegs fand ich an einem Haselnussstrauch eine wunderschöne Astgabel, die sich sehr gut für eine Schleuder eignete. Ich nahm mein Taschenmesser und schnitt den Zweig mit der Astgabel ab. Ich verkürzte die Zweige, steckte die Schleudergabel in den Rucksack, den meine Mutter heute trug, sonst trug ihn mein Bruder. Wir nahmen ihn mit, weil uns Bauern meist Lebensmittel schenkten. Bei Gerners war diesmal eine größere Tafel. Beide große Schwestern von Linde waren zu Besuch. Gerda erzählte: „Ich bekam eine Sondergenehmigung für den Führerschein. Meine Chefin überließ mir ihr Auto, weil Esther sie mit ihrem Renault besuchte, braucht sie ihr Auto nicht.“ Gerda hatte mit dem VW von Dr. Tina ihre Schwester im Ochsen abgeholt, um mit ihren Eltern gemeinsam zu Essen. Erika hatte die Mahlzeit in großen Töpfen vom Ochsen mitgebracht. Es gab Gaisburger Marsch, eine meiner Leibspeisen und zum Nachtisch eine Schokoladenkreme. Erika sagte zu mir: „Mensch Louis, bist du groß geworden, mein Vater hat erzählt, dass du in den Ferien meiner Schwester wieder hilfst. Du kannst diesmal das Zimmer von Gerda für dich alleine haben. Gerda sagte zu mir: „Das finde ich klasse, dass du meiner Schwester wieder beim Kühe hüten hilfst, seit ich mit dem Auto meiner Chefin fahren darf, kann ich euch manchmal besuchen. Mein Vater zeigt dir sicher das Fahren mit unserem neuen Traktor.“ Die drei Töchter räumten die Küche auf. Ich hätte gerne geholfen, aber die Schwestern wollten alleine sein, sie hatten sich viel zu erzählen, aus Neugier versteckte ich mich und hörte wie sie zu Linde sagten: „Linde, wir freuen uns alle, dass du gerne Bäuerin bist und den Hof unserer Eltern weiterführst. Liebe Linde, wir sind beide ungern Bäuerinnen und sind nicht auf das Erbe angewiesen, unser Hof ist nicht groß, aber er kann dich und später deine Familie ernähren. Wenn du unser Erbe auszahlen würdest, müsstest du Wiesen oder Felder verkaufen, dann wäre die Existenz gefährdet. Deshalb haben wir drei Schwestern beschlossen, dir unser Erbe zu schenken und uns mit dir zu freuen, dass du als tüchtige Bäuerin unsern elterlichen Hof weiterführst. Wir haben auch mit unsrer Schwester, die heute nicht zur Schtund kommt, gesprochen. Wir gehen demnächst zum Notar um alles zu regeln. Linde weinte und sagte: „Ich weiß nicht, wie ich mich bei euch bedanken kann. Ihr habt recht, ich wollte immer Bäuerin werden und hatte nie einen andern Berufswunsch. Ihr wisst, dass ich gut rechnen kann, deshalb dachte ich, wenn ich Felder oder Wiesen verkaufen müsste, um euch euren Erbteil auszubezahlen, könnte ich unsern schönen Bauernhof nicht mehr erhalten. Ich müsste dann einen Bauern heiraten, weil ich mir keinen andern Beruf vorstellen kann. Ich verspreche allen meinen Schwestern, dass ich mich sehr anstrenge, um euch einen Teil eures Erbes in Raten zu bezahlen.“ Die Schwestern umarmten sich. Erika sagte: „Mein liebes Schwesterle, in unsrer Familie können alle Mädchen gut rechnen. Ich weiß schon lange, dass die Erbteilung bei den Höfen in Württemberg dazu führte, dass die Existenz vieler Bauern gefährdet ist. Einige suchten einen Nebenerwerb, oder sie haben etwas erfunden, andere mussten ihren Hof aufgeben und ihr Geld anderweitig verdienen. Leider liegt unser elterlicher Hof noch in Württemberg und wurde deshalb seit Generationen immer kleiner. Wenn er fünf Kilometer weiter südlich gelegen hätte, würden unsere Eltern einen großen Hof mit viel Land und Wald bewirtschaften. Die badischen Bauern hatten diese Erbteilung nicht, deshalb sind die Bauernhöfe groß und ihre Besitzer reich geblieben. Wenn man gut wirtschaftet, reicht der Hof unsrer Eltern, um davon leben zu können. Wir sind sicher, dass du gut wirtschaftest und unsern Hof erhalten wirst. Wir Schwestern sind in unsern Berufen sehr glücklich und verdienen genügend Geld. Wenn es notwendig sein sollte helfen wir uns gegenseitig. Mein Schorsch und ich brauchen von dir kein Geld.“ Gerda umarmte Linde und sagte: „Du weißt dass ich ebenfalls glücklich in meinem Beruf bin, ich bin dir dankbar und freue mich, wenn du den Hof unsrer Eltern weiterführst, du liebst die Landwirtschaft und wirst sicher die beste Bäuerin. Ich brauche auch kein Geld von dir und werde dich, wenn ich Urlaub habe, oft besuchen, um mit dir zu tratschen und dir zu helfen. Es wäre tragisch, wenn du einen Bauern heiraten müsstest, um deinen Lieblingsberuf auszuüben. Ich weiß doch, dass du deinen Louis liebst, der keine Wiesen und Felder hat.“ Linde weinte immer noch vor Glück und sagte: „Gerda, du hast recht, Louis und ich lieben uns. Trotzdem weiß ich nicht, ob ich ihn heiraten kann. Als Esther mit dir über Eifersucht gesprochen hat, sagte sie zu dir, sie wäre ein Schmetterling, Louis ist ebenfalls ein Schmetterling, wenn er bei mir ist, liebt er mich zärtlich und wenn er bei Rosanna ist, liebt er sie genauso. Ich glaube, dass ich meine Eifersucht nicht verliere. Meine besten und liebsten Schwestern, ihr wisst, wenn man einen Schmetterling in die Hand nimmt und seine Flügel festhält stirbt er, weil er nicht mehr zu andern Blumen fliegen kann.“ Erika sagte: „Meine liebe, kleine Schwester, was bist du doch für ein kluges Mädchen. Da du noch sehr jung bist und viel Zeit zum Nachdenken hast, kann sich in der langen Zeit noch vieles ändern. Ich wünsche dir und Louis zunächst schöne gemeinsame Ferien. Ihr werdet mit den Kühen von Seilers eine große Herde hüten und könnt euch viele Nächte lieben. Wenn du deine Periode bekommst, musst du aufpassen, dass du nicht schwanger wirst. Bitte achte drauf, dass unsere Eltern nicht bemerken, wie intim du mit Louis bist. Du würdest sie enttäuschen.“ Gerda lachte und sagte: „Erika, unsere kleine Schwester ist sehr erfahren. Sie weiß, dass Louis den Interruptus beherrscht, Beide sind schlau, unsere Eltern werden nie bemerken, dass ihre Jüngste eine Sexbeziehung mit Louis hat.“ Als Lauscher an der Wand, freute ich mich, weil Lindes Schwestern auf ihr Erbe verzichten, damit Linde ihren Bauernhof bekam. Gleichzeitig schämte ich mich, weil ich gelauscht hatte. Ich nahm mir vor, besonders lieb zu ihr zu sein.

Gerda sagte, heute fahre ich euch zur Stunde, ich fahre zweimal. Zuerst fahre ich meine Eltern und Tante Martha (meine Mutter), bei der zweiten Fahrt kann ich Erika, Louis und Linde mitnehmen. Erika erzählte wie sehr sich ihre Eltern auf ihr Enkelkind freuen würden, das sie bald bekäme. Gerda hat ihre Schwester zur Untersuchung bei Dr. Tina abgeholt. Anscheinend war alles in Ordnung. Linde sagte zu mir: „Mensch Louis, stell dir vor, ich werde Tante.“ „Schade“, antwortete ich, „meine Schwester ist noch zu jung, ich kann noch nicht Onkel werden. Du bist sicher eine tolle Tante, wenn du das Kind mitbringst, können wir mit ihm spielen.“ Linde lachte und meinte: „Du darfsch dem Baby die Windeln wechseln, denn schpiele kasch no nit, es isch a Baby.“ Gerda war zurückgekommen und hielt mit dem beigefarbenen VW neben uns. Gerda sagte zu mir: „Du kansch vorne sitzen, dann zeige ich dir, wie man Auto fährt.“ Sie zeigte mir, wie die Gänge bei einer H Schalung liegen und wie man Gas gibt, bremst und kuppelt. Sie sagte: „Wenn ich nachts fahre, muss ich den Abblendschalter mit dem linken Fuß bedienen, damit der Gegenverkehr nicht geblendet wird. Oft ist es ungünstig, wenn ich gerade die Kupplung trete, kann ich nicht abblenden. Es wäre günstiger, wenn man mit einem Handschalter abblenden könnte. Schau, hier ist der Winker. Ein beleuchteter Winker klappte hinter der Türe aus einer Mulde und zeigt, dass man abbiegen will. Esthers Renault hatte eine Treibstoffanzeige, die suchte ich beim VW vergeblich. Gerda sagte: „Rechts, neben dem Gaspedal, in der Mitte ist ein Benzinhahn, wenn der Motor anfängt zu stottern, muss ich den Hebel umlegen, ich versuche es mit dem Fuß, der Motor bekommt dann vom Reservehahn nochmals sechs Liter Benzin, damit kann ich bis zur nächsten Tankstelle etwa 50 km fahren. Natürlich ist es blöd, wenn ich gerade einen Lastwagen überhole und mein Motor fängt an zu stottern, dann muss ich bremsen, oder ganz schnell mit meinem rechten Fuß den Hebel finden und wieder Vollgas geben. Inzwischen schreibe ich beim Tanken den Tachostand auf, dann weiß ich, dass ich nach 300 km tanken muss. Beim Renault war die Hupe an einem Hebel am Lenkrad. Beim VW war die Hupe in der Mitte des Lenkrads, das fand ich praktischer. Ich fragte Gerda, wie viel PS der VW hatte. „Das weiß ich doch nicht“, sagte sie, „aber im Handschuhfach liegt eine Betriebsanleitung, da steht es sicher darin“. Der VW hatte damals 28 PS und verbrauchte auf 100 km 11 bis 12 Liter Benzin. Gerda freute sich, weil sie sich mit mir über das Auto und das Fahren unterhalten konnte. Diesmal war die Stunde beim Schlader-Bauer. Die Bauern waren erstaunt, weil Gerda mit einem neuen VW fahren durfte. Manche fanden es problematisch, wenn Frauen Auto fuhren, sie meinten, Frauen könnten es nie richtig lernen. Einer sagte zu Gerda: „Wenn i dei Chef wär, no dät i dir mei Auto nit geh. Du bisch doch au für den Führerschein no viel z’ jung.“ Gerda lachte und sagte: „Wenn du mein Chef wärsch, no dät i glei kündige, denn bei dir dät i des nit lang aushalte, on dei Auto wollt i au gar nit fahre, aber damit du mir au glaubsch, zeig i dir mein Führerschein.“ Alle schauten sich das graue Papier an. Sie konnten es kaum fassen, dass ein so junges Mädchen den Führerschein hatte. Der Gerner war stolz auf seine Tochter, als der Senders-Bauer sagte: „Ja da sin alle wieder neidisch auf den Gerner. Erscht hen sie gsagt, er wär nit imschtand ein Kerle für sein Hof zu kriege, on jetzt hat dr Gerner lauter tüchtige Mädle, die oft mehr könnet als mancher Kerle. Schaut euch d' Erika an, was die Frau aus dem Ochsen in der kurze Zeit gmacht hat. Als d' Erika ein Biergarten anglegt hat, hen d' Männer gsagt, es wär en Quatsch, on heut schtaunet se, wie die Leut am Wochenende im Biergarten sitzet, on ich han gschtaunt, als i im Ochse a Bier tronke han, on den Deich-Bauer mit em Schondel-Bauer on em Holz-Bauer im Biergarten troffe han. On am beschte hat mir‘s gfalle, dass ausgrechent der Ankerwirt, der bloß 200 Meter entfernt isch, on sich über den Biergarten fascht z' tot glacht hat, jetzt au en Biergarten anlegt. Aber meine liebe Brüder on Schwestre im Herrn, wenn ich ein von euch beim Ankerwirt seh, dem kündige ich meine Freundschaft, denn der Ankerwirt isch katholisch un kein Glaubensbruder. Ich muss scho sage, da hat der alte Ochsenwirt Glück g'habt, dass er so a tüchtige Schwiegertochter kriegt hat. On im junge Ochsenwirt sieht mer an, dass er in sei Erika verliebt isch. Mei Frau war kürzlich bei Gerdas Chefin, d' Frau Dr. hat gsagt, sie hatte noch nie so a tüchtige Schprechschtundehilfe un sie würde d' Gerda nie mehr fort lasse. Un jetzt kommt des Mädle scho mit dem VW ihrer Chefin zur Schtond.“ Der Senders-Bauer klopfte dem Gerner auf die Schulter und sagte: „Ha Gerner, do kasch scho Schtolz sei auf deine hübsche Töchter, aber dass sie so hübsch sin, das liegt nit an dir, das verdanksch deiner Frau, un jetzt musch bloß no für die Linde sorge, on die hat ihr Herz au uf em rechte Fleck, die wird sicher genauso tüchtig wie deine andre Töchter. On wenn du unsern Herrgott bittesch, no wird se sicher a tüchtige Bäurin on macht was gscheits aus deim Hof.“ Alle Glaubensbrüder und Schwestern lachten und gratulierten Gerners. Linde und ich konnten uns diesmal von der Stunde nicht drücken. Wir saßen mit den Erwachsenen auf den Schrannen und hörten zu. Der alte Schondel-Bauer stand auf und sagte: „Ja meine liebe Brüder und Schweschtre im Herrn, in der Bibel schteht wörtlich gschriebe, „das Weib schweige in der Gemeinde.“ Leider hält sich keiner mehr dra, erscht hat mer de Fraue s' Wahlrecht gebe, on jetzt fahret se Auto, on irgendwann, wenn dr Adenauer gschtorbe isch, no wird a Frau womöglich Bundeskanzlerin on regiert uns in Deutschland. Aber des erleb i zum Glück nimmer. Was werdet au no für Zeite komme!“ Der Senders-Bauer, der heute Stunde hielt und die Bibel auslegte, sagte: „Schondel-Bauer, vielleicht hasch sogar recht, on schtell dir vor, wenn dr Hitler a Frau gwä wär, no häts vielleicht kein Weltkrieg gebe.“ Ich sagte leise zu Linde: „Wenn unser Lehrerin Bundeskanzlerin werden wollte, würde ich sie wählen.“ Linde lachte und sagte ebenfalls leise, die wird’s sicher no nit, aber d' Rosa könnt's a mal werde, die däte mir sicher alle wähle, weil sie s' Zeug dazu hät.“ Ich war froh, dass heute der Senders-Bauer die Bibel auslegte, ihm hörte ich gern zu und er war nach einer Stunde fertig. Danach gab es, wie immer eine exzellente Vesper mit Bauernbrot, Schichtkäse, Hausmacher Wurst und Speck. Nach der Vesper fuhr uns Gerda zurück. Gerda sagte zu Linde: „Ich soll dir von deiner Lehrerin ausrichte, dass eure Klasse am Montag um neun Uhr zur Abzweigung kommt. Ihr badet im Lasinger Weiher. Sie erzählte uns von eurem, Schulausflug ins Elsass. Esther schenkt euch die Busfahrt. Ich kann kaum glauben, was ihr für ein Glück mit eurer Lehrerin habt. Ich bin ihr und meiner Chefin ewig dankbar, denn ohne sie hätte ich mein derzeitiges Glück nicht erlebt. Ich kann euch nicht beschreiben, wie sehr mir mein Beruf und mein Leben gefällt.“ Linde sagte zu Gerda: „Bitte sag Esther, dass ich um neun an der Abzweigung warte. Ich rieche nicht nach Landwirtschaft, weil ich meine Kleidung für den Ausflug draußen aufhänge, mein lieber Vater hat auf dem Balkon eine Stange anbracht.“ Meine Mutter und ich wollten uns gerade verabschieden, da gab uns der Schlader Matheis noch Brot, Eier und Butter mit. Gerda sagte: „Tante Martha, ihr müsst heute nicht laufen, ich fahre euch erst heim und fahre später mit meiner Schwester zum Ochsen und danach zu meiner Chefin. Meiner Mutter war es peinlich, weil uns Gerda nach Larenbuch fahren wollte, sie sagte: „Gerda, das ist sehr lieb von dir, aber wir können gut laufen.“ Gerda bestand darauf uns zu fahren. Als wir zu Hause ausstiegen, schaute unsere Hausbesitzerin zum Fenster raus. Gerda und Erika winkten uns nochmals, dann drehte Gerda auf der Straße um und fuhr zurück. Meine Geschwister kamen kurz nach uns und waren überrascht, weil wir zu Hause waren. Meine Mutter erzählte, was wir alles an diesem Sonntag erlebt hatten und dass Erika ein Baby erwartete. Meine Schwester sagte: „Es freut mich, dass Gerners nette und kluge Töchter haben, die Gernermutter hat ihre Kinder zu tüchtigen Mädchen erzogen, die Mädels haben wahrscheinlich die Gene und den Verstand von ihrer Mutter. Jede der Mädels ist auf ihre Art hübsch und alle haben das gewisse Etwas.“ Meine Mutter verteidigte den Vater und sagte: „Vor seiner Kriegsverletzung sah der Gernervater gut aus und er ist ein tüchtiger Bauer.“ Ich dachte, Lindtraud hat wahrscheinlich viele Gene ihres Vaters, sie ist gerne Bäuerin und liebt ihre Kühe, ihre Hühner und ihre Schweine. Ihre großen, schönen Hände und ihren Humor hat sie wohl von ihrem Papa. Ihre strahlenden Augen und das Lachen hat sie von ihrer Mutter. Zu Hause schnitzte ich noch die Astgabel, weil ich Katharinas Schleuder fertigen wollte. Leder und Gummi hatte ich in meiner Schublade. Nebenbei hörte ich im Radio den Wetterbericht und freute mich über das schöne Wetter, das für morgen angesagt war. Bevor ich schlafen ging, schrieb ich Hella meine Erlebnisse und Gedanken auf. Ich freute mich auf unseren Ausflug zum Lasinger Weiher, weil ich einer der Schüler war, die schwimmen konnten. Mit unserer Mutter nutzten wir häufig die schönen Sommertage im Schwimmbad, oder beim Lasinger Weiher. Meine Schwester lernte, wie alle Kinder, ohne Schwimmunterricht schwimmen. Sie zeigte mir entsprechende Bewegungen. Mit Besuchen, von Onkeln, Tanten, Kusinen und Vettern, die uns häufig zur Ferienzeit besuchten, waren wir ebenfalls oft Baden. In unserer Nähe, waren das Freibad, der nächsten Stadt und der Lasinger Weiher. Zum Lasinger Weiher, wie auch ins städtische Freibad, waren es vier Kilometer, die man in einer Stunde zu Fuß erreichte. Am Montag war ein schöner Sommertag. Wie bei immer hatte ich meinen Brotbeutel und eine Feldflasche mit Wasser dabei. Unsere Klasse stand im Schulho und wartete noch, auf Eckhard, der manchmal vom Chauffeur gebracht wurde. Diesmal brachte ihn sein Vater mit seinem Borgward. Er entschuldigte sich, weil er zu spät kam. Neid auf Reichtum war uns damals unbekannt. Viele Kinder meiner Klasse waren arm, sie stammten aus Arbeiterhaushalten. Einige Kinder von Handwerkern waren etwas wohlhabender. Kinder von Kriegerwitwen gehörten zu den Armen. Wir waren nicht unglücklich, oder neidisch. Die großen Unterschiede zwischen Arm, Reich und Superreich zeigte sich in den 50er und 60er Jahren noch nicht so extrem. Reichtum wurde in Baden und Württemberg, nicht zur Schau gestellt.

 

Frau Kofer bat uns, auf der linken Straßenseite immer zu Zweit zu gehen. Katharina fragte mich, ob sie, da Linde noch nicht da war, mit mir gehen könne. Ich hatte in meinem Brotbeutel die Schleuder, die ich am Wochenende für Katharina gebastelt hatte und fragte: „Hättest du immer noch gerne eine Schleuder?“ Sie sagte: „Wenn du mir eine machst, erfülle ich dir jeden Wunsch.“ Ich fragte: „Katharina, was kann ich mir von dir wünschen?“ „Alles“ antwortete sie. Ich sah sie an und sagte: „Wenn ich dir die Schleuder gebe, sage ich dir meinen Wunsch. Aber jetzt muss ich mit Rosa etwas besprechen.“ Ich wollte Linde nicht ärgern und fragte Rosa: „Denkst du manchmal an Helga, unsere Kindergärtnerin?“ Rosa sagte: „Ich hatte sie fast vergessen, aber seit ich weiß, dass wir sie beim Schulausflug sehen, denke ich an sie. Komisch, dass es Erwachsene gibt, denen es Spaß macht, Kindern Schmerzen zuzufügen. Ich erkannte, dass es Frau Kling gefiel, ihre beiden Töchter zu verhauen. Ich möchte es fast nicht zugeben, mir gefällt es auch manchmal, deine Linde, Reinhild, oder dich zu hauen.“ Ich schaute sie an und sagte: „Manchmal geht es mir genauso.“ Rosa fragte: „Louis, hast du schon erfahren, dass meine Eltern ein Auto gekauft haben? Es ist ein kleiner italienischer Fiat. Wir haben damit einen Ausflug gemacht, mein Vater hat einen Kollegen in Rostwill besucht. Es ist toll, dass man mit einem Auto so weit reisen kann, ohne in einen Zug oder einen Omnibus zu steigen. Ich möchte genügend verdienen, um mir später ein Auto zu kaufen. Meine Mama und mein Papa streiten sich nie über Geld, aber meine Mama ist vom Verdienst meines Papas abhängig. Ich wünsche mir meinen eigenen Verdienst, so wie unsere Lehrerin. Sie muss niemand fragen, wenn sie sich ein Kostüm, oder dir Schuhe kauft.“ „Aber Rosa“, sagte ich, „du bist klug und intelligent, du kannst Zahnärztin werden und genügend Geld verdienen, um dir ein Auto zu kaufen.“ Rosa sah mich etwas ungläubig an und fragte: „Meinst du, ich könnte Zahnärztin werden, und die Praxis so führen wie mein Papa?“ Ich überlegte und sagte: „Die Freundin von Frau Kofer ist Ärztin, warum solltest du nicht Zahnärztin werden?“ „Weil ich bisher noch keine Zahnärztin gesehen habe“, antwortete sie, „aber ich würde es gerne werden, es wäre für mich ein interessanter Beruf, ich helfe meinem Papa gerne in seiner Praxis. Abends wenn keine Patienten mehr da sind, zeigt er mir manchmal Röntgenbilder oder Fotos von Gebissen der Patienten, denen er geholfen hat, damit sie wieder essen können.“ Ich sagte: „Rosanna, ich weiß, dass du Zahnärztin werden kannst und bedaure sehr, dass ich im Gymnasium nicht neben dir sitzen und von dir abschreiben kann. Für mich ist das Lernen in der Schule viel schwieriger als für dich.“ „Ich würde gerne neben dir sitzen und dich abschreiben lassen.“ Durch unsere Unterhaltung bemerkten wir nicht, dass wir weit voraus gelaufen waren. An der Weggabelung kam uns Linde entgegen und sagte: „Von hier müssen wir nicht mehr auf der Straße gehen, es gibt einen Waldweg, da müssen wir nicht, wie Soldaten marschieren.“ Wir warteten bis Frau Kofer kam. Sie schimpfte ein wenig, weil Rosa und ich nicht mehr zu sehen waren und sagte: „Dafür bestrafe ich euch gelegentlich.“ Linde erklärte unserer Lehrerin den Waldweg, der zum Forchenmühl und zum Lasinger Weiher führt und sagte: „Dann müssen wir nicht auf der Straße laufen.“ „Prima“, meinte Frau Kofer, „Linde zeigt uns den Weg.“ Wir kamen zu dem Waldweg, auf dem wir damals den Seiler überfallen hatten. Ich nahm Linde am Arm und sagte leise: „Wenn wir jetzt den Seiler sehen, können wir ihm mit der Schleuder noch eine ballern.“ Linde lachte: „Wenn ich dran denke, freue ich mich, weil wir Wolfgang einen Denkzettel verpassten, andererseits denke ich immer, wie schlimm es für Gerda war, dass sie zu ihm gehen musste, damit mir nichts geschieht. Das vergesse ich meiner Schwester nie.“ „Was wirst du nicht vergessen“, fragte Katharina, die zu uns kam und neben mir ging. Linde schaute sie genervt an und fragte: „Ja sag, han i jetzt mit dir gschwätzt, oder warum fragsch du.“ „Ach“, sagte Katharina, „ich wollte mich euch eine Weile anschließen um mich mit euch zu unterhalten.“ Linde meinte: „Ich weiß genau was du willst, du willst nicht mit mir reden und dich nicht uns anschließen, du willsch mit em Louis schwätze, on wahrscheinlich willsch nit mit ihm schwätze, sondern was ganz anders mache, on bloß deshalb hasch so do, als hätsch mit mir schwätze wolle. Am beschte wärs, du dätsch wieder do na gange wo du herkomme bisch!“ Katharina schaute traurig und musste sich beherrschen, um nicht zu weinen. Da ich Linde nicht boshaft kannte, fragte ich: „Was hast du gegen Flüchtlinge, wenn Katharina auftaucht, bist du gehässig zu ihr.“ Linde schaute mich an und fragte: „Tust du so, oder merkst du überhaupt nicht, dass die hinter dir her isch. Die isch doch älter als wir, die soll dich lasse, on sich ein Kerle suche, der so alt isch wie sie.“ Wir waren beinahe am Lasinger Weiher. Unsere Lehrerin wollte nicht, dass wir in Weiher pinkelten und sagte, bitte benutzt im Ochsen die Toiletten. Frau Kofer begrüßte Erika und Schorsch und fragte ob die Kinder zur Toilette könnten. „Na klar,“ sagte Erika, „Jungs geradeaus und dann links, die Mädels geradeaus und nach rechts.“ Ich wollte etwas angeben und rief laut: „Hallo Schorsch.“ Schorsch bemerkte, dass ich groß rauskommen wollte, und rief: „Hallo Louis, mein Freund, solle mir nachher mitnander ein Ketterer Bier trinke.“ Meine Klassenkameraden waren erstaunt, weil der Wirt offensichtlich mein Freund war. Noch mehr staunten sie, als Erika Linde küsste und umarmte, sie wussten nicht, dass Erika ihre große Schwester war. Sie fragte mich leise, ob sie mich auch umarmen kann, oder ob es mir peinlich wäre. Es war mir nicht peinlich und meine Klassenkameraden wunderten sich noch mehr. Fast alle gingen zur Toilette, damals waren die Herrentoiletten noch nicht mit einem Pissoir ausgestattet, sondern Männer pinkelten gegen die Wand, der Urin floss in einer Rinne ab. Die damaligen Toiletten stanken entsprechend, deshalb beeilte ich mich. Am Brunnen vor dem Ochsen löschten alle nochmals ihren Durst, dann rannten wir durch die Wiese zum Weiher. Frau Kofer rannte schneller als wir, sie war vor uns am Weiher und sagte: „Hört mir bitte alle zu, ich möchte, dass ihr alle wieder gesund nach Hause kommt, wir haben übermorgen unseren Schulausflug, deshalb bleibt nicht zu lange im kalten Wasser damit ihr euch nicht erkältet. Das Wichtigste, ihr seht den großen Fels im Wasser. Bis da ist es nicht tief, ich habe es getestet. Alle, die nicht schwimmen können, sollten nur soweit ins Wasser gehen. Wer von euch kann schwimmen?“ Es meldeten sich Katharina, Rosa, Eckhard und ich. Frau Kofer sagte: „Unter uns sind möglicherweise einige Engel, weil wir schönes Wetter haben, wahrscheinlich ist es auch bei unserem Schulausflug schön. Ihr habt alle Handtücher, mit denen ihr euch bitte abtrocknet, wenn ihr aus dem Wasser kommt. Jetzt geht zum Umziehen. Die Mädels gehen nach rechts und die Jungs nach links in Wald. Die meisten hatten Badehosen oder Badeanzüge unter ihrer Kleidung an. Einige Jungs hatten keine Badehose, sie hatten ihre Sporthose an. Auch drei Mädels hatten keinen Badeanzug, sondern ihre Sportsachen an. Frau Kofer achtete darauf, dass wir uns langsam abkühlten, bevor wir ins Wasser sprangen. Ich blieb bei Linde und zeigte ihr, wie man Schwimmübungen machte. Als ich sie halten wollte, sagte sie: „I glaub, das geht heut nit, weil alle denken würden, dass du ein Weiberschmecker wärsch. Komm schwimm, dass die anderen sehen, dass du schwimme kannst.“ Ich schwamm durch den See, sah Rosa und wollte zu ihr schwimmen, als mich eine Hand an meinem Geschlecht berührte. Ich erschrak, als Katharina vor mir auftauchte. Sie fragte: „Warum gehst du mir aus dem Weg, gefalle ich dir heute nicht mehr?“ „Doch“, sagte ich, „aber ich möchte Linde nicht ärgern.“ Neben uns schwamm Rosa und sagte: „Kommt wir versuchen, wer zuerst an dem Stein ist.“ Eckhard wollte auch mitmachen. Rosa war die erste, sie konnte krowlen. Ich wurde nur Dritter, denn Katharina schwamm ebenfalls schneller als ich. Katharina überraschte mich, sie konnte gut und weit tauchen. Als Katharina neben mir auftauchte, sah ich zufällig, wie Eshter uns beobachtete. Ich dachte mir nichts dabei, sie saß abseits, auf einem Hügel und beobachtete die vielen Schüler ihrer Klasse. Ich stieg aus dem Wasser, trocknete mich ab und legte mich neben Linde, die neben Reinhild lag. Rosa setzte sich neben mich. Frau Kofer schaute den Schülern zu, die noch im Wasser waren. Ich schaute unsere Lehrerin an und fand, dass sie in ihrem gelben Badeanzug klasse aussah. Linde streckte sich in ihrem roten Badeanzug und lachte mich an. Rosa sah ebenfalls unserer Lehrerin an, gab mir einen Stoß und schrie: „Louis, da isch was passiert!“ Ich sprang auf und sah, wie Esther Kofer ins Wasser sprang. Rosa, Lindtraud, Katharina und ich sprangen ebenfalls ins Wasser. Frau Kofer trug die leblose Alina aus dem Wasser. Alina hatte keine Hose mehr an. Frau Kofer weinte, ich hatte die starke Frau noch nie so gesehen. Sie wirkte ruhig als sie zu mir sagte: „Renne so schnell du kannst zum Ochsen, rufe meine Freundin an, sie soll sofort kommen, es geht um Leben und Tod. Ich sage dir die Nummer nur einmal, bitte, bitte behalte sie.“ Rosa stand neben mir, wir hatten beide die Nummer gehört und rannten zum Ochsen. Ich traf Schorsch, wir sagten fast gemeinsam: „Schorsch, bitte rufe sofort, die Nummer von Dr. Tina an und sage ihr, sie soll sofort kommen, es geht um Leben und Tod.“ Schrosch rief an und erreichte Gerda. Er sagte nur: „Ein Kind stirbt, bitte komme sofort mit Dr. Tina zum Ochsen, wir bringen das Kind hierher.“ Rosa erklärte Erika was passiert war. Schorsch rannte vor mir zum See. Als wir ankamen war Alina noch leichenblass aber sie atmete. Schosch nahm sie an den Beinen und hob sie hoch. Frau Kofer wickelte ihr Handtuch um sie. Alina spuckte Wasser und hustete. Schorsch setzte sich ins Gras, er nahm Alina auf seinen Schoß, sie hustete und spuckte immer noch Wasser. Als sie sich beruhigt hatte, nahm er sie auf seine Arme und trug sie zum Ochsen. Frau Kofer sagte mit ruhiger und fester Stimme: „Nehmt eure Kleidung und alles was ihr habt und kommt zum Ochsen. Rosa und Louis, achtet darauf, dass alle kommen und keiner etwas vergisst. Ich packte meinen Brotbeutel, mein Handtuch und meine Klamotten, dann schaute ich mich um und sagte: „Jetzt darf keiner Fehler machen, jetzt gilt es unserer Lehrerin zu helfen. Also bitte, nehmt alle eure Sachen mit. Linde nahm die Kleidung von Alina. Jeder von uns war sehr betroffen, wir gingen schweigend Richtung Ochsen, als wir ein Auto mit kreischenden Reifen um die Kurve fahren hörten. Gerda saß hinter dem Steuer, sie jagte den armen VW im zweiten Gang die Steige hoch. Sie sah uns, fuhr jedoch direkt zum Ochsen. Erika zeigte Dr. Tina das Schlafzimmer. Auf dem Bett lag Alina, am Bett saß ganz ruhig unsere Lehrerin, streichelte Alina und sagte: „Alina, es wird alles wieder gut.“ Dr. Tina setzte sich ans Bett, ich sah wie sie eine Spritze aufzog. Sie sagte: „Esther, sie ist gerettet, ich werde mit der Spritze ihren Kreislauf stabilisieren, du hast dich großartig verhalten und hast alles getan was du konntest.“ Sie gab Alina eine Spritze. Alina bekam wieder Farbe und sprach endlich: „Ich schäme mich schrecklich“. Als Alina sprach, viel Frau Kofer vom Bett und krümmte sich, sie weinte und wollte nicht mehr aufhören. Dr. Tina rief nach Schorsch, der sofort kam. Sie sagte zu ihm: „Bitte hilf mir, wir müssen Esther in ein Zimmer bringen, ich muss nachher mit ihr alleine sein.“ Schorsch trug unsere Lehrerin ins Schlafzimmer seiner Eltern, er schloss das Zimmer ab und gab Tina den Schlüssel. Tina gab Gerda den Schlüssel und sagte: „Bitte lass Esther nicht alleine, ich muss noch eine Weile bei dem Kind bleiben. Du musst mich als Ärztin vertreten und Esther erklären, dass sie perfekt gehandelt hat und Alina keinerlei Schäden zurückbehält. Ich komme sobald ich kann. Bitte tröste Esther, sie musste solange stark sein, bis ich hier war, sage ihr sie kann sich jetzt fallen lassen und sie soll sich keine Vorwürfe und keine Sorgen machen.“ Gerda war sehr erwachsen und sagte: „Tina, du kannst dich auf mich verlassen.“ Zu Linde sagte sie: „Bitte schau dass alle Kinder in der Gaststube oder im Biergarten zusammen bleiben. Sag den Kindern es wäre alles gut, Alina ginge es besser, wir kämen nachher. Vielleicht kann Erika euch etwas zu trinken geben, damit ihr eure Vesper essen könnt. Louis und Linde geht bitte zu euren Schulfreunden. Alina wird wieder gesund und zieht euch auf der Toilette, oder irgendwo an. Seid vernünftig, bitte sorgt dafür, dass sich eure Klassenkameraden beruhigen, damit könnt ihr eurer Lehrerin den größten Gefallen tun.“ Als Linde und ich umgezogen waren, erzählten wir unseren Klassenkameraden: „Alina geht es besser, sie hat eine Spritze für den Kreislauf bekommen. Frau Kofer hat sich hingelegt. Wir können uns in Biergarten setzen.“ Ich hatte mich zu Linde, Rosa und Reinhild gesetzt und fragte: „Erhard komm, setz dich zu uns.“ Er war überrascht, wir bemerkten, dass er sich freute. Er fragte mich: „Hosch du au gseh, dass d’ Alina, als d’ Frau Kofer se aus em Wasser zogen hat, überhaupt nix mehr a g‘het hat.“ Wahrscheinlich hatten es alle gesehen und sich gewundert. Rosanna sagte sehr laut, damit es alle hören konnten: „Des isch sicher für die arme Alina ganz arg schlimm, sie hat au eine strenge Mutter, wir sollten alle so tun, als hätten wir nichts gesehen. Ich glaube, wir würden ihr damit einen großen Gefallen tun. Was meint ihr, sollen wir uns versprechen, dass wir nichts gesehen haben?“ Schorsch kam und sagte: „Was du grad gsagt hasch, ist eine klasse Idee, weil die arme Alina sich sonst immer schämt und geniert, ich glaub dass ihr damit eurer Lehrerin und der Alina a große Freud mache dätet.“ Rosa stand auf und sagte: „Als eure gewählte Klassensprecherin möchte ich von euch ein Versprechen, bitte sagt mir diesen Satz nach: „Wir versprechen, dass wir alle unserer Alina sagen, dass d’ Frau Kofer sie sofort in ein Handtuch einpackte. Wir versprechen uns, dass wir unsere Eltern und auch keinem andern Menschen etwas davon erzählen, weil unsere Lehrerin sich sonst nie mehr traut mit uns wegzugehen. Wer das Versprechen bricht, hat 1000 Todsünden und kommt unweigerlich in die Hölle. So jetzt gibt mir jeder d’ Hand drauf und sagt, ich verspreche es.“ Als jeder Rosa die Hand gegeben hatte und ihr nochmals sagte: „Ich verspreche es“, sagte Schorsch: „Ihr seid eine tolle Klasse, deshalb spendiere ich euch ein Apfelsaft und ein Batzeweck mit Senf unre Bratwurscht.“ Erhard fragte: „Glaubt ihr, dass alle ihr Versprechen halten, au die Evangelische, weil dene a Todsünde nix ausmacht, weil sie nit an Todsünde glauben.“ Linde fragte: „Ja glaubsch du, dass mir deswege keine Verspreche haltet. Du kasch sicher sei, dass mir unsere Verschprechen haldet. Ich sag dir noch was, als wir Eisenbahn schpielten, on d' Frau Kling der Alina und ihrer kleine Schwester d' Rock hoch zoge on d’ Schlüpferruntergstreift hat, isch dr Louis on dr Harald weglaufe, damit d’ Alina sich nit geniert.“ Erhard meinte: „Des überrascht mi, wo dr Louis sonscht jedem hopsende Rock noch guckt.“ Erhard fragte: „Warum hat dr Alina ihr Mutter ihr den Arsch versohlt?“ Ros erzählten es ihm und er sagte: „Wenn i mein Arsch voll krieg, no zieht mir mei Vater au immer mei Hos aus. Au mei Mutter sagt, wenn i dir mit meim Stock auf dei Lederhos hau, no schpürsch du doch fast nix, deshalb schlaget meine Eltern mi au immer auf de nackte Arsch.“ Rosa fragte, wer mit Schlägen bestraft würde und wem der nackte Po versohlt würde. Es waren nur zwei Mädchen, die keine Schläge bekamen, Rosa und Katharina. Zwischenzeitlich brachte uns Schorsch Bratwurst und Apfelsaft. Alle aßen und tranken mit Genuss. Gerda kam mit Frau Kofer, ich sah, dass sie geweint hatte. Am liebsten hätte ich sie getröstet. Sie gab sich gelassen und sagte: „Alina geht es besser, sie hatte einen Schutzengel. Ich habe von Schorsch erfahren, dass ihr versprochen habt, Alina nie zu erzählen, dass einige von euch, sie ohne ihre Sporthose gesehen haben. Dafür danke ich euch, ihr seid die tollste Klasse der ganzen Welt. Ich muss euch noch was sagen, manche von euch wissen, Alina hat eine sehr strenge Mutter, deshalb sagte sie nicht, dass wir heute Baden gehen. Sie hat, wie einige von euch, keinen Badeanzug und hat heimlich ihre Turnsachen angezogen. Sie fand es in dem See unglaublich schön, denn sie war erstmals beim Baden. Sie blieb lange im Wasser, als sie fror und raus wollte bemerkte sie, dass ihr an der Sporthose wahrscheinlich der Gummi gerissen war, deshalb bückte sie sich und suchte unter Wasser ihr Sporthöschen. Sie rutschte aus und geriet in Panik und wäre fast ertrunken. Bitte seid auf unserem Schulausflug besonders nett zu ihr. Sie hat Angst, dass ihre Mutter sie zu unserem Ausflug nicht mitgehen lässt, wenn sie erfährt, was heute geschah. Deshalb habe ich eine Frage und eine Bitte, wer von euch kann unserer Alina seine Sporthose schenken, damit Frau Kling nichts bemerkt?“ Reinhild stand sofort auf und sagte: „Ich bin fast gleich groß wie d' Alina und schenke ihr meine Sporthose, sie ist zu Hause, denn ich hatte meinen Badeanzug an.“ „Reinhild“, sagte Frau Kofer, „das ist lieb von dir, ich kaufe dir bei deiner Mutter eine neue. Da es jetzt schon ein wenig spät geworden ist, möchte ich euch einen Vorschlag machen. Ich fahre mit Gerda und Reinhild nach Larenbuch um mein Auto zu holen. Gerda und ich werden einige Male fahren um euch nach Hause bringen. Als Schorsch dies hörte meinte er: „I hol den Kleinlaschter von meim Vater, die Kinder könnet sich auf die Pritsche setzen, dann fahre ich die Kinder gemütlich in Schulhof, von dort kann jeder nach Hause gehen.“ Unsere Lehrerin bedankte sich bei Schorsch. Gerda fuhr mit Frau Kofer, Dr. Tina, Reinhild und Alina nach Larenbuch. Ich hörte wie Reinhild sagte: „AIina ich hole für dich zu Hause meine Sporthose, damit dei Mutter nix merkt.“ Alina umarmte Reinhild und sagte: „Du bisch ganz arg lieb und i dank dir dafür.“ Als Schorsch den Kleinlaster vorfuhr, kletterten wir auf die Pritsche. Er sagte: „Ihr müsst euch auf den Boden der Pritsche setzen, ich habe deshalb eine Decke hingelegt. Es darf keiner von euch aufstehen. Ich sehe alles in meinem Rückspiegel, wenn nur einer aufsteht halte ich an und ihr müsst laufen. Das ist keine Bosheit von mir. Denn was wir tun ist verboten, ich darf keine Personen auf der Pritsche befördern und deshalb darf euch niemand auf der Pritsche sehen. Wenn eine oder einer dabei ist, der zugempfindlich ist, kann er oder sie bei mir vorne sitzen.“ Gisela Wiekler, unsere Musikerin fragte: „Darf ich vorne sitzen, ich habe Husten?“ Linde saß ebenfalls bei Schorsch, weil sie früher aussteigen musste. Schorsch fuhr langsam, damit uns nicht kalt wurde. Schorsch hielt an der Weggabelung und ließ Linde aussteigen. Sie winkte uns und rannte nach Hause. Ich hatte mich ganz vorne mit dem Rücken zum Fahrerhaus gesetzt, denn ich wollte durchs Fenster beobachte, wie Schorsch fuhr. Neben mir saß Rosa und Katharina. Katharina hatte sich dicht neben mich gesetzt und ihren Rock über meine Lederhose gelegt. Ich spürte ihre Hand, die durch den Schlitz in meine Hose kroch. Rosa lehnte sich an mich und hatte die gleiche Idee. Ich rückte deshalb sehr entschieden von Katharina weg und zu Rosa. Katharina bemerkte es und zog ihre Hand zurück. Der alte Diesel LKW machte einen fürchterlichen Lärm, deshalb schrie ich Katharina ins Ohr: „Es ist nicht bös gemeint, aber es wäre blöd gewesen, wenn Rosa deine Hand gespürt hätte.“ Katharina nickte und drückte meine Hand. Durch den Umweg, den Gerda fuhr, kamen wir gleichzeitig im Schulhof an. Alina war ausgestiegen, sie hatte Reinhilds Sporthose bekommen und sagte fröhlich: „Louis, wir könnten zusammen nach Hause gehen, aber wie du weißt, würde mich meine Mutter dann verhauen.“ Ich sagte: „Wir können uns beim Schulausflug unterhalten, wenn es deine Mutter nicht sieht“. Frau Kofer fragte: „Alina, soll ich dich nach Hause bringen und mit Deiner Mutter reden?“ Das wollte Alina jedoch nicht. Gerda stieg aus dem Auto, dachte sich wohl nichts, nahm mich in ihre Arme und sagte: „Vor lauter Aufregung konnte ich dir nicht mal Grüß Gott sagen, dafür sage ich dir jetzt auf Wiedersehen.“ Sie küsste mich auf die Wange. Als ich errötete, fiel es Gerda auf, dass fast alle Kinder meiner Klasse uns zusahen, deshalb errötete sie ebenfalls. Dr Tina hatte bemerkt wie peinlich mir der Abschied von Gerda war und verabschiedete sich mit Handschlag. Erhard sagte: „Man kann sich nur wundern, aber er isch halt en Weiberschmecker on hat en Schlag bei dene Weiber.“ Das wiederum fand Rosa dann doch doof und sagte zu Erhard: „Du bisch bloß neidisch.“ Rosa fragte mich, ob ich sie nach Hause bringen würde. Das tat ich gern. Katharina sagte, ich hab noch Zeit und begleite dich auch. Rosa sagte leise: „Vielleicht sind meine Eltern nicht da, lass dir dann was einfallen, wie wir Katharina loswerden.“ Als wir bei der Bäckerei vorbeikamen, saß der User wieder auf der Bank. Rosa sah ihn und rief: „Leopold i han heut überhaupt keine Zeit, aber vielleicht kannsch d' Katahrina heim begleite, die braucht en Beschützer.“ Als wir bei Rosa zu Hause waren, sagte ihre Mutter: „Louis, wenn du nicht gleich heim musst, kannst du reinkommen. Ich habe Fleischküchle, vielleicht wollt ihr eines essen. Wir gingen zunächst in Rosannas Zimmer. Frau Friedrich rief uns ins Esszimmer, sie hatte Fleischküchle gewärmt und uns dazu Kartoffelsalat geschöpft. Da wir zu Hause selten Fleisch aßen, war ich von den Fleischküchle begeistert und sagte es natürlich. Frau Friedrich setzte sich neben mich und gab mir noch ein Fleischküchle. Meine Mutter hatte mit Herrn Friedrich gesprochen, weil ich ein Zahnproblem hatte, deshalb bat mich Frau Friedich, ihr zu zeigen, welcher Zahn komisch wachsen würde. Ich genierte mich etwas, zeigte ihr dann den Zahn, der im Kiefer keinen Platz fand und deshalb aus dem Gaumen wuchs. Sie nahm meinen Kopf in ihre Hände, und schaute sich den Zahn an, der zu wachsen begann. Sie sagte: „Wenn der Zahn weiter raus gewachsen ist, wird mein Mann ihn ziehen.“ Ich machte wohl ein ängstliches Gesicht, denn sie umarmte mich und sagte, du bekommst eine Spritze, es wird dir nicht weh tun. Als sie mich in ihren Armen hielt, Rosas Mama roch fast wie ihre Tochter, ich lehnte meinen Kopf an ihre Brust. Rosanna sah mich an und sagte: „Du Mutter, der Louis denkt nicht mehr an sein Zahn, der denkt gerade an dich.“ „Aber Rosanna“, sagte ihre Mutter, „was denkst du denn, ich glaube, dass sich jedes Kind vor einem Zahnarzt fürchtet, wenn es hört, dass man ihm einen bleibenden Zahn ziehen muss, der Louis ist ängstlich, der denkt an seinen Zahn.“ Sie drückte mich noch mal an sich und sagte: „Ich werde dabei sein, bitte glaube mir, es gibt gute Spritzen, es wird dir wirklich nicht weh tun.“ Ich bedankte mich bei Frau Friedrich und sagte: „Das Essen war ausgezeichnet¸ ich werde noch lange an die wunderbaren Fleischküchle denken.“ Rosa brachte mich zur Türe und sagte lachend: „Du denksch überhaupt nit an Fleischküchle, du denksch an mei Mutter.“ Ich sah Rosa an und sagte: „Du bisch deiner Mutter sehr ähnlich, du riechsch fascht wie sie, du hast auch so schöne schmale Hände. Wenn du dreißig wirsch, bisch du sicher auch die schönste Frau vom Dorf, oder vom Land, oder vielleicht von der ganze Welt.“ Rosa sah mich mit ihren blauen Augen fassungslos an. Als sie etwas sagen wollte, rannte ich nach Hause und erzählte meiner Mutter, was geschah und sagte: „Du darfst mit niemand darüber sprechen, unsere Klasse versprach, die Geschichte niemand zu erzählen, aber dich nehme ich von meinem Versprechen aus.“ Meine Mutter küsste mich und sagte: „Als ich sah, wie Alina heimkam, habe ich auf dich gewartet.“ Ich erklärte meiner Mutter, dass Alina von Gerda mit dem Auto nach Hause gebracht wurde und wir erst später vom Ochsenwirt mit dem Lastwagen zum Schulhof gebracht wurden. Am Dienstag übten wir in der Schule unser Theaterstück: „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephrahim Lessing. Da wir schon oft geprobt hatten, kannten alle ihre Rollen auswendig. Unsere Lehrerin hatte in das Stück mehr Figuren eingebaut, damit alle Kinder mitspielen konnten. Glücklicherweise musste ich keine Rollen lernen, denn ich durfte nach dem Theaterstück, meinen Sketch, eine Pantomime aufführen, die von einem Schneider handelt, den eine Fliege ärgerte. Bei unserem Theaterstück war unsere gewissenhafte Rosa die Souffleuse. Unsere Lehrerin sagte: „Das Stück von Lessing, ist gerade in unserer Kriegs- und Nachkriegsgeneration ein wichtiges Theater. Ihr seid für dieses Theaterstück möglicherweise noch zu jung.“ Ich glaube sie dachte an unsere Eltern. Da viel Text zu lernen war, hatte sie Personen mehrfach besetzt. Anfangs wurde Nathan von Klaus gespielt, in der Mitte von Ewald und später von Eckhard. Deshalb war fast jedes Kind eingebunden und musste keine langen Texte lernen. Da wir entsprechend geschminkt und gekleidet waren, erkannte man entsprechende Personen. Rosanna trug Verantwortung als Souffleuse. Meinen Schneider Sketch kannte nur unser Quartett und Frau Kofer. Ich hatte ihn vor der Klasse noch nie vorgeführt. Frau Kofer meinte, es würde ein Lacher und sollte nach unserem Theaterstück die Eltern aufheitern.