Das Paradies ist zu Ende

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Auf dem Rückweg sagte Frau Kofer: „Louis hat seine Wühlmausfallen auf zwei Feldern von Lindtrauds Eltern aufgestellt. Wir werden mal schauen, wie viele Mäuse er gefangen hat. Linde und ich gingen zu dem Schuppen, holten den Spaten und gruben die Fallen aus. Diesmal hatten wir Glück, in zwölf Fallen hatten wir zehn Mäuse gefangen. Ich schnitt die Schwänze mit meinem Messer ab und legte sie in mein Schraubglas. Linde half mir, die Fallen wieder in andere Gänge einzugraben und neu zu stellen. Dann legte ich den Spaten wieder in Schuppen. Erhard war stinksauer, da ihn eine Biene in die Wange gestochen hat, reichte die Schwellung schon bis zum Auge und er sah verschroben aus. Frau Kofer sagte: „Wir gehen zum Brunnen von Lindes Eltern, dort haben wir frisches Wasser und können unser Vesper essen.“ Wir lagerten am Brunnen, ich verteilte mein Brausepulver. Als Kind einer armen Witwe, konnte ich es großzügig verschenken, denn ich hatte heute mit den Mausschwänzen wieder Geld verdient. Ich gab auch Erhard eine Brause, er war gerührt und sagte: „Du mir könntet uns doch jetzt au wieder vertrage.“ Ich sagte: „Erhard, es liegt nit an mir, ich dät mi gern mit dir vertrage.“ Als Linde das junge Kälbchen aus dem Stall brachte, durften es alle streicheln. Es leckte uns ab und versuchte, wenn es einen Daumen zu fassen bekam, daran zu nuckeln, weil es wohl glaubte, es könne Milch saugen. Die Mädchen fanden es lustig und beneideten Linde um das süße Kälbchen. Rosa sagte: „Jetzt wisset ihr, warum d' Linde manchmal nach Kuhstall riecht, on jetzt riechet mir älle nach dem nette Kälble, on beneidet sie. Linde zeigst du uns im Stall auch dein Kühe und die andern Tiere?“ Linde lachte und sagte: „Rosanna, dann riecht ihr alle nach Bauernhof.“ Unseren Klassenkameraden gefielen die vielen Tiere. Einige der Mädchen fanden kleine Schweinchen besonders nett. Alle waren überrascht, weil Lindes Kühe Namen hatten. Als Lindtrauds Schwester uns begrüßte, sagte sie: „Meine Eltern sind auf em Feld, sie möchten Frau Kofer Grüße ausrichten.“ Gerda legte ungeniert den Arm um mich und fragte: „Wieviel Wühlmäus hasch gfange?“ Ich zeigte ihr mein Schraubglas. Sie freute sich und sagte: „I sags meim Vater, des freut ihn, so langsam müsset se ja älle tot sei.“ Ich sagte: „Frau Kofer, unser Lehrgang war heute wieder toll, meine Tante sagte mir in der zweiten Klasse, wir würden nicht für die Schule, sondern für‘s Leben lernen. Ich habe bisher nur bei ihnen für mein Leben gelernt, davor lernte ich nur für die Schule. Die Kinder aus meiner Klasse stimmten zu. Frau Kofer lächelte und meinte: „Manchmal müssen Kinder für die Schule lernen und wissen nicht, dass sie das Gelernte im Leben brauchen. Mir gefallen unsere Lehrgänge auch, vom Deich habe ich heute einiges über Bienen erfahren, das ich noch nicht wusste.“ Rosa lachte und sagte: „Sogar dr Erhard hat glernt, dass es Bienen nit gfällt, wenn man wie ein Idiot rumschpringt.“

Auf dem Heimweg sagte Ren leise zu mir: „I dät gern nomal mit dir vögle. Kannst du mi heut Nachmittag bsuche, mei Mutter bringt der Frau Niederer im Hörnle a Kleid, das sie geändert hat.“ Als ich Ren besuchte war ihre Mutter noch da, ich sagte zu Frau Gründer, ich hätte bei den Hausaufgaben in Rechnen etwas nicht verstanden und wollte Reinhild bitten, es mir zu zeigen. Frau Gründer sagte: „Louis, kannst du deine Mutter fragen, ob sie mir einige Tage die Nähmaschinen leihen würde?“ Als Frau Gründer ging, sagte Reinhild: „Hoffentlich kommt mei Mutter nit vorzeitig zrück.“ Ich schnitzte aus einem Holzscheit mit meinem Taschenmesser einen Keil und schob ihn unter die Türe. Es war schön mit Reinhild, ihre Mutter kam nicht zu früh. Ich wollte noch mit meinen Mausschwänzen zum Rathaus. Als ihre Mutter kam, fragte Reinhild: „Kann ich Louis begleiten?“ Frau Gründer war eine sogenannte Reigeschmeckte und sprach kein alemannisch, sie sagte zu mir: „Ich habe schon gehört, dass dein Freund und du den Rekord im Mäusefangen habt. Im Dorf erzählen die Leute darüber.“ Reinhild hielt meine Hand als wir Hartmut abholten und zum Rathaus gingen. Hartmut fragte: „Reinhild, darf i dich an deiner andre Hand halte?“ Reinhild nickte und gab ihm ihre Hand. Frau Stark sagte: „I han euch scho vermisst, weil ihr tagelang neme do waret. Ich sagte: „Mir hen halt Schul ghet on no hemer die Denger a Weile gsammelt, aber des mache mer nimmer, weil einige a Weng schtinket“. Frau Stark rief den Bügermeister und sagte: „Dr Louis on dr Hartmut sin wieder do.“ Diesmal sah sich der Bürgermeister die Schwänze an und sagte: „Man sieht, wie neidisch Menschen oft sind, manche meinten es ginge nicht mit rechten Dingen zu, dabei sind alles echte Wühlmausschwänze. Ihr zwei seid halt tüchtig. Mir gebet dene zwei wieder eine Mark mehr, weil sie so rekordverdächtig sind.“ Sie zahlte uns vier Mark aus und sagte: „Es hört jetzt bald uf, ihr könnet no eimal Schwänz bringe on em Herbscht hörts dann uf. Die Falle könnet ihr ufhebe, wenn ihr se ölet no roschtet se nit übern Winter, on wenn mer im Frühjohr merket, dass es wieder so viele Wühlmäus gibt, no könnet ihr au wieder welche fange, on krieget Geld derfür. Aber ihr zwei sen Rekordhalter.“ Auf dem Heimweg bat ich: „Hartmut, frag bitte dein Vater, ob wir die Fallen im Sägewerk an einem Platz in einer Schachtel oder in einer Kiste aufbewahren können und ob wir etwas Maschinenöl bekommen, um die Fallen zu ölen.“ Hartmut wollte Reinhild überreden, mit uns zum Sägewerk mitzukommen um mit den Rollwägen, des Sägewerks, „Zügle“ zu spielen. Er schaffte es nicht, weil er aufgeregt war und stotterte. Ich half ihm Reinhild zu überreden. Wir fuhren im Sägewerk von Hartmuts Vater und auf dem Holzplatz, auf dem meist viele Stämme lagen, mit den Rollwägelchen zu fahren. Hartmut war von Reinhild begeistert und sagte, ohne zu stottern, sie könne, wenn sie wolle, jederzeit in seinem Sägewerk spielen und Freundinnen mitbringen, hier wäre immer was los. Reinhild sagte zu Hartmut: „Du des finde arg nett von dir, i komm sicher au mal mit meiner Freundin, no könne mir vielleicht zu viert Zügles spiele.“ Hartmut sagte: „Vielleicht schpielet die Altmeier Mädle au mit.“ Reinhild sagte: „Mit dene spiel i nit, des sin Drecksäu.“ „Na gut“, antwortete Hartmut, „wenn die kommen, on ihr seid da, no schick i se fort, weil i lieber mit euch schpiel.“

Im Oktober 1952, war ich elf, unsere Klasse ging mit unserer Lehrerin durch einen bunten Herbstwald. Sie erklärte uns, dass die Eichen ihre Blätter am längsten behalten und warum die Laubbäume Blätter verlieren und die Tannenbäume nicht. Wir sammelten an diesem Tag besonders schöne bunte Blätter um sie in der Schule zu pressen und im Klassenzimmer auf eine große Platte zu kleben. Unsere Lehrerin zeigte uns auf dem Waldboden, den sie mit den Händen freilegte, ein riesiges Pilzgeflecht. Sie erklärte uns, dass Pilze unsere Welt beherrschen und die Pilzforschung erst am Anfang stünde. Ich genoss den Geruch des Waldbodens. Rosanna und einige Jungs kletterten auf Bäume um schöne Blätter zu holen. Ich hatte eine neue Lederhose zum Geburtstag bekommen und wollte Harzflecken vermeiden, deshalb kletterte ich nicht. Plötzlich knackte es auf einem Baum, bei Rosanna war ein Ast gebrochen, sie war abgerutscht, hatte ihr Kleid zerrissen und sich aufgeschürft. Sie kletterte langsam und vorsichtig vom Baum. Frau Kofer sprach leise mit ihr und sagte zu uns: „Bitte kehrt zur Schule zurück und seid vorsichtig beim Überqueren der Straße. Ich laufe mit Rosanna zu meinem Auto um sie zum Arzt zu fahren, vielleicht hat sie sich verletzt.“ Wir waren im Schulhof, als Frau Kofer und Rosanna vom Arzt kamen. Frau Kofer sagte: „Es war glücklicherweise nicht schlimm. Rosannas Hausarzt sagte, sie hätte Glück gehabt. Ich fahre sie nach der Schule nach Hause und rede mit ihren Eltern, damit sie nicht schimpfen, weil ihr Kleid zerrissen ist.“ Ich fragte Rosanna: „Wie geht’s dir?“ Sie antwortete: „I bin halt a Weng verschrocke, on es tut au no weh aber es isch it so schlimm, i han mi gwundert, weil du nit klettert bisch.“ „Weisch“, antwortete ich, „mei neue Lederhos will i no a Weile schone.“ Rosanna nahm mich zur Seite und sagte: „Louis, wenn mir s' nägschte mal bei der Madame sin, no kann i mit dir vögle.“ Ich schaute sie an und sagte: „Des glaub i ja nit, hen ihr den Ofall abgschproche?“ Rosanna antwortete: „Nit ganz genau, aber mir hen beschproche, dass es so passiere könnt, on no han i denkt, wenn, dann heut. I möchte ja au a richtige Frau, un kei kleis Mädle mehr sei.“ Ich sagte zu ihr: „Rosanna i bewunder di, un i freu mi, dass i bald mit dir vögle ka, du bisch halt immer no s' schönschte Mädle.“ „Jetzt muss i dir sage, i glaubs fascht nit“, meinte Rosa, „i han denkt, dir dät d’ Lindtraud am beschte gfalle.“ Als wir weiter gingen, sagte ich: „D’ Lindtraud isch a tolls Mädle, on ganz arg lieb, on i kenn sie halt au sch obache lang, aber du siehsch eifach am schönschte aus, mit deine lange Füß, -ein Alemanne, der von Füß spricht, meint immer Beine- on deiner tolle Figur, on du hasch au s‘schönste Gsicht. Du wirsch schpäter a mol so toll ausseh, wie dei Mutter.“ „Des hät i nit denkt“, sagte Rosanna und lächelte, „du hasch‘s mir im Kindergarte gsagt, aber bsonders erschtaunt bin i, dass dir immer no mei Mutter gfällt, gucksch du denn erwachsene Frauen a? Wenn des mei Vater wüsst, no dät er dir a Loch in Zahn bohre.“ Rosa erzählte mir später: „Als Frau Kofer mit mir nach Hause fuhr und meinen Eltern den kleinen Unfall erklärte und vom Hausarzt die schriftliche Bescheinigung brachte, hatten sie kein Problem. Frau Kofer wollte bei meinem Vater zwei Zähne überkronen lassen. Meine Mutter bedankte sich bei Frau Kofer für die Mühe, die sie mit mir hatte. Frau Kofer sagte, Frau Friedrich, ich habe auf dem Lehrgang und in der Schule die Verantwortung für meine Schulkinder. Aber ich kann den Jungs und ihrer sportlichen Rosanna das Klettern doch nicht verbieten. Als ich sah, wie ein Ast brach, ihre Tochter abrutschte und mit ihrem Bein sich an einem andern Ast auffangen konnte, sah ich wie Rosanna erschrak. Deshalb fuhr ich mit ihr zum Arzt. Wenn Rosanna heiratet, kann sie ihrem späteren Ehemann zeigen, dass sie erstmals mit einem Mann schläft und nur durch ein kindliches Missgeschick keine Jungfrau ist. Meine Mutter umarmte Frau Kofer spontan und sagte, sie sind eine tolle Lehrerin, sie haben sehr umsichtig gehandelt, ich bewundere sie. Ich wünsche mir, dass Rosanna auch im Gymnasium eine so liebenswerte Lehrerin bekommt. Frau Kofer antwortete, ihre Tochter wird, unabhängig von den Lehrern, eine der besten Schülerinnen. Mein Vater bedankte sich für den Unterricht, den Frau Kofer zweimal wöchentlich anbot. Er sagte, meine Tochter geht gerne zu ihrem Unterricht. Frau Kofer antwortete, ihre Tochter kann mich gerne besuchen, wenn sie mal was vorhaben und weggehen wollen. Rosanna erzählte, sie hätten weder Verwandte noch Bekannte in der Nähe. Meine Mutter sagte, ihr Angebot ist überwältigend, wir können es kaum annehmen, weil wir ihnen dafür nicht mal was schenken dürfen. Rosanna erzählte uns von Lindtraud, die einmal wöchentlich bei ihnen übernachtet. Frau Kofer sagte, Herr Friedrich, ich bin nicht arm, aber wenn sie unserer Klassenkasse etwas spenden, würde ich es annehmen. Wenn sie mich behandeln und mir meine Krone erneuern, bitte ich sie, mich sehr vorsichtig behandeln, weil ich bin beim Zahnarzt ein fürchterlicher Angsthase bin. Mein Papa lachte und meinte, ich werde sie wie ein rohes Ei behandeln. Rosanna war beim Gespräch dabei. Sie sagte zu Frau Kofer, wenn sie bei meim Vater ihr Zähne richte lasset, no halte ihre Hand, damit sie kei Angscht hen. Frau Kofer sagte, Rosanna, das hilft mir sicher und das ist sehr lieb von Dir. Ich komme darauf zurück. Meine Mama sagte, wenn sie kommen assistiere ich meinem Mann. Aber Rosanna, du weißt doch, dass du nicht so breit alemannisch reden sollst. Frau Kofer sagte, ich habe mir vorgenommen, dass die Kinder, ab dem fünften Schuljahr, im Unterricht und auch nachmittags im Förderunterricht, hochdeutsch sprechen. Herr Friedrich sagte, das finde ich gut, weil Kinder mit Alemannisch in andern Bundesländern benachteiligt sind. Rosanna war froh, dass ihre Eltern wegen des zerrissenen Kleids nicht schimpften. Sie freute sich, dass ihre Eltern von unserer Lehrerin so angetan waren und zu ihr sagten, Rosanna, du kannst dich glücklich schätzen, dass du eine gute und nette Lehrerin bekamst.

 

Am Samstag sagte Frau Kofer: „Wir unterhalten uns heute über Demokratie, Parlamente, Regierung, unser deutsches Grundgesetz und Gewaltenteilung. Ihr seid noch jung, euretwegen wurde ich Lehrerin, meine lieben Schulkinder, ihr alle seid für unser Land wichtig. Achtet darauf, dass es keine Diktatur und keine Kriege mehr in Europa gibt. Lasst euch nie einreden, eure Nachbarn wären Feinde. In allen Ländern wohnen und leben Menschen, die niemals eure Feinde sind. Seid immer tolerant und verswucht sie zu verstehen, auch wenn sie anders denken und anders aussehen. In wenigen Jahren werdet ihr Parteien und Regierungen wählen. Möglicherweise wird jemand von euch Politiker. Wir besprachen zunächst die kommende Wahl des Bürgermeisters. Frau Kofer erklärte uns eindringlich wie wichtig es ist, unsere junge Demokratie zu schützen. Sie erzählte uns viele Beispiele über Staatsformen und Regierungen. Vor allem redete sie über freie Wahlen und Bürgerrechte. Heute werdet ihr alle zum ersten Mal wählen. Ihr wählt euren Klassensprecher, der eure Klasse vertritt. Unsere Lehrerin war sehr geschickt, denn es war vor der großen Pause. Sie wollte einige Vorschläge hören. Ich schlug Rosanna vor, eine Gruppe Jungs schlugen Erhard vor. Rosanna, Reinhild und Klaus schlugen mich vor. Ich schlug Klaus vor. Einige Mädchen schlugen Alma vor. Frau Kofer hatte alle Namen an die Tafel geschrieben. In der Pause redete ich zunächst mit den Mädchen und sagte: „Wir sollten unsere Stimmen nicht zu sehr verteilen, sonst hat am Ende der schreckliche Erhard die meisten Stimmen. Ich meine wir sollten Rosanna wählen. Ich habe nichts gegen Alma, aber wenn sich unsere Stimmen teilen, hat Erhard größere Chancen.“ Erhard stand mit seinen Anhängern abseits. Ich ging zu den andern Jungs und sagte: „Kommt doch zu uns, wir diskutieren gerade, wen wir wählen. Was meint ihr, können Jungs, die Erhard nicht wählen, sich auf einen anderen Jungen einigen, oder glaubt ihr, dass wir Jungs ein Mädchen wählen können? Dann schlage ich Rosanna vor, sie wäre eine gute Klassensprecherin, sie kann mit Erwachsenen gut reden, sie ist kein Duckmäuser und verteidigt uns auch gegen Lehrer. Erhard kann sich prügeln, aber er ist bei Lehrern ein Duckmäuser.“ Rosanna sagte: „Wenn ihr mich wählt, versuche ich gerecht zu sein. Wenn einer ein Problem hat, setze ich mich für ihn ein, ohne Unterschied zwischen Mädels und Jungs.“ Ich sagte: „Es wäre für unsere Klasse modern, wenn wir eine Klassensprecherin hätten. Wir alle wissen, dass Esther Kofer, die beste Lehrerin ist, die wir hatten. Wir sollten keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern machen. Den fürchterlichen Krieg hat Hitler begonnen, eine Frau hätte wahrscheinlich keinen Krieg angefangen, weil sie an die vielen Toten, Verwundeten, Flüchtlinge und an Städte, Häuser und Fabriken gedacht hätte, die der Krieg vernichtet. Ich denke, wir sollten Rosanna wählen.“

Nach der großen Pause wurde eine Wahlurne in Form einer Schuhschachtel aufgestellt. Frau Kofer verteilte Zettel mit folgende Namen: Alma Herold, Erhard Stauch, Klaus Mohrmann, Louis Lautr, Rosanna Friedrich. Frau Kofer hatte 39 Zettel geschrieben und sagte: „Alle Stimmzettel sehen gleich aus. Die Namen habe ich in alphabetischer Reihenfolge geschrieben. Bei einer geheimen Wahl ist es wichtig, dass man nicht erkennt, wer wie abgestimmt hat. Jetzt kommt jeder den ich aufrufe hier her und streicht alle Namen, die er nicht wählt durch, dann darf nur ein gültiger Name auf dem Zettel stehen. Den Zettel wirft er dann in die Wahlurne. Frau Kofer stellte sich neben die Türe. An ihrem Pult konnte man Namen durchstreichen. Sie rief ebenfalls in alphabetischer Reihenfolge ihre Schüler und Schülerinnen auf. Als alle Stimmzettel in der Urne waren, nannte sie zwei Beisitzer, Lindtraud und Dieter, er war Erhards Freund. Frau Kofer schrieb die fünf Namen an die Tafel und bat Lindtraud hinter jeden Namen, den sie lesen würde einen Strich zu machen. Frau Kofer sortierte die Stimmzettel und zählte sie mit den Beisitzern gemeinsam, es waren 39 Stimmzettel. Dieter reichte den Zettel an Frau Kofer. Sie las den Namen vor, der nicht gestrichen war. Ein Stimmzettel war durchgestrichen und wurde als ungültige Stimme bewertet. Am Schluss zählte Lindtraud die Striche und schrieb die Zahl dahinter, Frau Kofer zählte nach und Dieter rechnete die Gesamtzahl der Stimmen aus. Es waren 38 gültige Stimmen. Frau Kofer sagte: „Auf Rosanna entfielen 27 gültige Stimmen. Ich gratuliere dir, du hast eine verantwortungsvolle Aufgabe. Du bist Klassensprecherin und Streitschlichterin. Dich hat eine beeindruckende Mehrheit gewählt.“ Wie sich die andern Stimmen verteilten weiß ich nicht mehr. Frau Kofer fragte uns ob wir einen Stellvertreter wollten. Wir wollten keinen. Es war die erste geheime Wahl, an der ich teilnahm. Unsere Klasse war an unsrer Schule die erste, die ein Mädchen als Klassensprecherin wählte. Unsere Lehrerin war begeistert und sagte: „Ihr seid eine tolle Klasse. Ich denke, ihr könnt es noch erleben, dass wir eines Tages in Deutschland eine Bundeskanzlerin wählen. Eure Klasse ist der Zeit voraus. Bleibt neugierig und informiert euch, seid immer kritische Bürger.“ -Esther Kofer hatte recht, wir waren unserer Zeit 55 Jahre voraus, denn erst im Jahre 2005 wählten Deutschlands Bürger eine Bundeskanzlerin. Im Jahr 1950 bestand unser Parlament fast nur aus Männern. Ministerinnen gab es nicht. Adenauer regierte unser Land von 1949 bis 1963. Weder in Länderparlamenten, noch beim Bundesverfassungsgericht gab es Frauen.- Nach der Schule fragte Reinhild: „Darf ich mit Rosanna heute Nachmittag mit Hartmut und dir auf dem Holzplatz Eisenbahn spielen?“ Ich sagte: „Wenn Hartmuts Vater, keine Stämme bekam, können wir auf dem Holzplatz spielen, wenn ein Langholzfahrzeug Stämme gebracht hat, ist es zu gefährlich.“ Wir schauten unsere Hausaufgaben an und überlegten, dass wir gegen halb drei fertig wären und verabredeten uns. Ich fragte Hartmut, er freute sich. Als Rosanna und Reinhild kamen, stotterte Hartmut zunächst. Ich sagte den Mädels: „Wenn ihr so tut als wäre nichts dabei, dann verliert er sein Stottern, wenn ihn jemand darauf anspricht, stottert er noch mehr. Es war ein schöner Nachmittag, wir hatten mit den Rollwägelchen viel Spaß. Als Hartmut nicht mehr stotterte erklärte er den Mädchen das Sägewerk und war stolz darauf. Es hatte schon 1952 eine Gattersäge, die mit Wasserkraft und einer Turbine arbeitete. Das Wasser für die Gattersäge wurde durch einen Kanal vom nahen Bach abgeleitet. Die große Gattersäge lief mit einem Dieselmotor. Sie war leistungsfähiger und schneller. Die großen Stämme wurden mit dem Gatter, das vom Dieselmotor angetrieben wurde, verarbeitet. Wir schauten immer erstaunt zu, wie die Baumstämme zu Balken oder Bretter verarbeitet wurden. Die Mädels meinten, wir könnten Linde fragen. Wir fragten Frau Kofer, wann sie nach Hornfleeg fahren würde. Sie überlegte und sagte, wahrscheinlich gegen Abend. Linde fragte, ob sie bis zur Weggabelung mitfahren könne, weil sie gerne mit uns, beim Sägewerk von Hartmuts Vater, mit uns Eisenbahn spielen würde. Frau Kofer sagte: „Ich hole dich ab.“ Linde kam mit mir und aß bei uns zu Mittag. Als wir unsere Hausaufgaben fertig hatten, spielten wir Eisenbahn mit den Rollwägelchen. Hartmut und ich waren Lockführer und schoben die Wägelchen. Nach zwei Stunden waren wir ziemlich verschwitzt. Wir waren überrascht, als beim Sägewerk der Renault von Frau Kofer schon um halb vier hielt. Sie besuchte uns, sprach mit Hartmuts Vater und fragte: „Herr Poller, ich würde gerne mit meiner Klasse einen Lehrgang zu ihrem Sägewerk machen, um den Schülern ein Sägewerk zu erklären.“ Ich bemerkte, wie der Vater meines Freundes, stolz auf den Betrieb war. Er galt im Dorf als Schürzenjäger, ich sah, dass ihm unserer Lehrerin gefiel. Er sagte: „Am Samstag ist ein günstiger Tag, weil alle meine Arbeiter vormittags arbeiten, habe ich Zeit, den Kindern das Sägewerk zu zeigen und zu erklären. Es gehört allerdings meiner Schwägerin, ich werde sie informieren, sie hat sicher nichts dagegen.“ Hartmut war traurig, weil er nicht dabei sein konnte. Unsere nette Lehrerin fragte Hartmut, ob er in Herrn Lohrers Klasse ging. Als es Hartmut bejahte, sagte sie: „Ich frage Herrn Lohrer, ob er sich mit seiner Klasse unserem Lehrgang anschließt.“ Hartmut stotterte ein wenig und meinte: „Des dät mi so freue, wenn unser Klasse au mitgingt.“ Herr Poller zeigte unserer Lehrerin das Sägewerk und erklärte ihr wie die Gatter arbeiteten und wie die Sägen auf verschiedene Breiten eingestellt werden konnten. Frau Poller kam hinzu, es hieß damals, sie wäre sehr eifersüchtig, wahrscheinlich war es ihr nicht geheuer, dass ihr Mann mit unserer gutaussehenden Lehrerin durchs Sägewerk ging. Ich fand Frau Poller in ihrer Art sehr nett, äußerlich war sie eher hässlich. Frau Kofer bemerkte, warum Frau Poller kam und war besonders nett und freundlich zu ihr. Sie unterhielt sich noch eine Weile mit ihr. Dann fuhr Frau Kofer mit dem Rollwägelchen eine kleine Bahnstrecke mit uns und spendierte uns für ihre Zugreise fünfzig Pfennige, damit wir uns Brause kaufen konnten. Da Kinder in den fünfziger Jahren noch keine Uhren hatten, sagte sie: „Herr Poller, wenn sie um 18:00 Uhr Feierabend haben, schicken sie die Kinder bitte heim.“ Frau Kofer fuhr an diesem Mittwoch zu ihrer Freundin, sie nahm Linde mit und brachte sie nach Hause.

Frau Kofer hatte in der großen Pause mit Herrn Lohrer, der Klasse von Hartmut, gesprochen und sagte uns nach der Pause: „Wir machen am Samstag einen Lehrgang durch ein Sägewerk, es ist noch die Klasse unter uns und deren Lehrer, Herr Lohrer, dabei. Da ein Sägewerk sehr gefährlich ist, müsst ihr unbedingt an dem Tag sehr diszipliniert sein und nichts anfassen, ohne vorher zu fragen. Ihr müsst den Anweisungen von Herrn Lohrer oder mir unbedingt folgen. Falls ihr nicht gehorcht, ist dieser Lehrgang sofort zu Ende und wir kehren umgehend zur Schule zurück.“ Ich rannte in der nächsten kleinen Pause zu Hartmut. Er freute sich wie ein Schneekönig und sagte: „Herr Lohrer sagte es uns bereits. Frau Kofer sagte: „Bringt morgen Vesper und Wasser für den Lehrgang mit.“ Als ich nach dem Essen mit meinem alten schweinsledernen Schulranzen, den vor mir mein Vater, Onkel Erich und mein Bruder Michael hatte, zu Frau Kofer ging, traf ich Rosanna, sie sagte: „Louis i freu mi so, dass i jetzt au e richtige Frau bin on mit dir vögle ka. Es hat mir schwer gschtunke, dass d’ Linde on d’ Reinhild des könnet on i nit.“ Inzwischen waren wir bei Frau Kofer und klingelten. Linde öffnete und Frau Kofer sagte: „Ihr seid zu spät, wenn ihr ausgezogen seid, muss ich euch bestrafen.“ Wir entschuldigten uns und legten uns zur Bestrafung über den Tisch. Madame gab Ren einen Haselnussstock und sagte, zu ihr und Lin: „Die beiden haben drei Stockhiebe verdient. Wenn ihr zu schwach seid, bekommen sie ihre Hiebe von mir. Wir bekamen jeweils von Lin und Ren drei kräftige Hiebe. Wir schnappten nach Luft, und bissen die Zähne zusammen um nicht zu schreien. Lin fasste mich zwischen die Beine, mein Penis stand auf. Lin lächelte und sagte: „I kann zaubre, dei Ding schteht, obwohl du drei Schtrieme auf deim Po hasch, aber der Ros geht’s au nit besser, di hat von dr Ren schlimmre Schläg kriegt.“ Ros rieb sich den Po und sagte zu Ren: „Du kasch druf warte wenn i Glegeheit han, dass i dir au mol Schläg verpasse ka, no werd i zu dir au grob sei.“ Madame meinte: „Strafen müssen ausgeführt und nicht wie Liebesschläge behandelt werden, sonst sind es keine Strafen. Was haltet ihr davon, wenn wir über Strafen abstimmen? Wenn es mir nicht gerecht erscheint, kann ich als Richter die Strafen ändern. Wir versuchen, Strafen demokratisch zu regeln. Seid ihr einverstanden, wenn wir als Mindeststrafe drei Schläge ansetzen. Wir können unterscheiden, ob die Strafe mit der Hand, dem Stock, einem Riemen, oder einer Peitsche ausgeführt werden.“ Eigenartigerweise waren wir wie hypnotisiert und waren ohne nachzudenken, einverstanden. Es kam uns nicht in den Sinn, dass wir für Kleinigkeiten bestraft würden. Wir hatten das Gefühl, über unsere Strafen bestimmen zu können. Ros und ich glaubten, wir wären zu Recht bestraft worden, weil Madame uns erklärte, alle hätten auf uns gewartet. Wie immer donnerstags übten wir zunächst Rechenaufgaben. Wir bekamen diesmal ein Blatt, auf dem unterschiedliche Aufgaben auszurechnen waren. Ich gab mein Blatt als letzter ab. Rechnen war unverändert Lins Stärke. In einem Diktat lernten wir unsre Körper kennen. Madame diktierte uns Namen unserer verschiedenen Muskeln, Knochen und sonstigen Körperteile. Sie hatte ihren Diaprojektor aufgebaut und zeigte uns schwarz-weiß Dias der Körperteile. Ich erkannte plötzlich, den Körper von Lin. Sie zeigte uns zunächst die äußeren Merkmale. In den fünfziger Jahren gab es noch keine digitalen Fotos, man musste damals mit Negativen Fotomontage betreiben, um Bilder als Dia zu gestalten. Wir sahen in einer Dia-Serie unsere Lin, im nächsten Dia, die Knochen, die Muskeln, den Magen, den Darm und sogar Lins Verstand. Wir sahen in einem weiteren Dia, wie Lin als schwangere Frau mit einem Baby im Bauch aussah und wie sie im Krankenhaus ein Baby bekommt. Wir waren fasziniert und tauchten in fremde Welten ein. Lin erschrak, als sie Bilder von sich sah, die möglicherweise in ihre Zukunft reichten. Madame zeigte weitere Dias, die sie aus meiner körperlichen Hülle gefertigt hat, denn ich erkannte mich. Sie zeigte uns ein Dia wie Lin mit mir ins Paradies flog. Ros fragte: „Madame wie stellen sie solche Dias her?“ Madame erklärte: „Fotomontagen würden mit Negativen hergestellt, es ist kompliziert und braucht Zeit. Ich zeige einige Dias in unserer Klasse, aber natürlich keine auf denen Lin oder Lus zu erkennen sind.“ Ich war begeistert und hatte kaum auf meine Rechtschreibung geachtet. Viele der komplizierten Worte hatte ich falsch geschrieben. Ich beneidete Ros und fragte: „Ros, wie kannsch du Wörter, die du no nie g‘hört hasch, ohne Fehler schreibe?“ Ros wusste es nicht und sagte: „Es isch für mi nit schwierig, i muss nie drüber nachdenke.“ Madame sagte: „Ich habe kürzlich mit Ros Eltern gesprochen, sie meinten, Ros würde oft alemannisch sprechen. Mir gefällt euer Dialekt, ich höre eurer Unterhaltung gerne zu, aber mit elf Jahren seid ihr alt genug, um hochdeutsch zu lernen. Wir werden ab morgen in der Schule und im Förderkurs Hochdeutsch sprechen. Morgen sage ich dies unserer Klasse, ihr seid später benachteiligt, wenn ihr mit Menschen aus anderen Regionen redet. Wir stimmen ab, ob wir uns für Fehler bestrafen, die wir beim Sprechen und beim Rechnen machen. Wir können, wenn wir Aufsätze oder Tests schreiben, Sternchen vergeben, die sich positiv auswirkten und von Strafen abgezogen werden. Für mein Quartett kann ich euch in der Schule Sternchen für positive Dinge geben. So mein liebes Quartett, jetzt haben wir Zeit für unsere Ros, die mit Lus vögeln darf, weil sie ebenfalls eine Frau wurde.“ Ren sagte, wir könnten spielen, Ros wäre unterwegs in einer gefährlichen Gegend und würde überfallen. Da sie nichts Wertvolles hat, sind die Räuber sauer und vergewaltigen sie.“ Lin fragte: „Wie könnt sie au was Wertvolles dabei han, wenn se kei Tasche hat.“ Frau Kofer lächelte und antwortete: „Ja Lin, hast du noch nie überlegt, wo du als Frau etwas verstecken könntest, das niemand finden soll? Und damit Ros nicht laut brüllt, müsst ihr sie knebeln.“ Lin überlegte und sagte: „Ganz raffiniert, da wär i nit druf komme, aber a guts Verschteck.“ Madame sagte zu Ros: „Hab keine Angst, wir bereiten dir keine Schmerzen, es ist nur ein Spiel.“ Wir gingen ins Schlafzimmer, dort hatte Madame ihr Stativ und die Lampen zum Ausleuchten aufgebaut. Madame gab Ros eine kleine Perlenkette für ihr Versteck. Ich hätte mit Ros lieber sanft gevögelt, mir gefiel das Spiel nicht, aber es reizte mich trotzdem. Als Ren mit Lin, Ros überfielen, wehrte sie sich, hatte jedoch gegen die Räuber keine Chance. Lin war kräftig und ging mit Ros nicht sehr sanft um. Sie sagte zu Ren: „Schmeiß mir gschwind die zwei Binde her, dass i die Ärm binde ka.“ Lin setzte sich auf die Brust von Ros und band ihr die Arme fest. Ren band ein Bein am Bettpfosten fest, Lin zog das andere Bein zum anderen Pfosten. Ros trat nach Lin, Lin knallte ihr eine und kniff sie. Dann hatten die beiden Mädels Ros angebunden. Lin sagte: „Jetzt weiß i wofür a Himmelbett gut isch, es hat viele Holzpfoschte, mir kann sie überall feschtbinde. I möcht bloß no seh, ob se, nacket, wie se isch, no ebes verschteckt hat.“ Lin holte die Kette und sagte zu Ros: „Mach dei Gosch uff, vielleicht hosch do au no was verschteckt.“ Ros presste die Lippen aufeinander. Lin kniff Ros zwischen die Beine und hielt ihr die Nase zu. Ros öffnete ihren Mund und Ren schob ihr meine Unterhose als Knebel in Mund. Madame erkannte meine Erregung, zog mich hinter den Schrank und sagte: „Lus, halt bitte mein Stativ.“ Ich musste kein Stativ halten, Madame spielte mit mir und sagte: „Du wärst für Ros zu schnell, sie hätte nichts davon, beim ersten Mal braucht sie Zeit, sei bitte geduldig.“ Als ich an Spiegel spritzte, entschuldigte ich mich. Madame lächelte, nahm ihr Taschentuch und sagte: „Niemand erkennt, dass du im Paradies warst.“ Als ich mich sanft neben Ros legte, den Knebel aus ihrem Mund nahm und die Binden an ihren Händen und Füßen löste, und zärtlich streichelte, küssten wir uns, Ros ros schlang ihre Arme um mich. Sanft und langsam bewegten wir uns, Ros flüsterte: „Louis, schneller und tiefer. I möcht immer so liege, un nie mehr aufsteh. I han ins Paradies gseh un war a Weile dort. Es ka doch nit sei, dass Erwachsene ebes dagege hen. Wenn i denk, dass die blöd Kindergärtnerin uns deswege verhaue hat.“ Lin meinte: „Aber vergewaltigt hat dr Lus di nit, do kent i ja scho narret werde, wenn i des seh.“ „Aber Lin“, sagte Madame, „wir aus unserem Quartett sind eine Familie, denk doch, d' Ros wäre deine Schwester.“ „No wärs no viel schlimmer“, sagte Lin. Ros sagte: „Lin, du bist meine beste Freundin un mir möget beide d' Ren und dr' Lus, ich bin auf dich und Ren nie eifersüchtig.“ Madame sagte: „Mein Kleeblatt, es wird Zeit, nach Hause zu gehn. Mit Lin entwickle ich heute in der Dunkelklammer noch Filme. Lin darf mir heute helfen.“ Madame umarmte uns vier Nackedeis nochmal. Wir küssten uns alle, dann zogen wir uns an. Zuerst begleiteten wir Ren, dann begleitete ich Rosanna und sagte: „Ros, ich hätte dich nie vergewaltigt.“ Ros antwortete: „Du warsch ganz arg lieb zu mir, I wär gern au mal allei mit dir, nägschte Montag fahret meine Eltern zum Zahntechniker, do könntesch mi bsuche, no könnte mir schpiele, willsch?“ Ich antwortete: „ Ros, i freu mi die ganz Woch drauf.“ Inzwischen waren wir auf dem großen Platz, dem sogenannten Latschariplatz, in der Nähe ihres Hauses angekommen. Auf der Holzbank saß, Leopold, ein Schulkamerad meines Bruders, er war Flüchtling und sprach Hochdeutsch. Er rief: „He Rosanna, ich würde dich gerne was fragen.“ Rosanna rief zurück: „Du Leopold a anders mal, i muss heim un han grad kei Zeit.“ Rosanna sagte zu mir: „Der Schpinner will immer mit mir schwätze on glotzt mi dabei a, wie wenn er no nie a Mädle gseh het.“ Als wir bei Rosanna waren und ihre Mutter öffnete, fragte sie: „Louis, hast du Rosanna begleitet, das ist nett von dir, möchtest du reinkommen?“ „Heut nit, i muss heim, sonsch wartet mei Mutter“, sagte ich und rannte nach Hause, Leopold saß nicht mehr auf der Bank, vielleicht hatte er tatsächlich auf Rosanna gewartet. Am Samstag war es bewölkt, es sah jedoch nicht nach Regen aus. Wir trafen uns mit der Klasse von Hartmut im Schulhof. Wir waren Kinder aus zwei Klassen. Reinhild, Lindtraud, Rosanna und ich unterhielten uns mit Hartmut. Die Mädels und Jungs aus seiner Klasse waren erstaunt, dass die Mädchen aus der fünften Klasse sich mit Hartmut unterhielten. Er stolzierte herum wie ein eitler Gockel und freute sich. Er stotterte nicht mal, da er die Mädels kannte und nicht mehr schüchtern war. Erst als ihn Angelika, ein nettes Flüchtlingsmädchen aus seiner Klasse fragte: „Woher kennst du die Mädels aus der fünften Klasse?“ Wurde er wieder verlegen und fing an zu stottern. Ich sagte: „Angelika, er ist mein Freund, wir fahren auf dem Holzplatz oft mit den Rollwägelchen und spielen Eisenbahn.“ Angelika fragte Hartmut: „Darf ich auch mal mitspielen?“ Da ich laut gesprochen hatte, kamen noch andere Jungs und Mädchen die mitspielen wollten. Inzwischen waren beide Klassen vollzählig. Wir konnten losmarschieren. Bis zum Sägewerk war es nicht weit. Herr Poller wartete auf uns, er hatte alle Maschinen abgestellt. In einem Sägewerk, in dem die Gattersägen laufen, ist es laut und gefährlich. Wir bildeten einen Halbkreis um Hartmuts Vater, er erklärte uns zunächst, wie sich Bäume aussähen, im Wald wachsen und älter werden und wie man das Alter der Stämme an den Ringen im Holz erkennen und zählen könnte. Er sprach über hartes und weiches Holz. Er zeigte es uns an kleinen Musterbrettern, die im Büro hingen und erklärte uns die verschiedenen Holzarten und deren Farben. Er sagte von welchen Bäumen diese Hölzer jeweils waren. Wir erkannten die rötliche Farbe von Kirschbäumen und die helle Eiche, den dunklen Nussbaum und im Schwarzwald die Bretter von Tannen, Fichten und Kiefern. Herr Poller erzählte uns die Geschichte dieses Sägewerks. Es war eine etwa 100 m lange und ca. 40 m breite Halle, die 1905 in Fachwerkbauweise freitragend gebaut wurde. Die Halle hatte einen mit Ziegelsteinen gemauerten Keller auf dem das gemauerte Fundament stand. Das Fachwerk war freitragend auf das Fundament gebaut und von Innen sichtbar und von außen mit dicken Brettern beschichtet. Eine Isolierung gegen Wärme und Kälte war nur im Büro. Die Mitarbeiter arbeiteten im Sommer und Winter bei jedem Wetter mit nassem und glitschigem Holz oder auch bei großer Hitze im „schweiße ihres Angesichts“. Es gab noch keine Helme und weder Sicherheitskleidung noch Sicherheitsschuhe. Kleidung und Schuhe wurden nicht vom Arbeitgeber gestellt. Jeder Mitarbeiter hatte Arbeitskleidung, die er mitbrachte. Das Arbeiten mit großen Holzstämmen war gefährlich. Besonders schwierig war die Tätigkeit im Winter, wenn die Stämme mit Schnee und Eis bedeckt waren. Die Arbeiter froren im Winter, denn im Sägewerk lagen die Temperaturen oft unter dem Gefrierpunkt. Im Winter, kam es, wegen der glatten, gefrorenen Baumstämme häufig zu Unfällen. Das Büro konnte im Winter mit einem sogenannten Kanonenofen beheizt werden, dort konnten die Mitarbeiter vespern und sich aufwärmen. Im Sommer war die Tätigkeit ebenfalls gefährlich. Das Sägewerk lag an einer Hanglage zum Bach. Die Hanglage des Sägewerks war für das Abladen der Baumstämme günstig, denn ein Langholzfahrzeug konnte von der Straße aus die Stämme abladen und auf den Holzplatz rollen lassen. Auf dem Holzplatz lagen kleine, große und riesige Holzstämme. Der Holzplatz war etwa 200 m lang und 70 m breit, er lag an der „alten Straße“ die nicht geteert war. Im Sommer wirbelten Autos und Motorräder Staub auf.