Valla - Zwischen Hölle und Fegefeuer

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»Ist er auch nicht«, stimmte Sil mir zu und folgte meinem Blick zur Uhr. Irritiert fuhr sie sich über das Gesicht, bevor sie den Kopf aufmerksam in die Richtung des Nebentisches drehte, an dem sich zwei Schüler unterhielten.

»Wisst ihr, wo der Meister bleibt?«, fragte Sil freundlich und unterbrach damit das Gespräch der beiden.

Sie musterten erst meine Freundin und sahen daraufhin mich abschätzig an, was ich gekonnt ignorierte. Dennoch traf mich der Hass in ihren Augen und die Arroganz, mit der sie über mich urteilten. Ich wagte zu bezweifeln, dass sie selbst am Tag des Angriffs gekämpft hatten. Aber es war leichter, über mich zu richten, als sich selbst einzugestehen, dass man auch nichts beigetragen hatte, um den Schaden abzuwenden.

»Nein, aber in den anderen Klassen hat der Unterricht auch noch nicht begonnen. Niemand hat jemanden vom Lehrpersonal gesehen«, antwortete eine der beiden, nachdem ich ihr Starren unkommentiert ließ und mich auch auf kein Starr-Duell einließ. Doch ihre Worte waren unbedeutend, weil in diesem Moment die Wand krachte und zu bröckeln begann. Im Eingang erschien Meister Asmodäus, der stehen blieb, seinen Blick über die Schüler schweifen ließ und laut verkündete:

»Die Prüfung fällt heute aus. Der restliche Unterricht ebenfalls. Packen Sie zusammen und verlassen Sie umgehend das Schulgelände.«

Dann machte er kehrt, lief den Gang entlang und verschwand hinter der nächsten Ecke. Verwirrtes Gemurmel brach unter den Schülern aus und auch ich schüttelte irritiert den Kopf. Was zum Teufel war das? Abgesehen davon, dass ich mir umsonst die Nacht um die Ohren geschlagen hatte, um zu lernen, war sofort klar, dass irgendetwas geschehen war. Meister Asmodäus war ein hochgewachsener Mann, der auf sein Aussehen wert legte. Er trug jeden Tag einen Anzug, die grau melierten Haare waren mittels Gel perfekt nach hinten gekämmt und schwarze Lackschuhe rundeten das Outfit ab. Doch heute standen seine Strähnen wirr in alle Richtungen ab. Sein Hemd war zerknittert und anstatt der Anzugshose hatte er eine Jogginghose an, die auf dem Schenkel einen Fleck aufwies. Es sah aus, als wäre er gerade aus dem Bett gefallen. Außerdem waren tiefe Sorgenfalten in seinem Gesicht zu erkennen, die ihn zehn Jahre älter wirken ließen. Er war blass, wodurch die Augenringe noch mehr hervorstachen.

»Was ist denn los? Weißt du, was passiert ist?«, fragte Silvania mich beunruhigt und sah immer noch auf die Stelle, wo Asmodäus verschwunden war.

In der Zwischenzeit hatte sich die Wand wieder aufgebaut, aber dahinter waren deutlich Stimmen zu hören. Andere Schüler, die wie wir spekulierten. Allem Anschein nach wurde das gesamte Gebäude geräumt.

»Keine Ahnung, aber irgendwas stimmt hier nicht und Meister Asmodäus’ Abgang ist kein gutes Omen, wenn du mich fragst.«

Auf Silvanias Züge legte sich ein hinterhältiges Grinsen und sie blickte mich verschwörerisch an, als hätte sie vor eine Dummheit zu begehen. Und dumm war noch untertrieben. Wahnsinnig, geisteskrank, todesmutig.

»Also bleiben wir und versuchen herauszufinden, was hier gespielt wird?«, wollte sie mit gesengter Stimme wissen, während ich meine Sachen zusammenpackte, aufstand und meine Tasche schulterte. Sil tat es mir gleich, blieb aber demonstrativ stehen, anstatt wie die anderen den Raum zu verlassen. »Komm, ich weiß, dass es dich genauso interessiert wie mich.«

Das entsprach der Wahrheit. Natürlich war ich neugierig. Wer würde das in so einer Situation nicht sein? Doch ich konnte es nicht riskieren, wieder negativ aufzufallen. Es gab sogar bei den Meistern einige wenige, die trotz meiner Leistungen kaum mit mir sprachen und mich bei jedem Fehltritt absichtlich zu hart bestraften, um ein Zeichen zu setzen. Für sie wäre es die perfekte Gelegenheit, mich doch noch von der Akademie zu schmeißen.

»Nein. Bist du verrückt? Wir stehen kurz vor unserem Abschluss. Ich habe keine Lust, mir noch Ärger einzuhandeln«, meinte ich und bereute, dass meine Stimme so harsch klang.

Sil war meine Freundin. Sie hatte es nicht verdient, dass ich sie anschnauzte. Aber ich konnte nicht anders. Verstand sie nicht, dass uns das in Teufels Küche bringen könnte? Was wäre, wenn das Gebäude drohte einzustürzen und wir wären noch drinnen, weil wir nicht auf den Meister gehört hatten?

»Schön, wie du meinst. Du kannst ja verschwinden. Ich will erst sichergehen, dass alle anderen Klassen auch Bescheid wissen. Nicht, dass diejenigen, die gerade eine Freistunde haben, nicht informiert werden«, sagte Sil bestimmt und ging erhobenen Hauptes auf den Ausgang zu, ohne auf mich zu warten.

Eigentlich war ihre Idee nicht schlecht, obwohl ich bezweifelte, dass die Meister diese Klassen vergessen würden. Dennoch war an der Sache etwas faul. Silvania war nett zu allen, die ihr auf den Schulgängen begegneten, auch wenn sie ihr unbekannt waren. Aber extra loszuziehen, um Fremde über die Schließung der Schule zu informieren? Das klang gar nicht nach Sil.

»Halt! Du bist nicht so pflichtbewusst. Welche Klasse hat gerade keinen Unterricht?«, wollte ich vorwurfsvoll wissen und eilte ihr hinterher.

»Ist das wichtig? Wir sollten uns nicht mit solchen irrelevanten Details aufhalten, oder?«, erwiderte sie, drehte sich aber nicht zu mir um. Somit konnte ich ihr Gesicht nicht sehen. Doch ich hörte das unterdrückte Lachen in ihrer Stimme. Ich hatte also Recht.

»Es ist Nikolais, richtig? Von keiner anderen der knapp dreißig Klassen kennst du die Stundenpläne auswendig. Sil, bitte! Vergiss den Typen endlich«, stöhnte ich genervt und legte ihr eine Hand auf die Schulter, damit sie stehenblieb. »Du bist zu gut für ihn. Jemand wie er hat dich nicht verdient. Du brauchst einen Mann, dem du nicht wie ein räudiger Köter nachlaufen musst. Wenn du dich für immer auf Nikolai versteifst, wirst du allein bleiben, bis du alt und vertrocknet bist.«

Ich wusste zwar nicht, was daran so schlimm sein sollte, sein Leben allein zu meistern und nur sich selbst Rechenschaft ablegen zu müssen, aber Silvania schien es Angst zu machen. Wie die menschlichen Mädchen jagte sie der Illusion eines perfekten Gegenstücks hinterher und wurde nur enttäuscht.

»Für immer«, hauchte sie mit melancholischer Stimme und drehte sich zu mir um, sodass ich das Zucken ihrer Mundwinkel sah, die ein Lächeln andeuteten. »Das will ich. Aber ich erwarte nicht, dass du das verstehst.«

Sie machte eine kurze Pause, doch es kam mir vor, als würde sie noch viel mehr sagen wollen. Ihr Mund öffnete und schloss sich wieder. Sie verzog die Lippen zu einem dünnen Strich.

»Kommst du mit oder nicht? Mehr will ich nicht wissen. Wenn nicht, suche ich ohne dich. Doch ich werde nicht einfach gehen, ohne zu wissen, wo er ist.«

»Ehrlich, was findest du an ihm?«

Verzweifelt sah ich sie an, doch sie reagierte nicht auf meine Frage, was mich seufzen ließ. Es war auch niemand mehr da, um mir zu helfen, sie zu Vernunft zu bringen. Was sollte ich tun? Einfach gehen? Das stand nicht zur Debatte. Sil würde mich auch nicht allein lassen, wenn ich drohte, in mein Verderben zu laufen, und ich war mir sicher, dass es nicht gut für sie enden würde. Im schlimmsten Fall wäre Nikolai schon mit seinen Freunden draußen und wir würden umsonst alle Räume absuchen. Im besten Fall würden wir ihn finden und er würde Sil auslachen, weil sie ihn gesucht hatte.

»Wenn wir jemandem in die Arme laufen, wälze ich die Schuld auf dich ab«, entschied ich und hoffte, dass die Meister verstehen würden, dass ich es als sicherer empfunden hatte, mit Silvania zu gehen, statt sie allein durch die Akademie streifen zu lassen.

»Danke«, sagte sie und ihr Gesicht erhellte sich. Sie strahlte mich an, als hätte ich ihr erzählt, dass sie zum Teufel persönlich eingeladen wurde, legte ihre Arme um mich und drückte mich fest an sich. Die Umarmung war für mich so ungewohnt, dass ich wie angewurzelt dastand, statt meine Arme um sie zu legen. Wann war es das letzte Mal vorgekommen, dass ich jemand anderem so nah gewesen war? Sofort konnte ich nichts anderes mehr riechen als ihr süßliches Parfüm, das ihren gesamten Eigengeruch überlagerte und mich husten ließ. Ihr Griff war so fest, dass ich Angst hatte zu ersticken, doch die Geste löste in mir ein Gefühl der Wärme aus, obwohl mir gar nicht klar war, dass sich in mir die Kälte eingenistet hatte.

Es dauerte nur wenige Atemzüge, bis sie mich wieder losließ und in Richtung Cafeteria rannte, doch die Sekunden zogen sich ins Unendliche. Langsam folgte ich ihr durch die gespenstige Leere. Niemals war es hier so still gewesen. Das Gebäude war wie ausgestorben. Meine Schritte hallten von den Wänden wider und als die Fackeln an den Mauern, die für Licht sorgten, nach der Reihe erloschen, beschlich mich das Gefühl, dass es doch besser gewesen wäre, nach draußen zu gehen.

»Silvania!«, rief ich, bekam aber keine Antwort. Ich setzte einen Fuß vor den anderen und tapste durch die Dunkelheit, während ich meine Hand zur Orientierung ausstreckte und mit den Fingern an der Wand entlangfuhr. Die Mauer fühlte sich rau unter meiner Haut an und stellenweise löste sich durch meine Berührung der Putz. Sie blätterte ab und bröselte zu Boden.

»Sil! Wo bist du?«

Wieder keine Antwort, doch vor mir wurde es heller, als hätte jemand vergessen, ein paar Fackeln auszumachen. Schnell lief ich auf die Lichtquelle zu, jedoch war Silvania auch hier nicht zu sehen. Ich war wieder im Gebäudetrakt angekommen, an dem die Wände weiß waren, und trotz der dämmrigen Beleuchtung war mir klar, dass etwas anders war als sonst. Irgendetwas stimmte hier nicht. Meine Fingerspitzen fühlten sich feucht an. Schmierig. Irritiert zog ich die Hand ein und besah sie genauer. Meine Fingerkuppen waren rot verfärbt. Die Flüssigkeit war warm. Auch an den Mauern klebten rote Spritzer. Blut. Mit angehaltenem Atem sah ich auf die Kleckse, die unregelmäßig verteilt waren und dennoch wie ein Kunstwerk aussahen. Was war hier passiert? Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Wir sollten von hier verschwinden. Sofort!

 

»Sil!«, versuchte ich es noch einmal und konnte die Panik in meiner Stimme nicht unterdrücken. Wo war sie? Wieso antwortete sie nicht. War das Blut von ihr?

»Valla! Hilfe! Valla!«, hörte ich Silvania kreischen und rannte, ohne nachzudenken, dem Klang ihrer Stimme hinterher, die mich wieder in die Dunkelheit führte.

Ich spürte, wie mein Herz raste. Adrenalin pumpte durch meine Adern und ich schwitzte, obwohl mir eiskalt war. Hastig sog ich Sauerstoff in meine Lungen und ließ die Luft wieder entweichen. Dennoch hatte ich das Gefühl, zu ersticken. Meine Kehle war wie zugeschnürt. In meiner Seite stach es, doch ich beschleunigte meine Schritte und flehte stumm zum Teufel, dass es Sil gut ging. Ich lief weiter und weiter, ohne stehenzubleiben, obwohl meine Beine nach kurzer Zeit schmerzhaft brannten und ich komplett orientierungslos war. Ich war mir nicht sicher, ob ich diesen Teil des Gebäudes kannte, aber selbst wenn, war er kaum wiederzuerkennen. Es war einfach zu dunkel und die sporadischen Feuer an der Wand trugen nur dazu bei, dass sich meine Augen nicht an die Schwärze gewöhnen konnten.

Nachdem ich Silvania endlich erreichte, atmete ich, als würde ich eine Sauerstoffflasche benötigen. Mehr Cardio-Training zu machen, wäre nicht schlecht gewesen. Das sollte ich dringend ändern. Schmerzhaft keuchend stemmte ich die Hände in die Hüften und bemühte mich, meinen Herzschlag zu beruhigen. Sil schien es gut zu gehen. Sie stand mit dem Rücken zu mir und starrte auf den Boden. Über ihr brannte eine Fackel, sodass ich eine perfekte Sicht auf ihre Kehrseite hatte. Stocksteif stand sie da und ... Schluchzte sie etwa?

»Sil?«

Keine Reaktion.

»Silvania?«

Ein Wimmern.

»Ist alles in Ordnung?«

Kräftig schüttelte sie den Kopf und bedeckte mit den Fingern ihr Gesicht, während ich nähertrat und meine Hand auf ihren Oberarm legte. Doch ich hatte nicht das Gefühl, dass sie meine Berührung wahrnahm. Ihr Blick blieb starr gesenkt.

»Beim unheiligen Teufel, wer tut so etwas Schreckliches?«, fragte sie und schniefte, sodass ich ihren Schmerz beinahe fühlen konnte. Es tat mir weh, sie so leiden zu sehen und nicht zu wissen, was ich tun konnte, um das zu ändern.

»Sil? Was ist los?«, flüsterte ich, um sie nicht zu verschrecken. Ich erreichte jedoch nur, dass sie die Arme sinken ließ und sich zu mir drehte. Tränen liefen über ihre Wangen und legten einen feuchten Glanz über ihr bleiches Gesicht. Wortlos zeigte sie nach vorne und forderte mich mit einem Nicken auf, hinzusehen. Ich kniff die Augen zusammen, um den Fleck, auf den ihr Finger deutete, besser betrachten zu können. Der Boden schien sich vor uns zu wölben und Wasser breitete sich über dem Flur aus. Kälte ging von den Buckeln aus und schien von der Umgebung aufgenommen zu werden, sodass ich fröstelte. In der Hölle war es warm. Immer. Deshalb war ich kühle Temperaturen nicht gewohnt. Eigentlich war dies niemand, der noch die Akademie besuchte. Eine Gänsehaut überzog meinen Körper und ich rieb mir die Unterarme. Ich trat einen Schritt nach vorne, um besser sehen zu können. Und stolperte prompt rückwärts.

»Verdammte Scheiße!«, schrie ich und riss die Augen auf.

Da lag jemand. Es war nicht der Untergrund, der uneben war, sondern eine Gestalt, die in sich zusammengesunken auf dem Boden schlief. Wobei ich mir nicht sicher war, ob er wirklich nur bei Morpheus im Land der Träume war. Sein Brustkorb hob und senkte sich nicht. Seine Haut war seltsam bläulich und seine Lippen hatte jede Farbe verloren. Seine blonden Haare waren nass und tropften den Boden voll, genau wie seine Kleidung. Jedoch klebte sie nicht feucht an seinem Körper, sondern wirkte steif, beinahe tiefgefroren. Kleine Kristalle überzogen den Stoff, die sich langsam auflösten. Je mehr ich erkannte, desto sicherer wurde ich mir, dass sich der Junge nicht freiwillig hier positioniert hatte. Sein Kopf lag auf der Seite und er blickte in unsere Richtung, ohne wirklich etwas zu sehen. Seine Iris war weiß und in den Augen fehlte jedes Leben. Sie waren ausdruckslos. Tot.

Instinktiv packte ich Silvanias Hand. Ich hatte genug. Egal, wo Nikolai war, er konnte dortbleiben. Aber Sil und ich mussten hier raus!

»Lass uns von hier verschwinden!«, befahl ich und zog meine beste Freundin am Arm, um sie zum Gehen zu animieren. Doch sie bewegte sich nicht.

Ihr Finger war immer noch auf den Toten gerichtet und sie weinte stumm um das Leben, das beendet worden war. Als Dämonin hatte ich schon in jungen Jahren Leichenteile von Menschen gesehen. Eine ausgehöhlte Zunge war sogar der Aufsatz für mein Fläschchen gewesen. Doch es war etwas anderes, einen von uns so zu erblicken und zu wissen, dass er nie wieder sprechen würde. Er würde sich nie wieder bewegen. Ich kannte den Jungen nicht, aber irgendwo in der Unterwelt würde ein Bruder, eine Mom oder ein Dad um einen Dämon trauern, der dem Teufel gestohlen wurde. Kein Wunder, dass Sil weinte. Auch ich fühlte eine Beklommenheit in meiner Brust, die mit jeder Sekunde stärker wurde.

Ein Geräusch hinter mir ließ mich herumfahren. Es klang wie ein Rascheln, wie das Aneinanderreiben von Stoffen. Und dazu kamen schnelle Schritte. Jemand lief auf uns zu. Zwei. Nein, drei. Oder waren es mehr? Gehetzt sah ich mich um und suchte nach einer Gelegenheit, uns zu verstecken. Doch hier war nichts. Wir standen in einem langen Gang, in dem ich mich nicht auskannte. Hier ein Pentagramm zu suchen, würde uns kostbare Minuten kosten. Zeit, die wir nicht hatten.

Ein Schnaufen, nicht weit von uns entfernt, erklang. Ich konnte niemanden sehen. Der Gang sah leer aus, doch ich wusste, dass das nicht der Wahrheit entsprach.

»Sil! Wir müssen hier weg«, flehte ich und zerrte stärker an meiner Freundin, sodass ich sie hinter mir herzog. Trotz ihres dünnen Körpers und meiner Panik, die mir neue Kraft gab, reichte es nicht, um zu laufen. Wir waren zu langsam.

Die Schritte kamen näher. Ich hörte das bedrohliche Schnauben unserer Verfolger und versuchte, die aufkommenden Bilder von Messern, die mir die Kehle durchschnitten und Kugeln, die mich durchbohrten, auszublenden. Sie klangen erschöpft. Wie lange preschten sie schon durch das Gebäude?

»Silvania! Bitte«, bettelte ich weiter und hoffte, sie würde aus ihrer Starre erwachen und den Ernst der Lage begreifen. Egal, wer uns verfolgte, sie waren nicht begeistert, dass wir sie gestört hatten.

»Schnappt sie euch!«, schrie eine tiefe Stimme.

Sie war nah. Zu nah für meinen Geschmack. Und hart. Sie ließ keine Emotionen erahnen, als wäre der Sprecher ein Roboter, oder er würde jeden Tag zwei Schülerinnen verfolgen, um ihnen Unaussprechliches anzutun. Ob er selbst Teil der Akademie war?

»Haben sie uns gesehen?«, fragte eine andere Stimme. Sie klang höher, weiblicher und ein Hauch von Unsicherheit schwang in ihren Worten mit. Hatte sie Angst, erkannt worden zu sein? Ob ich sie schon einmal gesehen hatte? Oder Sil?

Ein Schrei ertönte. Die Schulglocke. Doch ich war nicht darauf vorbereitet gewesen. Ich zuckte zusammen und geriet ins Straucheln. Silvanias Arm rutschte mir durch die Finger und ich hörte ein dumpfes Geräusch, während sie wie ein nasser Sandsack auf dem Boden aufschlug. Ein überraschter Ton kam über ihre Lippen. Gezwungen, stehen zu bleiben, tastete ich blind nach Sil. Schon lange hatten wir den Lichtkegel der letzten Fackel hinter uns gelassen. Das Geräusch der Schritte unserer Angreifer hatte mich fast erreicht, als ich mit der Hand gegen Widerstand stieß. Silvania. Ich wollte ihr aufhelfen und weiterlaufen, doch es war zu spät.

Etwas Hartes traf meinen Hinterkopf. So fest, dass ich das Gleichgewicht verlor und nach vorne fiel. Instinktiv versuchte ich, meinen Fall mit meinen Händen zu bremsen. Jedoch erreichte ich nur, dass ein schmerzhafter Stich durch meine Handgelenke ging. Mir wurde schwindelig. Mein Magen zog sich zusammen und die Dunkelheit vor meinen Augen flackerte. Die Schwärze wurde von kleinen Lichtpunkten durchzogen, die verschwammen. Tränen füllten meine Augen.

»Ist das wichtig? Wir nehmen sie beide mit und fertig. Zwei mehr werden keinen Unterschied machen. Und jetzt beeilt euch. Die Mission dauert schon zu lange. Wir werden noch erwischt und dann war alles umsonst. Ich habe zu hart hierfür gearbeitet, um alles wegen zwei Mädchen über den Haufen zu werfen.«

Ich fühlte etwas Nasses an meinem Kopf und meine Arme zitterten gefährlich, bevor mich die Kraft verließ und sie unter mir wegbrachen. Mein Schädel schlug auf dem Untergrund auf und meine Augen fielen zu. Nur mit Mühe konnte ich sie wieder aufdrücken. Ich war plötzlich unheimlich müde. Fremde Hände berührten meinen Körper. Ich strengte mich an, mich zu bewegen, mich zu wehren, doch mehr als ein Keuchen brachte ich nicht zustande. Der Raum um mich schien sich zu drehen und mein Magen zog sich krampfartig zusammen. Finger tasteten meinen Rumpf ab. Suchten sie nach Waffen?

»Ah, verdammt!«, fluchte jemand und die Hände auf mir verschwanden.

»Was ist los? Warum dauert das so lange?«, brüllte der Anführer. Er schrie, da war ich mir sicher. Aber dennoch wirkte die Stimme weit weg und es fiel mir schwer, zu verstehen, was er sagte. Alle meine Sinne schienen sich zu verabschieden. Ich roch kaum noch den Gestank nach Blut und Schweiß, der in der Luft lag. Ein Kribbeln zog sich durch meine Gliedmaßen, bevor ich meine Arme nicht mehr spürte.

»Wir können sie nicht mitnehmen.«

Das qualvolle Pochen in meinem Kopf verschwand und machte einer wohltuenden Leere Platz.

»Wieso nicht?«

Ich verlor das Gefühl in den Beinen und ich schaffte es nicht mehr, meine Augen offenzuhalten.

»Sie glüht.«

Die Stimmen wurden immer leiser, bis sie kaum noch zu hören waren und Schwärze mich umhüllte.

»Was soll das heißen?«

Pause. Neben mir bewegte sich etwas.

»Verfluchte Scheiße! Dann lassen wir sie hier. Nehmt die andere mit und raus.«

Schwärze umhüllte mich. Ich verlor das Bewusstsein.

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