Glamorous Love - vollkommenes Glück

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

2. Kapitel

– Junos Sicht –

Nach der Schule stellte ich mein Rad an das Geländer vor der Haustür. Als ich meine Klamotten weggelegt hatte, erinnerte ich mich daran, dass inzwischen vielleicht eine Mail von F.I.L. Records eingegangen sein könnte. Also stellte ich meinen Laptop auf den Küchentisch und öffnete meinen Account. Hitze stieg in mir auf, als ich sah, dass ich eine Nachricht von Craig Baker persönlich im Postfach hatte. Mein Herz raste und meine Hände zitterten ein wenig. Trotz meiner enormen Neugierde beschloss ich zuerst Tess zu informieren. Meine Finger wählten wie von selbst ihre Telefonnummer. Es fing an zu tuten … zweimal, dreimal, viermal. Verdammt, warum ging sie nicht ran?! Ich drückte den roten Knopf auf der Tastatur, um das Gespräch zu beenden. Sofort wählte ich erneut und hörte, dass sie abnahm. „Boah, Tess, wieso dauert das denn so lange, bis du abnimmst! Hör zu, wir haben eine Nachricht!“

„Mann, sorry, aber was soll ich denn machen, wenn es pressiert und ich aufs Klo muss?“ „Ist schon gut, bitte keine weiteren Einzelheiten! Hast du verstanden, was ich gesagt habe?“

„Klar, endlich haben wir eine Nachricht. Komm, lies vor!“

„Soll ich wirklich oder wollen wir zusammen lesen?“ Sie schwieg einen kurzen Moment. „Bin gleich bei dir, Süße!“ Ich grinste, denn ich hatte nicht wirklich etwas anderes erwartet. Ich wusste wohl, wie neugierig meine Freundin war. Während ich auf Sie wartete, kochte ich mir einen Milchkaffee. Gerade hatte ich mich wieder gesetzt, schellte es an der Haustür. „Mann, endlich!“, brummte ich, bevor ich die Tür öffnete. Aufregung machte sich breit! Tess kam im Eiltempo die Treppen hoch. „Ach, meine Liebe, ich bin so froh, dass du endlich da bist!“ Zur Begrüßung nahmen wir uns in den Arm und gingen in die Küche. Vor uns stand der aufgeklappte Laptop und Tess drückte mit der Maus den Button zum Öffnen. Wir lasen beide still für uns. Ich hatte vernommen, dass am Check-In-Schalter die Flugtickets und zwei V.I.P-Pässe für uns hinterlegt waren. „Wow!“, dachte ich und sprach es gleichzeitig aus. „Für was wir die wohl brauchen?“ Tess schwieg. Selten hatte sie nichts zu sagen. Außerdem bekamen wir eine umfangreiche Beschreibung des Hotels HeaveNly an der Bayswater Road, am Hyde Park, mitten in London. Die dazugehörigen Bilder sahen vielversprechend aus. Jetzt platzte es aus meiner Freundin heraus: „Tickets nach London, wie geil! Oh Mann, Juno, das ist alles so unglaublich!“ Wir entnahmen dem Schreiben, dass es am Freitagnachmittag um 15.10 Uhr in Tegel losgehen sollte. Ankunft in London-Heathrow. Tess sah mich an. „Ich muss mir noch überlegen, was ich meiner Mutter sage, sie ist doch so überbesorgt.“

„Ach Tess, vielleicht solltest du ihr einfach erzählen, was der wahre Grund für die Reise ist. Ich denke, sie wird es verstehen und sich vielleicht sogar mitfreuen.“ Nachdenklich kaute sie auf einer Haarspitze und beschloss, sich kurzerhand auf den Weg nach Hause zu machen, um noch eine „Kleinigkeit“ mit Barbara zu besprechen.

Am nächsten Tag nach der Schule blätterte ich zu Hause in meiner neu erworbenen „Glamour Girl“. Die Menschen, die diese Zeitung gestalteten, wussten, wie man junge, neugierige Mädels davon überzeugen konnte, auch die nächste Ausgabe des Magazins zu kaufen. Kontinuierlich wurde man auf dem Laufenden gehalten, was die Stars und Sternchen trieben. Ich warf einen Blick auf meine petrolblaue Uhr, im Übrigen das einzig farbige Accessoire an mir. Im Hintergrund lief das Radio. Es moderierte Tommy Wosch. Er verstand es, die Hörer in den Bann seiner Geschichten zu ziehen, und war zugleich ein gnadenloser Zyniker. Ich liebte es, wenn Menschen es schafften, mich spontan mit ihrem Humor zum Lachen zu bringen. Das war nicht immer ganz leicht, denn Sarkasmus und Ironie ist nicht jedermanns Sache. Als ich mich wieder meiner Zeitung widmete, musste ich bei einem Artikel über ein britisches Top-Model namens Cara Delevingne stoppen. Gerüchte kursierten, dass sie magersüchtig sei. „Sind die nicht alle magersüchtig?“, fragte ich mich, obwohl ich die Antwort schon kannte. Wenn die Models auf wichtigen Shows von angesagten Designern liefen, sahen sie besonders schlank und durchtrainiert aus. Ich hatte den Eindruck, dass Magersucht schon zur Voraussetzung für den Modeljob zählte. Erschreckend! Heute war der letzte Schultag vor unseren letzten großen Ferien. Denn wir hatten beschlossen, morgen nicht mehr zum Unterricht zu erscheinen, aus dem ganz einfachen Grund, weil morgen unser großer Tag war! Also machte ich mich daran, meine Klamotten zu packen. Als ich fertig war, stellte ich meinen Trolley in die Küche vor den Tresen. Mir war klar, dass ich von der zweiten Ferienwoche an bis zum Jugendcamp im „Café um die Ecke“ kellnern würde. Das tat ich bisher in den Ferien und manchmal am Wochenende. Mittlerweile kannten mich die netten alten Damen und Herren, die regelmäßig ihre überteuerten Getränke und den Kuchen im Café zu sich nahmen. Die meisten der Herrschaften waren wohlhabend und ließen es einen ab und an spüren. Doch wenn man sich einmal bewiesen hatte, schlossen sie einen schnell ins Herz und waren mit dem Trinkgeld nicht kleinlich. Das war lustig, manchmal war das Trinkgeld höher, als der Grundverdienst. Mit meinem Job hatte ich mir einen Großteil meines Führerscheines erarbeitet und meinen kleinen „Mini“ mit dazu. Alte Version, in schwarzem Lack. Meine Eltern finanzierten die monatlichen Kosten für mein erstes Auto und außerdem bekam ich noch regelmäßig Taschengeld. Die Höhe machten sie davon abhängig, wie viel sie selbst gerade hatten und davon, was ich selbst verdiente. Im Großen und Ganzen ging es mir als Schülerin nicht schlecht.

Am nächsten Tag, waren Tess und ihre Mutter Barbara, die inzwischen in die London-Reise eingeweiht war, auf dem Weg zu mir. Barbara ließ es sich nicht nehmen, uns persönlich zum Flughafen zu bringen. Mittlerweile hatte ich es mir unten vor der Haustür auf den Stufen mit meinen Trolley gemütlich gemacht. Ich sah, wie der Wagen von Barbara in die Straße einbog und sie vor meiner Nase einparkte. Während die beiden ausstiegen, hörte ich nur, wie Tess sagte: „Ooohh ja, Mama! Versprochen, ich werde mich melden!“ Erleichtert sah sie ihre Tochter an und lächelte. Wir begrüßten uns und stiegen in den neuen silberfarbenen Lexus ein. Ist schon eine Luxuskarre, dachte ich, als ich auf das Brummen des Motors wartete. Selbst nach fünf Minuten Fahrt war noch immer kein Motorengeräusch zu hören. Wahrscheinlich war es heutzutage so, dass die neuen Autos nahezu geräuschlos fuhren. Für mich war das schwer nachvollziehbar, denn meine Eltern fuhren seit Jahr und Tag ein und dasselbe Auto. Sie wollten sich nicht von ihrem alten Saab trennen, dessen Blinker allein so laut war, dass man sein eigenes Wort kaum noch verstand. Dankbar, dass er sie immer zuverlässig ans Ziel brachte, wollten Sie dem Auto noch einen schönen Lebensabend gewähren.

Wir waren angekommen und suchten uns eine Parklücke für Kurzparker. Eine halbe Stunde blieb uns noch, bevor wir zum Einchecken mussten. Barbara lud uns auf die Schnelle noch in das Starbucks-Café ein. Nachdem wir zwanzig Minuten im Café verbracht hatten, hielt Tess nichts mehr auf ihrem Stuhl. Barbara entschied sich spontan, uns noch bis zum Check-in zu begleiten. Auch wenn sie das noch zusätzlich zwei Euro extra für den Parkautomaten kosten würde. Tess seufzte, in etwa so: „Oohhhh, ääähhhh!“ Gut, dass Barbara nicht begriffsstutzig war. „Schon gut, Tessylein, ich verschwinde. Bitte passt gut auf euch auf!“

„Natürlich, Mama! Und vielen Dank fürs Bringen.“ Als sie endlich außer Sicht war, kamen bei uns beiden sofort Nervosität und unbändige Vorfreude auf. Aufgeregt schauten wir uns um, in der Hoffnung, schnell den British-Airways-Schalter ausfindig zu machen. Zum Glück waren wir früh losgefahren, uns blieb genug Zeit, uns zu orientieren. „Schau mal, wir müssen da vorne rechts rum“, meinte ich auf dem Schild gelesen zu haben. Einen kleinen Fußmarsch hatten wir noch zurückzulegen, bis wir am richtigen Schalter angekommen waren. Es war eine nur kurze Menschenschlange vor dem Schalter. Artig stellten wir uns hinten an und warteten geduldig, bis der letzte Vordermann alle seine Fragen geklärt hatte. Wir waren die Nächsten. Fragend schaute die Dame hinter dem Tresen zu uns auf.

„Hallo, mein Name ist Juno Thamm, hier sollen Tickets für meine Freundin und mich hinterlegt sein.“ Sie schaute in ihren Computer und gab etwas ein. „Ist der Auftraggeber Craig Baker von F.I.L. Records?“, fragte sie. „Genau so ist es!“ antwortete ich.

Sie studierte unsere Pässe, druckte Bordkarten und V.I.P.-Tickets für uns aus und schob sie uns rüber. Anschließend kamen die Koffer auf das Band. „Ich wünsche ihnen einen angenehmen Flug. Bitte folgen sie der Markierung bis zu der Sicherheitskontrolle.“

„Vielen Dank.“ Nach der Fluggastkontrolle kamen wir in den Wartebereich. Der große Raum mit den vielen Plätzen war schon zur Hälfte gefüllt. Wir hatten das Glück, einen Platz zu ergattern, von dem wir wunderbar den wartenden Flieger beobachten konnten. „Tess, jetzt wird’s ernst. Gleich geht’s ab!“, sprudelte es aus mir heraus, als ich unsere Maschine bestaunte. „Ja endlich, wir haben jetzt so lange dicht gehalten. Hoffentlich werden wir dafür belohnt!“ Ich nahm ihre Hand und strich darüber. „Ganz bestimmt! Ich glaube fest daran! Jetzt schau doch mal raus, gleich werden wir da drin sitzen!“

Jedes Mal aufs Neue war ich erstaunt darüber, dass sich so ein Brocken leicht wie ein Vogel in der Luft bewegte. Ich fand es lustig, dass ein Großteil der Menschen ausgerechnet beim Fliegen Tomatensaft trank. Nie und nimmer hatten die Tomatensaft zu Hause im Kühlschrank. Genauso wenig wie ich! So hatte auch ich mich entschlossen, Tomatensaft während des Fluges zu trinken.

„Wie spießig!“, witzelte Tess und lachte. „Das gehört ja wohl zum Fliegen dazu“, behauptete ich, bevor ich anfing mitzulachen.

 

Unser Flug wurde pünktlich angekündigt. Ruckzuck bildete sich eine Menschenschlange und wurde rasch länger. Als die meisten Reisenden auf dem Weg in den Flieger waren, stellten wir uns an. Wir mussten nicht lange warten. Die Mitarbeiter waren routiniert, warfen einen Blick in die Ausweise und rissen die Enden der Bordkarten ab. Ohne weitere Verzögerung durften wir in Richtung Flugzeug gehen. Am Eingang der Boeing erwarteten uns zwei nette Stewardessen, die einen Blick auf unsere Sitzplatzkarten warfen. Eine der beiden sprach perfekt Deutsch und bat uns, ihr zu folgen. Als die Frau auf direktem Wege in die obere Etage ging, fing ich an, mich zu wundern. Wir waren im oberen Stockwerk in der Business Class angelangt und hier sah die Welt ganz anders aus. Das Interieur war verglichen mit der Economy Class viel edler. Die Sitze sahen bequem wie Fernsehsessel aus. Insgeheim hoffte ich, hier einen Platz zu bekommen. Und tatsächlich bot sie uns an, hier Platz zu nehmen. „Ich heiße Sie herzlich willkommen an Bord. Mein Name ist Brittany und ich werde Sie auf dem Flug nach London betreuen.“

„Hallo, Mrs. Brittany, es ist wunderschön hier, herzlichen Dank!“, meinte Tess und reichte ihr die Hand. „Gern, aber Brittany reicht“, entgegnete sie. „Falls Sie irgendwelche Wünsche haben, drücken Sie einfach den kleinen gelben Knopf hier oben. Ich werde dann so schnell wie möglich bei Ihnen sein.“ Als wir uns angeschnallt hatten, war sie nicht mehr zu sehen. Wir fingen an zu feiern, klatschten in unsere Hände und tanzten mit unseren Oberkörpern. „Das ist ja wohl der Hammer!“, meinte Tess, die kurz vor dem Ausflippen war. Sicher konnte man unser Freudenlachen bis in das Cockpit hören.

„Ssschhhtttt! Leiser, nicht dass wir gleich wieder rausgeschmissen werden, bevor wir überhaupt abgehoben haben!“ Ich zog Tessys Hände, die in der Luft schwebten, hinunter. „Ist ja schon gut! Bin wieder ruhig, aber das ist doch mehr als großzügig vom Veranstalter, oder?“

Bevor ich antworten konnte, bemerkte ich, dass sich etwas tat. Der Flieger fing an, sich zu bewegen. Sofort kehrte Ruhe ein. Langsam rollte der Koloss in Richtung Startbahn. Kurz vor dem Start hielt der Flieger an, um gleich darauf volle Fahrt aufzunehmen und abzuheben. Es drückte mich in den Sitz und ich bemerkte das Kribbeln in meinem Magen. Das Gefühl hielt so lange an, bis wir unsere Flughöhe erreicht hatten. Ehe wir uns versahen, kam Brittany. „Ich hoffe, den Damen ist der Start nicht auf den Magen geschlagen und ich kann Ihnen eins unserer leckeren Gerichte servieren?“ Davon war speziell ich begeistert, erst jetzt fiel mir auf, dass ich tagsüber nichts gegessen hatte. Tess musste es ähnlich gehen, sie fragte gleich nach der Auswahl. Ohne auf die Karte zu schauen, nannte Brittanny die Menüs und die Getränke. Wir nahmen beide dasselbe Gericht. Es bestand aus viel frischem Gemüse und Nudeln. „Ich würde gern einen Champagner trinken und hätte dazu noch ein Glas Wasser“, orderte Tess.

Ich hielt Wort: „Ich hätte gerne einen Tomatensaft mit Pfeffer und Salz und ein Glas Wasser.“ „Wie jetzt?“, hakte meine Freundin nach. „Wollen wir nicht zusammen anstoßen?!“ „Natürlich wollen wir das“, also gab ich noch die Bestellung eines Champagners hinterher. Wir stießen aufgeregt an und genossen die wirklich gute Küche. Kaum waren wir fertig, kam unsere nette Stewardess und bat uns, nach nur einer Stunde und fünfzig Minuten, den Gurt erneut anzulegen. Die Landung würde direkt bevorstehen. Es dauerte nicht lange und das Flugzeug erreichte sicher den Boden des Vereinigten Königreiches.

3. Kapitel

– Junos Sicht –

Wir kamen in die große Halle, wo die Gepäckrückgabebänder liefen. Orientierungslos suchten wir das Band vom Flieger aus Berlin. Wir liefen ohne weitere Anhaltspunkte los, bis zwei nette, gut aussehende Männer uns ansprachen. Vorher bekamen wir die uns farblich bekannten F.I.L. Records-Ausweise der Herren zu sehen. Ein „Aaahh!“ entrann Tess vor Erleichterung. Einer der Jungs, der mit dem blonden Haaren, ergriff das Wort: „Herzlich willkommen in London. Mein Name ist Jim und das ist mein Kollege Bill.“ Er zeigte auf seinen Kumpel, der zustimmend nickte. „Wir arbeiten für die F.I.L. Records und wurden beauftragt, Sie abzuholen und zum Hotel zu begleiten. Wer von den Damen ist denn die eigentliche Gewinnerin?“, wollte der smarte junge Mann wissen. Ich hob meine Hand und gab sie ihm zur Begrüßung. „Freut mich, Sie kennen zu lernen, mein Name ist Juno und das ist meine Freundin Tess.“ Zwar hatte ich Englisch als Leistungsfach, doch wenn man tatsächlich mit einem Engländer sprach, musste man genauer hinhören. Trotzdem klappte es mit der Verständigung gut. „Euer Gepäck wird direkt ins Hotel gebracht. Ihr braucht euch keine Sorgen zu machen, das hat bisher immer geklappt“, beruhigte uns Jim, während er ein breites Grinsen aufgesetzt hatte und man seine weiß gebleachten Zähne sah. „Man darf gespannt sein“, meinte ich fast zweifelnd zu Tess und sie reagierte mit einem kurzen Schulterzucken. Wir setzten uns in Bewegung. Unauffällig folgten wir den beiden Männern zu einem Seitenausgang des Flughafens. Ein dezenter schwarzer Wagen, ein VW Phaeton, wartete auf uns. Die Fenster des Wagens waren komplett getönt. Von vorne konnte man einen Blick auf den Fahrer und auf eventuelle Beifahrer erhaschen. Bill ging direkt zur Fahrerseite und stieg ein. Jim hielt Tess und mir freundlich die hintere Tür auf. Während der Fahrt durch die Stadt zeigte uns Jim das ein oder andere interessante Gebäude und erzählte die dazugehörige Geschichte. Tessy und ich staunten und schwiegen. Die Stadt hatte uns durch ihre Ausmaße und ihre besondere Architektur bereits in ihren Bann gezogen. „Wir werden bald am Hotel angekommen. Bitte seid so nett und befestigt die V.I.P.-Pässe sichtbar an den Klamotten. Sie werden für euch von hoher Wichtigkeit sein, denn sie eröffnen euch den Weg zu allem, was das Hotel bietet.“ Nebenher nannte er ein paar Beispiele wie die Nutzung des Pool- und Wellnessbereiches sowie des Fitnesscenters. Der Verzehr in Restaurants und Bars, die zum Hotel gehörten, war inbegriffen. Um es kurz zu machen, wir brauchten keinen Cent zu zahlen! Das einzige, was wir vor Erstaunen herausbrachten, war ein: „Wow! Vielen Dank!“

Ich hatte den Eindruck, dass die Männer Verständnis für unseren Zustand hatten. Sie gaben uns Zeit, um uns mit der neuen Situation vertraut zu machen. Nachdem einige Minuten verstrichen waren, sprach Jim weiter: „Selbst wenn ihr draußen unterwegs seid, ist es ratsam, die Pässe immer bei euch zu tragen. Sie ermöglichen euch freien Eintritt und kostenlosen Verzehr von Essen und Getränken in angesagten Bars und Pubs hier in London. So könnt ihr die Stadt in vollen Zügen genießen!“ Wir nickten beide synchron wie artige Kinder. „Ist das ein wahr gewordener Traum?“, säuselte meine Freundin, mit einer gewissen Skepsis.

Jim erklärte, dass wir morgen Abend um 19 Uhr in der Hotelbar zum Konzert abgeholt würden. Eine Überraschung hatte er jedoch noch in petto. „Ihr habt die Möglichkeit, das Auto, in dem wir gerade sitzen, samt Fahrer jederzeit für Ausflüge zu nutzen. Eine feine Sache, so braucht ihr nicht mit dem Taxi oder den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren.“

„Und ob, das ist grandios!“, pflichtete ich begeistert bei. Ich hatte das Gefühl, dass jemand versuchte, mir den Boden unter den Füßen wegzureißen. Tess war mittlerweile gefasster. Sie stellte Fragen über Clubs und Discotheken hier in der City.

„Ihr könnt George, euren Fahrer, immer erreichen. Egal, um was für eine Zeit. Er wird immer und überall zur Stelle sein, wenn ihr ihn braucht“, klärte uns Jim auf, bevor er uns eine Karte mit dessen Handynummer nach hinten reichte. Dankend nahmen wir sie an uns. Nach einer Fahrzeit von einer halben Stunde erreichten wir das HeaveNly-Hotel am Hyde Park. Von außen wirkte das Hotel unscheinbar und schlicht. Die Bauweise war in einem modernen Stil gehalten, alles gerade und dezent. Die beiden netten Herren begleiteten uns hinein, um an der Rezeption mit dem Portier alles Nötige zu regeln. Wie zwei dumme Hühner, die noch nie in einem Hotel eingecheckt hatten, standen wir im Eingangsbereich. Der Stil dieses Hotels entsprach völlig meinem Geschmack! Es war modern, großzügig und dennoch nicht überladen. Vor lauter Staunen und Bewunderung bemerkten wir nicht, dass die Herren und ein großer, schlanker Page auf uns warteten. „Wir wünschen euch ganz viel Spaß und eine schöne Zeit. Wir sehen uns morgen Abend wieder. Ihr wisst ja, pünktlich um 19 Uhr“, meinte Jim und schüttelte uns die Hände. „War nett, euch kennen gelernt zu haben.“ Jetzt sollte der Page übernehmen. Wir folgten dem Mann, der eine dunkelgraue Uniform und ein lustiges Hütchen auf dem Kopf trug. Wir gingen zu dem linken der drei Fahrstühle. Von dort aus fuhren wir in die 5. Etage, das oberste Stockwerk des Hotels. Es musste sich hier um eine besondere Ebene handeln, denn dorthin konnte man ausschließlich mit Hilfe unseres V.I.P.-Tickets gelangen. Unser Page ging auf die rechte Tür neben dem Fahrstuhl zu und öffnete sie mithilfe einer Generalkarte. Die Tür sprang auf und ein großzügiger Raum in Grau- und Petroltönen war für uns reserviert. An einer Wand standen unsere Koffer. „Wow, die haben es wirklich geschafft, sie noch vor unserer Ankunft hoch zu schaffen.“ Erstaunt klopfte ich gegen die Außenhülle. Der Page räusperte sich und wir sahen kurz zu ihm rüber. Diesen Moment nahm er zum Anlass, uns etwas mitzuteilen. „Meine Damen, das war noch nicht alles. Wenn Sie bereit sind, können wir mit der Begehung fortfahren.“ Er drehte sich zum Ausgang und ging hinaus, um die Tür zum angrenzenden Zimmer zu öffnen. Ratlos, was damit gemeint war, trotteten wir ihm hinter her. „Das wäre dann ihr zweites Zimmer“, bemerkte unser Page. Das schlichtere Bett, ohne Himmel, mit hohem Kopfteil gefiel mir persönlich noch besser als das Himmelbett von drüben. Auch hier waren die grauen und petrolfarbenen Töne vorherrschend. Inzwischen glaubte ich zu verstehen, wie das Konzept des Hotels angelegt war. Alle Zimmer waren unterschiedlich und doch sah man, dass sie in dieses Hotel gehörten. „Das ist ja unglaublich, wir haben jeder ein Zimmer!“ Irritiert sah mich meine Freundin an, während ich genauso verwirrt ausgesehen haben muss. „Das wären dann Ihre Zimmer, ich hoffe, es ist alles zu Ihrer Zufriedenheit.“

„Es ist toll und ganz zu unserer Zufriedenheit, vielen Dank“, entgegnete Tess. Der Page erklärte, wie unsere V.I.P.-Pässe funktionierten und wir begriffen, dass sie der Schlüssel für nahezu alles waren!

Uns war klar, dass ich dieses Zimmer beziehen würde und Tess das andere. Schnell brachte mir der nette Page mein Gepäck in die Suite.

„Du, ich geh rüber, alles auspacken und mich für das Abendessen frisch machen“, meinte Tess, die es kaum aushalten konnte, allein in ihrem Luxuszimmer zu sein. Ich nickte ihr wortlos zu und genoss die Atmosphäre des Raumes. Der Ausblick von der großen Loggia in den Park, mit dem vielen Grün, war wunderschön. Sogar ein Teich mit weißen Seerosen war angelegt. Fantastisch. Die vielen Passanten, die mit ihren Kindern oder Hunden spazieren gingen, wirkten lustiger als ein Kinobesuch. Ich ging ins Zimmer und legte mich auf das riesige, schneeweiß bezogene Bett. Auf dem Sideboard stand eine schwere, große, matt-silberne Blumenvase mit langen trockenen Ästen darin. Sie waren mit kleinen Glitzersteinen in Silber und Petrol überzogen. Wie Diamanten funkelten sie, als die Sonnenstrahlen direkt auf die Steinchen fielen und sich an den Wänden des großen Raumes widerspiegelten. Als ich auf meine Uhr schaute, erschrak ich. In einer Stunde sollte ich geduscht und gestylt für das Abendessen fertig sein. Meine Klamotten hatte ich schnell in den Schrank einsortiert. Anschließend schnappte ich mir meine Wasch- und Schminkutensilien und verschwand im Badezimmer. Es waren Kleinigkeiten, die mein Bad von Tessys unterschieden. Sie hatte eine auf Beinchen stehende, leicht runde Badewanne, die romantisch wirkte. Meine hingegen war gerade und hatte keinerlei Rundungen. Sie wirkte sehr modern, aber trotzdem einladend. Ich entschied mich für die Dusche, deren großer Kopf in der Wand unter der Decke eingelassen war. Als das Wasser auf mich perlte, bemerkte ich, dass die vielen kleinen Tröpfchen in unterschiedlichen Farben leuchteten. „Mmmhhh, ist das herrlich!“ Unter dem warmen Wasser hätte ich noch Stunden verbringen können, doch die Zeit rannte. Im Schnelldurchgang zog ich mich an und schminkte mich. Mit meinem Ausweis und noch ein paar anderen Utensilien in der Hand ging ich rüber zu meiner Freundin und klopfte an. Wie vermutet, war sie noch nicht fertig. So trat ich auf ihre Loggia, die ebenfalls zum Park hinausging. Die Sonne stand tief und ließ den See orange glänzen. Ich knipste einige Bilder von der herrlichen Aussicht und unterhielt mich nebenher mit Tess. „Juno, das ist einfach nur der Wahnsinn hier! Das kann man doch eigentlich gar nicht glauben.“ Ich schüttelte meinen Kopf. „Du hast Recht. Das ist eine unglaubliche Sache! Hast du dich eigentlich schon bei Barbara gemeldet?“

 

„Ja, alles erledigt! Am liebsten wäre sie auch hier, wo sie doch so ein Luxusfan ist.“ Den V.I.P.-Pass knipste ich mir leicht sichtbar an meine Hosentasche, Tess an die Tasche ihres kurzen, roten Rockes.

Wir fuhren nach unten, um uns beim Portier über die einzelnen Restaurants beraten zu lassen. Er empfahl uns das Restaurant „A la carte“. Von ihm bekamen wir zusätzlich mehrere Heftchen, in denen das ganze Angebot des Hotels und viele Sehenswürdigkeiten in London beschrieben waren. Als wir in den Eingang des Restaurants kamen, erwartete uns ein Angestellter. „Schönen guten Abend, die Damen, bitte folgen Sie mir.“ Er wies uns einen netten Platz mit Sicht auf die belebte Straße zu. Der Ober brachte uns die Karte und beschrieb uns das ein oder andere Gericht. „Hört sich alles verdammt lecker an, am liebsten würde ich von allem ein bisschen probieren.“

„Ich nehme die Scampi-Pfanne mit Knoblauch und Kirschtomaten und dem „Green Smoothies“-Salat“, hatte Tess entschieden.

Zwischen diesem Gericht und einem anderen haderte ich. „Na gut, dann nehme ich die Spaghetti.“ Ich zeigte auf ein Gericht auf der Karte. Wie der Kellner mir erklärte, werden die Nudeln in einem Käselaib geschwenkt und dann mit einer Weißweinsoße serviert. Anschließend werden Trüffeln darauf gerieben. Schon der bloße Gedanke daran ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. „Dann möchte ich bitte noch einen Champagner und ein Glas Weißweinschorle für meine Tischnachbarin“, sagte Tess. Der Kellner nickte und eilte davon, um die Bestellung weiterzugeben. Wir warteten gespannt auf unsere Gerichte und überlegten, was wir am heutigen Abend in der Londoner Innenstadt unternehmen könnten. Dazu nahmen wir uns die Broschüren zu Hilfe. Tess blätterte. „Schau mal, da wollte ich schon immer hin. Ist bestimmt total spannend, mal das Original zu sehen.“ Sie wies mit ihrem Finger auf Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett. „Du hast Recht, dafür wäre ich auch zu haben, vielleicht können wir auf dem Weg dorthin noch einen kleinen Zwischenstopp an der Tower Bridge machen. Wir sollten das Panorama der Stadt von oben im Dunklen auf uns wirken lassen.“ Mittlerweile waren unsere Gerichte fertig und der Ober brachte sie uns auf großen, weißen Tellern an den Tisch. „Darf ich den Damen noch etwas bringen oder haben Sie alles, was Sie benötigen?“

„Vielen Dank, wir sind wunschlos glücklich!“ „Guten Appetit!“, wünschte er, bevor er sich den neu eingetroffenen Gästen widmete. Die Gerichte sahen aus wie gemalt, perfekt hatte der Koch die Garnelen und die Spaghetti inklusive der Dekoration drapiert. Ich beugte mich über meinen Teller, um den Duft zu inhalieren. Tess hielt ihren prickelnden Champagner hoch. „Prost, meine Süße, auf den heutigen Abend und auf eine schöne Zeit hier in England.“ Unsere Gläser stießen leicht gegeneinander und das Kristall klirrte, bevor wir beide einen großen Schluck nahmen. Ein guter Tropfen Wein, halbtrocken mit wenig Säure, der kühl meine Kehle hinunterlief. Das Gemisch aus Wasser und Wein hatte ich mir ausgewählt, um nicht gleich die Folgen des Alkohols zu spüren. Es sollte schließlich noch ein langer #Abend werden. „Mmmmhhh, das ist wirklich hervorragend! Vor allem diese Pilze, ein Gedicht!“ Tess war ebenfalls voll des Lobes. Bevor wir austranken, beschlossen wir bei unserem Fahrer George anzurufen. Während der Ober den Rest des Tisches abräumte, sah er uns fragend an. „Zahlen Sie bar oder mit Karte?“

Schnell reichte ich ihm meinen V.I.P.-Pass. Er zog ihn durch das dafür gedachte Lesegerät. „Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und besuchen Sie uns bald wieder.“

„Das werden wir ganz bestimmt, vielen Dank!“ Tess und ich gingen hinunter in den Eingangsbereich des Hotels. Dort wurden wir von einem Pagen erwartet, er begleitete uns hinaus zu dem uns bekannten Wagen. Der Fahrer ergriff das Wort, während er sich nach hinten drehte und uns ansah. „Schönen guten Abend, Ladies, mein Name ist George. Ich werde Sie die kommenden Tage hier in London chauffieren. Falls Sie irgendeinen Wunsch haben, egal, um was es sich handelt, wenden Sie sich bitte an mich.“ Zur Sicherheit zeigte er noch einen Ausweis der Plattenfirma F.I.L. vor. „Angenehm und vielen Dank, mein Name ist Juno, ich bin die Gewinnerin des Preisausschreibens. Das ist Tess, die ich mir zur Verstärkung mitgebracht habe.“ Ich zeigte auf meine Freundin und sie lächelte George freundlich an. Wir plauderten kurz über den Flug und das Hotel, während wir an unseren gewünschten Zielort fuhren. Es dauerte rund zehn Minuten, bis wir an der Tower Bridge angelangt waren. Gemeinsam liefen meine Freundin und ich bis zur Mitte der Brücke. Was für ein gigantisches Bauwerk! Jeder einzelne Turm der 1894 fertiggestellten Brücke misst rund 65 Meter. Unglaublich, dass die gewaltige Klappbrücke standhielt, wenn sie für große Schiffe hochgezogen wurde. Wir hatten einen geeigneten Platz gefunden, der uns eine gute Sicht bot. Viele einzelne Lichter leuchteten in der Ferne und gaben die Umrisse der Gebäude wieder. Durch den Schein des Mondes funkelte das Wasser der Themse wie die Spitzen eines Eisberges. Der Mond war fast voll und wirkte dadurch sogar ein bisschen geheimnisvoll. Tausende von Sternen blinkten vom klaren Himmel.

„Gut, dass du an die Kamera gedacht hast! Wäre echt schlimm, wenn wir uns das zu Hause nicht noch einmal anschauen könnten“, meinte meine Freundin, bevor sie vor Kälte anfing zu frösteln. „Ah ja, du weißt doch, wie ich bin, manchmal vielleicht zu organisiert“, antwortete ich. Wir knipsten etliche Bilder aus den verschiedensten Winkeln und gingen zufrieden zurück zum Auto. Als wir Platz genommen hatten, teilten wir George mit, wo wir als nächstes hinwollten. Ich betrachtete George, der das Steuer lässig in seiner Hand hielt. Er war ein groß gewachsener, waschechter Engländer, ein wenig altmodisch und steif, aber unheimlich zuvorkommend. Wahrscheinlich bemerkte er, dass ich ein Auge auf ihn geworfen hatte und meinte: „Sie haben sich einen guten Zeitpunkt für Madame Tussauds ausgesucht. Sie werden sicherlich einen Menge Spaß haben.“ Er chauffierte uns direkt vor den Eingangsbereich, ging um das Auto und zog die Tür auf. Dabei vergaß er nicht, uns daran zu erinnern, ihn kurz vor Ende der Besichtigung anzurufen.

An der Kasse waren wir froh, nicht anstehen zu müssen. Die Dame hinter der Glasabtrennung schaute uns fragend an. „Zwei Karten, bitte“, forderte Tess höflich, aber bestimmt ein. Die Frau hinter der Kasse war etwas nervös. Kleine Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn, als ich meinen Pass vorlegte. Daraufhin fragte sie: „Möchten Sie vielleicht noch eine Führung durch das Kabinett haben?“

Ich checkte den Blick meiner Freundin. „Nö, das ist nicht nötig. Danke.“ Die junge Frau mit dem langen dunklen Pferdeschwanz lächelte. Wir bedankten uns und gingen zügig rein.

„Ach, das gibt es doch gar nicht!“, staunte Tess. „Der sieht ja wie echt aus. Ob er sich auch so anfühlt?“ „Probier doch mal! Streich Edward doch mal sanft über seine Haut, aber pass auf, dass er dich nicht beißt!“ Die Rede war von Robert Pattinson, dem Vampir aus Twilight. Ich zückte die Kamera, um Tess mit dem Schauspieler zu verewigen. Als ich hinter eine Ecke lugte, entdeckte ich die Mitglieder meiner Lieblingsband Luminous. Kurz hatte ich den Eindruck, einen Herzaussetzer zu haben. „Mein Gott, das kann nur ein Traum sein!“