Za darmo

Anna Karenina, 2. Band

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9

„Was haben wir denn für eine Marschroute? Erzähle doch gefälligst ein wenig,“ sagte Stefan Arkadjewitsch.

„Der Plan ist folgender: Jetzt werden wir bis Gwozdjowo fahren. In Gwozdjowo befindet sich diesseits eine Niederung mit Schnepfen, hinter Gwozdjowo aber ziehen sich wunderbare Bekassinensümpfe hin, und Schnepfen sind auch da. Es ist jetzt heiß; wir werden gegen Abend – es sind noch zwanzig Werst – ankommen, ein Abendfeld nehmen, dann übernachten, und morgen schon in die großen Sümpfe gehen.“

„Aber giebt es denn unterwegs nichts?“

„O doch, aber wir würden uns da nur aufhalten und es ist heiß. Es giebt zwei ausgezeichnete Plätze, aber schwerlich wird es da etwas geben.“

Lewin hatte selbst Lust, nach jenen Plätzen zu gehen, aber dieselben lagen seiner Wohnung zu nahe und er konnte sie stets erreichen; die Plätze waren auch klein – drei konnten nicht auf ihnen schießen. Infolge dessen schlug er im Geiste einen Haken, und sagte, es dürfte kaum etwas dort zu finden sein. Als sie an dem kleinen Sumpfe angekommen waren, wollte Lewin vorüberfahren, doch der erfahrene Jägerblick Stefan Arkadjewitschs unterschied sogleich die vom Wege her sichtbare Feuchtigkeit.

„Wollen wir nicht hinfahren?“ sagte er, auf den Sumpf weisend.

„Lewin bitte; wie reizend!“ begann Wasjenka Wjeslowskij zu bitten, und Lewin mußte einwilligen.

Sie hatten noch nicht Halt gemacht, als schon die Hunde, sich gegenseitig jagend, dem Sumpf zuflogen.

„Krak! Laska!“

Die Hunde kehrten zurück.

„Zu Dreien wird es uns zu eng werden. Ich werde hier bleiben,“ sagte Lewin, in der Hoffnung, daß sie nichts finden möchten als Kibitze, die sich vor den Hunden erhoben und sich im Fluge überschlagend, kläglich über dem Sumpfe schrieen.

„Nein! – Kommt! Wir wollen zusammen gehen, Lewin!“ rief Wjeslowskij.

„Richtig ist das; es wird zu eng! – Laska, zurück; – Laska! – Braucht Ihr dann nicht einmal einen anderen Hund?“

Lewin blieb bei dem Wagen und schaute voll Mißgunst auf die Jäger. Diese durchwanderten den ganzen Sumpf, aber außer einer Henne und Kibitzen, von denen Wjeslowskij einen erlegte, war nichts darin.

„Nun da seht Ihr, daß ich den Sumpf nicht bedauerte,“ sagte Lewin, „wohl aber den Zeitverlust.“

„Ach nein; es war immerhin ganz hübsch! Habt Ihr es gesehen?“ sprach Wasjenka Wjeslowskij, unbehilflich auf den Wagen kletternd, die Flinte und den Kibitz in den Händen. „Wie ich den gut getroffen habe, nicht wahr? Nun, werden wir denn bald an den richtigen Ort kommen?“

Plötzlich rissen die Pferde in das Geschirr, Lewin schlug mit dem Kopf an den Lauf eines der Gewehre, und ein Schuß ging los. Der Schuß an sich ertönte schon früher, aber es schien Lewin nur so. Wasjenka Wjeslowskij hatte, die Hähne in Ruhe setzend, den einen Drücker berührt, während er den andern Hahn gehalten hatte.

Die Ladung ging in die Luft, ohne jemand Schaden zuzufügen. Stefan Arkadjewitsch schüttelte den Kopf und lächelte Wjeslowskij vorwurfsvoll zu, Lewin aber war nicht in der Stimmung, ihm einen Vorwurf zu machen; erstens wäre jeder Vorwurf nur durch die vorübergegangene Gefahr und die Beule, welche auf der Stirn Lewins auftrat, hervorgerufen erschienen, zweitens aber war Wjeslowskij anfangs so naiv ärgerlich, und fing dann so gutmütig und ansteckend an über die allgemeine Aufregung zu lachen, daß es unmöglich war, nicht mit zu lachen.

Als sie an den zweiten Sumpf gelangten, welcher ziemlich groß war, und daher viel Zeit in Anspruch nehmen mußte, suchte Lewin dahin zu wirken, daß man nicht hineinging. Doch Wjeslowskij besiegte ihn wieder durch sein Bitten, und wiederum blieb Lewin, als gastfreundlicher Wirt, bei dem Wagen zurück.

Sogleich bei der Ankunft witterte Krak nach den Maulwurfshügeln. Wasjenka Wjeslowskij lief als der Erste hinter dem Hunde her und Stefan Arkadjewitsch war noch nicht herangekommen, als schon ein Vogel aufging. Wjeslowskij schoß fehl und der Vogel ließ sich in einer ungemähten Wiese wieder nieder. Wjeslowskij aber war diese Beute bestimmt. Krak fand sie wieder auf, stellte sie und er schoß sie und kehrte dann zu dem Wagen zurück.

„Jetzt geht Ihr, und ich will bei den Pferden bleiben,“ sprach er.

Lewin begann der Jagdneid zu ergreifen. Er übergab Wjeslowskij die Zügel und begab sich in den Sumpf.

Laska, der schon lange kläglich gewinselt und sich über die Ungerechtigkeit beklagt hatte, eilte vorauf direkt nach einem verheißungsvollen, Lewin bekannten Gebiet, in welches Krak noch nicht gekommen war.

„Weshalb hältst du ihn denn nicht zurück?“ rief Stefan Arkadjewitsch.

„Er wird dich nicht schrecken,“ antwortete Lewin, voll Freude über seinen Hund, und ihm eilig folgend.

Auf der Suche Laskas wuchs, je näher dieser den bekannten Hügeln kam, mehr und mehr der Ernst der Situation. Ein kleiner Sumpfvogel zerstreute diesen nur auf einen Augenblick. Er beschrieb einen Kreis vor den Hügeln, begann einen zweiten, erschrak dann plötzlich und verschwand.

„Geh, geh Stefan!“ rief Lewin, welcher fühlte, wie ihm das Herz höher zu schlagen begann, und wie plötzlich, gleich als ob sich ein Riegel in seiner seelischen Spannung zurückbewege, alle Geräusche, den Maßstab ihrer Entfernung verlierend, ihn ungeregelt, aber scharf zu treffen begannen. Er vernahm die Schritte Stefan Arkadjewitschs, sie für das ferne Stampfen der Pferde haltend, er vernahm das spröde Geräusch der mit den Wurzeln sich loslösenden Ecke eines Maulwurfhaufens, auf welchen er getreten war, indem er dasselbe für den Flug eines Vogels hielt. Er vernahm auch im Rücken in nicht großer Entfernung ein Klatschen auf dem Wasser, von welchem er sich nicht Rechenschaft zu geben vermochte.

Indem er sich einen Standort für die Füße suchte, bewegte er sich auf seinen Hund zu.

Eine Bekassine machte sich vor dem Hunde auf. Lewin legte das Gewehr an, aber in dem Augenblicke, als er zielte, verstärkte sich jenes Geräusch von Klatschen auf dem Wasser; es kam näher, und mit ihm vereinigte sich die Stimme Wjeslowskijs, der in sonderbarer Weise laut rief.

Lewin sah, daß er mit der Flinte die Bekassine von hinten treffen werde, schoß aber gleichwohl.

Überzeugt, daß er einen Fehlschuß gethan, blickte er um sich und gewahrte, daß die Pferde mit dem einen Jagdwagen gar nicht mehr auf dem Wege, sondern im Sumpfe waren.

Wjeslowskij, welcher das Schießen hatte sehen wollen, war in den Sumpf gefahren und hatte die Pferde in eine Untiefe geführt.

„Hol' ihn der Teufel,“ sagte Lewin zu sich selbst, zu der feststeckenden Equipage zurückkehrend. „Weshalb seid Ihr denn fortgefahren,“ sagte er mit dürren Worten zu ihm, und machte sich, nachdem er den Kutscher herbeigerufen hatte, daran die Pferde loszubringen.

Lewin war verdrießlich geworden, daß man ihn im Schießen gestört und die Pferde in den Sumpf geführt hatte, hauptsächlich aber auch, daß bei dem Ausspannen der Pferde, was erforderlich war um sie wieder freizumachen, weder Stefan Arkadjewitsch, noch Wjeslowskij ihm und dem Kutscher Hilfe leisteten, weil weder dieser noch jener auch nur den geringsten Begriff davon hatte, worin eigentlich das Anschirren bestehe. Ohne Wjeslowskij ein Wort auf dessen Versicherung, es sei hier ganz trocken, zu antworten, arbeitete Lewin schweigend mit dem Kutscher daran, die Pferde zu befreien.

Als er indessen bei der Arbeit warm geworden war und sah, wie beflissen und eifrig Wjeslowskij den Wagen an der Deichselstange zog, sodaß er diese sogar abbrach, machte er sich selbst Vorwürfe darüber, daß er unter dem Einfluß der gestrigen Empfindung allzu kalt gegen Wjeslowskij gewesen war, und bemühte sich mit besonderer Liebenswürdigkeit seine Barschheit wieder gutzumachen.

Nachdem alles wieder in Ordnung gebracht war, und die Wagen sich wieder auf dem Wege befanden, ließ Lewin das Frühstück bringen.

Bon appétit – bonne conscience! Ce poulet va tomber jusqu'au fond de mes bottes,“ sagte Wjeslowskij, wieder lustig geworden, mit einem französischen Sprichwort, ein zweites Hühnchen verspeisend. „Jetzt sind unsere Leiden zu Ende und alles wird nun glücklich gehen. Nur will ich wegen meines Vergehens dazu gezwungen sein, auf dem Bocke zu sitzen. Ist es nicht recht so? Nein, ich bin Automedon! Paßt auf, wie ich Euch fahren werde!“ versetzte er, ohne die Zügel loszugeben, als ihn Lewin bat, den Kutscher fahren zu lassen. „Nein; ich muß mein Vergehen wieder gut machen, und befinde mich ganz wohl auf dem Bocke,“ und er fuhr.

Lewin fürchtete ein wenig, er möchte die Pferde malträtieren, besonders das Handpferd, einen Fuchs, den er nicht zu lenken verstand; doch unwillkürlich fügte er sich seiner Heiterkeit, lauschte er den Romanzen, welche Wjeslowskij, auf dem Bocke sitzend, den ganzen Weg entlang sang, oder seinen Erzählungen und Vorführungen, wie man auf englische Manier four in hand fahre – und alle fuhren nach dem Frühstück in der heitersten Stimmung nach dem Sumpfe von Gwozdjowo.

10

Wasjenka trieb die Pferde so schnell, daß sie zu früh bei dem Sumpfe ankamen, und es noch immer heiß war.

Als sie bei der Niederung angelangt waren, dem Hauptziele der Fahrt, dachte Lewin unwillkürlich, wie er Wasjenka los werden und ohne eine Störung jagen könnte. Stefan Arkadjewitsch wünschte augenscheinlich das Nämliche, und auf seinem Gesicht sah Lewin den Ausdruck einer Besorgnis, welche bei dem echten Jäger stets vor Beginn der Jagd da zu sein pflegt, sowie den einer gewissen ihm eigenen gutmütigen Verschlagenheit.

„Wie wollen wir fahren? Der Sumpf ist ausgezeichnet, ich sehe es; auch Habichte sind da,“ sagte Stefan Arkadjewitsch auf zwei über dem Ried kreisende, große Vögel weisend. „Wo Habichte sind, ist sicher auch Wild.“

„Nun, seht ihr Herren,“ sagte Lewin, mit etwas mürrischem Ausdruck seine Stiefel hochziehend und die Pistons auf dem Gewehr nachsehend; „seht ihr diesen Ried?“ Er wies auf eine kleine, dunkel in Schwarzgrün schimmernde Insel, in einem weiten, sich auf dem rechten Ufer des Flusses ausdehnenden, bis zur Hälfte gemähten nassen Wiesengrund. „Der Sumpf beginnt hier, gerade vor uns, seht ihr – wo das Grün ist. Von da geht er rechts, wo die Pferde sind; – hier befinden sich auch Maulwurfshaufen und Bekassinen – dann rund um diese Wiese bis zu jenem Erlenwald und dicht bis zu der Mühle, dort wo man die Bucht sieht. Das ist ein ausgezeichneter Platz; ich habe einmal siebzehn Bekassinen hier geschossen; wir wollen uns nun mit den beiden Hunden nach den verschiedenen Seiten trennen, und dort bei der Mühle wieder zusammenkommen.“

 

„Aber wer geht rechts; wer links?“ frug Stefan Arkadjewitsch. „Rechts ist es weiter; geht dort zu Zweien, ich will links gehen,“ sagte er, so harmlos, wie er nur konnte.

„Schön; wir wollen ihn überschießen; also gehen wir, gehen wir,“ drängte Wasjenka.

Lewin konnte damit nur einverstanden sein, und so trennten sie sich. Kaum waren sie in den Sumpf gelangt, als beide Hunde gleichzeitig zu suchen begannen und nach dem Schlamme witterten. Lewin kannte dieses Suchen Laskas, vorsichtig und zurückhaltend; er kannte auch den Platz, und erwartete den Schwarm der Schnepfen.

„Wjeslowskij, geht nebenher, nebenher!“ sagte er mit leiser Stimme, zu dem im Wasser hinterher plätschernden Gefährten, dessen Gewehrlaufrichtung Lewin nach dem unvorhergesehenen Schuß am Kolpenskischen Sumpfe unwillkürlich interessierte.

„Ach nein, ich will Euch nicht im Wege sein, denkt nur nicht an mich!“

Lewin dachte aber unwillkürlich an ihn, und rief sich die Worte Kitys ins Gedächtnis, mit denen diese ihn von sich gelassen: „Paßt auf, und schießt einander nicht!“ – Näher und näher kamen die Hunde, einer am anderen vorüber und jeder seine Spur verfolgend; die Erwartung war so mächtig, daß Lewin das Schmatzen seines aus dem Schlamme emporgehobenen Stiefelabsatzes als Schrei einer Schnepfe erschien, sodaß er den Kolben des Gewehres packte und preßte.

„Puff, puff,“ klang es ihm in die Ohren. Wasjenka hatte in eine Schar Enten geschossen, welche über dem Sumpfe schwebten und jetzt bei weitem noch nicht für Jäger in Schußweite gekommen waren. Lewin hatte sich kaum umgeschaut, als eine Schnepfe schmatzte; eine zweite, eine dritte – noch acht dazu erhoben sich – eine nach der anderen.

Stefan Arkadjewitsch erlegte eine gerade im Augenblick, als sie ihre Zickzacklinien zu beschreiben begann, und die Schnepfe fiel wie ein Klumpen in den Moorgrund. Oblonskiy legte hastig auf eine zweite an, die noch niedrig flog, und auch diese fiel, zugleich mit dem Fall des Schusses, und es war deutlich zu erkennen, wie sie von dem gemähten Grunde aufsprang, mit dem heilgebliebenen weißen Flügel schlagend.

Lewin war nicht so glücklich; er hatte auf die erste Schnepfe zu nahe geschossen und gefehlt; er hatte auf sie angelegt, indem sie sich noch erhob, aber zur gleichen Zeit flog noch eine weitere dicht vor seinen Füßen auf, lenkte ihn ab, und er that einen zweiten Fehlschuß.

Während sie die Gewehre wieder luden, erhob sich eine weitere Bekassine und Wjeslowskij, der soeben zum zweitenmale geladen hatte, sandte ihr über das Wasser noch zwei Ladungen feinen Schrot nach. Stefan Arkadjewitsch sammelte seine Schnepfen und schaute mit glänzenden Augen auf Lewin.

„Nun, jetzt wollen wir uns trennen,“ sprach er, und schritt, auf dem linken Fuße hinkend, die Flinte in Bereitschaft haltend und dem Hunde pfeifend, nach der einen Seite.

Lewin mit Wjeslowskij gingen nach der anderen.

Lewin ging es stets so, daß er, wenn die ersten Schüsse unglücklich waren, in Wallung geriet, ärgerlich wurde und den ganzen Tag schlecht schoß. So war es auch jetzt.

Bekassinen zeigten sich eine Menge; dicht vor den Hunden, vor den Füßen der Jäger gingen sie unaufhörlich auf, und Lewin hätte sein Mißgeschick wieder gut machen können, aber je mehr er schoß, umsomehr blamierte er sich vor Wjeslowskij, der wohlgemut darauf losplatzte, ohne etwas zu erlegen, dadurch aber nicht im geringsten aus der Fassung kam.

Lewin geriet in Unruhe, und mehr und mehr in Hitze, so daß er beim Schießen schon fast nicht mehr hoffte, noch etwas zu erlegen. Auch Laska schien dies zu verstehen; er begann, träger zu suchen, und schaute wie zweifelnd und vorwurfsvoll auf die Jäger. Schuß auf Schuß fiel. Pulverdampf lagerte sich um die Jäger, aber in dem großen Netze der Jagdtasche befanden sich nur drei leichte kleine Bekassinen, von denen eine noch durch Wjeslowskij, eine von beiden gemeinsam erlegt war. Währenddem vernahm man auf der andern Seite des Sumpfes zwar nicht häufige, wohl aber, wie Lewin schien, bedeutungsvolle Schüsse von Stefan Arkadjewitsch, bei denen fast nach einem jeden ein: „Krak, Krak, apport!“ hörbar wurde.

Dies regte Lewin noch mehr auf; die Bekassinen kreisten ohne Aufhören in der Luft über der Niederung. Ihr Schmatzen am Boden und das Schnarren in der Höhe war ohne Unterbrechung von allen Seiten vernehmbar; die vorher aufgestiegenen, und in der Luft kreisenden Vögel ließen sich vor den Jägern nieder und anstatt zweier Habichte schwebten jetzt deren zehn pfeifend über dem Sumpfe.

Nachdem sie die größere Hälfte des Sumpfes durchschritten hatten, gelangten Lewin und Wjeslowskij zu einer Stelle, auf welcher mit langen Streifen eine Bauernwiese abgeteilt war, durch eingetretene Streifen, und durch einen gemähten Schwaden angemerkt. Die Hälfte dieser Wiese war schon gemäht.

Obwohl nun wenig Hoffnung war, auf dem nichtgemähten Teil ebensoviel zu finden, wie auf dem gemähten, so hatte Lewin Stefan Arkadjewitsch doch einmal versprochen, mit diesem wieder zusammentreffen zu wollen, und schritt er daher mit seinem Gefährten weiter durch die gemähten und ungemähten Streifen hindurch.

„He da, ihr Jäger!“ – rief ihnen aus einem Trupp Bauern, welche bei einem ausgespannten Wagen saßen, einer zu, „kommt her, eßt mit uns Mittag! Hier giebt es auch Branntwein zu trinken!“ —

Lewin schaute sich um.

„Komm nur her!“ rief ein heiterer bärtiger Landmann mit rotem Gesicht, die weißen Zähne lächelnd zeigend, und die grünliche, in der Sonne blitzende Flasche hochhaltend.

Qu'est ce qu'ils disent?“ frug Wjeslowskij.

„Sie laden uns ein zum Branntweintrinken. Wahrscheinlich haben sie die Wiesen geteilt. Ich möchte schon einmal trinken,“ sagte Lewin nicht ohne Hintergedanken, in der Hoffnung, Wjeslowskij möchte sich vom Branntwein verführen lassen und mit zu ihnen hingehen.

„Weshalb laden sie uns ein?“ —

„Nun; sie sind guter Laune. Geht doch einmal hin zu ihnen. Es wird Euch interessieren.“

Allons, c'est curieux.“

„Geht, geht, Ihr werdet den Weg zur Mühle schon finden!“ rief Lewin, schaute sich um, und bemerkte mit Vergnügen, daß Wjeslowskij, stolpernd und mit müden Beinen, das Gewehr in dem gestreckten Arm haltend, sich aus dem Ried zu den Bauern herausarbeitete.

„Komm du doch auch!“ rief der Bauer Lewin zu. „Alle Wetter, es giebt Pasteten zu essen!“

Lewin gelüstete es stark, einmal Branntwein zu trinken, und ein Stück Brot zu essen. Er war müde geworden und fühlte, daß er nur noch mit Mühe die einsinkenden Füße aus dem Morast zog; und einen Moment schwankte er. Doch sein Hund hatte gestellt, und sofort war alle Müdigkeit verschwunden; leicht schritt er über das Moor hin seinem Hunde zu. Unter seinen Füßen flog eine Bekassine auf, er feuerte und erlegte sie – der Hund stand noch immer. „Los!“ vor dem Hunde erhob sich eine zweite. Lewin schoß; allein der Tag war nicht glücklich; er fehlte, und als er die erlegte Schnepfe suchen wollte, fand er sie nicht einmal. Er suchte den ganzen Ried ab, aber Laska wollte nicht glauben, daß er eine Schnepfe erlegt habe, und als Lewin ihm befahl, zu suchen, that er, als ob er suche, suchte aber nicht.

Auch ohne Wasjenka, welchem Lewin sein Unglück beimaß, wurde also die Sache nicht besser. Bekassinen waren auch hier viel, aber Lewin that Fehlschuß auf Fehlschuß.

Die schrägfallenden Strahlen der Sonne waren noch heiß, die Kleider, von Schweiß durch und durch naß, klebten ihm am Leibe, der linke Stiefel, voller Wasser, war schwer und schmatzte; über das vom Pulverschmand besudelte Gesicht rann der Schweiß in Tropfen, im Munde machte sich ein bitterer Geschmack fühlbar, in der Nase Pulvergeruch und Schlammduft, und in den Ohren klang das unausgesetzte Schnarren der Schnepfen; die Flintenläufe durfte er nicht anrühren, so erhitzt waren sie, das Herz pochte ihm schnell und kurz, die Hände zitterten vor Erregung und die mattgewordenen Beine stolperten und blieben in den Maulwurfhaufen und im Morast stecken; aber er ging weiter und schoß. Endlich, nachdem er wiederum einen schmählichen Fehlschuß gethan, warf er das Gewehr und die Mütze zu Boden.

„Nein; erst muß ich zur Besinnung kommen!“ sagte er zu sich selbst. Flinte und Mütze wieder aufhebend, rief er Laska zu seinen Füßen, und verließ den Ried. Als er auf das Trockene gekommen war, setzte er sich auf einen Erdhaufen, zog sich aus, goß die Stiefel aus, ging dann zum Sumpfe zurück und trank Etwas von dem Wasser mit schlammigem Beigeschmack, feuchtete die glühenden Läufe an und wusch sich Gesicht und Hände. Nachdem er sich so erfrischt hatte, begab er sich wieder nach dem Platze, auf dem sich eine Bekassine niedergesetzt hatte, mit dem festen Vorsatz, nicht in Aufregung zu geraten.

Er wollte ruhig sein, aber es blieb beim Alten. Sein Finger berührte den Drücker früher, als er den Vogel aufs Korn genommen hatte; es ging schlechter und schlechter.

Er hatte nur fünf Stück in seiner Jagdtasche, als er aus dem Ried heraus zu dem Erlenwalde kam, wo er mit Stefan Arkadjewitsch zusammentreffen sollte.

Bevor er diesen jedoch selbst erblickte, gewahrte er seinen Hund. Hinter der Wurzel einer Erle hervor sprang Krak, ganz schwarz von übelriechendem Moorschlamm, und beschnüffelte Laska mit dem Ausdruck des Siegers. Hinter Krak erschien im Schatten der Erlen nun auch die stattliche Gestalt Stefan Arkadjewitschs, der ihm, rot aussehend, schweißbedeckt mit aufgeknöpftem Kragen, noch immer hinkend, entgegenkam.

„Nun, wie steht es? Ihr habt viel geschossen!“ sagte er heiter lächelnd.

„Und du?“ frug Lewin. Das Fragen war indes nicht nötig, weil er schon die gefüllte Jagdtasche erblickt hatte.

„O, nichts von Bedeutung.“

Er hatte vierzehn Stück.

„Ein famoser Sumpf! Dich, scheint es, hat Wjeslowskij gestört. Zwei mit einem Hunde, das ist allerdings unbequem,“ sagte Stefan Arkadjewitsch, seine Siegesfreude bezwingend.