Operation Rhino

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• 3 •


Als der Hubschrauber auf dem Rasen im Vorgarten ihrer Großmutter landete, verstand Martine, dass etwas Außergewöhnliches im Gange war. Etwas Unwirkliches. Etwas Wunderbares.

Die glänzende rote Tür des Hubschraubers öffnete sich, und in einem Wirbel aus Gras und Erde, der durch die Luft flog, stiegen fünf Passagiere aus. Sie duckten sich, um den Rotorblättern auszuweichen, die sich noch drehten. Gwyn Thomas sagte etwas, aber im betäubenden Lärm der Maschine verstand Martine es nicht. Sie erhob die Stimme und versuchte das Getöse zu übertönen. «Entschuldigung, was hast du gesagt?»

«Ich kann dich nicht hören!», rief ihre Großmutter und hielt sich eine Hand ans Ohr. Die Rotorblätter rauschten noch einmal laut auf und wirbelten Staub in Martines Augen. Sie konnte nichts mehr erkennen.

«Ich fasse es nicht», sagte Ben ungläubig. «Martine, sieh, wer da kommt.»

«Würde ich gern, wenn ich nur könnte», murmelte Martine. Ihre Augen tränten. Sie rieb sich mit den Fäusten über die Lider, bis sie endlich die verschwommenen Umrisse von ihrer Großmutter, Ben und Tendai ausmachen konnte, die die Besucher begrüßten – einen silberhaarigen Mann, eine junge Frau und drei Jungs im Teenageralter. Etwas an ihnen kam ihr bekannt vor.

Schritte näherten sich, und ihre Großmutter sagte: «Martine, hier ist jemand, den du kennenlernen solltest.»

Martine blinzelte wie eine Eule. Der Junge vor ihr rückte ins Blickfeld. Er war um die fünfzehn und trug ein enges schwarzes T-Shirt und eine eingerissene Jeans, die zu seinen blassblauen Augen passte. Sein Haarschnitt wurde von Millionen Jungen – und ein paar Mädchen – auf aller Welt kopiert. Sie bekam gerade eben mit, dass Gwyn Thomas ihn vorstellte, aber das war gar nicht nötig. Sein Gesicht war ihr fast so vertraut wie ihr eigenes.

Martines Mund öffnete sich, aber alles, was sie hervorbrachte, war ein Piepsen.

Gewöhnt an stumme Anbetung, ließ Jayden Lucas ein einstudiertes strahlendes Lächeln aufblitzen und ergriff ihre Hand. «Angenehm.»

Zu Martines Verlegenheit sagte Gwyn Thomas strahlend: «Meine Enkelin ist dein größter Fan, Jayden. In ihrem Zimmer hat sie ein Poster von deiner Band an der Wand. Wenn du heute Abend ein Momentchen Zeit hast, würdest du dann so lieb sein, es für sie zu signieren?»

Er neigte seinen dunklen Kopf als Antwort und zeigte dabei das Wunder seines Stylings.

Martine stotterte: «Jayden, ich, äh, es ist eine Ehre, dich kennenzulernen. I-ich liebe deine Musik.»

Eigentlich wollte sie sagen, dass Jaydens Stimme und die Texte seiner Songs ihr über diese ersten schrecklichen Monate hinweggeholfen hatten, nachdem ihre Mutter und ihr Vater gestorben waren, die Zeit, als sie sich einsam und verlassen gefühlt hatte. Aber sie sagte es nicht, weil sein Blick über sie hinwegglitt. Er schien müde. Oder gelangweilt.

«Martine hat eine besondere Gabe», sagte Gwyn Thomas. «Eigentlich hat sie sogar ein paar besondere Gaben. Eine davon ist, dass sie eine Giraffe reiten kann.»

Jetzt hatte sie seine Aufmerksamkeit. Er wandte ihr seine blauen Augen zu. «Ehrlich? Du kannst tatsächlich eine Giraffe reiten? Vielleicht könntest du es mir …»

Ein Schatten fiel über die beiden. Martine schnappte eine Duftwolke von Eau de Cologne auf, als ein übermäßig gebräunter Mann dem jungen Sänger auf die Schulter klopfte. Sie erkannte ihn gleich, es war Dirk Carswell, Jaydens Manager.

«Entschuldigung, Leute. Kann ich unseren Star zu einem Fototermin entführen? Gwyn, würde es Ihnen was ausmachen, mit uns zu kommen? Ich würde Sie gern ein paar Dinge zum Ablauf von heute Abend fragen.»

Martine hatte kaum Zeit, Luft zu holen, bevor eine junge PR-Dame in aufsehenerregenden High Heels herüberkam und auch gleich Jaydens Bandmitglieder mitbrachte: den Schlagzeuger Liam Scott – ein kleiner, niedlicher Junge mit blonder Stachelfrisur – und den Gitarristen Lachlan Avery, der eine fantastische kastanienbraune Haartolle hatte. Zusammen mit Jayden bildeten sie Take Flight, eine der angesagtesten Boy Groups auf dem Planeten.

Martine hatte gehört, dass sie in Kapstadt gastierten, und hatte gebettelt, hingehen zu dürfen, aber ihre Großmutter hatte kategorisch abgelehnt mit der Begründung, es sei zu teuer, zu weit und zu laut.

«Du kannst deinen Mund jetzt wieder zumachen», neckte Ben sie, als die PR-Dame, die sich als Tiffany vorgestellt hatte, und die Jungs sich in Richtung des Hauses entfernt hatten.

«O mein Gott!», sagte Martine. «Habe ich Halluzinationen? Hat Jayden Lucas mich tatsächlich gerade gebeten, ihm zu zeigen, wie ich Jemmy reite?»

«Aber nur, weil er keine Ahnung hat, dass deine berühmte weiße Giraffe heute Morgen von einem einfachen Basotho-Pony geschlagen worden ist.»

«Das träumst du wohl», spöttelte Martine. «Als ob Jayden glauben würde, dass ein stummelbeiniges Pony eine schlanke großartige Giraffe überholen …»

«Ich wette, Jayden kümmert sich nur darum, dass bloß kein einziges Haar auf seinem Kopf in Unordnung gerät. Mit der Menge Schmiere, die er reintut, könntest du einen Traktor zum Laufen bringen.»

«Es ist Wachs», sagte Martine, «was du wissen würdest, wenn …»

Sie stockte mitten im Satz. Ein Aston Martin, ein mit Kakadufiguren dekoriertes Wohnmobil und ein riesiger SUV mit schwarz getönten Scheiben kamen gerade die Auffahrt herauf. Während sie hier Zeit mit Gekabbel verschwendete, trafen interessante Leute ein, und ihre Lieblingsband wurde von Leuten bewirtet, die sie unmöglich so zu würdigen wussten wie Martine.

«Wie wäre es, wenn wir diese Debatte auf später verschieben würden?», schlug sie vor.

Ben grinste. «Ich möchte sie um keinen Preis verpassen.»

Lachend liefen sie über den Rasen und gingen erst wieder gemächlich, als sie das Haus erreichten. In der Einfahrt wurden die Safari-Fahrzeuge mit Proviant für das abendliche Barbecue beladen. Die Besucher hatten sich auf der Veranda versammelt, wo die Tische mit allerlei Getränken und Snacks gedeckt waren. Die neuesten Ankömmlinge waren Mr und Mrs Chan, ein chinesisches Ehepaar, zwei kurze, rundliche Gestalten. Sie trugen Safari-Kleidung und dunkle Sonnenbrillen, standen schweigend da und nickten unaufhörlich.

Das VW-Wohnmobil gehörte einer Gruppe von fünf australischen Surfern, die die Szene mit ihrem sonnigen Lächeln und ihrem meersalzgebleichten Haar aufhellten. Unter den Gästen waren außerdem John und Olivia Johnson, ein Ärzteehepaar aus Cheshire in England. Zwei belgische Geschäftsleute namens Lars und Kobe vervollständigten die Gesellschaft.

Während Ben auf der Suche nach Erfrischungsgetränken ins Haus ging, drückte sich Martine unbehaglich an die Wand. Sie warf den Jungs von Take Flight heimliche Blicke zu. Liam und Lachlan posierten für Fotos mit den Australiern. Jayden war nirgends zu sehen.

Sie überlegte gerade, ob sie sich nach oben schleichen und ihr Poster holen sollte, damit er es signieren konnte, als sie ihn entdeckte. Er und sein Manager standen im Schatten des Mangobaums in einigem Abstand zum Haus. Von ihrer Körpersprache her zu urteilen stritten sie sich.

Ben brachte zwei Gläser mit spritzigem rotem Traubensaft, dekoriert mit Himbeeren und gezwirbelten zebragestreiften Trinkhalmen. Neben ihnen schwatzten die beiden Belgier mit dem Ärzteehepaar.

«Wir sind im Mobilfunkgeschäft», sagte Lars, «aber das ist nischt unsere wahre Läidenschaft.»

«Und die wäre?», fragte John Johnson.

Lars strahlte. «Vielleischt passt Ihnen das nischt. Wir lieben die Jagd.» Er schlug vor Entzücken seine Hände zusammen. «Bei uns zu Ause, in Europa, aben wir viele Trophäen. Isch selbst abe in Siebenbürgen gerade einen Braunbären geschossen.»

Martine verkniff sich einen Entsetzensschrei.

«Wie konnten Sie nur?», rief Olivia Johnson. «Was gibt Ihnen das Recht, einer solch wunderschönen Kreatur das Leben zu nehmen?»

«Bitte, Madam, regen Sie sisch nischt auf. Diese Bären in Rumänien und anderen Teilen des Kontinents sind weit verbreitet. Sie sind nischt gefährdet. Aber wir aben nie zuvor gesehen die wilden Tiere von Afrika. Wir visieren die Großen Fünf an. Keine Angst, wir können uns die Jagdlizenz für etwas Besseres als Büffel sowieso nischt leisten. Kein Leopard oder Elefant für uns. Für einen Nasornkopf wir müssten erst in der Lotterie gewinnen.»

«Oder eine Bank ausrauben», witzelte Kobe.

Martine war kurz davor, vor Wut zu platzen. Ben packte warnend ihren Arm. «Denk daran, was deine Großmutter gesagt hat. Nicht jeder, der nach Sawubona kommt, macht sich etwas aus wild lebenden Tieren. Es wird Zeit, dass wir ihnen zeigen, was sie verpassen.»

Sie wusste, dass er recht hatte. Alles Geschimpfe der Welt würde die Leidenschaft von Jägern nicht ändern. Das Beste, was sie und Ben sich erhoffen konnten, war wohl, dass das Erlebnis der afrikanischen Natur in ihrer ursprünglichen Form einige Gäste zum Umdenken bewegen würde. «Der afrikanische Busch ist ein mächtiger Muti», sagte Grace immer. «Wenn du ihn erst im Blut hast, verfolgt er dich für immer und ewig.»

Martine glaubte, dass das auch auf die wilden Tiere zutraf. Wenn man einmal das Glück gehabt hatte, einem Löwen oder Elefanten in die Augen zu schauen und den ungezähmten, mächtigen Willen darin zu erkennen, konnte einen das nicht unberührt lassen.

Dann kam Gwyn Thomas mit einem Buschbaby auf der Schulter aus dem Haus – als wollte sie Bens Argument bekräftigen, dass auch die weniger bekannten Kreaturen besonders sein können. Das Tier bestand fast nur aus Augen und mausartigen Ohren. Sie stellte es als «Echo» vor, ein Buschbaby-Waisenkind, das von Samson in Sawubonas Hospital für kleine Wildtiere von Hand aufgezogen wurde. Neugierig und zärtlich, wie es war, würde sich das Äffchen, sich selbst überlassen, in die Küche schleichen und alles verschlingen, was es mit den Pfötchen erreichen konnte, von Marmelade bis Krabben.

 

Jemand klopfte mit einem Löffel an sein Glas. Das Stimmengewirr verebbte. Jayden hatte sich wieder zu der Gruppe gesellt, war aber sichtlich aufgewühlt. Der Manager der Band, Dirk Carswell, stand auf der anderen Seite der Veranda und hatte ein starres Lächeln aufgesetzt.

«Ein herzliches Willkommen zu unserer ‹Stars-and-Stripes›-Safari!», begrüßte Gwyn Thomas die Gäste. «Sie wird so genannt, weil Sie später unter den Sternen essen werden und weil wenigstens einige der Tiere, die Sie heute sehen werden, Streifen haben.

Viele von Ihnen haben ihr Interesse geäußert, die Großen Fünf zu sehen: Löwe, Leopard, Elefant, Büffel und natürlich das Nashorn. Hier auf Sawubona lieben wir Tiere in jeglicher Form und Größe, und wir werden unser Bestes tun, Ihnen zu zeigen, warum andere Tiere genauso zählen. Wir möchten auch, dass unsere wilden Tiere die Freiheit haben, zu kommen und zu gehen, wie sie mögen. Seien Sie also bitte nicht enttäuscht, wenn sie heute Abend lieber im Unterholz stecken, als sich auf dem Rücken zu räkeln, um Sie mit niedlichen Fotos zu versorgen, die Sie Ihren Freunden zeigen können.»

Alle lachten.

«Aber machen Sie sich keine Sorgen. Unsere Führer gehören zu den Besten im Gewerbe. In den nächsten paar Stunden werden wir Ihnen erklären, warum wir so leidenschaftlich dafür kämpfen, wilde Tiere zu retten, die nichts von den Menschen verlangen, als sich in Ruhe bewegen zu können, gutes Futter zu fressen und ihre Familien zu lieben, so wie wir unsere lieben.»

Gwyn Thomas gab Echo eine Weintraube, und das Äffchen quiekte vor Vergnügen. «Nun, wenn meine Ohren mich nicht täuschen, sind jetzt auch unsere letzten Gäste angekommen.»

Um die Ecke bog eine Frau, deren Erscheinung so exquisit war, dass das Geplauder auf der Veranda verstummte – als ob jemand ein Radio ausgeschaltet hätte. Sie trug eine jadegrüne Seidentunika über einer wogenden weißen Seidenhose, und ihre Glieder waren so zart wie die eines Rehkitzes. Schimmernde schwarze Haare umrahmten ihr Gesicht. Als sie die Verandatreppe erreichte, glitt sie die Stufen geschmeidig hinauf.

Ein Mann mit teigigem Gesicht und einem Bauch, der fast sein Hemd sprengte, watschelte hinter ihr her. Er stützte sich schwer auf einen Stock. Der Ausdruck ‹Die Schöne und das Biest› kam Martine in den Sinn.

Gwyn Thomas begrüßte die beiden herzlich und wandte sich dann an die wie verzaubert dasitzende Gesellschaft. «Bitte begrüßen Sie mit mir einen weiteren Ehrengast auf Sawubona. Ich darf Ihnen An Nzuyen vorstellen, die von ihrem Onkel Huynh begleitet wird. An ist Vietnams renommierteste Ballerina. Jetzt, da alle hier sind, kann unsere Safari beginnen. Gehen Sie bitte nach vorne zu den beiden Safari-Fahrzeugen.»

«Stars unter Sternen», murmelte Ben zu Martine. «Das wird eine Nacht, die uns in Erinnerung bleiben wird – und hoffentlich in guter Erinnerung.»

• 4 •


«Müssen wir jetzt sterben?», fragte Liam. Er klammerte sich an das Schutzgeländer, als ein junger Elefantenbulle einen Scheinangriff auf den Land Rover unternahm und bis auf einen knappen Meter herankam. Staub wirbelte in einer dunkelorangen Wolke um das Tier auf. Der Elefant stand klar umrissen im Gegenlicht des Sonnenuntergangs und wedelte wütend mit seinen Riesenohren.

«Sei nicht so ein Weichei», sagte Lachlan, der den ganzen Zwischenfall mit dem Handy filmte. «Wir sind in einem massiven, stabilen Fahrzeug. Was sollte er schon tun? Uns umkippen? Auf das Dach klettern und uns zerquetschen?»

Tiffany wurde bleich. «Hör auf. Ich sehe schon die Überschrift vor mir: TAKE FLIGHT STARS BEI HORRORANGRIFF VON EINEM ELEFANT DURCHBOHRT.»

Martine klammerte sich an ihren Sitz, als Tendai so viel Lärm wie möglich machte, den Motor aufheulen ließ, gegen seine Fahrertür schlug und den Bullen Kato anschrie – bis der langsam umkehrte. Sie sagte Liam nicht, dass er jeden Grund hatte, sich zu fürchten. Dass Kato, der sehr eigensinnige Teenagerbulle, in den letzten Monaten immer herausfordernder geworden war. Wann immer er den Land Rover sah, reagierte er aggressiv. Die Ranger waren ihm einige Male mit knapper Not entkommen. Sie hielt es für das Beste, nicht zu erwähnen, dass Kato durchaus in der Lage war, das Fahrzeug umzukippen, es zu zerquetschen und sie umzubringen. Manchmal war Unkenntnis ein Segen, besonders weil Kato jetzt gerade davonlief, nachdem er sein Bestes gegeben hatte, sie in Angst und Schrecken zu versetzen.

«Ich habe doch nur Spaß gemacht», beharrte Liam, als die Gefahr vorüber war. «Natürlich habe ich gewusst, dass es für ihn nur ein Spiel war. Aber ein guter Adrenalinschub ist auf jeden Fall großartig für unsere Website. Stimmt’s, Tiffany?»

Tiffany kicherte nervös. Sie hatte einen Traumjob, aber er war nicht einfach. Energiegeladene, überaus pflegeintensive Teenager-Superstars von Problemen und aus den Boulevardblättern fernzuhalten war eine Mission rund um die Uhr. Vor einer Weile hatte Gwyn Thomas einen Anruf von dem Wachmann am Haupttor erhalten, der berichtete, dass zwei Wagenladungen von Take Flight-Groupies versucht hatten, ihn zu bestechen, sie in das Reservat zu lassen. Als er sich geweigert hatte, waren einige der Mädchen hysterisch geworden. Beinahe hätte die Polizei gerufen werden müssen.

«Wenn dieser Elefant eine Gefahr für die Besucher darstellt, dann sollte deine Großmutter ihn lieber loswerden», war Dirk Carswells säuerlicher Kommentar gegenüber Martine.

Martine verkniff sich, ihn mit bösen Blicken zu strafen. Als sie in die Safari-Fahrzeuge einsteigen wollten, hatte sie mit angehört, wie Jayden leise zu seinem Manager gesagt hatte: «Du musst das in Ordnung bringen, was du getan hast, Dirk, bevor es zu spät ist. Wenn du es nicht tust, dann tu ich es.»

«Pass bloß auf, Kleiner», hatte Carswell ihn gewarnt. «Deine fünfzehn Sekunden Ruhm sind schnell aufgebraucht.»

Sie hatte keine Ahnung, was den Streit ausgelöst hatte, aber sie war sich ziemlich sicher, dass es Carswells Schuld war. Wie konnte er es wagen, Jayden dermaßen zu drohen? War es nicht die Aufgabe eines Managers einer Boy Group, seine jungen Auftraggeber zu beschützen, anstatt sie zu schikanieren?

«Kato ist nur aus der Spur geraten, weil kein älterer Bulle in der Herde ist, der ihn auf seinen Platz verweisen kann», sagte sie jetzt und rang sich ein Lächeln ab. «Er braucht ein Familienoberhaupt – eine Vaterfigur –, jemanden, der ihm etwas Respekt beibringt.»

Carswell lachte. «Habt ihr das gehört, Boys? Wenn junge Bullen aus der Spur geraten, brauchen sie eine Vaterfigur, die ihnen etwas Respekt beibringt.»

Es folgten jede Menge Hänseleien und Anspielungen von Liam und Lachlan. Was auch immer sie selbst von dem Manager hielt, Martine schien es eindeutig, dass er zu mindestens zwei der Bandmitglieder ein gutes Verhältnis hatte. Nur Jayden blieb reserviert.

Martine war froh, dass Ben in dem anderen Land Rover mitfuhr, um Thomas, dem neuen Ranger, zu helfen, die Fragen der Gäste zu beantworten. Das hieß, sie konnte ihr Idol beobachten, ohne dass Ben die Augen rollte. «Warum fragst du ihn nicht, ob er auch über Wasser wandeln kann?», hatte er sie zu Hause geneckt.

Zu Beginn der Fahrt hatte der junge Sänger steif und angespannt in seinem Sitz gesessen, und sein dunkles Haar fiel in Locken über den Kragen seines schwarzen T-Shirts. Er hatte mehr Zeit damit verbracht, auf sein iPhone zu starren, als nach den wilden Tieren Ausschau zu halten. Dann bremste Tendai, damit eine Familie von Warzenschweinen die Straße überqueren konnte. Zu Martines Überraschung war Jayden beim Anblick der haarigen Schweine in lautes Gelächter ausgebrochen.

«Sie sind so hässlich, dass sie schon wieder schön sind», sagte er, als sie in einer geraden Reihe weggaloppierten, die Schwänze wie Antennen in den Himmel gereckt.

Danach hatte er sich entspannt. Der flammende Sonnenuntergang und der Friede des Buschlands waren Balsam für die Seele und hatten ihren Zauber auf ihn ausgeübt, genauso wie es Martine jedes Mal erging. Er hatte bewundernd die Geparde angesehen, die königlich auf einem Ameisenbau in der Ebene lagerten. Er hatte vor Freude gezittert, als unerwartet ein Löwe gebrüllt hatte. Im Gegensatz zu den anderen Gästen hatten er und Olivia Johnson auch größeres Interesse an den weniger bedeutenden Arten gezeigt, auf die Tendai aufmerksam machte – Neuguineahühner mit nickenden blauen Köpfen, zwei glänzende Mistkäfer und ein Mungo auf der Jagd nach einer saftigen Kobra.

Tendais Funksprechanlage krächzte. Er sprach hinein und bog bei der nächsten Gelegenheit rechts ab. Sie holperten weiter, bis sie eine Brücke erreichten. Der Wildhüter stellte den Motor aus, legte einen Finger an seine Lippen und deutete. Man hörte die Kleider rascheln und die Ledersitze quietschten, als sich alle Gäste gleichzeitig umdrehten. Zwei Nashörner beobachteten sie aus einer Baumgruppe.

«Das hier sind Spartacus und Cleo», sagte Tendai stolz.

Martine lehnte sich vor, sodass sie an Tiffany und den Chans vorbeisehen konnte. Spartacus und Cleo waren Weiße Nashörner, was man leicht daran erkennen konnte, dass sie ein breites Maul zum Grasen hatten. Schwarze Nashörner waren kleiner und hatten spitzere, kurze Lippen, mit denen sie Büsche und Stauden durchstöberten.

Tendai erklärte, dass die holländischen Siedler im neunzehnten Jahrhundert, als sie in Südafrika auf die ersten Nashörner stießen, sie als «weit» bezeichneten, das heißt «breit». Die Engländer hatten das als «white» wie «weiß» verstanden, und die Bezeichnung blieb hängen, obwohl doch beide Arten grau sind. «Der andere wesentliche Unterschied ist das Temperament. Schwarze Nashörner sind aggressiv und leicht zu erzürnen.»

«Diese Weißen Nashörner sehen aus, als trügen sie Ritterrüstungen, so wie Ritter des Königreiches», sagte Olivia Johnson. «Kein Wunder, dass sie gewildert werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sehr schnell rennen können.»

«Da irren Sie», sagte Tendai. «Bei voller Kraft kann ein Nashorn 55 Kilometer pro Stunde erreichen – es ist schneller als ein Rennpferd, aber langsam im Vergleich zu einem Springbock, der bis zu 100 Kilometer pro Stunde erreichen kann. Springböcke und Geparden sind die Ferraris des Buschs.»

«Ein Nashorn könnte also das Vollblutrennpferd ‹Sea-biscuit› schlagen?»

«Theoretisch, aber nur auf kurzer Strecke. Es kann auch schneller die Richtung wechseln als ein Polopferd der Spitzenklasse. Kein Ranger nähert sich je einem Nashorn, ohne vorher einen Baum auszusuchen, auf den er klettern kann, wenn alles schiefgeht. Das Weiße Nashorn wiegt über fünf Tonnen. Es ist also bestimmt kein Vergnügen, von einem solchen Exemplar zertrampelt zu werden. Da könnte man sich auch gleich von einem Panzer überfahren lassen.»

«Vielleicht heißen Nashörner deshalb auch Panzernashörner», sagte Martine und errötete verlegen, als alle lachten, Jayden eingeschlossen.

«Außerdem sind sie klug», fuhr Tendai fort. «Wenn ein Rhinozeros unter einem Baum schläft, legt es sich immer so hin, dass sich seine Wirbelsäule dem Ast anpasst, der den größten Schatten wirft. Aus der Entfernung erscheint es dadurch unsichtbar.»

«Nicht unsichtbar genug, leider», sagte John Johnson. «Wir haben die Meldungen gehört, was diesen armen Nashörnern aus Ihrem Nachbarreservat passiert ist. Was tun Sie, um diese hier zu schützen? Wären sie nicht besser dran, wenn Sie ihnen die Hörner abschnitten?»

«Nein, auf keinen Fall. Es ist eine kostspielige und riskante Operation für alle Beteiligten, und sie hilft nicht. Schlimmer noch, sie lässt die Nashörner teilweise behindert zurück. Für Rhinozerosse ist ihr Horn nicht bloß ein Mittel der Verteidigung. Es ist ein Mehrzweckwerkzeug, und sie benutzen es, um Blumenzwiebeln und Termiten auszugraben, Baumstämme oder Klötze umzuwälzen, Äste herabzuzerren oder die Borke von Bäumen abzureißen, besonders in Zeiten der Dürre. Das Horn ist für sie so wichtig, wie es für Sie Ihre Hände sind. Außerdem würde ein Wilderer ein Nashorn nicht verschonen, nur weil es kein Horn mehr hat. Er würde es trotzdem töten, entweder damit er an einem anderen Tag keine Zeit damit verschwendet, es aufzuspüren, oder um den Teil des Horns aufzuschneiden, der unter der Kopfhaut liegt – und das oft, während das Nashorn noch am Leben ist.»

 

«Wie wäre es damit, die Hörner zu vergiften?», schlug Liam dramatisch vor. «Würde man Arsen oder Zyanid in die Hörner spritzen, dann würden die Leute ganz schnell aufhören, sie zu kaufen, um Krebs damit zu heilen oder Fußpilz oder was auch immer für verrückte Ideen sie haben.»

«Das wäre illegal», rief Mr Chan; zum ersten Mal, seit sie das Haus verlassen hatten, beteiligte er sich an dem Gespräch. «Jemand, der krank ist und das vergiftete Horn einnimmt, weil es seine letzte Hoffnung ist, geheilt zu werden, könnte noch kränker werden oder sogar umkommen. Das wäre furchtbar.»

Martine betrachtete ihn neugierig. Er und seine Frau hatten die ganze Zeit während der Fahrt gelächelt und genickt, aber sie schienen in Gedanken ganz woanders gewesen zu sein, und ihre Augen waren glasig. Obwohl sie an der Safari teilnahmen, waren sie irgendwie abwesend. Bis sie die Nashörner gesehen hatten. Jetzt waren sie hellwach.

«Wenn es Leute auf dieser Welt gibt, die idiotisch oder abergläubisch genug sind zu glauben, dass eine Substanz, die nichts anderes ist als mein Fingernagel, Krebs heilen kann, ist es kaum verwunderlich, dass andere sich geradezu danach drängeln, schnelle Kohle damit zu machen», sagte Mick, einer der Surfer. «Zwei oder drei Rhinozeroshörner würden mir für viele Jahre ein Leben finanzieren, das ich mit Surfen und Chillen verbringen kann. Ich könnte meinen Job aufgeben und nur noch am Strand leben.»

«Mannomann! Wochenend und Sonnenschein!», lachte sein Kumpel. «Bring mich nicht in Versuchung.»

Ein Muskel in Tendais Gesicht zuckte. Er fuhr fort, als hätten die beiden nichts gesagt.

«Das Horn zu vergiften wäre ungesetzlich», erklärte er Liam. «Wir könnten verklagt werden, wenn jemand ‹umkäme›, wie Mr Chan sich ausgedrückt hat, selbst wenn diese Person pulverisiertes Horn aus einem Land schlucken würde, in dem das Wildern von Hörnern eine Straftat ist. Nein, am besten können wir uns für die Nashörner einsetzen, wenn wir die Leute zu überzeugen versuchen, dass diese Tiere gerettet werden müssen.»

«Das ist ja genau das Problem», sagte Carswell. «Nashörner sind nicht so attraktiv wie Leoparden oder so knuddelig wie Pandas oder Löwenbabys. Es interessiert nicht genügend Leute, dass sie gerettet werden.»

Kobe schlug sich auf die Knie. «Genau! Sie sind nischt zum Liebaben.»

«Das liegt nur daran, dass Sie sie nicht kennen», sagte Tendai. «Wenn Sie oder andere aus der Gruppe mit mir kommen wollen, um diese Nashörner aus nächster Nähe zu sehen, werden Sie bald merken, dass es wenige Tiere auf der Welt gibt, die dringender erhalten werden müssen. Nashörner sind einzigartig, sie sind wunderbar, und ich kann es beweisen.»

Er blickte herausfordernd den Manager an, aber Dirk nahm seine Kamera und richtete das lange Teleobjektiv auf Spartacus und Cleo. Tendai wandte sich nun an die Bandmitglieder. «Hat jemand von den Jungs Lust? Man kann nie wissen, es könnte eine Erfahrung sein, die euer Leben verändert.»

Tiffany war entsetzt. «Unsere Versicherungen würden Zustände kriegen. Wenn die Take Flight-Boys von einem wütenden Nashorn angegriffen werden, zahlen sie auf gar keinen Fall. Selbst wenn die Jungen nur einen Kratzer bekommen, wäre es ein Desaster. Ihre hinreißenden Gesichter und Körper sind ihr Vermögen.»

«Und was ist mit unserer Musik?», fragte Jayden trocken. «Zählt die gar nicht?»

«Doch, doch. Aber es hilft auch, dass ihr so ausseht, wie ihr ausseht.»

Liam richtete sich auf und fuhr sich durch seine blonden Stoppelhaare. Lachlan setzte zu einem Scheinprotest an, machte aber sofort einen Rückzieher, als Dirk Tiffanys Kommentar zustimmte. Jayden sagte nichts. Er hatte sein iPhone wieder in der Hand und checkte mürrisch seine Nachrichten. Martines Meinung von ihm sank im Sturzflug. Ben hatte recht gehabt. Er war nichts weiter als eine verzogene, verhätschelte Popgöre.

«Wir kommen mit Ihnen, Tendai», sagten die Johnsons entschieden, packten ihre Kameras und kletterten über das hohe Heck des Land Rovers.

Martine stand sofort auf. «Ich auch.»

Tendai ging hinüber zu dem anderen Fahrzeug und wiederholte dort sein Angebot. Ben schloss sich ihnen an, ein paar Surfer und, zu jedermanns Erstaunen, An, die Ballerina, die in ihrem Ao Dai, der typisch vietnamesischen Tracht, vollkommen unpassend gekleidet war.

Tendai schlang sich sein Gewehr über die Schulter. «Seid ruhig und leise und tut genau, was ich euch sage. Alle bereit?»

«Nicht ganz», sagte Olivia.

Ein Streit war hinten im Land Rover ausgebrochen. Carswells Stimme wurde laut. «Wage es nicht, mir nicht zu gehorchen, Jayden. Du gehst nirgendwohin. Ich verbiete es ein für alle Mal.»

Jayden erwiderte schneidend: «Ich bin nicht dein Eigentum, Dirk. Du kannst nicht über mich bestimmen.»

Er schwang sich aus dem Fahrzeug und lief zu den anderen. Seine Sonnenbrille verbarg seinen Gesichtsausdruck. «Tut mir leid, dass ihr warten musstet. Bei dem Business, in dem ich bin, vergesse ich manchmal, selbst zu denken.»

Olivia lächelte ihn warm an. «Tendai, jetzt sind wir bereit.»

«Wartet», sagte Ben. «Da kommt noch einer.»

Lars, der belgische Bärenjäger, tauchte aus einer Staubwolke auf, die der andere Land Rover hinter sich aufgewirbelt hatte. Er stand auf der Sandspur und hatte eine Hand erhoben. «Darf isch mit Ihnen kommen?»

«Na großartig», murmelte Martine voller Abscheu. «Er sucht sich schon den nächsten Schädel für seine Wohnzimmerwand aus.»

Tendai entsicherte sein Gewehr. «Ich glaube, wir können jetzt gehen. Denken Sie daran, was ich gesagt habe: Bleiben Sie ruhig und leise und suchen Sie sich als Erstes den Baum aus, auf den Sie im Notfall klettern können. Ein Wildreservat ist nicht Disneyland, und Nashörner sind keine Stofftiere. Ein Fehler, und Sie bezahlen ihn mit Ihrem Leben.»

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