Linguistische Stil- und Textanalyse

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Als der Wassermann eines Tages nach Hause kam, sagte die Wassermannfrau zu ihm: „Heute musst du ganz leise sein. Wir haben nämlich einen kleinen Jungen bekommen.“

„Was du nicht sagst!“, rief der Wassermann voller Freude. „Einen richtigen kleinen Jungen?“

„Ja, einen richtigen kleinen Wassermann“, sagte die Frau.

„Aber bitte, zieh dir die Stiefel aus und sei leise, wenn du hineingehst. Ich glaube, er schläft noch.“

Da zog sich der Wassermann seine gelben Stiefel aus und ging auf den Zehenspitzen in das Haus. Das Haus war aus Schilfhalmen gebaut, es stand tief unten auf dem Grunde des Mühlenweihers. Statt mit Mörtel war es mit Schlamm verputzt; denn es war ja ein Wassermannshaus. Aber sonst war es genauso wie andere Häuser auch, nur viel kleiner. Es hatte eine Küche und eine Speisekammer, eine Wohnstube, eine Schlafstube und einen Flur. Die Fußböden waren sauber mit weißem Sand bestreut, vor den Fenstern hingen lustige grüne Vorhänge, die waren aus Algen und Schlingpflanzen gewebt. Und natürlich waren alle Stuben, der Flur und die Küche und auch die Speisekammer voll Wasser. (Otfried Preussler „Der kleine Wassermann“ 1956, S. 3f.)

Zur Textkohäsion können also sowohl die Konstanz der Tempusform als auch die des Tempusregisters beitragen, folglich werden auch die textuellen Einschnitte dann am deutlichsten markiert, wenn sowohl das Tempusregister als auch die Tempusperspektive wechseln.

Der Verbmodus stellt die zentrale Kategorie im System der Modalität dar und trägt zur Textkonstitution weniger durch seine konstante Beibehaltung, sondern eher durch seinen konsequenten Diskursbezug bei. Moduskonstanz kommt als Element zur Textverknüpfung zwar prinzipiell in Frage, ist in der Regel jedoch auf wenige Textsorten und Textfunktionen beschränkt:

Kontakte speichern

1 Geben Sie die Nummer im Startbildschirm ein, und drücken Sie Optionen > Ins Telefonbuch.

2 Geben Sie die Kontaktdetails ein, und drücken Sie auf Ja, um sie zu speichern. Tipp: Drücken Sie ■ > ■ Telefonbuch > Optionen > Telefonbucheinstellungen >Bevorzugter Speicher, um festzulegen, wo Ihre Kontakte gespeichert werden sollen (SIM oder Telefon).

(Betriebsanleitung „MOTOROLA GLEAM+ ger“ [Originalsymbole wurden durch Platzhalter ersetzt.])

Der Modus kodiert mit seinen 4 Subkategorien die Handlungsbedeutung von Aussagen. Dabei kommt der Imperativ als Befehlsform in schriftlichen Texten – abgesehen von denen mit starker Handlungsorientierung (s.o.) – immer weniger vor. Während der Indikativ in der Regel die Wirklichkeit des Gesagten festlegt, modifiziert der Konjunktiv den Wirklichkeitsbezug als potential bzw. irreal und ermöglicht deren kleinräumige Einbindung in den Text. Die Formen des Konjunktiv I ermöglichen darüber hinaus die Integration von Aussagen Dritter ohne Haftung für ihre Richtigkeit/Wahrheit.

Als Mittel der Textverknüpfung kann auch das wiederholte Auftreten von gleichen Formen der Diathese interpretiert werden. Sichtbar ist dies vor allem am gehäuften Auftreten von Passivformen, z.B. bei Nachrichtentexten:

Vor einer Schule im französischen Grenoble sind zwei Männer erschossen worden. Ein weiterer Mann wurde schwer verletzt, so Le Dauphiné Libéré am Montag unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft. (Der Standard 26. April 2016, S. 8)

Folgenreich für den Textverlauf ist vordergründig, dass Passivformen sog. „täterabgewandte“ Formen darstellen, weil sie es ermöglichen, das Agens zu verschweigen.

Beruht der Textzusammenhang auf textuellen Zeichenbeziehungen zwischen Lexemen der offenen Wortklassen (v.a. Nomina, Verben und Adjektive), liegt lexikalische Kohäsion vor. Am deutlichsten ist lexikalische Kohäsion als Mittel der Textverknüpfung, dabei an der einfachen Wiederholung von Wörtern (oder auch Wortgruppen) zu erkennen:

Über mein Studium gibt es nicht mehr zu sagen, als dass ich hinging. Von den vierzehn Semestern fielen zehn Leo zum Opfer. […] Einzig in den wenigen guten Momenten (also wenn Leo Anzeichen von ernster Zuneigung zeigte), wurde das Studium zu mehr als bloßem melancholischen Schweifen im Zitatenfundus meiner Jugend. Dann habe ich Sätze wie Dieses Horn, das man Ohrmuschel (papillon) nennt, ist für die malischen Dogon und Bambaras ein männliches Glied – und der Gehörgang eine Vagina. Das gesprochene Wort ist das zur Befruchtung unerlässliche Sperma mit dem Textmarker zum Leuchten gebracht, so wie mich der Satz zum Leuchten brachte, denn es waren so gut wie Leos Worte. Aber wenn Leo mich nach einem gemeinsamen Wochenende an der zugefrorenen Ostsee spätabends vor meinem Kerker der Einsamkeit mit einem stummen Kuss ablieferte, dann wurde mir das Denken zur Marter, das Atmen zur Qual und die Tage und Nächte ununterscheidbar finster.

(Anousch Mueller „Brandstatt“, München: Beck 2013, S. 73f. [Fettdruck zur Hervorhebung, nicht im Original])

Für die Wiederholung identischer lexikalischer Elemente begegnen in der Literatur die Begriffe ‚Repetition‘ (vgl. Halliday/Hasan 1976) und ‚Rekurrenz‘ (vgl. de Beaugrande/Dressler 1981). Wie im oben genannten Beispiel zu sehen ist, trägt die Wiederholung nominaler Referenzen zur Textverknüpfung bei,10 indem sie einen Themabeibehaltungshinweis abgibt. Im Vergleich zur Pronominalisierung ist die Repetition /Rekurrenz als Signal für die Themabeibehaltung deutlich stärker. Wenn sie allerdings in zu hoher Frequenz vorkommt, kann sie die Akzeptabilität eines Textes verringern, weil die lexikalische Wiederholung Redundanz erzeugt, was in Bezug auf die Stilwirkung im Extremfall zur Monotonie führen kann. Hinsichtlich ihrer Funktion der Wiederaufnahme steht die Repetition/Rekurrenz den Pro-Formen nahe. Sie ist denen gegenüber jedoch expliziter und stellt keine Suchanweisung dar.

Gegenüber der vollständigen Rekurrenz, bei der dasselbe Wort (dieselbe Wortgruppe) wiederholt wird, trägt die sog. „partielle Rekurrenz“ zur Textverknüpfung bei, indem ein Wortstamm mit veränderter Wortart wiederaufgenommen wird. Im folgenden Text kommt beispielsweise das Basismorphem spiegel in zweifacher Form mehrmals vor:

Spiegeln (pacen, matchen) bezeichnet den Vorgang, bei dem sich eine Person an Teile des beobachteten Verhaltens einer anderen Person angleicht. Beispielsweise indem sie bewusst – und zwar behutsam, ohne die Person nachzuäffen – die gleiche Körperhaltung einnimmt oder einen anderen Aspekt der Körpersprache aufgreift (nonverbales Spiegeln). Ebenso kann die inhaltliche Aussage oder die Sprechweise der anderen Person gespiegelt werden (= verbales Spiegeln). Auch das äußere Erscheinungsbild einer anderen Person kann gespiegelt werden. Bei Fußballspielen pacen sich die Schlachtenbummler auf vielen Ebenen. So sind die Fans eines bestimmten Vereins an gleichen Schals, Mützen, T-Shirts, Jacken und Fahnen erkennbar. Schließlich werden Merkmale der Persönlichkeit – wie der Lebensstil, Vorlieben, Überzeugungen und Werte – gespiegelt, indem zum Beispiel die gleiche politische Grundüberzeugung kundgetan wird. (Armin Reins „Corporate Language“, Mainz: Hermann Schmidt 2006, S. 120; [Fettdruck zur Hervorhebung, nicht im Original])

Wird ein Referenzausdruck bei Beibehaltung des Referenzbezugs („Ko-Referenz“) durch einen anderen ersetzt, spricht man von Substitution. Dabei erfolgt durch die Ausdrucksvariation immer auch eine Weiterentwicklung des Themas (vgl. Hausendorf/Kesselheim 2008, S. 120f.), weil die eingeführte Referenz differenziert und ausgebaut wird. Grundlegend für Substitutionen sind semantische Beziehungen im Lexikon, zu denen vor allem die Synonymie, die Antonymie und die Hyponymie zählen.

Die lexikalischen Inhaltswörter bilden ein zusammenhängendes Begriffsystem, das auf Beziehungen zwischen Lexemen und kulturellen Abstraktionen zu diesen beruht. So befindet sich fast jedes Wort im Spannungsfeld einer Klasse von Wörtern, die eine gleiche oder eine ähnliche Bedeutung ausdrücken. Wenn zwei oder mehrere Wörter die gleiche Bedeutung haben und in derselben syntaktischen Umgebung vorkommen können, liegt Synonymie vor. Als Beispiele dafür werden häufig Wörter wie ApfelsineOrange, FahrstuhlLift – Aufzug oder anfangenbeginnen genannt. Eine echte Synonymie (auch: ‚totale Synonymie‘), für die eine uneingeschränkte Austauschbarkeit der betreffenden Ausdrücke in allen denkbaren Kontexten Voraussetzung ist, tritt jedoch äußerst selten auf. Das hängt vor allem mit dem Prinzip der Sprachökonomie zusammen, das das Bestehen zweier absolut bedeutungsgleicher Ausdrücke im Lexikon hemmt.

Sehr oft unterscheiden sich Synonyme durch konnotative Merkmale, d.h. zusätzliche – meist emotional – bewertende Informationen (z.B. Hund vs. Köter, vgl. Kap. 3.2.3), sowie durch weitere stilistische Merkmale wie die Markierung von Stilebenen (z.B. sterbenabkratzen; vgl. Kap. 3.1 „Zentrale Begriffe der Stilanalyse“), regionale Markierungen (z.B. SonnabendSamstag) u.v.m. In solchen Fällen handelt es sich um die sog. „partielle Synonymie“, die auch dann vorliegt, wenn Lexeme nur in einigen Kontexten austauschbar sind, jedoch nicht in allen: einen Brief bekommen/erhalten vs. einen Schnupfen bekommen/*erhalten.11 Im Rahmen von Substitutionsprozessen sind kontextabhängig natürlich auch derartige partielle Synonyme dazu geeignet, zu Textverknüpfung und Themavariation bzw. Themaentwicklung beizutragen.

 

Durch Substitution können auch lexikalische Elemente verknüpfen, wenn diese Bestandteile von sog. „Wortfeldern“ (vgl. Kap. 3.2.3) sind. Wortfelder12 werden von Wörtern gebildet, die auf paradigmatischer Ebene bedeutungsverwandt sind. Solche Wortfelder umfassen alle Wörter, die einen bestimmten begrifflichen oder sachlichen Bereich abdecken. Sie teilen zentrale Bedeutungselemente miteinander, heben sich aber auch durch spezielle Seme13 (evtl. Oppositionsseme) und/oder stilistische Merkmale voneinander ab, z.B.: Insel, Schäre, Eiland, Hallig, Fischerinsel, Urlaubsinsel, Atoll usw.

Rentnermorde sorgen für Angst

Mallorca eine Mafiainsel?

Palma de Mallorca. Nach dem zweiten tödlichen Raubüberfall auf ausländische Rentner binnen weniger Monate wächst auf der Ferieninsel Mallorca die Angst unter den europäischen Residenten. Zum Jahresbeginn war ein 77-jähriger Schweizer Pensionär an den Folgen seiner schweren Verletzungen gestorben, die er bei einem brutalen Überfall erlitten hatte. Vieles deutet darauf hin, dass dieselben skrupellosen Täter dahinterstehen, die vier Monate zuvor im Inselosten einen deutschen Rentner überfielen und töteten.

Mallorca werde zunehmend „ein Paradies für die Mafia“ warnte die Zeitung „Diaro de Mallorca“. Die Insel habe sich in ein „Rückzugsgebiet für das internationale Verbrechen verwandelt“. Die Tourismusbranche sorgt sich, dass derartige Gewaltverbrechen das Image der berühmten Insel beschädigen könnten. Im vergangenen Jahr verbrachten rund neun Millionen ausländische Touristen ihre Ferien auf der spanischen Urlaubsinsel. Zudem leben mehr als 100000 Ausländer fest auf dem Eiland, davon allein 30000 Deutsche […]. (Ostthüringer Zeitung 22.01.2014 [Fettdruck zur Hervorhebung, nicht im Original])

Satzübergreifende lexikalische Beziehungen können auch durch Wortschatzelemente hergestellt werden, die in antonymischer Relation zueinander stehen. Antonyme sind Wörter, die durch die semantische Relation des Bedeutungsgegensatzes verbunden sind. Dabei können zwei Formen voneinander unterschieden werden: Die kontradiktorische oder komplementäre Antonymie, die etwa bei zwei Zuständen vorliegt, die sich gegenseitig ausschließen (z.B. lebendtot). Um konträre Antonyme handelt es sich demgegenüber bei den Extrempunkten einer Skala, zwischen denen Übergangszustände denkbar sind (z.B. heißkalt).

Als Spezialform antonymischer Relation werden mitunter auch Wörter gefasst (vgl. z.B. Schubert 2008, S. 48f.), die unterschiedliche Perspektiven auf ein Ereignis bezeichnen (sog. „konverse Antonymie“ z.B. kaufenverkaufen) oder räumliche Bewegungen in verschiedene Richtungen verbalisieren (sog. „direktionale Antonymie“ z.B. vorwärts – rückwärts).

Durch Substitution verknüpfen vor allem auch Ausdrücke, bei denen eine Relation der Unter- oder Überordnung vorliegt. Dieses semantische Verhältnis zwischen einem Oberbegriff mit weiter Bedeutung (Hyperonym, z.B. Obst) und einem Unterbegriff (Hyponym, z.B. Apfel) wird als Hyponymie bezeichnet. Verschiedene Unterbegriffe, die gemeinsam zu einem Oberbegriff gehören werden Kohyponyme genannt (z.B. Apfel, Birne, Kirsche, Pflaume). Dabei unterscheidet sich jedes Hyponym durch mindestens ein spezifizierendes Merkmal von seinem Hyperonym.

Mit solchen Formen inhaltlicher Spezifizierung geht neben der Ausdrucksvariation natürlich immer die Weiterentwicklung des Themas einher, etwa durch ein Fortschreiten vom Speziellen zum Allgemeinen. Als besonders allgemeine Hyperonyme gelten in diesem Zusammenhang Lexeme wie Person, Mensch, Ding, Zeug, die innerhalb von Texten kohäsive Verbindungen mit unzähligen anderen Personen- und Sachbezeichnungen eingehen können.

Auf Teil-Ganzes-Beziehungen bezieht sich der Begriff der Meronymie, wobei das Lexem, das das Ganze benennt, als ‚Holonym‘ (z.B. Baum), das Wort für den entsprechenden Teil als ‚Meronym‘ (z.B. Ast, Stamm) bezeichnet wird. Meronymische Relationen bestehen typischerweise zwischen Wörtern mit gegenständlicher Bedeutung (sog. ‚Konkreta‘). Sie begegnen in Texten häufig bei Raumbeschreibungen und in Verbindung mit bestimmten Formen der thematischen Progression (s.u. „Progression mit abgeleitetem Thema“).

Weiterführende Literatur:

Cruse, Alan D.: Lexical Semantics. Cambridge UP, Cambridge 1986.

Halliday, Michael A.K. /Hasan, Ruqaiya: Cohesion in English. Longman, London 1976.

Lyons, John: Semantics. Cambridge UP, Cambridge 1977.

Fritz, Thomas: Der Text. In: Duden. Band 4 Die Grammatik. Dudenverlag, Mannheim 2006. S. 1067–1174.

Schubert, Christoph: Englische Textlinguistik. Eine Einführung. Erich Schmidt, Berlin 2008.

Textkonstitution durch Kontext und Weltwissen: Kohärenz

Thematische Progression

Die Verbindung zwischen Kohäsion und Kohärenz verdeutlicht insbesondere die Beschreibung der Thema-Rhema-Gliederung.1 Im Zuge der Thema-Rhema-Gliederung eines Textes werden die Satz-für-Satz-Beziehungen nicht, wie bei den oben genannten Formen der Wiederaufnahme, nur in der Markierung der Ausdrücke, die direkten Bezug aufeinander nehmen, gesehen, sondern „darin, in welcher Weise das Darunterliegende erfasst wird, wie also Sätze mit ihren deiktischen Ausdrücken und nun vor allem mit ihren Prädikaten direkt aufeinander bezogen sind“ (Eroms 2008, S. 45).

Das Modell der Thema-Rhema-Gliederung basiert auf dem Ansatz der Funktionalen Satzperspektive, der im Kontext der Prager Schule entstand (Mathesius 1929). Für die Textanalyse unterscheidet Daneš (vgl. 1970, S. 72ff.) zwischen Thema und Rhema, wobei unter ‚Thema‘ das verstanden wird, worüber etwas mitgeteilt wird. Dabei handelt es sich unter kontextuellem Aspekt um die Information, die bekannt, vorgegeben, aufgrund der Situation erschließbar oder vom Rezipienten aufgrund seines Vorwissens bzw. seiner Weltkenntnis erkennbar ist. Als ‚Rhema‘ wird das bezeichnet, was über das Thema mitgeteilt wird. Das Rhema besteht also in der neuen, nicht vorher erwähnten und nicht aus dem Text- bzw. Situationszusammenhang ableitbaren Information.

Im Rahmen der Thema-Rhema-Gliederung wird die Textstruktur als eine Sequenz von Themen dargestellt,2 wobei die thematische Struktur eines Textes in der Verbindung der Themen, ihren Wechselbeziehungen und ihrer Hierarchie besteht. Der Komplex von thematischen Relationen im Text wird als ‚thematische Progression‘ bezeichnet, Daneš (vgl. 1970, S. 75ff.) unterscheidet fünf Typen von thematischen Progressionen:

1 Bei der einfachen linearen Progression wird das Rhema des Vorgängersatzes zum Thema des folgenden Satzes (z.B. Hans hat ein Fahrrad gekauft. Das Fahrrad steht im Keller. Im Keller …).

2 Im Falle der Progression mit durchlaufendem Thema bleibt das Thema einer Satzfolge konstant und den einzelnen Sätzen wird jeweils nur ein neues Rhema hinzugefügt (z.B. Mein Fahrrad ist neu. Es ist ein Geschenk meines Vaters. Es steht zur Zeit im Keller … vgl. Brinker 2005, S. 50). Die Beibehaltung des Themas bedeutet jedoch nicht, dass immer genau derselbe Ausdruck das Thema repräsentieren muss, weshalb die Formen der grammatischen und lexikalischen Wiederaufnahme Variation am Satzanfang ermöglichen.Im Zuge einer Progression mit abgeleiteten Themen werden die Themen der einzelnen Sätze von einem Oberthema aus entwickelt. So bildet für den folgenden Beispieltext das ‚Außendesign des Volvo C 70‘ das Hyperthema, z.B.:

Die Frontpartie des neuen Volvo C 70 drückt Kraft und Stärke aus. Seine fließenden Konturen vermitteln Leichtigkeit und Eleganz. Die ansteigende Gürtellinie leistet einen harmonischen Beitrag zum charakteristischen Auftritt … (Direct Marketing Volvo)

4 Der vierte Typ besteht in der Progression mit gespaltenem Rhema, wobei das Rhema des vorausgehenden Satzes in den folgenden Äußerungen in mehrere Themen zerlegt wird, z.B.:Ein über Jahre erhöhter Blutzuckerspiegel führt zur Veränderung der Blutgefäße. Die Blutgefäße erweitern sich und die Zellen der Gefäßwände sterben ab. Es kommt zu Ausbuchtungen, die Gefäße werden brüchig, Blut tritt in das umliegende Gewebe aus …

5 Besonders häufig begegnet der fünfte Typ, die Progression mit einem thematischen Sprung, bei der zwar ein Hyperthema existiert, die Einzelthemen aber nicht immer unmittelbar aneinander anschließen, weil beispielsweise Glieder der thematischen Kette, die aus dem Kontext zu ergänzen sind, ausgelassen werden, z.B.:Die Sinnesorgane funktionieren bei allen Menschen nach demselben Prinzip. Wie die Menschen ihre Wahrnehmungen empfinden, ist allerdings eine Frage des Geschmacks und der persönlichen Vorlieben. Der neue Volvo C 70 gibt jedem die Möglichkeit, ganz individuell den Sinnen zu schmeicheln … (Direct Marketing-Prospekt Volvo)

Dieser Progressionstyp entspricht weitgehend der impliziten Wiederaufnahme, die dadurch charakterisiert ist, dass zwischen dem wiederaufnehmenden Ausdruck und dem wiederaufgenommenen Ausdruck keine Referenzidentität besteht (vgl. Brinker 2005, S. 51).

Das skizzierte Modell der Thema-Rhema-Strukturen lässt nun einerseits Einblicke in grundlegende semantische Textstrukturen zu und verdeutlicht die Bedeutung der Satzstruktur für die kommunikative Dynamik eines Textes, wird an zentralen Punkten jedoch auch kritisiert. Das hängt vor allem damit zusammen, dass die verschiedenen Progressionstypen kaum in konsistenter Form vorkommen und ihre Rekonstruktion mit Zunahme der Textlänge äußerst schwierig wird. Zudem scheint etwa die Definition der Begriffe ‚Thema‘ und ‚Rhema‘ vage (vgl. Brinker 2005, S. 51), denn die thematische Basis einer Aussage muss nicht immer die bekannte Information enthalten. So können gerade am Textanfang Sätze auftreten, die überwiegend neue Informationen enthalten, wodurch die Unterscheidung von rhematischen Elementen blockiert wird.

Makrostrukturen

Ein weiteres Konzept, das sich mit der Themenentwicklung eines Textes befasst, ist das im Rahmen der Erzähltextanalyse von van Dijk (1980) entwickelte Konzept der Makrostruktur, das er später noch um Superstrukturen erweitert. Unter Makrostruktur bzw. semantischer Tiefenstruktur versteht van Dijk die globale Bedeutung des Textes, die aus Verfahren der paraphrasierenden Reduktion gewonnen werden kann.

Die Makrostruktur (macrostructure) eines Textes ist dessen genereller Inhalt, der sich durch Makroregeln aus den Mikrostrukturen, also den satzförmigen Einzelpropositionen, ableiten lässt. (Schubert 2008, S. 81)

Zur Ableitung der sog. Makropositionen aus den Propositionen des konkreten Textes finden Operationen Anwendung, die sich in Form von drei zentralen Makroregeln abbilden lassen, d.h. als Auslassen, Verallgemeinern und Konstruieren. Die durch derartige Verfahren gewonnenen Makrostrukturen sollen die Möglichkeit eröffnen, sich an den Inhalt eines Textes zu erinnern, Texte zusammenzufassen und das Thema eines Textes zu benennen:

1 Beim Auslassen werden alle Propositionen entfernt, die für andere Propositionen bzw. für die Interpretation des weiteren Textes irrelevant sind. Das heißt, es geht – im positiven Sinne – um ein Auswählen der für den weiteren Textverlauf bedeutsamen Informationen. So enthält beispielsweise der Satz A girl in a yellow dress passed by. die drei Aussagen:A girl passed by.She was wearing a dress.The dress was yellow. (vgl. van Dijk 1980, S. 46)Wenn es nun für die Interpretation des weiteren Textes unwichtig ist, was das Mädchen trägt und welche Farbe dies hat, kann Aussage a. als die einzig relevante ausgewählt werden.

2 Generalisieren bezeichnet das Umformen und Zusammenfassen inhaltlicher Details zu allgemeineren Aussagen. So lassen sich die Propositionen (a) Mayla füllt ein Bein einer Strumpfhose mit Watte und Wollresten. (b) Greta schneidet an einem Ende einen Halbkreis aus, so dass zwei Spitzen stehen bleiben. und (c) Tim näht Haare aus dicken Wollfäden an. mit folgender Makroproposition verallgemeinern: Die Kinder basteln Stofftiere. Typischerweise werden beim Generalisieren Hyperonyme, also Wörter mit einem größeren begrifflichen Umfang, verwendet.

 

3 Unter Konstruieren wird das Herstellen einer Makroproposition aus mehreren Mikropropositionen verstanden. Dieses Vorgehen beruht auf Wissensbeständen, die als Frames und Skripts organisiert sind (s.u.), z.B.:Die Frau an der Orgel war die Pianistin des abrupt beendeten kleinen Hauskonzerts. Der Cellist saß auf einem der Chorstühle in der Nähe. Wahrscheinlich würde er später spielen. Nachdem wir uns niedergelassen und ein Weilchen gelauscht hatten, gab es hinten in der Kirche etwas Unruhe. Ich drehte mich nicht um, denn mir war gerade die Kiste aus dunklem polierten Holz aufgefallen, die quer unter dem Altar stand. Der Sarg. Manche Leute nannten ihn Sarkophag. Er war geschlossen. (Alice Munro „Liebesleben“, Frankfurt am Main: Fischer 2013, S. 153)Die in den Sätzen dieses Beispiels aneinandergereihten Mikropropositionen können zu einer Makroproposition Die Erzählperson befindet sich auf einer Beerdigung. zusammengefügt werden.

Mithilfe der Makroregeln kann der Inhalt von Texten zusammengefasst und verallgemeinert werden, wobei sie jedoch in verschiedener Weise angewendet werden können. Somit ergeben sich bei verschiedenen Rezipienten in variablen Kontexten mitunter erheblich voneinander abweichende Makrostrukturen. Im Unterschied zur Makrostruktur stellt eine Superstruktur ein abstraktes Schema dar, das „die globale Ordnung eines Textes festlegt und das aus einer Reihe von Kategorien besteht, deren Kombinationsmöglichkeiten auf konventionellen Regeln beruhen“ (van Dijk 1980, S. 131). Superstrukturen sind demnach Strukturen, die – unabhängig vom Textinhalt – den Texttyp kennzeichnen. Damit übernimmt dieser Ansatz Vorstellungen zur Textorganisation, die mit dem Konzept sog. ‚story grammars‘ (Rumelhart 1975) vorgezeichnet sind. Die Superstruktur wird als Ordnungsschema aufgefasst, auf das der Text zugeschnitten wird. Deshalb hat sie große Bedeutung für die Produktion von Texten und die Text- und Informationsverarbeitung: So erkennt etwa der Hörer/Leser nicht nur, wovon ein Text handelt, sondern vor allem, dass er eine Erzählung ist (vgl. van Dijk 1980, S. 129). Superstrukturen können im Rahmen einer Textsortentypologie dazu dienen, den Aufbau von Textstrukturen nachzuzeichnen (vgl. Kap. 4.1).

Isotopieebenen

Gegenüber den o.g. lexikalischen Elementen, die an der Textoberfläche verankert sind, wird thematische Zusammengehörigkeit auch durch die textbezogene Aktivierung semantischer Merkmale signalisiert. Mit dem Isotopiekonzept wird deshalb versucht, Textverknüpfung ausschließlich unter semantischen Gesichtspunkten, über die Identität semantischer Merkmale zu beschreiben. Das Isotopiekonzept setzt ‚unterhalb‘ der Wortebene an, indem es auf die Semanalyse zurückgreift, d.h., die textverknüpfende Wirkung der Wiederaufnahme wird nicht an ganzen Wortbedeutungen festgemacht, sondern an einzelnen rekurrenten semantischen Merkmalen (vgl. Linke et al. 2004, S. 260f.). Die Grundannahme besteht darin, dass sich Wortbedeutungen über die Satzgrenze hinweg zu textsemantischen Komplexen (Isotopieebenen) verbinden, wobei ein Text jeweils über mehrere solcher Komplexe bzw. Isotopieebenen verfügen kann. Das folgende Textbeispiel lässt als wichtigste Isotopieebene die Wiederkehr des semantischen Merkmals ‚Sinneswahrnehmung‘ erkennen:

Kann man Frühlingssonne schmecken? Wie fühlt sich Sicherheit an? Wie klingt Kraft? Der neue Volvo C 70 ist unsere Hommage an die Sinne. Eine Kombination wie man sie bisher nicht erlebt hat. Und eine Offenbarung für alle, die frei sind, das Besondere zu empfinden.

(Produktargumenter „Der neue Volvo C 70“ 2005, S. 7)

Wie das Beispiel zeigt, eignet sich das Isotopiekonzept auch für die Beschreibung bzw. Analyse von Texten, bei denen gestörte syntaktische und wortsemantische Bezüge vorliegen.

Frame und Skript

Hinweise auf die thematische Entwicklung von Texten ergeben sich vielfach wissensabhängig durch die Vertrautheit mit bestimmten Handlungsrahmen und Handlungsabläufen. Sie ermöglicht es den Rezipienten, in Verbindung mit dem jeweiligen Kontext einen Teil der Sinnkontinuität von Texten durch kognitive Inferenzprozesse zu konstruieren. Für die Beschreibung dieser mentalen Operationen bei der kognitiven Textverarbeitung spielt es eine wichtige Rolle, in welcher Form Wissen mental repräsentiert ist. So werden die meisten Informationen nicht als isolierte Einzelelemente gespeichert, sondern bilden komplexe Wissensbündel, die sich z.B. auf Handlungen wie das Einkaufen oder Autofahren beziehen können. Generalisierte Formen solcher Wissensrepräsentationen stellen sog. ‚globale Muster‘ wie Frames und Skripts dar, mit deren Hilfe die Weltwahrnehmung und Welterfahrung vorstrukturiert und somit das Erkennen von Handlungen bzw. Handlungsfragmenten erleichtert wird (vgl. Schubert 2008, S. 72), um den Zusammenhang zwischen Weltwissen bzw. Handlungswissen und den in einem Text vermittelten Informationen nachvollziehen zu können. Es geht dabei wiederum um Bezüge zwischen Aussagen und Sätzen, die auch dann hergestellt werden, wenn grammatische oder semantische Verknüpfungen fehlen, die etwa auch die Voraussetzung dafür bilden können, dass noch nicht eingeführte Textelemente mit dem bestimmten Artikel stehen können. Solche Textbezüge kommen jedoch nur zustande, wenn ein gemeinsamer außersprachlicher Sachbezug vorliegt (vgl. Linke et al. 2004, S. 265f.).

Mit Frames lassen sich Wissensbestände beschreiben, die als statische Zusammenhänge zwischen Einheiten des Weltwissens organisiert sind. Zu diesen Frames gibt es typische slots, die mit fillers versehen werden. Wenn ein Rezipient den jeweiligen Frame kennt, kann er beim Textverstehen die Wörter eines Textes als Fillers diesen im Weltwissen gespeicherten Slots zuordnen oder sie durch das Mittel der Inferenz aus seiner Weltkenntnis ergänzen. Das bedeutet auch, dass sobald ein bestimmter Frame wie z.B. ‚Auto‘ identifiziert ist, Begriffe, die Verständnisprobleme bereiten, vor dem Hintergrund eines existierenden Fachwortschatzes rezipiert werden. Im folgenden Textausschnitt gilt das beispielsweise für Wörter wie Leon oder Dynamik-Paket:

Seit der Einführung des ST bietet Seat für den Leon auch den empfehlenswerten Notbremsassistenten „Front Assist“ an (290 €), der Auffahrunfälle vermeiden oder deren Folgen zumindest reduzieren kann. Das neue adaptive Fahrwerk, das für die stark motorisierten FR-Varianten in Kombination mit einer progressiven Lenkung als Dynamik-Paket angeboten wird (760 €), sorgt für einen guten Federungskomfort und ein angenehmes Fahrgefühl.

(ADAC Motorwelt 3/2014, S. 36)

Als Skripts werden Wissensbestände beschrieben, die sich auf den dynamischen Ablauf bestimmter Handlungszusammenhänge beziehen und den beteiligten Elementen deshalb eine chronologische Reihenfolge zuordnen. Skripts beschreiben einen charakteristischen Handlungsablauf einschließlich der zugehörigen Gegenstände bzw. Aktanten und können Wissen über individuell und sozial standardisiertes und erfolgreiches Handeln in einer bestimmten Kultur enthalten.

Für die Rezeption bzw. das Verstehen vieler Texte wird sowohl eine statische als auch eine dynamische Perspektive auf Wissensbestände benötigt. So setzt z.B. der folgende Text den Frame ‚Automobil und Cabriolet‘ voraus, der eng mit dem Skript ‚Autofahren bzw. die Instrumente eines Autos bedienen‘ verbunden ist:

Der Volvo C 70 ist Coupé und Cabrio zugleich. Dazwischen liegen weniger als ein Knopfdruck und 30 Sekunden. Er verbindet Kraft und Agilität mit Leichtigkeit. In seinem geräumigen Innenraum reisen vier Erwachsene auch auf langen Strecken unvergleichlich komfortabel.

(Volvo Direct Marketing-Prospekt 2010)

Präsuppositionen

Das Konzept der Präsuppositionen dient vor allem dazu, den Anteil von außersprachlichen Wissensbeständen bei der Konstitution von Textkohärenz zu erfassen. Präsuppositionen gehören zu den voraussetzenden Bedingungen, die gegeben sein müssen, um angemessene bzw. korrekte Äußerungen produzieren und rezipieren zu können. Sie werden innerhalb der Äußerung jedoch nicht explizit ausgedrückt. Daraus ergeben sich neben der Möglichkeit, erhebliche Teile an textuellem Material einzusparen, auch zahlreiche weitere relevante Aspekte für die stilistische Gestaltung bzw. für die Erklärung von Stilabsicht und Stilwirkung. Hierzu zählen etwa im Hinblick auf Textsorten mit persuasiver Funktion bestimmte Techniken für die Vermittlung von Kenntnissen oder die Veränderung von Einstellungen. In diesem Zusammenhang geht es weniger um pragmatische Präsuppositionen – also nicht sprachlich formulierte, aber durch den Text vorausgesetzte Wissensbestände und Alltagserfahrungen, die sich erst aus dem Gebrauch, den man von einem sprachlichen Ausdruck macht, ergeben (auch gebrauchsgebundene Präsuppositionen, vgl. Linke et al. 2004, S. 261ff.) –, sondern eher um zeichengebundene Präsuppositionen, die direkt an den materiell gegebenen Text, also an bestimmte Konstruktionen oder Wortbedeutungen gebunden sind.