Eiserner Wille

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Cus brachte Floyds Amateurkarriere auf den Weg, und der machte sich großartig, schlug beinahe jeden k. o. Aber Cus befürchtete, dass er psychisch noch nicht reif für eine Profikarriere war. Er musste Floyds Selbstbewusstsein aufbauen. Cus war der Ansicht, dass Floyd noch kein Ego entwickelt hätte, dass er unter dem Einfluss der Menschen um ihn herum stand, von seinen Lehrern in Wiltwyck bis hin zu Cus selbst. Cus wurde bewusst, dass er selbst Floyds Vorbild sein musste. Weder rauchte er noch trank er in Floyds Gegenwart. Er trug nun einen eleganten Mantel und einen Hut, einen Homburg, damit er einen gediegenen Eindruck machte. Eines Tages wurde Floyd interviewt. Cus stand etwas abseits, als der Journalist zu Floyd sagte: „Weißt du, du kleidest dich sehr gut für einen Jungen deines Alters.“ Floyd antwortete darauf: „Ja, ich nehme mir ein Beispiel an meinem Manager. Das tue ich immer.“ Das war die Bestätigung dafür, dass Cus richtig lag.

Cus predigte immer: Du sollst dich schon wie ein Champion verhalten, bevor du zu einem geworden bist. Wegen dieses Mottos und zum Teil auch, um die Mafia von Floyd fernzuhalten, kaufte Cus seinem jungen Boxer einen 1952er Cadillac Coupe de Ville mit Weißwandreifen. Floyd hatte längst noch nicht den Höhepunkt seiner Karriere erreicht und Cus war damals ziemlich pleite, doch einer seiner Freunde, dem er damals in der Bronx geholfen hatte, unterstütze ihn dabei, das Geld für den Wagen aufzubringen.

Ende 1951 drang Floyd darauf, Profi zu werden, aber Cus hatte einen anderen Zeitplan. Er wollte, dass Floyd 1952 an den Olympischen Spielen in Helsinki teilnahm. Cus war sich sicher, dass Floyd auf spektakuläre Weise eine Goldmedaille gewinnen würde, und diese Publicity würde ihm dabei helfen, für Floyd attraktive Profikämpfe zu bekommen. Außerdem würde eine Goldmedaille um den Hals wahre Wunder wirken, was Floyds Selbstvertrauen betraf. Es kostete Floyd nur vier Kämpfe und achtzehn Minuten Arbeit, um die Goldmedaille im Mittelgewicht zu gewinnen.

Cus kam nicht mit nach Helsinki, aber er stand am Hafen, als eine riesige Menge von Journalisten das Schiff empfing, das Floyd zurück in die Vereinigten Staaten brachte. In einer improvisierten Pressekonferenz bombardierten die Reporter Floyd mit Fragen darüber, wann er seine Profikarriere starten würde. „Ich hielt meinen Mund“, verriet Floyd in seiner Autobiografie. „Meine Antwort war, dass Cus die Fragen beantwortete, und das blieb viele Jahre lang so. Er lieferte nicht nur all die Antworten, sondern ich tat auch das, was er mir sagte.“

Cus war mehr als glücklich, sagen zu können: „Dieser junge Mann wird Weltmeister werden und als jüngster Champion im Schwergewicht, den es je gab, in die Geschichte eingehen. Und obendrein wird er der vielversprechendste Boxer dieser Ära werden.“

Cus war zuversichtlich, dass ihm die Publicity, die Floyd durch den Gewinn der Goldmedaille erhielt, in seinem Kampf außerhalb des Rings helfen würde. Es sollte der größte Kampf seines Lebens werden – ein Kampf zwischen ihm, dem Mob und dem International Boxing Club (IBC), der praktisch alle Spitzenboxer, Veranstaltungsorte und Promoter des Boxsports kontrollierte. Aber dann tat Floyd etwas, das Cus aus der Bahn warf und ihn am Charakter des jungen Boxers zweifeln ließ. Es handelte sich um einen Vorfall, der Floyds Profikarriere, kaum dass sie begonnen hatte, augenblicklich hätte zunichte machen können. Es ging um eine Frau – und um den Vorwurf der Unzucht mit Minderjährigen.

Diese Geschichte ist nie in irgendeiner von Floyds Biografien erschienen. Ratso [Larry „Ratso“ Sloman] fand jedoch Auszüge aus einem früheren Entwurf von Floyds Autobiografie, die Cus’ Freund, der Journalist Arthur Mann, verfasst hatte. Diese Seiten entdeckte er unter den Abertausenden Seiten von Manns gesammelten Schriften, die er der Library of Congress gestiftet hatte. Die von negativen Aspekten befreite, „cusifizierte“ Version des Originalmanuskripts aus Manns Entwürfen zur Floyd-Biografie lautet folgendermaßen:

„Der November 1953 brachte mir meine schlimmste Niederlage – allerdings außerhalb des Boxrings. Der Vormund eines Mädchens in Brooklyn wandte sich an die Behörden mit der Behauptung, ich sei der Vater des Kindes seines Mündels, das vor drei oder vier Monaten zur Welt gekommen war. Ich kannte das Mädchen als eine Freundin aus der Nachbarschaft, wie viele andere Burschen auch. Ich protestierte gegen diesen Vorwurf und kündigte an, ihn vor Gericht anzufechten, aber Cus D’Amato, mein Manager, war da anderer Meinung: ‚Du hast mehr zu verlieren als jeder ihrer anderen Freunde‘, sagte er. ‚Du bist berühmt. Du verdienst viel Geld und wirst noch mehr verdienen. Aber eine Auseinandersetzung vor Gericht ohne wasserdichte Beweise würde deine Karriere ruinieren. Die Öffentlichkeit würde sich gegen dich stellen, und das würde all deine Träume zerstören. Die einzige Antwort, Floyd, ist eine Hochzeit in aller Stille. Dann bezahlst du dem Vormund Unterhalt. Es ist nur Geld, und du wirst viel mehr verdienen, als er jemals verlangen wird.“

Floyd aber blieb dabei, dass er nur ein Mädchen heiraten wolle, nämlich Sandra Hicks. Er machte sich Sorgen darüber, wie sie reagieren würde. Sie gingen in die Holy Rosary Church, um Pater McLees um Rat zu fragen. Floyd war erst vor Kurzem zum katholischen Glauben konvertiert. „Natürlich war er gegen eine Hochzeit, die nicht kirchlich war. Cus argumentierte, dass eine heimliche Heirat und Geldleistungen an den Vormund der einzige Weg wären, schreckliche Schlagzeilen, eine öffentliche Blamage und das Ende meiner Karriere als zukünftiger großer Boxer zu vermeiden. Ich war fast neunzehn. Das Mädchen war sechzehn. Also gingen wir nach New Jersey. Dort ließ ich mich standesamtlich trauen. Danach kümmerte sich Cus um die monatlichen Unterhaltszahlungen und ich mich um die Gegner im Ring, und zwar entschlossener als jemals zuvor.“

Aber es gab noch einen völlig anderen Bericht darüber, was sich zwischen Floyd und dem Mädchen, dessen Name Gloria Wanamaker war, abgespielt hatte. Er erschien in der Mai-Ausgabe von 1957 des Magazins Confidential, eines der ersten Klatschblätter. Wir fanden den Artikel in Cus’ Unterlagen, die in seinem Haus in Catskill in Kisten gelagert waren. Der Artikel trug den Titel „Ich musste FLOYD PATTERSON zwingen, mich zu heiraten, damit unser Baby einen Namen hatte“, und darunter stand: „Gloria Patterson Schmidt, Floyd Pattersons erste Ehefrau.“ Gloria stellte die Sache etwas anders dar. Sie behauptete, dass sie Jungfrau gewesen sei und keine Freundin „vieler anderer Burschen“, wie Floyd schrieb. Sie sei erst fünfzehn gewesen, als sie Floyd in ihrem Wohngebiet traf. Sie lernten sich ein paar Wochen bevor er zur Olympiade nach Helsinki musste kennen, und er wollte sich unbedingt mit ihr verabreden, bevor er abreiste. Aber ihre Eltern, und nicht „ein Vormund“, erlaubten es nicht. Floyd schrieb ihr daraufhin „viele Briefe“ aus Finnland, und als er als Sieger zurückkehrte, war ihr Vater so beeindruckt, dass er ihn zum Abendessen in sein Haus einlud. An dem Abend, an dem er von der Olympiade zurückkehrte, eilte er direkt zu ihnen.

Daraufhin trafen sie sich die folgenden drei Monate jeden Abend. Dann fing Floyd an, sie zu bedrängen, mit ihm Sex zu haben. Sie behauptete, ihm gesagt zu haben, sie wäre noch Jungfrau und wolle sich nicht auf Sex vor der Hochzeit einlassen. „Aber Floyd insistierte weiter. Er warnte mich, dass er sich, wenn ich nicht mit ihm ins Bett ginge, eine andere suchen würde, die es täte.“ Sie wollte Floyd nicht verlieren, nachdem ihre Eltern ihn bereits in ihr Herz geschlossen hatten, und willigte schließlich ein. Nach ihrem sechzehnten Geburtstag hatten sie zum ersten Mal Sex. Sie wiederholten ihr Stelldichein viele Male auf der Couch ihres Wohnzimmers. Im Juni 1953 bemerkte sie, dass sie schwanger war. Floyd versprach, sie zu heiraten, aber die Monate vergingen und nichts geschah. Ihr Vater setzte ihn unter Druck, und als sie es ebenfalls tat, habe Floyd gesagt: „Ich habe alles noch mal überdacht und mich dazu entschieden, nicht zu heiraten. Ich kann das Feuer sehen; warum soll ich also hineinspringen und mich verbrennen?“

Als sie ihrem Vater erzählte, was Floyd gesagt hatte, wurde er wütend, marschierte runter zum 81. Revier und erzählte dort die Geschichte. Daraufhin wurde Floyd auf die Polizeiwache zitiert, wo man ihm sagte, dass ihm wegen Unzucht mit Minderjährigen achtzehn Monate Gefängnis bevorstanden, wenn er sie nicht heiraten würde. „Cus D’Amato, sein Manager, bat meinen Vater inständig darum, keine Probleme zu machen, denn die schlechte Publicity würde die Karriere seines Boxers ruinieren. Uns wurde Geld dafür geboten, die ganze Sache zu vergessen, doch Paps sagte, er wolle weder Geld noch wolle er irgendeinen Bastard in der Familie. Schließlich wurde beschlossen, dass Floyd und ich sogleich heiraten sollten.“ Sechs Wochen darauf reisten Floyd, Cus, Gloria und ihre Eltern für die Trauung nach New Jersey. Floyd schenkte ihr keinen Ehering, und er riss ihr die Heiratsurkunde direkt aus der Hand, als sie versuchte, sie zu nehmen. Arthur Mann hatte eine Kopie der Urkunde in seinen Akten, und tatsächlich wurde die Heirat von „Custer D’Amato“ aus der 14. Straße 116 E, New York, bezeugt. Floyd verzichtete darauf, Gloria nach der Hochzeit noch mal zu treffen, abgesehen von dem einen Mal, als ihr Vater ihn zum Familiengericht zitieren ließ, weil er ihr kein Geld für die Umstandskleidung gegeben hatte. Floyd stimmte „widerwillig“ zu, ihr nach jedem seiner künftigen Kämpfe zweihundertfünfzig Dollar zu bezahlen.

Aber die Geschichte war hier noch nicht zu Ende. Floyd kam schließlich ins Krankenhaus, fünf Tage nachdem das Kind namens Michael Constantine Patterson geboren war. Nach ein paar Wochen erwärmte er sich für das Kind und begann, sie jeden Tag im Haus zu besuchen. „Drei Wochen nach seinem ersten Besuch hatten wir eine Affäre, und es dauerte nicht lange, bis ich merkte, dass ich wieder schwanger war.“ Doch dann bekam Gloria unverschämte Anrufe von Floyds Freundin Sandra Hicks. Sandra konnte nicht glauben, dass Floyd Gloria geschwängert hatte, weil er ihr, Sandra, versprochen hatte, treu zu sein. Gloria schenkte indes diesmal einem Mädchen das Leben: Elizabeth Anne Patterson. Floyd kam jeden Tag ins Krankenhaus und brachte Gloria und das Baby schließlich nach Hause. Niemand weiß, was zwischen ihr und Sandra geschah, aber was wir wissen, ist, dass Floyds Karriere steil bergauf ging, und Gloria sah ihn viele Monate lang nicht mehr. Im März 1956 rief Cus bei ihr an und bat sie, in die Scheidung einzuwilligen. Weil sie sich nicht mehr mit Floyd traf, stimmte sie zu. Sie vereinbarten eine Abfindung von dreizehntausend Dollar, zweihundertfünfzig pro Monat für die Unterstützung der Kinder, bis sie achtzehn waren, und zehntausend treuhänderisch, zahlbar in Raten à tausend Dollar nach jedem Kampf. Gloria ging nach Mexiko und wurde im Juni 1956 geschieden. Das Geld wurde bezahlt, als die Papiere kamen. Fünf Monate nach der Scheidung schenkte Sandra, die Floyd einen Monat nach der Scheidung geheiratet hatte, einem kleinen Mädchen das Leben. Und die Presse feierte, dank Cus, das glückliche Paar und hieß Floyds „erstes“ Kind auf Erden willkommen.

 

In den Jahren bevor Cus Floyd entdeckte, hatten im Boxsport zwei Leute das Sagen. Zum einen Mike Jacobs, der sich vom Schwarzhändler für Eintrittskarten am Broadway zum weltweit größten Box-Promoter hochgearbeitet hatte. Seinen Erfolg verdanke er teilweise seiner Firma Twentieth Century Sports Club, die den amtierenden Champion im Schwergewicht, Joe Louis, „vertraglich gebunden“ hatte. Jacobs gründete seine Firma mit drei Partnern, allesamt Journalisten, einschließlich des weltbekannten Kolumnisten Damon Runyon, dessen Kurzgeschichte „The Idyll of Miss Sarah Brown“ als Vorlage für das schillernde Broadway-Musical Guys and Dolls diente. Jacobs gelang es, den Auftrag für die Organisation einer jährlichen Box-Benefizveranstaltung, dem Free Milk Fund für Babys, an Land zu ziehen, unter deren Deckmantel er die Kontrolle der Boxveranstaltungen im Madison Square Garden übernahm.

Jacobs hatte in seinem Leben noch nie einen Boxkampf organisiert, aber er wurde von Tex Rickard, einem Veranstalter von der Art eines P. T. Barnum, angelernt, der die Boxkämpfe im Madison Square Garden veranstaltete und durch seine Jack-Dempsey-Kämpfe das Boxgeschäft in den 1920er-Jahren kontrollierte. 1935 wurde Jacobs auf einen aufstrebenden Boxer aus Detroit namens Joe Louis aufmerksam gemacht. Sofort sicherte er sich die exklusiven Veranstaltungsrechte für dessen Boxkämpfe und ließ ihn im großen Stil durch die Presse gehen. Es dauerte nicht lange und Louis hatte James Braddock geschlagen; damit wurde er 1937 Champion im Schwergewicht. Danach war Jacobs fein raus. Von 1937 bis 1947 promotete er über tausendfünfhundert Boxveranstaltungen, einschließlich einundsechzig Weltmeisterschaften. Seine Kämpfe brachten ihm einen Umsatz von über dreißig Millionen Dollar ein, und er verdiente sich ein extra Taschengeld dazu, indem er Presseplätze unter der Hand verhökerte. Er kontrollierte praktisch das Boxgeschäft – zusammen mit einem anderen Mann, der „Mr. Gray“ genannt wurde.

Paul John Carbo, besser bekannt als Frankie Carbo, wurde 1904 in der Lower East Side von New York City geboren. Als er elf war, steckte man ihn in eine Erziehungsanstalt, weil er einen Apfel gestohlen hatte. Statt sich zu bessern, wurde er wirklich kriminell. Cus kannte Carbo ein Leben lang. „Carbo war ein professioneller Killer“, sagte er Jahre später. „Ich lernte diesen Mann kennen, als er ein junger Bursche war. Ich erinnere mich, dass der erste Mann, den er umgebracht hatte, aus meiner Nachbarschaft kam. Es war in einem Billardsalon. Er war ungefähr achtzehn. Er hatte eine Knarre im Gürtel stecken und spielte mit Hut – die Art Hut, die damals die richtig harten Kerle trugen. Da sprach ihn ein Typ an und meinte: ‚Wofür zum Teufel trägst du eine Knarre? Du hast doch nie den Mumm dazu, sie zu benutzen.‘ – ‚Habe ich nicht?‘ – ‚Nein.‘ – Bumm! Er erschoss ihn, ohne mit der Wimper zu zucken. Das war der Beginn seiner Karriere. Danach wurde er ein professioneller Killer für Murder Incorporated, eine Organisation, die Auftragsmorde für die Mafia im ganzen Land übernahm. Gott weiß, wie viele Typen er killte.“

Im Laufe seiner Arbeit für den Murder-Inc.-Boss Louis „Lepke“ Buchalter wurde Carbo wegen des Mordes an zwei Schmugglern anklagt, dann jedoch freigesprochen, weil die Zeugen kalte Füße bekamen und nicht aussagen wollten. Mit Ende zwanzig war er bereits siebzehnmal verhaftet worden. Es wurden ihm fünf Morde zur Last gelegt, darunter der Mord an Harry Greenberg, der für Lepke und Albert Anastasia, Lepkes Partner, gearbeitet hatte. Er hatte damit gedroht, alles über Murder Inc. auszuplaudern, wenn er nicht fünftausend Dollar bekäme. Angeblich fuhr Bugsy Siegel den Fluchtwagen und Carbo jagte Greenberg fünf Kugeln in den Kopf. Dieser Fall wurde allerdings irgendwann zu den Akten gelegt, nachdem einer der Hauptbelastungszeugen, Abe „Kid Twister“ Reles, praktischerweise aus dem Fenster eines Hotelzimmers in Coney Island gefallen war, während er unter Polizeischutz stand.

Carbo kam im Jahre 1936 ins Boxgeschäft, als der Gangster Gabe Genovese ihn zu seinem Partner im Management für den Champion im Mittelgewicht, Babe Risko, machte. Zehn Jahre später bezeichnete man ihn als den „mehr oder weniger wohlwollenden Gewaltherrscher über das unsichtbare Imperium im Boxgeschäft“, und Kolumnisten schrieben über ihn: „Carbo hatte das Boxgeschäft in der Hand und konnte allen jederzeit die Luft abdrehen, wenn ihm danach war“, wie Teddy Brenner, der dem Mob nicht fern stand, in seiner Autobiografie schrieb. „Wenn er einen bestimmten Boxer nicht hatte, dann ‚besaß‘ er dessen Manager.“

Carbo tätigte seine Geschäfte ganz offiziell im Speisesaal eines Hotels in der Nähe des Madison Square Garden. Er kleidete sich makellos und hatte seinen Spitznamen aufgrund seiner grauen Haare (obwohl er auch als der Onkel, der südländische Geschäftsmann, der reisende Geschäftsmann, unser Freund, der Botschafter, oder einfach nur der Mann bezeichnet wurde, um die Polizisten an den Abhörgeräten zu verwirren). Aber seine stechenden schwarzen Augen waren das wahre Fenster zu seiner Seele. Carbo sah sich selbst, ebenso wie Cus, gerne als Robin Hood. Er war immer der Wohltäter für einen heruntergekommenen Boxer. Natürlich war der Boxer meist deshalb heruntergekommen, weil er vorher von Carbo und seinen Schergen abgezockt worden war. Der bedeutendste dieser Schergen war Frank „Blinky“ Palermo. Er war klein und hatte einen starren Blick, der ihm seinen Spitznamen einbrachte. Carbo lernte Palermo dank seines Buchmachers Nig Rosen kennen, und schon bald wurde Palermo zum stellvertretenden Manager von solch prominenten Boxern wie Ike Williams, Billy Fox, Carmen Basilio und schließlich zum im Hintergrund agierenden Manager von Sonny Liston.

Carbo und Palermo manipulierten regelmäßig Kämpfe, der bekannteste unter ihnen ist der zwischen Billy Fox und Jake LaMotta im Jahr 1947. Doch die meiste Zeit brauchten sie bei einem Kampf keinen der beiden Boxer unter Druck zu setzen, damit er den Kampf absichtlich verlor, denn sie waren an beiden beteiligt. Und wenn es nötig war, nutzten sie ihre Verbindungen zu „gewissen Mitgliedern“ der New York State Athletic Commission und warteten mit knappen Entscheidungen zugunsten ihrer Boxer auf.

Ende der Vierzigerjahre waren Mike Jacobs und sein Goldesel Joe Louis am Ende ihrer Kräfte. Jacobs hatte 1947 einen schweren Schlaganfall erlitten. Louis hatte immense Probleme mit dem Finanzamt, und auch privat stand es nicht zum Besten: Seine Frau wollte die Scheidung und verlangte eine hohe Abfindung. Während des Krieges hatte Louis einige Kämpfe zu wohltätigen Zwecken absolviert, und die Steuerbehörde behauptete, dass er dem Staat die Steuern aus den Einnahmen dieser Kämpfe, die mit neunzigtausend Dollar veranschlagt wurden, schulde – Geld, das er für den Kriegseinsatz gespendet hatte! Zudem hatte er Schulden bei Jacobs, der ihm während seiner Zeit beim Militär Geld geliehen hatte. Louis nahm sich in Chicago einen schwarzen Anwalt namens Truman Gibson. Während des Krieges arbeitete Gibson als ziviler Angestellter im Verteidigungsministerium, wo er damit beauftragt war, Untersuchungen zum Rassismus beim Militär durchzuführen. Er ließ unter der Regie von Stuart Heisler einen Propagandafilm drehen – The Negro Soldier (Der schwarze Soldat) – der den Wert schwarzer Soldaten hervorhob. Der Film gehörte bald zum Schulungsmaterial für neue Rekruten.

Als Gibson nach dem Krieg nach Chicago zurückkam, bat ihn Louis um Hilfe. Daraufhin gründete er die Joe Louis Enterprises. Joe war des Kämpfens müde und wollte von seinem Titel im Schwergewicht profitieren, den er zehn Jahre lang gehalten hatte. Es bedurfte eines kleinen dicken Presseagenten aus New Jersey, um auf eine Idee zu kommen, die den Boxsport für immer verändern sollte. Sein Name war Harry Mendel, und Joe Louis liebte ihn. Mendels Idee für die Joe Louis Enterprises war, die vier führenden Schwergewichts-Herausforderer unter Vertrag zu nehmen, und dann würde Joe zurücktreten und die Rechte am darauf folgenden Ausscheidungsturnier einem Promoter übertragen. Gibson traf sich mit einem Hotelbesitzer aus Florida namens Harry Voiler, der anbot, hunderttausend Dollar in eine entsprechende Firma zu investieren und dafür 49 Prozent der Anteile zu erhalten; damit hatte Louis immer noch die Mehrheit der Anteile. Louis brauchte dringend Geld, deshalb ließ ihm Voiler sofort sechzigtausend Dollar zukommen.

Doch der Plan scheiterte, weil Voiler darauf bestand, die Unternehmensbeteiligung in Form von Hypotheken auf seine Hotels zu leisten und nicht wie geplant in Form von Bargeld. Voilers Frau schob der Verpfändung der Hotels einen Riegel vor. Mendel kam aber noch einmal auf Louis zu. Er rief an und arrangierte ein Meeting mit einem Millionär um drei Uhr morgens, das ihr ganzes Leben für immer verändern sollte.

James Dougan Norris war der Sohn des kanadischen Geschäftsmannes James Norris Sr., der Getreidehandelsgesellschaften, Mühlen und eine Schiffsflotte besaß. Die Familie seines Vaters hatte sich in Chicago niedergelassen, als sein Vater achtzehn war. Der Norris-Clan hatte seit den 1800er-Jahren großen Reichtum angehäuft, deshalb hatte James D. keine wirkliche Motivation, irgendetwas zu tun, außer das Geld seines Daddys auszugeben. James Sr. hatte in Chicago einen klugen Geschäftsmann namens Arthur Wirtz als Partner, und zusammen besaßen sie das Chicago Stadion, das Detroit Olympia, die St. Louis Arena und einen großen Anteil am Madison Square Garden. Norris Senior war ein großer Hockey-Fan, deshalb kaufte er die Detroit Red Wings. Und um seinen Sohn glücklich zu machen, kaufte er für ihn auch noch die Chicago Blackhawks.

Norris wurde auf eine Privatschule geschickt, wo er Football spielte, aber nach nur einem Semester auf der Colgate University brach er ab, um seinem wirklichen Interesse nachzugehen, nämlich Rennpferde. Er war ein Spieler und setzte pro Tag die ungeheuerliche Summe von sechstausend Dollar auf die Pferde. 1930 – er war vierundzwanzig – besuchte er eine Rennbahn in Chicago, und als er später vor seinem Haus aus seinem Auto stieg, wurde er mit einer Waffe bedroht. Die Diebe stahlen tausendeinhundert Dollar aus seiner Golftasche im Kofferraum, waren aber so nett und ließen ihm einen Golfschläger, den er gewonnen hatt, und zehn Dollar Bargeld. Ein paar Tage später wurde er auf dem Golfplatz von einem Fremden angesprochen, der ihm seine tausendeinhundert Dollar zurückgab. Es war „Golf Bag“ Sam Hunt, ein Auftragskiller von Al Capone, der seinen Namen daher hatte, dass er stets eine Maschinenpistole in seiner Golftasche bei sich trug. Cus behauptete, dass Norris wichtige Politiker in das Büro seines Vaters kommen sah, der sie von oben herab behandelte, aber wenn ein Mafia­boss hereinkam, sei der Vater aufgesprungen und habe ihn wie einen Adligen begrüßt. Das machte so großen Eindruck auf Norris, dass er zu einem Gangster-Groupie wurde.

Norris traf viele seiner Mafia-Freunde auf der Rennbahn und hatte selbst einen Rennstall in New York namens Spring Hill. Er lernte die Top-Buchmacher kennen und nutzte ihre Dienste. Auf der Rennbahn in New York machte Norris Bekanntschaft mit Frankie Carbo und Albert Anastasia, den Chef-Scharfrichtern der Murder Inc. Truman Gibson sollte sehr bald erfahren, welchen Einfluss der junge Norris auf den Mob hatte. Ein paar Jahre später gab George Raft eine Party in einem der Havana-Kasinos, deren Aushängeschild er war. Tommy „Ducks“ Lucchese aus der gleichnamigen Mafiafamilie näherte sich Gibson und fragte ihn, wie es Norris ginge. Zu dieser Zeit schüttete Norris mit Ernest Hemingway Gin in sich hinein. „Grüß ihn von mir“, sagte Lucchese zu Gibson. Dann zeigte er auf eine wulstige Narbe in seinem Gesicht. „Sag ihm, die Narbe ist von der Bierflasche, die er mir übergebraten hat. Zum Glück bin ich nicht auf einem Auge blind geworden.“

 

Der wahre Kopf hinter der Norris-Dynastie war Wirtz, sicherlich nicht James Dougan. Als der Aktienmarkt zusammenbrach, brachte Wirtz der Norris-Familie ein Immobilienvermögen ein, dessen Verkehrswert neunzig Prozent über dem Kaufpreis lag. Wirtz weitete ihren Geschäftsbereich auch auf den sehr lukrativen Alkoholvertrieb aus, der sehr viel Bargeld einbrachte. Tatsächlich hatte Wirtz einmal damit geprahlt, dass er den Alkohol für zwei von vier Drinks lieferte, die in ganz Las Vegas ausgeschenkt wurden. Wirtz verschaffte ihnen eigene Banken in Florida und Illinois, eine gute Idee, wenn man Geschäfte mit Bargeld macht. Jahre darauf, als Castro den Mob aus Havanna hinausbeförderte, schlugen Wirtz und Norris ihre Zelte auf den Bahamas auf. Sie nutzten ihre Zehnmillionen-Dollar-Yacht, die Blackhawk, und ankerten vor einem Kasino am Lucaya Beach. Sie konnten nicht nur über Funk Kontakt mit ihrer Bank in Miami aufnehmen, um das Vermögen der Spieler zu überprüfen, sondern laut Truman Gibson benutzten sie das Boot auch als „elektronische Schaltzentrale für den größten Buchmacher-Betrieb der Welt.“

So sehr er Pferde auch liebte, sehnte sich Norris danach, ein Player im Boxgeschäft zu werden. 1919 hatte ihn sein Vater zum Dempsey-Willard-Kampf mitgenommen, in dem Dempsey Willard k. o. schlug. Von da an war seine große Ambition, einen Schwergewichtsweltmeister zu managen. Dieses Streben brachte ihn auf Kollisionskurs mit Cus.

Selbstverständlich war Norris begeistert von der Vorstellung, die Kämpfe zu promoten, die den nächsten Champion im Schwergewicht bestimmten sollten. Aber Norris konnte ohne Wirtz nichts machen, deshalb schlug er vor, dass Mendel und Gibson am folgenden Tag nach Chicago fliegen sollten, um seinen Partner zu treffen. Die Verhandlungen begannen. Gibson bat um zweihundertfünfzigtausend Dollar für Louis und einen Anteil von einundfünfzig Prozent an der neuen Veranstaltungsfirma. Wirtz war ein zu guter Verhandlungspartner und beendete das Meeting. Vier Tage später schloss sich auch Norris der Gruppe zu weiteren Verhandlungen in Wirtz’ Büro an. Gibson ging runter auf hundertfünfzigtausend Dollar und eine zwanzigprozentige Beteiligung für Louis, zusammen mit einem Jahresgehalt von fünfzehntausend Dollar. Man wurde sich einig und der International Boxing Club (IBC) wurde 1949 gegründet. Das sprach sich herum, und Harry Markson, der den Madison Square Garden für Jacobs führte, rannte zu seinem Boss, um ihm mitzuteilen, dass er von Louis, trotz des gültigen Vertrages mit dem braunen Bomber, gelinkt würde. Jacobs konnte es nicht glauben. Aber er schaffte es, zwanzigtausend Dollar dafür zu erhalten, dass der Vertrag für nichtig erklärt wurde, und schlug zusätzlich ein Beraterhonorar von zehntausend Dollar pro Monat für sich heraus, bis hunderttausend erreicht waren. Der arme Harry Mendel kam nicht so gut weg. Ihm waren viertausend Dollar für die Vermittlung des Deals versprochen worden, er wurde aber mit hundertfünfunddreißig Dollar pro Woche dafür abgespeist, dass er die PR für den IBC machte. Als er sich beschwerte, wurde Louis wütend und sagte ihm, alles was er gemacht hätte, wäre ein Telefonat gewesen.

Norris und Carbo festigten ihre Geschäftsbeziehung. Norris hatte die Arenas und die lukrativen Network-TV-Boxshows, deshalb war alles, was er brauchte, ein reichhaltiges Angebot an Boxern. Carbo hatte die Boxer und ihre Manager, wie Hymie „The Mink“ Wallman und Al „The Vest“ Weill, in der Tasche. Zusammen beherrschten Norris und Carbo das Boxgeschäft und richteten dabei die kleineren Box-Clubs zugrunde, die ohne TV-Rechte immer mehr verschwanden.

Doch Carbo spielte ein doppeltes Spiel. Er hatte großen Einfluss auf die im Verband organisierten Manager und ordnete an, dass ihre jeweiligen Boxer Verletzungen vorspiegeln und Kämpfe absagen sollten. Dadurch drohte ein Wegfall der Einnahmen aus den TV-Übertragungen, von denen der IBC abhängig war. Der IBC verdiente durch die Übertragungen rund vierundzwanzigtausend Dollar wöchentlich. Ein paar Wochen darauf gab Norris klein bei und bot den Managern mehr Geld für ihre Boxer, deren Kämpfe übertragen wurden. Als die Manager jedoch die Honorare ihrer Boxer jedes Jahr neu verhandeln wollten, fädelte Norris die Übernahme des Managerverbands ein. Er brachte Jack „Doc“ Kearns, der Dempsey und Mickey Walker gemanagt hatte und mittlerweile Joey Maxim und Archie Moore managte, den damaligen Champion im Halbschwergewicht, dazu, den Managerverband hinter den Kulissen mit seinen Leuten zu infiltrierten. Der damals bereits siebzigjährige Kearns war pleite und brauchte Geld. Zudem hasste Kearns Carbo, deshalb war es ein Liebesdienst. Kearns und seine Männer, zu denen auch der Präsident des Verbands, Charley Johnson, und William „Honest Bill“ Daly gehörten, säten Zwietracht in den Reihen der Manager und spielten die reichen gegen die ärmeren aus. 1952 war der Verband gespalten und Johnson organisierte eine Versammlung in Chicago, wo er zum Präsidenten eines neuen nationalen Managerverbands, genannt „International Boxing Guild“, gewählt wurde. Norris hatte gewonnen und musste sich nie mehr Sorgen über Manager machen, die erneut nach mehr Geld aus den Übertragungen fragten. Und nur um sicher zu gehen, heuerte er Carbos Freundin an und bezahlte ihr ein gutes Gehalt, um Gibson zufolge „die ordentliche Präsentation von nicht abgesprochenen Kämpfen im Fernsehen“ zu ermöglichen, und um keinen der Boxer oder Manager, auf die Carbo „Einfluss“ hatte, „gegen sich aufzubringen oder vor den Kopf zu stoßen“.

Zwei Jahre nach seiner Gründung hatte der IBC die absolute Monopolstellung im Boxgeschäft. Er übertrug an drei Abenden pro Woche Box-Shows im Fernsehen. Es gab keine Konkurrenz, außer Emil Lence, der einmal pro Woche eine Show aus seiner Eastern Parkway Arena in Brooklyn übertrug. Innerhalb von vier Jahren hatten vierundvierzig Weltmeisterschaftskämpfe in den USA stattgefunden, und der IBC war an achtzig Prozent der Kämpfe beteiligt, was ihnen rund siebeneinhalb Millionen Dollar einbrachte. Eigentlich hätte Joe Louis bereits Millionär sein müssen. Doch dank Arthur Wirtz war er es nicht. Aufgrund eines komplizierten, weit verzweigten Netzes von ineinandergreifenden Unternehmen, das nahezu undurchschaubar war, machte der IBC jedes Jahr Verluste oder nur minimalen Profit, und Louis’ zwanzig Prozent waren keinen Pfifferling wert. Gibson erging es nicht besser. Für all seine Arbeit nahm er pro Jahr erbärmliche siebentausendzweihundert Dollar plus Spesen ein.

In Seattle protestierte Jack Hurley, von einigen als der größte Trainer überhaupt betrachtet, lauthals gegen den IBC und ließ gegenüber der Presse verlauten, dass seine große Hoffnung im Halbschwergewicht, Harry „The Kid“ Matthews, „nie die Chance hätte, den Titel zu gewinnen, weil Jim Norris und seine Leute eine nette kleine Firma haben und alles monopolisieren.“ Seine Aussage begann Wellen zu schlagen, und die Behörden begannen, dem IBC etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

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