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Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen

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39
Über Gästrikland hin

Der kostbare Gürtel

Mittwoch, 15. Juni

Der Adler flog ununterbrochen in nördlicher Richtung weiter, bis er ein gutes Stück über Stockholm hinausgekommen war; da ließ er sich auf einen bewaldeten Hügel hinab und lockerte den Griff, mit dem er den Jungen festhielt.

Aber kaum fühlte sich dieser frei, als er, so schnell er nur konnte, wieder nach der Stadt zurücklief.

Da machte der Adler einen großen Sprung, holte den Jungen ein und legte die Klaue auf ihn. „Willst du ins Gefängnis zurückkehren?“ fragte er.

„Was willst du eigentlich von mir? Ich werde doch wohl gehen dürfen, wohin ich will!“ rief der Junge und versuchte sich von dem Adler los zu machen. Doch da ergriff ihn Gorgo abermals mit seinen starken Fängen, hob ihn auf und trug ihn fort.

Nun flog er mit dem Jungen über ganz Uppland hin und hielt nicht an, bis er den großen Wasserfall bei Älvkarleby erreicht hatte. Hier ließ er sich auf einen Stein nieder, der mitten im Strom gerade unter dem rauschenden Wasserfall lag, und ließ dann seinen Gefangenen aufs neue los.

Der Junge erkannte sogleich, daß es ihm ganz unmöglich war, dem Adler von hier aus zu entfliehen. Von oben her kam der weißschäumende Schwall herabgestürzt, und ringsum brandete und wogte das Wasser mit wildem Schäumen. Der Junge war sehr erbittert, daß er auf diese Weise wortbrüchig werden mußte; er wendete dem Adler den Rücken und wollte kein Wort mehr mit ihm sprechen.

Aber nachdem jetzt der Adler den Jungen an einer Stelle abgesetzt hatte, wo er ihm nicht mehr entfliehen konnte, erzählte er ihm, wie er von Akka von Kebnekajse aufgezogen worden, mit dieser seiner Pflegemutter aber jetzt in Feindschaft geraten sei.

„Und jetzt kannst du vielleicht verstehen, Däumling, warum ich dich zu den Wildgänsen zurückbringen möchte,“ sagte er zum Schluß. „Ich habe gehört, in welch hoher Gunst du bei Akka stehst, und deshalb wollte ich dich bitten, den Friedensstifter zwischen uns zu machen.“

Sobald der Junge hörte, daß der Adler ihn nicht nur aus Eigensinn fortgetragen hatte, wurde er wieder freundlich gegen ihn.

„Ich würde dir außerordentlich gern in dieser Sache helfen,“ sagte er, „aber ich bin ja durch mein Versprechen gebunden.“ Und nun erzählte er seinerseits dem Adler, wie er in Gefangenschaft geraten sei, und daß Klement Larsson Skansen verlassen hätte, ohne ihm sein Wort zurückzugeben.

Doch der Adler wollte um keinen Preis seinen Plan aufgeben. „Höre mich an, Däumling!“ sagte er. „Meine Flügel tragen mich, wohin du nur willst, und meine Augen machen alles ausfindig, was du nur sehen möchtest. Erzähl mir, wie der Mann aussah, der dir das Versprechen abgenommen hat, ich will ihn aufsuchen und dich zu ihm tragen. Alsdann mußt du sehen, wie du ihn dazu bringst, dich von deinem Versprechen zu entbinden.“

Dieser Vorschlag leuchtete dem Jungen ein. „Ja, ja, Gorgo, man merkt wohl, welchen klugen Vogel du als Pflegemutter gehabt hast,“ sagte er. Dann beschrieb er dem Adler Klement Larsson ganz genau und fügte auch noch hinzu, er habe auf Skansen gehört, daß der kleine Spielmann aus Hälsingeland stammte.

„Wir wollen ganz Hälsingeland absuchen, von Lingbo bis Mellansjö, von Storberg bis Hornsland!“ rief der Adler. „Gleich morgen, noch ehe es Abend geworden ist, wirst du mit dem Manne reden können.“

„Jetzt versprichst du sicher mehr, als du halten kannst, Gorgo,“ sagte der Junge.

„O, ich wäre ein schlechter Adler, wenn ich das nicht könnte!“ erwiderte Gorgo.

Als Gorgo mit dem Däumling von Älvkarleby aufbrach, waren die beiden ganz gute Freunde geworden, und der Junge ritt jetzt auf Gorgos Rücken. Auf diese Weise sah er wieder etwas von den Gegenden, über die sie hinflogen. Solange ihn der Adler in den Klauen getragen hatte, war ihm das nicht möglich gewesen. Es war vielleicht ganz gut für ihn, daß er sich nicht so genau auskannte, denn wenn er gewußt hätte, daß er am Morgen über so schöne Orte wie die alten Königshügel von Uppsala, über die große Österbyer Fabrik, die Danemoraer Grube und das alte Schloß zu Örbyhus hingeflogen war, hätte er sich gewiß sehr gegrämt, weil er nichts davon gesehen hatte.

Jetzt trug ihn der Adler hurtig über Gästrikland hin. In dem südlichen Teil war nicht viel zu sehen, was die Aufmerksamkeit gefangen nehmen konnte. Eine fast ganz mit Tannenwald bestandene Ebene breitete sich ungeheuer groß unter ihm aus; weiter gegen Norden aber erstreckte sich quer durch die Landschaft, von der Dalagrenze bis zum Bottnischen Meerbusen, ein schöner Landstrich mit bewaldeten Hügeln, glänzenden Seen und rauschenden Strömen. Da lagen dichtbevölkerte Kirchspiele um weiße Kirchen herum, Landstraßen und Eisenbahnen kreuzten sich, die Häuser waren in Grün gebettet, und blühende Gärten schickten holde Düfte in die Luft hinauf.

An den Wasserläufen sah der Junge mehrere große Eisenhämmer, ganz ähnliche, wie er schon im Bergwerkdistrikt gesehen hatte. In ungefähr gleichen Zwischenräumen lagen sie in einer Reihe bis zum Meere hin, wo schließlich eine große Stadt ihre weißen Häusermassen ausbreitete. Nördlich von dieser dichtbevölkerten Gegend setzten die dunkeln Wälder wieder ein; doch war hier das Land nicht eben, sondern bildete Hügel und Täler, es hob und senkte sich wie ein aufgeregtes Meer.

„Dieses Land hat ein Kleid aus Tannenzweigen und eine Jacke aus Feldsteinen an,“ sagte sich der Junge im stillen. „Aber um die Mitte trägt es einen Gürtel, der an Kostbarkeit nicht seinesgleichen hat, denn er ist mit blauschimmernden Seen und blumigen Wiesen bestickt; die großen Eisenhämmer schmücken ihn wie eine Reihe von Edelsteinen, und als Schnalle dient ihm eine große Stadt mit Schlössern und Kirchen und großen Häusergruppen.“

Nachdem Gorgo mit dem Jungen eine Strecke weit in die nördlich sich hinziehende Waldgegend hineingeflogen war, ließ sich Gorgo ganz oben auf dem Gipfel eines kahlen Felsen nieder, und als der Junge auf den Boden hinuntergesprungen war, sagte der Adler: „Es gibt hier im Walde allerlei Leckerbissen für dich, und ich selbst kann die drückenden Gedanken an die Gefangenschaft gewiß nicht los werden und mich nicht so recht frei fühlen, bis ich wieder auf der Jagd gewesen bin. Du hast doch wohl keine Angst, wenn ich davonfliege?“

„O nein,“ sagte der Junge, „fliege du nur.“

„Du kannst gehen, wohin es dir beliebt, nur gegen Sonnenuntergang solltest du wieder hier sein,“ sagte der Adler, und dann flog er davon.

Der Junge fühlte sich ziemlich einsam und verlassen, als er dann auf einem Stein saß und über die nackten Gebirgshalden und die großen Wälder hinschaute, die ihn rings umgaben. Aber er hatte noch nicht lange dagesessen, als von drunten aus dem Walde Gesang zu ihm heraufdrang und er etwas Helles zwischen den Bäumen schimmern sah. Bald erkannte er eine blau-gelbe Fahne, und an dem Gesang und dem fröhlichen Rufen erriet er auch, daß die Fahne einem ganzen Zug von Menschen vorausgetragen wurde; aber es dauerte noch recht lange, bis er sehen konnte, welche Art von Zug es war. Die Fahne wurde auf Zickzackwegen heraufgetragen, und Nils Holgersson war außerordentlich gespannt, wohin diese Fahne und die Menschen dahinter wollten. Auf die einsame, öde Berghalde, wo er sich eben befand, kamen sie gewiß nicht, das konnte er sich gar nicht denken. Und doch war es so. Jetzt tauchte die Fahne am Waldessaum auf, und hinter ihr strömten eine Menge Menschen heraus, denen die Fahne den Weg gewiesen hatte. Auf dem ganzen Berge war nun Leben und Bewegung, und an diesem Tage hatte der Junge so viel zu sehen, daß er sich keinen Augenblick langweilte.

Der große Tag des Waldes

Auf dem breiten Gebirgsrücken, wo der Junge von Gorgo zurückgelassen worden war, hatte vor ungefähr zehn Jahren ein Waldbrand gewütet. Die verkohlten Bäume waren gefällt und fortgeschafft worden, und da, wo der große Brandplatz an den frischen Wald stieß, hatte sich allmählich wieder einiges Wachstum eingestellt. Aber der größte Teil lag noch immer unheimlich kahl und verlassen da. Zwischen den Steinen waren zwar noch schwarze Baumstümpfe und legten Zeugnis davon ab, daß einst ein großer, prächtiger Wald hier gestanden hatte, aber nirgends sproßten junge Schößlinge aus dem Boden heraus.

Die Leute wunderten sich darüber, wie lange es dauerte, bis sich die leere Fläche wieder mit Wald bekleidete; sie vergaßen ganz, daß seit jener Zeit, wo das Feuer hier gewütet hatte, die Erde aller Feuchtigkeit ermangelte. Deshalb waren nicht allein alle Bäume gänzlich verbrannt und alles, was auf dem Waldboden wuchs – Heidekraut, Maiblumen, Moos und Preißelbeerstauden –, verschwunden, sondern auch die Erde, die den Felsengrund bedeckte, war nach dem Brande so trocken und lose wie Asche geworden. Jeder Windstoß, der daherjagte, wirbelte sie hoch in die Luft hinauf; und da die Berghöhe dem Winde sehr ausgesetzt war, wurde ein Steinblock um den andern reingefegt. Der Regen tat natürlich auch das Seine, das Erdreich hinwegzuschwemmen; und nachdem sich nun Wind und Wetter zehn Jahre lang alle Mühe gegeben hatten, den Berg abzufegen, sah er so kahl aus, daß man sich nichts andres denken konnte, als daß er bis ans Ende der Welt so liegen bleiben würde.

Aber eines Tages, gleich in der ersten Sommerzeit, versammelten sich alle Kinder des Dorfes, in dessen Gebiet der abgebrannte Berg lag, vor einer der Schulen. Jedes Kind trug eine Hacke oder einen Spaten auf der Schulter, sowie ein Paket Mundvorrat in der Hand. Sobald alle Kinder versammelt waren, wanderten sie in einem langen Zuge dem Walde zu. Die Fahne wurde vorausgetragen, die Lehrer und Lehrerinnen gingen nebenher, und hinterdrein kamen einige Waldhüter und ein Pferd, das eine große Ladung Tannenschößlinge und Tannensamen trug.

Dieser Zug hielt in keinem der dem Dorf zunächstliegenden Birkengehölze an, nein, er wanderte weit hinauf in den Wald. Immer höher ging es auf verlassenen alten Viehwegen, und die Füchse streckten die Köpfe aus ihrem Bau heraus und fragten verwundert, was doch das für Hirtenvolk sei, das zu Berg ziehe. Der Zug kam an verlassenen Weilern vorüber, wo früher in jedem Herbst Kohlen gebrannt worden waren, und die Kreuzschnäbel wendeten ihren krummen Schnabel nach dem Zuge und konnten nicht begreifen, was das für Kohlenbrenner sein sollten, die da in den Wald eindrangen.

 

So erreichte der Zug schließlich die große abgebrannte Hochebene. Da waren die Felsen ganz kahl, ohne die feinen Linäenranken, von denen sie einstmals bedeckt gewesen waren, und die Steinplatten waren des schönen silberweißen Mooses und auch der feinen niedlichen Renntierflechten entkleidet. Rings um die schwarzen Wassertümpel herum, die sich in den Felsenspalten und Vertiefungen angesammelt hatten, wuchsen weder Kallablätter noch Sauerklee. Auf den kleinen Plätzen, wo zwischen den Steinblöcken und Rissen noch Erde lag, standen keine Farrenkräuter, keine Sternmieren, keine weißen Pyrola, nirgends war eine Spur von all dem Grünen und Roten und Buschigen und Weichen und Zierlichen, was sonst den Waldboden schmückt.

Es war, als ob plötzlich heller Sonnenschein über die graue Hochebene hinleuchtete, als die Kinder des Dorfes sich darauf zerstreuten. Das war doch wieder etwas Frohes und Schönes, etwas Frisches und Rosiges, etwas Junges und etwas im Wachsen Begriffenes! Vielleicht konnten sie dem armen verlassenen Waldboden wieder zu etwas Leben verhelfen!

Nachdem die Kinder sich ausgeruht und gesättigt hatten, ergriffen sie die Hacken und Spaten und fingen an zu arbeiten. Die Waldhüter zeigten ihnen, wie sie es machen müßten, und nun steckten die Kinder in jedes noch so kleine Fleckchen Erde, das sie entdecken konnten, die kleinen Tannenpflänzchen hinein.

Während die Kinder also pflanzten, sprachen sie ganz altklug miteinander davon, wie diese kleinen Pflänzchen, die sie jetzt in die Erde hineinsteckten, das Erdreich festhalten würden, damit es nicht wieder weggeblasen werden könnte. Aber das sei nicht das einzige Gute daran, denn dadurch bilde sich auch neue Erde unter den Wurzeln, in diese falle Samen hinein, und in einigen Jahren könnten sie da, wo jetzt nichts als kahle Felsblöcke seien, Himbeeren und Heidelbeeren pflücken. Und die kleinen Pflanzen, die sie hier einsetzten, würden allmählich zu großen Bäumen heranwachsen, ja in späteren Jahren könne man große Häuser oder stolze Schiffe daraus bauen.

Wenn aber sie, die Kinder, jetzt nicht heraufgekommen wären und gepflanzt hätten, solange noch ein bißchen Erde in den Felsenspalten lag, dann wäre durch den Wind und den Regen jede Möglichkeit, daß je hier etwas gepflanzt werden könnte, vollends zerstört worden, und es hätte also niemals wieder ein Wald auf diesem Berge entstehen können.

„Ja, es ist nur gut, daß wir heraufgekommen sind,“ sagten die Kinder. „Es war wirklich die höchste Zeit.“ Und sie kamen sich ungeheuer wichtig vor.

Während die Kinder so auf dem Berge arbeiteten, waren Vater und Mutter daheim; nachdem aber einige Zeit vergangen war, hätten sie gar zu gerne gewußt, wie es den Kindern droben auf dem Berge gehe. Sie dachten, es sei natürlich nur zum Spaß, daß solche kleinen Leute einen Wald pflanzen sollten, aber es könnte jedenfalls ganz unterhaltend sein, wenn sie nachsähen, wie es da droben zugehe. Und ehe sie sich versahen, waren Vater und Mutter schon auf dem Wege nach dem Walde. Als sie den Bergpfad erreicht hatten, trafen sie mit andern Nachbarn zusammen.

„Wollt ihr hinauf zum Brandplatz?“

„Ja, wir sind eben auf dem Wege.“

„Um nach den Kindern zu sehen?“

„Ja, wir wollen hinauf und sehen, was sie da treiben.“

„Es ist natürlich nur zum Spaß.“

„Freilich, viele Bäume werden da droben nicht wachsen.“

„Wir haben den Kaffeekessel bei uns, damit sie etwas Warmes bekommen, da sie den ganzen Tag von trockner Kost leben müssen.“

Jetzt erreichten Vater und Mutter den Brandplatz, und zuerst dachten sie nichts weiter, als wie hübsch alle die roten Wangen der Kinder auf dem grauen Berge aussähen. Aber dann gaben sie genau acht, wie die Kinder arbeiteten: die einen setzten die Pflänzchen ein, die andern zogen Furchen und säten Samen hinein, wieder andere rissen das Heidekraut heraus, damit es die jungen Bäumchen nicht ersticken sollte.

Sie sahen auch, wie eifrig und ernsthaft die Kinder es mit der Arbeit nahmen; sie hatten ja kaum Zeit, aufzuschauen.

Der Vater sah eine Weile zu, dann fing er auch an Heidekraut herauszureißen. Nur zum Scherze natürlich. Die Kinder waren die Lehrmeister, denn jetzt kannten sie die Kunst, und sie durften nun Vater und Mutter zeigen, wie man es machen mußte.

Schließlich nahmen dann auch alle die Erwachsenen, die heraufgekommen waren, nach den Kindern zu sehen, an der Arbeit teil. Da war es natürlich noch viel unterhaltender als vorher, und nach kurzer Zeit bekamen die Kinder noch mehr Hilfe.

Man brauchte nämlich noch mehr Handwerkszeug, und ein paar Jungen mit langen Beinen wurden nach Hacken und Spaten ins Dorf hinuntergeschickt. Als diese an den Häusern vorbeirannten, kamen die Bewohner heraus und fragten: „Was ist denn los? Ist ein Unglück geschehen?“

„Nein, nein, aber das ganze Dorf ist droben auf dem Brandplatz und hilft den Wald pflanzen.“

„Ei, wenn das ganze Dorf droben ist, dann wollen wir auch nicht daheimbleiben.“

So strömte alles auf den abgebrannten Berg hinauf. Zuerst blieben die Neuangekommenen ruhig stehen und schauten eine Weile zu; aber dann konnten sie es nicht lassen, sich an der Arbeit zu beteiligen. Denn es mochte wohl sehr vergnüglich sein, wenn der Bauer im Frühjahr seinen Acker bestellt und dabei an das Getreide denkt, das aus der Erde herauswachsen soll, aber dies war doch noch verlockender.

Hier sollten nicht nur schwache Halme aus dieser Saat aufgehen, sondern starke Bäume mit hohen Stämmen und mächtigen Zweigen. Hier handelte es sich nicht nur darum, die Ernte eines Sommers hervorzurufen, sondern Wachstum für viele Jahre. Das hier bedeutete so viel, wie Insektensummen, Drosselschlag und Auerhahnbalzen hervorzurufen und ungezähltes Leben auf dem Brandplatz zu wecken. Und dann war es auch wie ein Denkmal, das man für die kommenden Geschlechter errichtete. Bisher hätte man ihnen einen kahlen, nackten Berg als Erbe hinterlassen, jetzt aber sollten sie einen stolzen Wald dafür bekommen; und wenn die Nachkommen dies erkannten, dann verstanden sie sicher auch, daß ihre Vorfahren gute und kluge Leute gewesen waren, und darum würden sie mit Ehrerbietung und Dankbarkeit der Vorfahren gedenken.

40
Ein Tag in Hälsingeland

Ein großes grünes Blatt

Donnerstag, 16. Juni

Am nächsten Morgen ritt der Junge auf Gorgos Rücken über Hälsingeland hin. Hellschimmernd lag es unter ihm; die Nadelholzbäume hatten hellgrüne Triebe, die Birkengehölze frisches Laub, die Wiesen neues saftiges Gras, und auf den Äckern wogte die junge, grüne Saat. Es war ein hochgelegenes, bergiges Land, aber mitten hindurch zog sich ein offenes, lachendes Tal, und von diesem erstreckten sich bald kurze und enge, bald lange und breite Täler nach beiden Seiten ins Land hinein.

„Dieses Land werde ich wohl mit dem Blatt eines Baumes vergleichen müssen,“ dachte Nils Holgersson, „denn es ist so grün wie ein Blatt, und die Täler verzweigen sich ungefähr in derselben Weise, wie die Rippen auf einem ausgebreiteten Blatte.“

Von dem großen Haupttal zweigten sich zuerst gewaltige Seitentäler ab, eins nach Osten, eins nach Westen. Dann schickte es nur noch kleine Täler aus, bis es ziemlich weit nach Norden gekommen war. Da streckte es wieder zwei starke Arme aus, lief alsdann noch eine Strecke weiter, wurde hierauf immer schmäler und verlor sich schließlich in der Wildnis.

Mitten durch das große Tal floß ein breiter, prächtiger Fluß, der sich an vielen Stellen zu Seen erweiterte. Ganz dicht am Flusse lagen Wiesen, die mit kleinen grauen Scheunen wie übersät waren; nach diesen Wiesen kamen die Äcker, und an der Talgrenze, wo der Wald einsetzte, standen die Höfe. Diese waren stattlich und schön gebaut, einer lag neben dem andern in einer fast ununterbrochenen Reihe. Die Kirchen ragten am Flußufer hoch empor, und rings um diese sammelten sich die Höfe zu großen Dörfern. Andre Häusergruppen drängten sich um die Bahnhöfe zusammen, sowie um die Sägewerke, die da und dort an den Seen und Flüssen lagen und leicht zu erkennen waren an den großen Bretterstapeln, die sich ringsherum auftürmten.

Die Seitentäler waren ebenso wie das mittlere Tal voller Seen und Wiesen, Dörfern und Gehöften. Lachend und freundlich glitten sie zwischen die dunklen Berge hinein, von denen sie allmählich so zusammengepreßt wurden, daß sie schließlich ganz schmal waren und nur noch für einen kleinen Bach Platz hatten.

Auf den Bergkuppen zwischen den Tälern ragte der Nadelwald auf. Er hatte keinen ebenen Boden, und eine Menge Felsblöcke lagen da droben wild durcheinander, aber der Wald verdeckte alles wie eine Pelzdecke, die über einen eckigen Körper gebreitet ist.

Ja, es war ein schönes Land, und der Junge sah auch ein gut Teil davon, denn der Adler suchte ja den alten Spielmann Klement Larsson; und so flog er, immerfort nach dem alten Manne ausspähend, unermüdlich von Tal zu Tal.

Als der Morgen anbrach, entstand Leben und Bewegung auf den Höfen. An den Kuhställen, die in diesem Lande sehr groß und hoch sind und sowohl Schornsteine als auch breite Fenster haben, wurden die Türen sperrangelweit aufgemacht und die Kühe herausgelassen; es waren schöne weiße feingebaute und geschmeidige Tiere, überaus sicher auf den Füßen und so munter, daß sie die lächerlichsten Sprünge machten. Die Kälber und Schafe wurden auch herausgelassen, und auch diese waren unverkennbar in der allerbesten Laune.

Und mit jedem Augenblick wurde es lebendiger auf den Höfen. Ein paar junge Dirnen mit Ranzen auf dem Rücken gingen zwischen dem Vieh umher. Ein Junge mit einem langen Stock in der Hand hielt die Schafe beieinander, ein Hündchen lief zwischen den Kühen umher und bellte solche Tiere, die sich stoßen wollten, zornig an. Der Bauer spannte ein Pferd vor einen Karren und belud ihn mit Butterkübeln, Käseformen und allerlei Lebensmitteln. Fröhliches Lachen und Singen ertönte, und das Vieh war so vergnügt, wie wenn heute ein besonderer Festtag wäre.

Bald darauf waren alle miteinander auf dem Wege nach dem Walde. Eine von den Mägden ging an der Spitze und lockte das Vieh mit schönen Jodlern. Hinter ihr kam der Zug in einer langen Reihe. Der Hirtenjunge und der Hirtenhund liefen hin und her und gaben wohl acht, daß keines der Tiere vom Wege abwich. Ganz hinten kamen der Bauer und sein Knecht. Sie gingen neben dem Karren, um ihn vor dem Umstürzen zu bewahren, denn es ging einen gar schmalen, steinigen Waldpfad hinauf.

Entweder ist es in Hälsingeland Sitte, daß die Bauern ihr Vieh an ein und demselben Tage in die Wälder schicken, oder es traf sich in diesem Jahre zufälligerweise so. Soviel ist sicher, Nils Holgersson sah solche fröhlichen Züge von Menschen und Vieh aus jedem Tal und jedem Hof nach dem öden Walde hinaufziehen und diesen mit Leben erfüllen. Aus den dunkeln Wäldern heraus hörte er den ganzen Tag das Jodeln der Sennerinnen und das Läuten der Kuhglocken. Die meisten hatten einen langen beschwerlichen Weg vor sich, und der Junge sah, wie sie mit großer Mühe über sumpfige Moore hinzogen und, um einen Windbruch zu vermeiden, oft große Umwege machen mußten. Die Karren stießen oft gegen Steinblöcke und stürzten um; aber die Männer überwanden alle Schwierigkeiten mit fröhlichem Lachen und unverwüstlicher Laune.

Im Lauf des Nachmittags gelangten die Wanderer auf ausgerodete Plätze, wo ein niedriger Kuhstall und einige kleine graue Hütten standen. Als die Kühe den Platz zwischen den Hütten erreicht hatten, brüllten sie vergnügt, als erkennten sie den Ort wieder, und fraßen sogleich von dem grünen saftigen Gras. Unter Scherzen und lustigen Reden holten die Leute Wasser und Brennholz herbei, und was auf dem Karren war, wurde in die größte der Hütten hineingetragen. Bald stieg der Rauch aus dem Schornstein auf, dann setzten sich die Sennerinnen, der Hirtenjunge und die Männer draußen im Freien um einen flachen Stein, der als Tisch diente, und hielten ihre Mahlzeit.

Der Adler Gorgo war fest überzeugt, daß er Klement Larsson unter diesen Leuten, die auf dem Wege in den Wald waren, finden würde. Sobald er einen Viehzug entdeckte, ließ er sich hinabsinken und untersuchte ihn mit seinem scharfen Auge. Aber eine Stunde um die andre verging, und noch immer hatte er Klement nicht gefunden.

 

Nachdem er sehr oft hin und her geflogen war, erreichte der Adler gegen Abend eine bergige, einsame, östlich von dem großen Haupttal gelegene Gegend. Wieder sah er eine Sennhütte unter sich; die Leute und das Vieh waren schon angekommen, die Männer spalteten Brennholz, und die Mägde melkten die Kühe.

„Sieh dort!“ rief Gorgo. „Ich glaube, jetzt haben wir ihn!“

Er ließ sich hinuntersinken, und zu seiner großen Verwunderung sah Nils Holgersson, daß Gorgo recht hatte. Da stand wirklich der kleine Klement Larsson und machte Brennholz klein.

Gorgo ließ sich eine kurze Strecke von der Sennhütte entfernt im Walde nieder.

„Nun habe ich ausgeführt, was ich übernommen hatte,“ sagte er und warf den Kopf stolz zurück. „Jetzt mußt du sehen, daß du mit dem Manne sprichst. Ich werde mich inzwischen auf jenen dichten Tannenwipfel dort setzen und auf dich warten.“