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Gösta Berling: Erzählungen aus dem alten Wermland

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Unter all den Hunderten, die am Ufer des Gießbaches arbeiten und sich bewegen, ist sie die einzige, die stillsitzt, und sein Blick sucht sie unaufhörlich, er sieht niemand außer ihr.

Sie sitzt so weit hinaus, daß die Wellen gegen ihre Füße schlagen und sie mit ihrem Schaum bespritzen. Sie muß ganz durchnäßt sein. Sie ist dunkel gekleidet, trägt einen großen Schal um den Kopf und sitzt zusammengekauert da, das Kinn in die Hände gestützt, und starrt unablässig zu ihm dort oben auf dem Wellenbrecher hinüber. Er fühlt, daß diese starrenden Augen ziehen und locken, obwohl er nicht einmal ihr Antlitz unterscheiden kann, er denkt nur an sie, wie sie dort am Ufer zwischen den weißen Wogen sitzt.

»Das ist die Meermaid aus dem Löfsee, die hier in den Bach hinausgekommen ist, um mich ins Unglück zu locken«, denkt er. »Sie sitzt da und lockt – ich muß sie noch fortjagen.«

Es ist ihm, als seien alle diese Wellen mit den weißen Kämmen das Heer der schwarzen Frau; sie hat sie aufgestachelt, sie hat sie zum Angriff gegen ihn geführt.

»Ich bin ja gezwungen, sie fortzujagen«, sagt er.

Er ergreift einen Bootshaken, springt ans Land und eilt zu der Frauengestalt hin. Er verläßt seinen Platz auf der äußersten Spitze des Wellenbrechers, um die Meerfrau zu vertreiben. Es ist ihm in diesem Augenblick der Erregung, als kämpften die bösen Mächte der Tiefe gegen ihn. Er weiß nicht, was er denkt, was er glaubt – er muß die schwarze Gestalt dort vom Stein am Elfufer fortjagen.

Ach, Gösta! Weshalb steht dein Platz im entscheidenden Augenblick leer? Jetzt kommen sie mit dem Notdamm, eine lange Reihe von Männern stellt sich auf dem Wellenbrecher auf; sie haben Stricke und Steine und Sandsäcke bereit, um ihn zu beschweren und ihn niederzuhalten; sie stehen bereit, sie warten, sie lauschen. Wo ist der Befehlshaber? Vernimmt man denn seine Stimme nicht, die gebieten und anordnen soll?

Aber Gösta Berling macht Jagd auf die Meerfrau. Sie sah ihn, wie er mit dem Bootshaken auf sie zugestürzt kam. Ihr ward bange. Es sah aus, als wolle sie sich ins Wasser stürzen, aber sie besinnt sich und flüchtet ans Land.

»Meerweib!« ruft Gösta und schwingt den Bootshaken über ihr. Sie läuft zwischen das Erlengestrüpp am Ufer, das hält sie mit seinen dichten Zweigen fest, und sie bleibt stehen.

Da wirft Gösta Berling den Bootshaken hin und legt ihr seine Hand auf die Schulter.

»Sie sind in dieser Nacht spät draußen, Gräfin Elisabeth!« sagt er.

»Lassen Sie mich, Herr Berling! Lassen Sie mich nach Hause gehen!«

Er gehorcht augenblicklich und wendet sich von ihr ab.

Da sie aber nicht nur eine vornehme Dame, sondern auch ein herzensgutes Geschöpf ist, das den Gedanken nicht ertragen kann, einen Menschen zur Verzweiflung getrieben zu haben, da sie ein kleines Blumenmädchen ist, das stets Rosen genug in ihrem Korb hat, um den einsamsten Weg damit zu schmücken, bereut sie es sofort, geht hinter ihm drein und ergreift seine Hand.

»Ich kam«, sagte sie stammelnd – »ich kam, um – ach, Herr Berling! Sie haben es doch nicht getan – sagen Sie, daß Sie es nicht getan haben! Ich ward so erschrocken, als Sie hinter mir hergelaufen kamen, und doch habe ich nur Sie gesucht. Ich wollte Sie bitten, zu vergessen, was ich neulich gesagt habe, und wieder zu uns zu kommen wie ehedem.«

»Wie sind die Frau Gräfin hierhergekommen?«

Sie lacht nervös. »Ich wußte ja, daß ich zu spät kommen würde, aber ich wollte niemand erzählen, daß ich hierherging, und dann wissen Sie ja, kann man nicht mehr über den See fahren.«

»Sind die Frau Gräfin über den See gegangen?«

»Freilich bin ich das. Aber, Herr Berling, sagen Sie mir doch – sind Sie verlobt? Sie begreifen wohl, daß ich es sehr gern sehen würde, wenn es nicht der Fall wäre! Es ist ja doch ein Unrecht, und ich habe ein Gefühl, als wenn ich schuld an dem Ganzen wäre. Sie hätten keinen so großen Wert auf meine Worte legen sollen! Ich bin eine Fremde, die die Sitten des Landes nicht kennt. Es ist so leer auf Borg gewesen, seit Sie Ihre Besuche eingestellt haben, Herr Berling.«

Wie Gösta Berling so dasteht zwischen dem nassen Erlengestrüpp auf dem sumpfigen Boden, ist es ihm, als wenn ihn jemand über und über mit Rosen bestreue. Er watet bis an die Knie in Rosen, sie schimmern im Dunkeln vor seinen Augen, begehrlich atmet er ihren Duft ein.

»Ist es wirklich geschehen?« wiederholt sie.

Er muß sich entschließen, ihr zu antworten und ihrer Angst ein Ende zu machen, obwohl er so glücklich darüber ist. Wie warm es doch in ihm wird, und wie hell, wenn er daran denkt, welchen Weg sie zurückgelegt hat, wie naß sie ist, wie erfroren, wie angsterfüllt sie sein muß, und wie verweint ihre Stimme klingt.

»Nein,« sagt er, »ich bin nicht verlobt.«

Da ergreift sie noch einmal seine Hand und streichelt sie. »Ich bin so glücklich, so glücklich!« sagt sie, und ihre Brust, die die Angst zusammengeschnürt hatte, erbebt jetzt von Schluchzen.

Da ist der Weg des Poeten ganz mit Blumen bedeckt. Alles Dunkle, Böse und Gehässige schmilzt aus seinem Herzen fort.

»Wie gut Sie sind, wie gut Sie sind!« sagt er.

Dicht neben ihnen laufen die Wogen Sturm gegen Ekebys ganze Herrlichkeit und Ehre. Jetzt haben die Leute keinen Führer mehr, niemand, der ihnen Mut und Hoffnung einflößt, jetzt stürzt der Wellenbrecher, die Wogen schlagen darüber zusammen und stürzen sich siegesstolz gegen die Landzunge, wo die Mühle und die Schmiede liegen. Niemand arbeitet mehr, um den Wellen Widerstand zu leisten, niemand denkt an etwas anderes, als sein Leben und sein Hab und Gut zu retten.

Die beiden jungen Menschen finden es ganz in der Ordnung, daß Gösta die Gräfin nach Hause begleiten muß; er kann sie ja nicht allein lassen in der dunklen Nacht, kann sie nicht noch einmal allein über das schmelzende Eis wandern lassen. Sie denken nicht einmal daran, daß man seiner oben bei der Schmiede bedarf, sie sind so glücklich, daß die alte Freundschaft jetzt wiederhergestellt ist.

Es liegt so nahe zu glauben, daß diese jungen Menschenkinder eine warme Liebe zueinander hegen, aber wer kann das sicher wissen? In abgerissenen, einzelnen Stücken ist das strahlende Märchen ihres Lebens bis zu mir gelangt. Ich weiß ja nichts, so gut wie nichts von dem, was in ihrer innersten Seele wohnte. Was kann ich von den Beweggründen zu ihren Handlungen sagen? Ich weiß nur, daß eine junge Frau in jener Nacht ihr Leben, ihre Gesundheit, ihre Ehre, ihren guten Namen aufs Spiel setzte, um einen armen, elenden Mann wieder auf den rechten Weg zurückzuführen. Ich weiß nur, daß Gösta Berling in jener Nacht den Glanz und die Macht des geliebten Besitztums fallen ließ, um sie zu begleiten, die um seinetwillen die Furcht vor dem Tode, die Furcht vor der Schande, die Furcht vor der Strafe überwunden hatte.

Oft habe ich sie in Gedanken in dieser entsetzlichen Nacht über das Eis verfolgt, in dieser Nacht, die doch für sie ein so gutes Ende nahm. Ich glaube nicht, daß sich etwas Verstecktes, Verbotenes in ihrer Seele findet, das unterdrückt, das erstickt werden muß, gerade jetzt, wo sie über das Eis wandern, fröhlich über alles plaudernd, was ihnen während dieser Zeit der Trennung begegnet ist.

Er ist wieder ihr Sklave, ihr Page, der zu ihren Füßen liegt, und sie ist seine Dame. Sie sind nur froh, nur glücklich. Keins von beiden sagt ein Wort, das von Liebe spricht. Lachend patschen sie durch das Wasser am Ufer. Sie lachen, wenn sie den Weg finden, wenn sie sich verirren, wenn sie ausgleiten, wenn sie fallen, wenn sie wieder aufstehen – stets lachen sie.

Es ist wieder zu einem fröhlichen Spiel geworden, dies schöne Leben, und sie sind Kinder, die unartig waren und sich gezankt haben. Ach, wie schön ist es, wieder versöhnt zu sein und das Spiel von neuem zu beginnen!

Die Gerüchte kamen und die Gerüchte gingen. Im Laufe der Zeiten kam die Erzählung von der Wanderung der Gräfin auch bis zu Anna Stjärnhök.

»Da sieht man doch,« sagte sie, »daß Gott mehr als eine Saite auf seinem Bogen hat. Ich will mein Herz zur Ruhe bringen und bleiben, wo man meiner bedarf. Gott kann auch ohne meine Hilfe einen Mann aus Gösta Berling machen.«

Buße

Liebe Freunde! Wenn es geschehen sollte, daß ihr einem Armen, Elenden auf eurem Wege begegnet, einem betrübten Wesen, das den Hut auf den Rücken herabhängen läßt und seine Schuhe in der Hand trägt, um keinen Schutz gegen den Sonnenbrand und gegen die Steine des Weges zu haben, einem Verteidigungslosen, der aus freiem Willen alles Böse auf sein Haupt herabbeschwört, so geht mit stillem Beben an ihm vorüber. Es ist ein Büßer, versteht ihr wohl, ein Büßer auf der Wanderung zum Heiligen Grabe.

Der Bußfertige muß einen groben Mantel tragen und von Wasser und Brot leben, selbst wenn er ein König ist. Er muß gehen und darf nicht fahren. Er muß betteln und darf nichts besitzen. Er muß zwischen den Disteln schlafen, auf den Knien über die harten Grabsteine rutschen. Er muß die knotige Geißel über seinem Rücken schwingen und kann keinen Genuß finden außer im Leiden, keine Freude außer im Kummer.

Die junge Gräfin Elisabeth gehörte einstmals zu denen, die den groben Mantel trugen und die dornenvollen Pfade gingen. Ihr Herz klagte sie der Sünde an. Es trachtete nach Schmerz wie der Müde nach einem warmen Bade. Not und Elend brachte sie über sich, indem sie jubelnd in die Nacht des Lebens hinabstieg.

Ihr Mann, der junge Graf mit dem alten Kopf, kehrte am Morgen nach jener Nacht, in der die Frühlingsfluten die Ekebyer Mühle und Schmiede vernichtet hatten, von seiner Reise heim. Er war kaum angelangt, als Gräfin Märta ihn rufen ließ und ihm wunderliche Dinge erzählte.

»Deine Frau ist über Nacht ausgewesen, Henrik. Sie ist viele Stunden fortgewesen. Sie kam in Begleitung eines Mannes zurück. Ich hörte, wie er ihr ‘Gute Nacht’ sagte; ich weiß auch, wer er ist. Ich hörte es, als sie ging und als sie kam, wenn das auch wohl kaum ihre Absicht gewesen ist. Sie hintergeht dich, Henrik! Sie hintergeht dich, das scheinheilige Wesen, das filierte Gardinen vor alle Fenster hängt, nur um mich zu ärgern. Sie hat dich nie geliebt, mein armer Junge. Ihr Vater wollte sie nur gut verheiratet wissen. Sie nahm dich, um versorgt zu sein.«

 

Sie machte ihre Sache so gut, daß Graf Henrik ganz außer sich geriet. Er wollte eine Scheidung beantragen. Er wollte seine Frau zu ihrem Vater zurücksenden.

»Nein, mein Sohn,« sagte Gräfin Märta, »auf die Weise würde sie völlig zugrunde gehen. Sie ist verzärtelt und hat eine schlechte Erziehung gehabt. Ich will mich ihrer annehmen, ich will sie auf den Weg der Pflicht zurückführen.«

Und der Graf rief die junge Gräfin herein und sagte ihr, daß sie fortan unter seiner Mutter stehen solle. Ach, welch eine Szene nun folgte! Eine elendere Komödie ist wohl niemals in diesem der Trauer geweihten Hause gespielt worden.

Viele böse Worte ließ er sie hören. Er erhob die Hände gen Himmel und klagte Gott an, weil er es erlaubt hatte, daß sein Name von einer schamlosen Frau in den Schmutz geschleppt wurde. Er drohte ihr mit der geballten Faust und fragte, welche Strafe sie groß genug für ihr Verbrechen halte.

Sie war gar nicht bange vor ihrem Mann. Sie glaubte noch immer, daß sie recht gehandelt habe. Sie sagte, sie habe schon einen schrecklichen Schnupfen bekommen, das sei doch wohl Strafe genug.

»Elisabeth!« sagte Gräfin Märta, »dies ist nichts, worüber man scherzen kann.«

»Wir beide«, erwidert die junge Frau, »haben uns nie darüber einigen können, wann es Zeit sei, zu scherzen oder ernsthaft zu sein.«

»Aber du mußt doch begreifen können, Elisabeth, daß keine ehrbare Frau ihr Haus mitten in der Nacht verlassen und mit einem berüchtigten Abenteurer umherstreifen kann.«

Da begriff Elisabeth, daß ihre Schwiegermutter beschlossen hatte, sie ins Elend zu stürzen. Sie begriff, daß sie bis zum äußersten kämpfen müsse, damit es dieser Frau nicht gelänge, ein schreckliches Unglück über sie zu bringen.

»Henrik,« bittet sie, »laß deine Mutter sich nicht zwischen uns stellen. Ich will dir erzählen, wie das Ganze sich zugetragen hat. Du bist gerecht, du wirst mich nicht ungehört verurteilen. Ich will dir alles erzählen und du wirst sehen, daß ich so handelte, wie du mich zu handeln gelehrt hast.«

Der Graf nickte schweigend als Zeichen seiner Zustimmung, und nun erzählte Gräfin Elisabeth, wie sie dazu gekommen war, Gösta Berling auf den Weg des Bösen zu stoßen. Sie erzählte alles, was sich in dem kleinen blauen Kabinett zugetragen hatte, und wie ihr Gewissen sie getrieben, den zu retten, dem sie unrecht getan.

»Ich hatte ja kein Recht, ihn zu verurteilen,« sagte sie, »und mein Mann hat mich selbst gelehrt, daß kein Opfer zu groß ist, wenn man ein Unrecht wieder gutmachen will. Nicht wahr, Henrik?«

Graf Henrik wandte sich an seine Mutter.

»Was sagst du dazu, Mutter?« fragte er. Sein kleiner Körper war jetzt ganz steif vor Würde, und seine hohe, schmale Stirn hatte er in majestätische Falten gelegt.

»Ich,« erwiderte die Gräfin, »ich sage, daß Anna Stjärnhök ein kluges Mädchen ist und daß sie wohl wußte, was sie tat, als sie Elisabeth diese Geschichte erzählte.«

»Du beliebst mich mißzuverstehen, Mutter,« sagte der Graf. »Ich frage, was du zu dieser Geschichte sagst. Hat Gräfin Märta Dohna versucht, ihre Tochter, meine Schwester, zu einer Ehe mit einem abgesetzten Geistlichen zu überreden?«

Gräfin Märta schwieg einen Augenblick. Ach, wie dumm dieser Henrik doch war! Jetzt war er auf ganz falscher Fährte. Der Jagdhund verfolgte den Jäger selbst und ließ den Hasen laufen. Aber wenn Märta Dohna auch einen Augenblick um die Antwort verlegen gewesen war, so besann sie sich doch schnell.

»Lieber Sohn,« sagte sie mit einem Achselzucken, »wir haben allen Grund, diese alten Geschichten von dem unglücklichen Mann ruhen zu lassen, es ist derselbe Grund, der mich jetzt veranlaßt, dich zu bitten, allen öffentlichen Skandal zu vermeiden. Es ist nämlich höchstwahrscheinlich, daß er in dieser Nacht ums Leben gekommen ist.«

Sie sprach in einem sanften, beklagenden Ton, aber es war kein wahres Wort an ihrer Rede.

»Elisabeth hat heute lange geschlafen und hat deswegen nicht gehört, daß schon Leute rings um den See herum entsandt sind, um Herrn Berling zu suchen. Er ist nicht nach Ekeby zurückgekehrt, und man fürchtet, daß er ertrunken ist. Das Eis ist heute morgen aufgegangen. Sieh nur, der Sturm hat es in tausend Stücke zersplittert.«

Gräfin Elisabeth schaute hinaus, der See lag beinahe eisfrei da. Da schämte sie sich ihrer selbst. Sie hatte Gottes Gerechtigkeit entgehen wollen. Sie hatte gelogen und geheuchelt. Sie hatte sich in den weißen Mantel der Unschuld gehüllt.

Die Verzweifelte warf sich vor ihrem Gatten auf die Knie, und das Bekenntnis rang sich aus ihrer Brust:

»Richte mich! Verstoße mich! Ich habe ihn geliebt. Ich zerraufe mir das Haar, ich zerreiße meine Kleider vor Kummer. Mir ist alles gleichgültig, jetzt, wo er tot ist. Ich mache mir nichts daraus, mich zu verteidigen. Du sollst die ganze Wahrheit erfahren. Ich habe meinem Manne die Liebe meines Herzens entzogen und sie einem Fremden geschenkt. Ach, ich Unglückliche, ich habe mich zu verbotener Liebe verlocken lassen!«

Du junge Verzweifelte! Liege da zu den Füßen deiner Richter und sage ihnen alles! Willkommen, Martyrium, willkommen, Entehrung, willkommen! Ach, wie kannst du nur den Blitz des Himmels zwingen, auf dein junges Haupt herabzufahren?

Sage deinem Gatten, wie du dich entsetzt hast, als die Leidenschaft dich überwältigt hat, wie du bebtest über die Schlechtigkeit deines Herzens. Lieber wärest du den Gespenstern auf dem Kirchhof begegnet, als den Dämonen in deiner eigenen Brust.

Sage ihnen, wie du, die du von Gottes Angesicht verwiesen warst, dich unwürdig fühltest, auf der Erde zu wandeln. In Gebet und Tränen hast du gerungen. »Ach, Gott, errette mich! Ach, Sohn Gottes, du, der du die bösen Geister austreibst, errette mich vor dem Verderben!« So hast du gefleht.

Sage ihnen, daß du glaubtest, es sei das beste, alles zu verbergen. Niemand sollte deine Schlechtigkeit kennen lernen. Du glaubtest, daß es Gott wohlgefällig sei, wenn du so handeltest. Du glaubtest auch, daß du auf Gottes Wegen wandeltest, als du den Mann erretten wolltest, den du liebtest. Er ahnte nichts von deiner Liebe. Er sollte deinetwegen nicht ins Verderben geraten. Wußtest du, was recht war? Wußtest du, was unrecht war? Gott allein wußte es, und er hatte dich gerichtet. Er hatte den Abgott deines Herzens getroffen. Er hatte dich auf den großen, erlösenden Weg der Buße geführt.

Sage ihnen, daß du es weißt, daß in der Verheimlichung keine Erlösung liegt. Die Dämonen lieben die Finsternis. Laß sich die Hände deiner Richter nur um die Geißel ballen! Die Strafe wird wie lindernder Balsam auf die Wunden der Sünde fallen. Dein Herz sehnt sich nach dem Leiden.

Sag ihnen dies alles, während du auf den Knien liegst und die Hände in namenlosem Schmerz ringst, mit dem wilden Tonfall der Verzweiflung redest und mit wildem Lachen den Gedanken an Strafe und Entehrung begrüßest, bis dein Mann dich nimmt und dich vom Boden hebt.

»Benimm dich, wie es sich für eine Gräfin Dohna geziemt, sonst muß ich meine Mutter bitten, dich wie ein Kind zu züchtigen.«

»Tue mit mir, was du willst!«

Da fiel das Urteil des Grafen: »Meine Mutter hat für dich gebeten, deswegen darfst du hier in meinem Hause wohnen. In Zukunft aber wird sie befehlen, und du wirst gehorchen.«

Seht den Weg der Buße!

Die junge Gräfin ist die Geringste von allen Dienstmägden geworden. Wie lange, ach, wie lange?

Wie lange wird ein stolzes Herz sich beugen können? Wie lange werden ungeduldige Lippen schweigen können, wie lange wird eine heftige Hand zurückzuhalten sein?

Wohltuend ist das Elend der Erniedrigung. Während der Rücken von der harten Arbeit schmerzt, schweigt das Herz. Zu dem, der nur wenige kurze Stunden auf einem harten Strohlager schläft, kommt der Schlaf ungerufen.

Selbst wenn sich die alte Frau in einen bösen Geist verwandelt, um die junge hinreichend peinigen zu können, so dankt sie ihrer Wohltäterin. Noch ist das Böse nicht in ihr erstorben. Jage die Todmüde des Morgens um vier Uhr auf! Gib der ungeübten Arbeiterin ein unmäßiges Tagewerk an dem schweren Webstuhl! Das ist gut. Die Büßerin hat vielleicht selber nicht Kraft genug, die Geißel mit genügender Heftigkeit zu schwingen.

Als die große Frühlingswäsche kommt, läßt Gräfin Märta sie an dem Waschzober im Waschhaus stehen. Sie kommt selbst, um sich nach ihrer Arbeit umzusehen. »Dein Wasser ist zu kalt«, sagt sie, schöpft siedendes Wasser aus einem Kessel und gießt es über ihre nackten Arme.

Es ist ein kalter Tag, als die Waschfrauen am See stehen und die Wäsche spülen müssen. Regenschauer ziehen über sie hin und durchnässen sie bis auf die Haut. Ihre Kleider sind schwer wie Blei. Die Arbeit mit dem Waschholz ist hart. Das Blut springt ihr unter den feinen Nägeln heraus.

Aber Gräfin Elisabeth klagt nicht. Gelobt sei Gottes Güte! Gibt es wohl eine andere Erquickung für die bußfertige Seele als das Leiden? Die scharfen Knoten der Geißel fallen weich wie Rosenblätter auf den Rücken der Bußfertigen.

Die junge Frau erfährt bald, daß Gösta Berling lebt. Die Alte hat ihr nur ein Geständnis entlocken wollen. Ja, was dann? Es ist Gottes Wille gewesen! Auf die Weise hat er die Sünderin auf den Weg der Buße gelockt.

Nur eins beängstiget sie. Wie soll es ihrer Schwiegermutter ergehen, deren Herz Gott um ihretwillen so verhärtet hat? Ach, er wird sie milde richten. Sie muß böse sein, um der Sünderin zu helfen, Gottes Liebe wieder zu gewinnen.

Sie weiß nicht, wie oft eine Seele, die alle anderen Genüsse gekostet hat, eine wahre Wollust in der Grausamkeit sucht. Wenn die unduldsame, verfinsterte Seele Schmeicheleien und Liebkosungen und den Rausch des Tanzes und den Reiz des Spiels entbehren muß, da taucht sie in ihre finstere Tiefe hinab und holt die Grausamkeit hervor. Es gibt noch einen Freudenquell für die erschlafften Gefühle, nämlich die Tier- und Menschenquälerei.

Die Alte ist sich keiner Bosheit bewußt. Sie glaubt nur, daß sie eine leichtfertige Gattin züchtigt; und so liegt sie denn des Nachts oft stundenlang wach und grübelt über neue Martern nach. Wehe ihr, welche Tempelschändung begeht sie! Die Arbeit, diese große Wohltat, verwandelt sie in eine Marter, in eine Strafe!

Eines Abends geht sie durch das Haus und läßt sich von der jungen Gräfin mit einem Licht leuchten. Sie trägt es ohne Leuchter in der Hand.

»Das Licht ist herabgebrannt«, sagt die Junge.

»Ist das Licht herabgebrannt, so laß den Leuchter brennen«, erwidert Gräfin Märta.

Und sie gehen weiter, bis der qualmende Docht auf der verbrannten Hand erlischt.

Aber dies sind nur Kleinigkeiten. Es gibt Qualen für die Seele, die alle körperliche Pein übersteigen. Gräfin Märta ladet Besuch ein und läßt die Hausfrau die Gäste an ihrem eigenen Tische bedienen.

Siehe, dies ist der große Tag der Bußfertigen! Fremde Menschen sollen sie in ihrer Erniedrigung sehen. Sie sollen sehen, daß sie nicht mehr würdig ist, an ihres Mannes Tische zu sitzen.

O, mit welchem kalten Hohn werden die kalten Blicke nicht auf ihr ruhen!

Aber es soll tausendmal schlimmer werden! Kein Blick begegnet dem ihren. Alle am Tische, Männer wie Frauen, sitzen schweigsam, verstimmt da.

Sie aber sammelt das alles wie glühende Kohlen und legt sie auf ihr Haupt. Ist ihre Sünde denn so erschrecklich? Ist es eine Schande, in ihrer Nähe zu weilen?

Und dann kommt die Versuchung: Anna Stjärnhök, die ihre Freundin gewesen ist, und der Amtmann aus Munkernd, Annas Tischnachbar, umarmen sie, als sie zu ihnen kommt, nehmen ihr die Bratenschüssel aus der Hand, schieben ihr einen Stuhl hin und wollen sie nicht loslassen.

»Setz dich zu uns, mein Kind«, sagt der Amtmann; »du hast nichts Böses getan.«

Und wie aus einem Munde erklären alle Gäste, wenn sie nicht am Tische sitzen bleibt, so werden sie das Haus verlassen. Sie sind keine Büttel. Sie tanzen nicht nach Gräfin Märtas Pfeife. Sie lassen sich nicht so leicht zum Narren haben wie der schwachsinnige Graf!

»Ach, ihr guten Herren! Ach, ihr lieben Freunde! Seid nicht so barmherzig! Ihr zwingt mich, meine Sünde selber auszuposaunen. Da ist einer, den ich zu lieb gehabt habe.«

»Aber Kind, du ahnst ja nicht, was Sünde ist! Du weißt nicht, wie unschuldig du bist. Gösta Berling wußte ja nicht einmal, daß du ihn liebhattest. Nimm jetzt wieder deinen Platz in deinem Hause ein! Du hast nichts Böses getan.«

 

Sie halten ihren Mut eine Zeitlang aufrecht und sind selbst plötzlich fröhlich wie die Kinder. Scherz und Lachen erschallt rings im Kreise. Die heißblütigen, leichtgerührten Menschen sind so gut; aber trotzdem sind sie vom Versucher gesandt. Sie wollen ihr einreden, daß sie eine Märtyrerin ist, und verhöhnen Gräfin Märta ganz öffentlich, als sei sie eine alte Hexe. Aber sie verstehen es nicht. Sie wissen nicht, wie sich die Seele nach Reinheit sehnt, sie wissen nicht, wie der Bußfertige von seinem Herzen gezwungen wird, sich den Steinen des Weges und dem Brand der Sonne auszusetzen.

Zuweilen muß Gräfin Elisabeth ganze Tage still am Stickrahmen sitzen, und da erzählt die alte Gräfin ihr unendliche Geschichten von Gösta Berling, diesem Pfarrer und Abenteurer. Reicht ihr Gedächtnis nicht aus, so erdichtet sie etwas und sorgt nur dafür, daß sein Name der jungen Frau den ganzen Tag in den Ohren klingt. Das fürchtet sie am meisten. An solchen Tagen sieht sie ein, daß ihre Buße niemals ein Ende nehmen wird. Ihre Liebe will nicht sterben. Sie glaubt, daß sie selber eher sterben wird. Ihre Körperkräfte fangen an zu schwinden. Sie ist oft sehr krank.

»Wo bleibt denn dein Ritter?« fragt die Gräfin höhnend. »Tag für Tag habe ich ihn an der Spitze der Kavaliere erwartet. Weshalb erstürmt er Schloß Borg nicht, setzt dich auf den Thron und wirft mich und deinen Mann gebunden in den Turm? Hat er dich schon vergessen?«

Sie empfindet fast das Bedürfnis, ihn zu verteidigen und zu sagen, daß sie selber ihm verboten hat, ihr irgendwelche Hilfe angedeihen zu lassen. Aber nein, es ist am besten zu schweigen, zu schweigen und zu leiden.

Von Tag zu Tage schwindet sie mehr dahin im Feuer der Überanstrengung. Sie fiebert beständig und ist so matt, daß sie sich kaum aufrechtzuhalten vermag. Sie hat nur einen Wunsch: zu sterben. Die starken Kräfte des Lebens sind gebannt. Die Liebe und die Freude wagen nicht, sich zu rühren. Sie hat keine Furcht mehr vor dem Leiden.

Es ist, als habe ihr Mann keine Ahnung mehr von ihrer Existenz. Er sitzt fast den ganzen Tag in seinem Zimmer eingeschlossen und studiert halb unleserliche Handschriften und alten, klecksigen Druck.

Er liest Adelsbriefe auf Pergament mit dem schwedischen Reichssiegel, groß und gewaltig, aus rotem Wachs und in einer gedrechselten hölzernen Kapsel verborgen. Er studiert alte Schildabzeichen mit Lilien in weißem Felde und Greifen in blauem. Auf dergleichen Sachen versteht er sich, die weiß er mit Leichtigkeit auszulegen. Und er liest wieder und wieder alte Leichenreden und Personalia von den edlen Grafen Dohna, in denen ihre Taten mit denen der Helden Israels und der Götter Griechenlands verglichen werden.

Diese alten Sachen haben ihm immer Freude gemacht. An seine junge Frau aber mag er nicht mehr denken.

Gräfin Märta hat ein Wort gesagt, das alle Liebe in ihm ertötet hat: »Sie hat dich deines Geldes wegen genommen!« So etwas kann wohl kein Mann ertragen. Das löscht alle Liebe aus. Jetzt war es ihm einerlei, wie es dieser jungen Frau erging. Wenn seine Mutter sie auf den Weg der Pflicht zurückführte, so war das gut. Graf Henrik hegte eine große Bewunderung für seine Mutter.

Dies Elend währte einen Monat. Aber die ganze Zeit war ja nicht so stürmisch und bewegt, wie es den Anschein haben mag, wenn die Ereignisse auf einige geschriebene Seiten zusammengedrängt sind. Gräfin Elisabeth soll stets ein ruhiges Äußere zur Schau getragen haben. Nur das einemal, als sie hörte, daß Gösta Berling tot sein solle, war sie von Gemütsbewegung überwältigt worden. Aber so groß war ihre Reue darüber, daß sie ihrem Manne ihre Liebe nicht hatte bewahren können, daß sie sich wahrscheinlich von Gräfin Märta hätte zu Tode martern lassen, wenn nicht eines Abends ihre alte Wirtschafterin mit ihr geredet hätte.

»Frau Gräfin müssen mit dem Herrn Grafen sprechen«, sagte sie. »Mein Gott, Frau Gräfin sind so ein Kind. Frau Gräfin wissen wohl selber nicht, was im Anzuge ist, aber ich sehe sehr wohl, wie es damit bestellt ist.«

Aber das war ja gerade dies, was sie ihrem Manne nicht sagen konnte, solange er einen so schwarzen Verdacht gegen sie hegte.

In jener Nacht kleidete sie sich lautlos an und ging aus dem Hause. Sie trug die Kleidung eines gewöhnlichen Bauernmädchens und hatte ein Bündel in der Hand. Es war ihre Absicht, aus ihrem Heim zu entfliehen und nie wieder dahin zurückzukehren. Sie floh nicht, um sich der Qual und der Marter zu entziehen. Jetzt aber glaubte sie, daß Gott ihr ein Zeichen gegeben habe, daß sie gehen dürfe, um die Gesundheit und die Kräfte ihres Körpers zu bewahren.

Sie zog nicht gen Westen über den See; denn dort wohnte der, den sie liebhatte. Sie ging auch nicht gen Norden, denn dort wohnten viele von ihren Freunden, und auch nicht gen Süden, denn weit hinab gen Süden lag ihr Vaterhaus, und dem wollte sie keinen Schritt näher kommen. Sondern sie wanderte gen Osten, dort, wußte sie, hatte sie kein Heim, keinen geliebten Freund, keinen Menschen, den sie kannte, keine Hilfe, keinen Trost.

Sie ging nicht mit leichten Schritten, denn sie glaubte sich nicht mit Gott versöhnt. Aber trotzdem war sie froh darüber, daß sie in Zukunft die Last ihrer Sünde unter Fremden tragen sollte. Gleichgültige Blicke sollten auf ihr ruhen, lindernd wie kalter Stahl, der auf ein geschwollenes Glied gelegt wird.

Sie wollte gehen, bis sie eine armselige Hütte am Waldesrande fand, wo niemand sie kannte. »Ihr seht, wie es um mich steht,« wollte sie sagen, »und meine Eltern haben mich fortgejagt. Gebt mir Nahrung und Kleider und ein schützendes Dach, bis ich mir selbst mein Brot verdienen kann. Ich bin nicht ganz ohne Geld.«

Und so wanderte sie in der hellen Juninacht dahin, denn der Mai war unter ihren schweren Leiden verstrichen. Ach, der Mai, die schöne Zeit, in der die Birken ihr lichtes Grün mit dem Dunkel der Tannenwälder vermischen, wo der Südwind von weither wärmegesättigt über das Meer kommt.

Ich muß undankbarer als andere erscheinen, die du mit deinen Gaben erfreut hast, du schöner Monat! Nicht mit einem Wort habe ich deine Schönheit gepriesen.

Ach, Mai, du lieber, heller Monat! Hast du jemals ein Kind beachtet, das auf seiner Mutter Schoß sitzt und Märchen erzählen hört? Solange das Kind von grausigen Kämpfen und dem bitteren Leiden schöner Prinzessinnen hört, hält es Kopf und Augen offen, wenn aber die Mutter anfängt, von Glück und Sonnenschein zu reden, schließt das Kind die Augen und entschlummert sanft, den Kopf gegen ihre Brust geschmiegt.

Sieh, du schöner Monat, so ein Kind bin auch ich. Laß andere den Erzählungen von Blumen und Sonnenschein lauschen, ich für mein Teil, ich wähle die dunklen Nächte voller Erscheinungen und Abenteuer, ich wähle die dunklen Geschicke, die trauererfüllten Leidenschaften der verirrten Herzen.