Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen

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4.3 Die besonderen Gestaltungsformen des Kaufs

Als besondere „Arten des Kaufs“ regelt das BGB den Vorbehaltskauf (§ 449), den Kauf auf Probe (§§ 454-455), den Wiederkauf (§§ 456-462) den Vorkauf (§§ 463-473) und in einem eigenen Untertitel den „Verbrauchsgüterkauf“, eine europäische Errungenschaft des Verbraucherschutzes, der nur deshalb mit den wenigen Vorschriften der §§ 474-479 auskommt, weil er, über den Verbraucherschutz hinaus, bereits die Sachmängelhaftung der §§ 434-445 auf breiter Front mitgestaltet hat.

Außerhalb des Schuldrechts findet man den Pfandverkauf (§§ 1228 ff.), den Erbschaftskauf (§§ 2371 ff.) und den Handelskauf (§§ 373 ff. HGB).

Das UN-Kaufrecht (Wiener UN-Kaufrechts-Übereinkommen, abgekürzt CISG, vom 11.4.1980) gilt seit 1.1.1991 auch in der Bundesrepublik Deutschland und regelt für die Vertragsstaaten den internationalen Kauf beweglicher Sachen[1].

2. Kapitel Die Ansprüche aus dem Kaufvertrag

1. Die Anspruchsgrundlage

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Mehrfache Anspruchsgrundlage für die beiderseitigen Ansprüche aus einem Kauf ist § 433, gilt unmittelbar zwar nur für den Sachkauf, gemäß § 453 aber entsprechend auch für den Rechtskauf und den Kauf sonstiger Gegenstände.

Dem Sachkäufer gibt § 433 einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung der gekauften Sache (I 1), frei von Sach- und Rechtsmängeln (I 2), dem Verkäufer je einen Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Kaufpreises und auf Abnahme der Sache (II). Das sind die Rechtsfolgen des Kaufs. Anspruchsvoraussetzung ist ein Kaufvertrag. Die Beweislast trägt der jeweilige Anspruchsteller.

Bild 10: Die Ansprüche auf Erfüllung des Kaufvertrags


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2. Die Rechtsfolgen des Kaufvertrags
2.1 Der Anspruch des Käufers einer Sache auf Übergabe und Übereignung

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Wer eine Sache kauft, hat nach § 433 I Anspruch auf Übergabe und Übereignung (S. 1), genauer: auf ungestörten Besitz und mangelfreies Eigentum (S. 2).

Übergabe ist Übertragung des unmittelbaren Besitzes (§ 854 I). Der Käufer klagt auf Herausgabe (vollstreckbar nach §§ 883, 887 III ZPO). Besitzt ein Dritter die Sache, hat der Verkäufer dafür zu sorgen, dass der Dritte dem Käufer die Sache überlasse. Mit mittelbarem Besitz nach §§ 868, 871 muss der Käufer sich ohne besondere Abrede nicht abspeisen lassen. Wer ein Auto kauft, hat auch Anspruch auf den Kfz-Brief, denn er braucht ihn für die Zulassung. Die Übereignung des Autos ersetzt nur die Übereignung des Briefs (§ 952), nicht dessen Übergabe[2].

Wie der Verkäufer übereignen soll, sagt das Sachenrecht: durch abstrakte dingliche Verfügung. Eine bewegliche Sache übereignet er durch Einigung und Übergabe (§ 929 S. 1). Die Einigung ist ein dinglicher Vertrag. Der Käufer klagt auf Annahme seines Angebots (vollstreckbar nach § 894 ZPO). Ein Grundstück wird durch Einigung und Eintragung im Grundbuch übereignet (§ 873). Die Einigung heißt hier Auflassung (§ 925). Der Käufer klagt auf Auflassung, genauer: auf Annahme seines Auflassungsangebots (vollstreckbar nach §§ 894, 895 ZPO). Die Eintragung im Grundbuch kann der Verkäufer nicht selbst vornehmen, aber er kann sie bewilligen und Eintragungshindernisse beseitigen[3]. Da zweifelhaft ist, ob der Käufer für seine Eintragung im Grundbuch neben der Auflassung (§ 20 GBO) auch noch die Eintragungsbewilligung des Verkäufers (§ 19 GBO) brauche, klagt er vorsichtshalber beide ein[4]. Hat der Käufer Anspruch auf eine Grundstücksteilfläche, muss er mit der Auflassungsklage nicht warten, bis die Grundstücksteilung im Grundbuch vollzogen ist, sondern nur den amtlichen Veränderungsnachweis beibringen[5].

Der Käufer hat Anspruch auf eine Rechnung, welche die MwSt besonders ausweist, wenn der Kauf unzweifelhaft der Umsatzsteuer unterliegt; Anspruchsgrundlage ist § 433 I mit § 242[6].

2.2 Der Anspruch des Käufers eines Rechts auf Verschaffung des Rechts

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Den Anspruch aus § 433 I hat nach § 453 I auch der Käufer eines Rechts oder sonstigen Gegenstands, freilich nur in entsprechender Anwendung. Was aber heißt hier „entsprechend“? Ein Recht kann der Verkäufer weder übergeben noch übereignen, sondern nur begründen oder übertragen. Also hat der Käufer Anspruch auf wirksame und mangelfreie Verschaffung des gekauften Rechts oder sonstigen Gegenstandes (RN 125, 126).

2.3 Der Anspruch des Verkäufers auf den Kaufpreis

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Nach § 433 II hat der Verkäufer Anspruch auf den vereinbarten Kaufpreis in Gestalt einer Geldsumme, andernfalls handelt es sich um einen Tausch nach § 480. Der Verkäufer klagt auf bezifferte Zahlung (vollstreckbar nach §§ 803 ff. ZPO).

2.4 Der Anspruch des Verkäufers auf Abnahme der Kaufsache

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Die Abnahme der gekauften Sache, die der Verkäufer nach § 433 II vom Käufer verlangen kann, ist derjenige Teil der Übergabe, der dem Käufer obliegt und den Verkäufer vom lästigen Besitz befreit. Anders als der Besteller eines Werks soll der Käufer die gekaufte Sache nicht billigen, sondern nur entgegennehmen[7]. Meistens ist der Verkäufer aber nur am Kaufpreis interessiert. Auf Abnahme klagt er vielleicht dann, wenn die verkaufte Ware gefährlich oder leicht verderblich ist, der Pflege bedarf oder kostbaren Lagerraum blockiert.

Der Grundstückskäufer ist über den Wortlaut des § 433 II hinaus nicht nur zur Abnahme des Grundstücks, sondern auch noch zur Entgegennahme der Auflassung verpflichtet[8].

Die vertragswidrige Nicht-Abnahme der gekauften Sache verpflichtet den Käufer nach § 280 I 1 zum Schadensersatz[9].

3. Die Anspruchsvoraussetzung: ein Kaufvertrag
3.1 Der Mindestinhalt des Kaufvertrags

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Einzige Anspruchsvoraussetzung des § 433 ist ein Kaufvertrag: die schuldrechtliche Einigung über Ware und Preis. Sie macht einen Vertrag zum Kauf und unterscheidet ihn von allen anderen Vertragstypen (RN 38). Das Gesetz, nicht der Parteiwille, bestimmt, was ein Kauf sei. Maßgeblich ist nicht, wie die Parteien ihren Vertrag bezeichnen, sondern welche Leistungen sie einander versprechen (RN 1893)[10].

3.2 Die Beweislast

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Die Beweislast für Abschluss und Inhalt eines Kaufvertrags trägt der Anspruchssteller; das ist nach § 433 I der Käufer und nach § 433 II der Verkäufer. Wer einen Kaufpreis einklagt, muss im Streitfall beweisen, dass er sich mit dem Beklagten über den verlangten Preis geeinigt habe[11]. Und wer eine Sache oder ein Recht für sich beansprucht, muss nachweisen, dass er eben diese Sache oder dieses Recht vom Beklagten gekauft habe.

Oft besteht der Kaufvertrag aber nicht nur aus der Einigung über Ware und Preis, sondern auch noch aus mancherlei Abreden über Fälligkeit, Leistungsort, Zahlungsweise und dergleichen. Da die Vereinbarung dem (dispositiven) Gesetz stets vorgeht, muss der Anspruchsteller eine Kaufabrede beweisen, die seinen Anspruch trägt, denn anspruchsbegründend ist auch das „Wie“ der Leistung[12].

Beispiele


- Behauptet der Anspruchsgegner einen aufschiebend bedingten Kauf, muss der Anspruchsteller entweder einen unbedingten Kauf (OLG Karlsruhe OLGZ 72, 277) oder den Eintritt der Bedingung beweisen (RG 107, 405: Wiederkauf).
- Behauptet der verklagte Käufer einen -formnichtigenKreditkauf (§§ 506 I, 492), muss der klagende Verkäufer ein Barzahlungsversprechen beweisen, denn anspruchsbegründend ist auch die Art und Weise der Zahlung: Barzahlung oder Finanzierung (BGH NJW 75, 206: Abzahlungskauf).
- Genauso muss der Verkäufer die Behauptung des Käufers widerlegen, man habe einen Mengenrabatt (Warenskonto) oder ein Zahlungsskonto vereinbart (BGH NJW 83, 2944) oder im Kaufvertrag eine spätere Fälligkeit vereinbart (BGH NJW 75, 206; RG 68, 305).
- Der Käufer muss nur die echte Stundung beweisen, die erst nach Vertragsschluss oder außerhalb des schriftlichen Vertrags nur mündlich vereinbart worden sei (BGH NJW 80, 1680). Und er muss, wenn er das vereinbarte Skonto in Anspruch nehmen will, die pünktliche Zahlung beweisen, denn die Skontoabrede bedeutet einen Teilerlass für den Fall pünktlicher Zahlung, und den Eintritt dieser Bedingung muss der Käufer beweisen (BGH NJW 98, 1302).

3.3 Die rechtliche Struktur des Kaufvertrags

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Wie kein anderes Rechtsgeschäft verkörpert der Kaufvertrag das System und den rechtlichen Zusammenhang der ersten drei Bücher des BGB, denn er ist nicht nur ein Vertragstyp des besonderen Schuldrechts nach §§ 433 ff., sondern auch ein Verpflichtungsvertrag des allgemeinen Schuldrechts nach § 311 ff., und er ist schließlich ein Rechtsgeschäft und ein Vertrag des Allgemeinen Teils des BGB nach §§ 104 ff., 145 ff.

Auf dem Weg vom Kaufvertrag über den Verpflichtungsvertrag zum Rechtsgeschäft und Vertrag werden die Rechtsbegriffe zunehmend blasser und es wächst der Grad der begrifflichen Abstraktion. Dem Juristen, der in der Praxis steht, ist dieser Denkweg vorgegeben, denn lex specialis derogat legi generali: Das besondere Gesetz verdrängt, soweit es reicht, das allgemeine Gesetz.

Der harte Kern des Kaufvertrags besteht nach § 433 aus der vertraglichen Einigung über Ware und Preis und begründet Ansprüche auf Übereignung der Kaufsache und auf Kaufpreiszahlung.

Als schuldrechtlicher Verpflichtungsvertrag begründet der Kauf ein vertragliches Schuldverhältnis (§ 311 I) zwischen Verkäufer und Käufer mit Verpflichtungen und Forderungen (§ 241 I), die es zu erfüllen gilt (§ 362 I); erfüllt aber werden sie durch dingliche Verfügungen (§§ 873, 925, 929).

Der Kauf ist der Urtyp des gegenseitigen Vertrags (§§ 320 ff.), der stets ein Verpflichtungsvertrag ist. Der Kaufpreis ist die Gegenleistung für die Ware und die Ware für den Kaufpreis. Jede Leistung wird der Gegenleistung wegen versprochen und geschuldet (do, ut des). Der Parteiwille verknüpft die beiderseitigen Verpflichtungen derart eng miteinander, dass sie rechtlich miteinander stehen und fallen (RN 1418)[13]. Keine Hauptpflicht in diesem Sinne ist in der Regel die Abnahmepflicht des Käufers nach § 433 II[14], es sei denn, der Verkäufer lege ersichtlich Wert darauf, die Kaufsache loszuwerden[15].

Zustande kommt der Kaufvertrag durch die Annahme eines Angebots (§§ 145 ff.)[16], zwei Willenserklärungen (§§ 116 ff.), die ein Rechtsgeschäft bilden (§§ 104 ff.). So schließt sich der Kreis vom Kaufvertrag über den Verpflichtungsvertrag zum Vertrag und zurück zum Kaufvertrag.

Viele Kaufverträge sind vorformuliert und an den §§ 305 ff. zu messen[17].

Auch der Verbrauchsgüterkauf nach §§ 474-479 (RN 132 ff.) und der Fernabsatzvertrag über Waren nach § 312c (RN 1877) kommen durch einen Kaufvertrag zustande; dann aber schützen spezielle Vorschriften den Verbraucher vor dem geldgierigen Unternehmer.

Es gibt nur einen privatrechtlichen Kauf, auch die öffentliche Hand kauft und verkauft nach den §§ 433 ff.[18].

3.4 Die Abgrenzung des Kaufvertrags von anderen Vertragstypen

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- Der Kauf setzt Ware um für Geld (§ 433). Beim Tausch (§ 480) besteht die Gegenleistung nicht aus Geld, bei der Schenkung (§ 516) fehlt sie ganz.
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4. Der Kaufgegenstand

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Kaufen und verkaufen kann man nicht nur Sachen (§§ 433-446), sondern auch Rechte und sonstige Gegenstände (§ 453). Die Rechtsfolgen sind die Gleichen.

Sachen sind körperliche Gegenstände (§ 90), ob fest, flüssig oder gasförmig, ob beweglich (im Handelsverkehr: Waren)[38] oder unbeweglich (Grundstücke)[39]. Wie Grundstücke behandelt § 452 eingetragene Schiffe und Schiffsbauwerke.

Kaufen und verkaufen kann man Sachen jeder Art und in jedem Zustand, auch künftige bewegliche Sachen, die der Verkäufer erst noch erzeugen oder herstellen soll (§ 650)[40], sogar fremde Sachen, die der Verkäufer erst noch beschaffen soll.

Früher hat man auch elektrische Energie und Heizwärme als Sachen behandelt[41], jetzt fallen sie als „sonstige Gegenstände“ unter § 453. Strom-, Gas-, Wasser und Wärmelieferungsverträge sind Sukzessiv- oder Dauerlieferungsverträge[42] und begründen ein Dauerschuldverhältnis nach § 314 (RN 1180)[43]. Man kann sie auf Jahre unkündbar schließen, unabdingbar ist nur die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund[44]. Die Liefermenge kann fest vereinbart sein oder sich nach Bedarf und Abruf des Abnehmers richten. Sukzessiv- und Dauerlieferungsverträge gibt es auch für andere Waren[45].

Beispiele


- Der Verkäufer soll 400 t türkische Erdbeeren auf Abruf in Teilmengen liefern (BGH NJW 91, 2699).
- Der Verkäufer soll dem Käufer nach Bedarf und auf Abruf bis zu 40 000 m3 Frostschutzkies auf eine Straßenbaustelle liefern, der Käufer die einzelnen Lieferungen binnen 30 Tagen nach Rechnungsstellung bezahlen (BGH NJW 81, 679).

Der Ratenlieferungsvertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unterliegt nach § 510 dem Verbraucherschutz (RN 1880).

 

Beim Streckengeschäft im Ölhandel wird die Ware erst dadurch bestimmt, dass der letzte Käufer in der Käuferkette seinem Verkäufer das Transportmittel (Tanker) benennt und dieser die Nominierung über seine Vormänner bis zum Erstverkäufer weitergibt. Problematisch ist hier die Übereignung[46].

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Kaufen kann man nach § 453 auch Rechte aller Art, vor allem Forderungen (RN 125). Ein Forderungskauf ist sowohl das „echte“ Factoring (RN 39) als auch der Wechseldiskont[47]. Käuflich sind ferner Erbbaurecht[48], Grundpfandrecht, Anwartschaftsrecht und Recht zum Besitz[49], Aktien[50] und gewerbliche Schutzrechte[51].

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Als „sonstige Gegenstände“ sind nach § 453 sogar gewerbliche Unternehmen[52] und freiberufliche Praxen[53] käuflich (RN 126). Ein Unternehmenskauf ist auch der entgeltliche Erwerb aller Anteile einer AG oder GmbH[54]. Der Erwerb einer Anteilsmehrheit hingegen ist Rechtskauf, solange die Mehrheit nicht groß genug ist, die Satzung zu ändern und die Gesellschaft zu beherrschen[55]. So oder so sind nach § 453 die Vorschriften über den Sachkauf entsprechend anwendbar (RN 124).