Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen

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3. Tatsachen und Rechtsfolgen

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Eine Behauptungs- und Beweislast gibt es nur für Tatsachen. Rechtsfolgen kann man weder behaupten noch beweisen[31]. Darauf beruht die Arbeitsteilung im Zivilprozess: Die Parteien bringen die Tatsachen, das Gericht zieht daraus die rechtlichen Schlüsse (da mihi factum, dabo tibi ius). Über staatliches deutsches Recht darf das Gericht keinen Beweis erheben, sondern muss die Rechtsfragen ohne fremde Hilfe selbst beantworten (iura novit curia).

4. Die gesetzlichen Beweislastregeln

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Obwohl sich die Beweislast erst im Prozess auswirkt, findet man ihre Regeln nicht in der ZPO, denn die Beweislastregeln sind materielles Zivilrecht[32]. Freilich verzichtet das BGB darauf, die Grundregeln der Beweislast zu formulieren. Nur selten nennt es das Kind beim Namen und regelt die Beweislast in den §§ 179 I, 543 IV 2, 2336 III ausdrücklich. Reine Beweislastnormen sind auch die gesetzlichen Vermutungen der §§ 891, 1006, 1117 III, 1362.

In den allermeisten Fällen jedoch regelt das BGB die Beweislast nur verstohlen zwischen den Zeilen durch Aufbau und Formulierung der gesetzlichen Tatbestände. Jeder Zivilrechtssatz regelt die Beweislast gleich mit, ohne sie auch nur zu erwähnen. Die Methode ist ebenso einfach wie bestechend. Wer im Zivilprozess eine Rechtsfolge geltend macht, braucht eine Rechtsnorm, die Rechtsfolgen der gewünschten Art abstrakt setzt. Jede vollständige Rechtsnorm besteht aus Tatbestand und Rechtsfolge. Die Rechtsfolge aber bekommt nur, wer den Tatbestand erfüllt. Also muss man im Prozess den Tatbestand der benötigten Rechtsnorm mit passenden Tatsachen ausfüllen, sie vor Gericht behaupten und im Streitfall auch beweisen. Das ist das ganze Geheimnis.

5. Die ungeschriebene allgemeine Beweislastregel

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Im Zivilprozess muss jede Partei die tatsächlichen Voraussetzungen derjenigen Rechtsnormen beweisen, deren Rechtsfolgen sie geltend macht[33]. Falsch ist der Satz, jede Partei müsse ihre Behauptungen beweisen, denn die Beweislast richtet sich nicht danach, was einer behauptet, sondern danach, was einer von Rechts wegen behaupten muss, wenn er Recht bekommen will. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied, der sich noch nicht überall herumgesprochen hat.

Das Zivilrecht regelt subjektive Rechte. Jeder Zivilprozess ist ein Streit um subjektive Rechte. Das Zivilrecht regelt indes nie den gegenwärtigen Bestand eines Rechts, sondern immer nur, wie es entsteht, ausnahmsweise nicht entsteht, erlischt oder gehemmt wird. Deshalb gibt es auch keine Beweislast dafür, dass ein Recht gegenwärtig bestehe. Beweisen kann man nur, dass das Recht früher einmal entstanden ist, ausnahmsweise nicht entstanden, erloschen oder gehemmt ist[34]. Daraus folgt:

Wer ein subjektives Recht geltend macht, muss die rechtsbegründenden, wer sich gegen das Recht wehrt, die rechtshindernden, -vernichtenden und -hemmenden Tatsachen beweisen. Das ist die Grundregel der Beweislast[35].

Wer also einen Anspruch erhebt, muss die anspruchsbegründenden, wer den Anspruch bekämpft, die anspruchshindernden, -vernichtenden und -hemmenden Tatsachen beweisen[36]. Die Beweislast unterscheidet deshalb zwischen Anspruchsgrundlagen, die einen Anspruch entstehen lassen, und Gegennormen, die einen Anspruch ausschließen, zerstören oder hemmen.

Beispiel

Der Kläger verlangt vom Beklagten die Bezahlung einer Bürgschaftssumme und legt dem Gericht einen unterschriebenen schriftlichen Bürgschaftsvertrag vor. Der Beklagte behauptet, seine Unterschrift sei gefälscht, er habe keine Bürgschaft übernommen. Der Kläger bestreitet es. Wer muss was beweisen: der Kläger die Echtheit oder der Beklagte die Fälschung der Vertragsunterschrift?

Die Antwort findet man im materiellen Recht. Wer einen Anspruch erhebt, muss die anspruchsbegründenden, der Anspruchsgegner die anspruchsfeindlichen Tatsachen beweisen. Anspruchsgrundlage ist hier § 765 I mit § 766 S. 1, Anspruchsvoraussetzung, neben einer Hauptschuld, die schriftliche Erteilung der vereinbarten Bürgschaftserklärung. Also muss der Kläger beweisen, dass der Beklagte seine Bürgschaftserklärung eigenhändig unterschrieben und dem Kläger erteilt habe (BGH NJW 95, 1683). Der Beklagte muss nichts beweisen, denn sein „Fälschungseinwand“ ist, der Bezeichnung zum Trotz, keine anspruchshindernde Einwendung, sondern nur ein Bestreiten der Echtheit seiner Unterschrift. Auch das Beweisrecht belastet den Kläger mit dem Beweis der Echtheit, weil nach §§ 416, 439, 440 ZPO nur eine unstreitig oder nachweislich echte Privaturkunde beweiskräftig ist und der Kläger ohne eine echte Bürgschaftsurkunde den Prozess nicht gewinnen kann.

6. Anspruchsgrundlagen, Gegennormen und Hilfsnormen
6.1 Die Anspruchsgrundlagen

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Jede Bestimmung des BGB ist entweder Rechtsgrundlage oder Gegennorm oder Hilfsnorm. Die Rechtsgrundlage regelt, wie ein Recht entsteht oder erworben wird. Handelt es sich um einen Anspruch, spricht man von Anspruchsgrundlage.

Beispiele

§ 433 II ist Anspruchsgrundlage für den Kaufpreisanspruch des Verkäufers, § 823 I für einen außervertraglichen Schadensersatzanspruch des Geschädigten.

6.2 Die Gegennormen

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Gegennormen regeln dreierlei:


- erstens, dass ein Anspruch ausnahmsweise nicht entstehe, obwohl alle Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage erfüllt sind;
- zweitens, dass der Anspruch, nachdem er entstanden ist, erlösche;
- drittens, dass der Anspruch gehemmt oder beschränkt werde, obwohl er noch besteht.

Gegennormen verhindern, zerstören oder hemmen den Anspruch. Sie begründen Einwendungen und Einreden gegen den Anspruch. Rechtstechnisch sind sie Ausnahmen von der Anspruchsgrundlage.

Beispiele


- Anspruchshindernde Einwendungen begründen: Geschäftsunfähigkeit (§ 105), Scheingeschäft (§ 117 I), gesetzliches Verbot (§ 134), Sittenverstoß (§ 138) und Kenntnis vom Sach- oder Rechtsmangel (§§ 442 I, 640 III).
- Anspruchsvernichtende Einwendungen begründen: Erfüllung (§ 362), Leistung an Erfüllungs statt (§ 364), Hinterlegung (§ 378), Aufrechnung (§ 389), Erlass (§ 397) und Leistungsunfähigkeit (§ 275 I).
- Anspruchshemmende Einreden begründen: Verjährung (§ 214 I), Stundung, Zurückbehaltungsrecht (§§ 273, 274, 320), Dürftigkeit und Erschöpfung des Nachlasses (§§ 1989, 1990).

Anspruchshindernde Gegennormen erkennt man meistens an ihrer negativen Formulierung, die sie als Ausnahmen ausweist.

Beispiele

„… ist ausgeschlossen, wenn …“ (§ 442 I BGB; § 7 II StVG); „… tritt nicht ein, wenn …“ (§ 831 I 2); „… gilt nicht, wenn …“ (§ 280 I 2); „… ist nicht verantwortlich …“ (§§ 827 S. 1, 828 I, II); „… es sei denn, dass …“ (§§ 145, 178).

Rechtsvernichtende Einwendungen sind auch die gesetzlichen Ausschlussfristen der §§ 121, 124, 469 II, 626 II, 2283 BGB; § 46 I 2 WEG; § 377 HGB. Das befristete Recht erlischt, wenn es nicht rechtzeitig ausgeübt wird. Dieser Rechtssatz besteht freilich aus zwei Sätzen. Satz 1 lautet: Das Recht erlischt mit Fristablauf. Also muss der Gegner Beginn und Ablauf der Ausschlussfrist beweisen[37]. Satz 2 lautet: Das Recht erlischt nicht, wenn der Berechtigte es rechtzeitig ausübt. Also muss der Berechtigte den Zeitpunkt der Rechtsausübung beweisen[38]. Satz 2 ist eine Ausnahme von Satz 1.

6.3 Die Ausnahmen von Gegennormen

Auch Gegennormen haben ihre Ausnahmen: Das Recht bleibt erhalten, obwohl der Tatbestand der Gegennorm erfüllt ist. Die Beweislast für rechtserhaltende Tatsachen aber trägt, wer das Rechts geltend macht[39].

Beispiele


- Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts (§ 144);
- Hemmung und Neubeginn der Verjährung (§§ 203 ff., 212);
- Aufrechnungshindernis (§§ 390, 394);
- Erlöschen des Rücktrittsrechts (§§ 350–352).


Bild 7: Die Behauptungs- und Beweislast am Beispiel der Kaufpreisklage
Anspruchsteller (Verkäufer) Anspruchsgegner (Käufer)
anspruchsbegründende Tatsachen Abschluss eines Kaufvertrags bestimmten Inhalts (§ 433 II)
anspruchshindernde Tatsachen Geschäftsunfähigkeit (§ 105) Sittenwidrigkeit (§ 138)
anspruchsvernichtende Tatsachen Erfüllung (§ 362) Aufrechnung (§ 387) Rücktritt (§§ 346, 323, 437)
anspruchshemmende und -beschränkende Tatsachen Verjährung (§ 214 I) Nichterfüllungseinrede (§ 320) Stundung
anspruchserhaltende Tatsachen Hemmung oder Neubeginn der Verjährung (§§ 203–213)

6.4 Die Hilfsnormen

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Die meisten Vorschriften des BGB sind allerdings weder Rechtsgrundlagen noch Gegennormen, sondern Hilfsnormen ohne eigene Rechtsfolge, wenn man als Rechtsfolge nur die Entstehung, den Ausschluss und die Hemmung oder Beschränkung von Rechten gelten lässt. Es handelt sich um technische Regeln, um Definitionen, Formvorschriften oder Fristen, dazu bestimmt, eine Anspruchsgrundlage oder Gegennorm zu ergänzen.

Beispiele


- §§ 90–92 (Sachen), § 104 (Geschäftsunfähigkeit), § 106 (Minderjährigkeit), §§ 126–129 (gesetzliche und vereinbarte Form des Rechtsgeschäfts), §§ 186–193 (Fristen), §§ 194–201 (Verjährung),
- §§ 269–271 (Ort und Zeit der Leistung), §§ 276–278 (was der Schuldner zu vertreten hat), § 286 (Verzug), §§ 434, 435, 633 II, III (Sach- und Rechtsmangel),
- § 872 (Eigenbesitz), § 925 I (Auflassung), § 1115 I (Eintragung der Hypothek),
- § 1923 (Erbfähigkeit), §§ 1924–1926 (gesetzliche Erbfolge).

7. Die Behauptungs- und Beweislast für negative Tatsachen

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Die Behauptungs- und Beweislast macht auch vor negativen Tatsachen nicht halt. Man kann sie zwar nur schwer beweisen, aber unbeweisbar sind sie nicht. Enthält der Tatbestand der Anspruchsgrundlage ein negatives Merkmal, muss der Anspruchsteller auch dafür geeignete Tatsachen behaupten und im Streitfall beweisen. Die gleiche Last trägt der Anspruchsgegner, wenn zur Einwendung oder Einrede eine negative Tatsache gehört.

Beispiele

Negative Anspruchsvoraussetzung:


- das Fehlen einer Vereinbarung über die Höhe der Vergütung für den Anspruch auf die übliche Vergütung nach §§ 612 II, 632 II, 653 II (BGH 80, 257, NJW 83, 1782; 88, 495; 96, 952);
- das Fehlen eines rechtlichen Grundes für den Bereicherungsanspruch aus § 812 I (BGH NJW 95, 662; 99, 2887; 2014, 2275; 2015, 3025);
- das Fehlen eines Eigenbedarfs des Vermieters für den Schadensersatzanspruch des zu Unrecht gekündigten Wohnungsmieters nach § 280 I 1 (BGH NJW 2005, 2395);
- die unterlassene wirtschaftliche Betriebsführung des Unternehmers nach einer Stundenlohnvereinbarung (BGH NJW 2009, 2199);
- die unterlassene Aufklärung oder Warnung durch den Rechtsanwalt oder einen anderen Berater für den Schadensersatzanspruch des Auftraggebers aus § 280 I 1 (BGH NJW 85, 264; 87, 1322, 2006, 1429);
- die Unwahrheit der ehrverletzenden Tatsachenbehauptung für den Widerrufsanspruch analog § 1004 I 1 (BGH 37, 187);

Negative Voraussetzung einer Einwendung:


- das arglistige Verschweigen eines Mangels durch den Verkäufer nach § 444 für die Unwirksamkeit des vereinbarten Gewährleistungsausschlusses (BGH NJW 2011, 1280);
- Tatsachen dafür, dass der Schuldner seine Pflichtverletzung nach § 280 I 2 oder § 286 IV nicht zu vertreten habe (BGH 116, 334; NJW 2012, 2793);
- die Nichtausübung eines Rechts für die Verwirkung nach § 242 (BGH NJW 58, 1188);
- die unterlassene Schadensminderung für ein Mitverschulden des Geschädigten nach § 254 II (BGH NJW 2007, 64; 2010, 2725, 2727).

Eine negative Tatsache lässt sich zwar leicht und locker behaupten, aber nur schwer beweisen. Damit sie überhaupt beweisbar wird, darf der Prozessgegner sie nicht einfach verneinen, sondern muss sie „substantiiert“ bestreiten und eine bestimmte Preisabsprache (§ 632 II), einen bestimmten Rechtsgrund (§ 812 I) oder eine bestimmte Maßnahme der Schadensminderung (§ 254 II) darlegen. Beweisen muss er dergleichen nicht, der Beweislastträger muss es widerlegen[40]. Die Beweislast wird nicht etwa auf den Gegner abgewälzt, sondern verbleibt demjenigen, dem das Gesetz sie auflädt.

Der BGH verschärft das Bestreiten schon dann, wenn die beweisbelastete Partei den maßgeblichen Sachverhalt nicht kennt und auch nicht ermitteln kann, während dies dem Prozessgegner leicht möglich und auch zumutbar ist[41].

1. Buch Schuldrecht Besonderer Teil oder: Vom Kauf bis zur unerlaubten Handlung

1. Teil Der Kauf
1. Kapitel Das gesetzliche System des Kaufrechts

1. Kaufvertrag, Verpflichtungsvertrag, Vertrag

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Um das Kaufrecht zu begreifen, muss man den Bauplan des BGB kennen. Vom Kauf handeln die §§ 433-479, aber sie beantworten nicht alle Rechtsfragen, die ein streitiger Kaufrechtsfall stellt, sondern regeln nur die Ansprüche und Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag.

Wie ein Kaufvertrag zustande kommt, sagen sie nicht. Diese Frage beantwortet der Allgemeine Teil des BGB, denn der Kaufvertrag ist ein Rechtsgeschäft (§§ 104 ff.), genauer: ein Vertrag, der durch Annahme eines Angebots zustande kommt (§§ 145 ff.), beides aber sind Willenserklärungen (§§ 116 ff.). Zwischen den §§ 433 ff. über den Kaufvertrag und den §§ 145 ff. über den Vertrag stehen, um die Verwirrung zu vollenden, noch die §§ 311 ff. über den Verpflichtungsvertrag.

Bild 8: Der Kauf im System des BGB


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2. Besonderes und allgemeines Schuldrecht

Das zweite Buch des BGB namens „Recht der Schuldverhältnisse“ besteht aus einem allgemeinen Teil (§§ 241-432) und einem besonderen Teil über „Einzelne Schuldverhältnisse“ (§§ 433-853), der mit dem Kauf beginnt (§§ 433-479). Das Kaufrecht regelt aber nicht alles: weder den Vertrag zugunsten Dritter, noch Erfüllung, Aufrechnung und Erlass, auch nicht die Forderungsabtretung, die Schuldübernahme und die Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern. All das findet man im Allgemeinen Schuldrecht, das ganz selbstverständlich auch für das Kaufverhältnis gilt, ohne dass das Gesetz es besonders betonen müsste.

Das allgemeine Schuldrecht regelt auch die Leistungsstörungen durch Unmöglichkeit und Verzug, sonstige Vertragsverletzung und Verschulden bei Vertragsverhandlungen. Das Kaufrecht hat sich 100 Jahre lang nur mit der gesetzlichen Gewährleistung des Verkäufers für Sachmängel befasst, und die war eine ganz spezielle Leistungsstörung mit eigenen Rechtsfolgen und eigenen Voraussetzungen.

Die Schuldrechtsreform 2002 hat die altmodische Gewährleistung durch eine hochmoderne Vertragshaftung des Verkäufers ersetzt, die freilich dadurch verwirrt, dass sie nur noch mit einem Bein im Kaufrecht, mit dem anderen aber im allgemeinen Schuldrecht steht und nicht so recht weiß, wo sie hingehört (RN 51 ff.).

3. Schuld- und Sachenrecht

Man muss auch zwischen Schuld- und Sachenrecht, zwischen schuldrechtlicher Verpflichtung und dinglicher Verfügung trennen. Nach § 433 I verpflichtet der Kaufvertrag zur Übereignung, überträgt aber noch kein Eigentum. Die Übereignung nach §§ 873, 925, 929 hingegen überträgt das Eigentum, verpflichtet aber nicht.

Bild 9: Kauf und Übereignung


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4. Das Kaufrecht nach der Schuldrechtsreform
4.1 Die Abmagerungskur

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Das Kaufrecht des BGB war ursprünglich dreigeteilt in „Allgemeine Vorschriften“ (§§ 433-458), „Gewährleistung wegen Mängel der Sache“ (§§ 459-493) und „Besondere Arten des Kaufs“ (§§ 494-514).

Die Schuldrechtsreform hat den schwergewichtigen Mittelteil über Bord geworfen und das Kaufrecht auf die Hälfte zusammengestrichen. Schuld daran ist die neue rechtliche Konstruktion der Sachmängelhaftung. Bisher schuldete der Verkäufer einer bestimmten Sache (Stückschuld) keine Mangelfreiheit, sondern haftete über die Vertragserfüllung hinaus kraft besonderer gesetzlicher Garantie. Jetzt aber verpflichtet § 433 I 2 den Verkäufer zur Lieferung einer mangelfreien Sache, sodass die Lieferung mangelhafter Ware den Kaufvertrag verletzt und den Verkäufer wegen Vertragsverletzung haftbar macht. Das neue Kaufrecht regelt die Sachmängelhaftung des Verkäufers in den §§ 434-445 nur noch in groben Zügen und verweist wegen der Feinheiten allenthalben auf das allgemeine Schuldrecht der §§ 280 ff., 323 ff., was die praktische Handhabung ungemein erschwert.

 

4.2 Die Gleichschaltung von Rechts- und Sachmängeln, von Stück- und Gattungskauf, von Sach- und Rechtskauf

Die Haftung des Verkäufers für Rechtsmängel war schon immer eine vertragliche und wird jetzt zusammen mit der Sachmängelhaftung über einen Leisten geschlagen, denn § 433 I 2 verpflichtet den Verkäufer in einem Atemzug unterschiedslos sowohl zur Freiheit von Sachmängeln als auch zur Freiheit von Rechtsmängeln, so dass jetzt Rechts- und Sachmängel gleichermaßen Vertragsverletzungen sind.

Das neue Kaufrecht unterscheidet auch nicht mehr zwischen Stück- und Gattungskauf. Selbst der sehr viel größere Unterschied zwischen Sach- und Rechtskauf entlockt dem modernisierten Kaufrecht in § 453 nur mehr eine schwächliche Verweisungsnorm, welche die Vorschriften über den Sachkauf kurzerhand auf den Rechtskauf und den Kauf sonstiger Gegenstände erstreckt, wenn auch nur in entsprechender Anwendung. Aber die unterschiedlichen Lebensverhältnisse lassen sich nicht so leicht in eine Schablone pressen.