Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen

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3. Kapitel Die Haftung des Unternehmers für Mängel seines Werks

1. Das gesetzliche System der Mängelhaftung des Unternehmers

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Nach § 633 I hat der Unternehmer sein Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln herzustellen. Jeder Mangel des Werks verletzt den Vertrag.

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Der Besteller hat, wenn das hergestellte Werk mangelhaft ist, gemäß § 634 nahezu die gleichen Rechte wie der Käufer einer mangelhaften Sache:


- einen Anspruch auf Nacherfüllung (§ 635),
- ein Rücktrittsrecht (§ 323) oder
- ein Minderungsrecht (§ 638),
- einen Anspruch auf Schadenersatz in mehreren Varianten oder einen Anspruch auf Ersatz nutzloser Aufwendungen (§ 280 ff.),
- sowie als Spezialität des Werkvertrags das Recht, den Mangel selbst zu beseitigen und Ersatz seines Beseitigungsaufwandes oder einen Vorschuss darauf zu verlangen (§ 637).

Sach- und Rechtsmängel haben nach §§ 633 I, 634 die gleichen Rechtsfolgen. Was ein Sach- oder Rechtsmangel sei, definiert § 633 II, III. Die weitgehende Übereinstimmung mit dem Kaufrecht hat ihren Grund in der breiten Verweisung auf das allgemeine Schuldrecht der §§ 280 ff., 323 ff.

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In der Regel entstehen die Mängelrechte des Bestellers erst mit der Abnahme[53]. Ohne Abnahme entstehen nur der Anspruch des Bestellers auf Erstattung seiner Mängelbeseitigungskosten oder auf Vorschuss für die Mängelbeseitigung[54] sowie seine Rechte während des Schuldnerverzugs des Unternehmers[55] oder nach dem Erlöschen des Nacherfüllungsanspruchs und ebenso, wenn der Besteller eine Vertragserfüllung endgültig ablehnt, sodass der Vertrag abzurechnen ist[56]. Bis zur Abnahme hat der Besteller noch den Anspruch auf Vertragserfüllung aus § 631 I[57].

Erst die Abnahme kehrt nach § 363 die Beweislast um. Bis zur Abnahme muss der Unternehmer nach § 362 beweisen, dass er ein mangelfreies Werk hergestellt habe. Der Besteller muss nach § 363 den Mangel erst beweisen, wenn er das Werk abgenommen und als Erfüllung angenommen hat[58].

Erst mit der Abnahme endet die Vorleistungspflicht des Unternehmers[59]. Die Mängel des abgenommenen Werks muss er nach §§ 320, 322 I nur noch Zug um Zug gegen Bezahlung des Werklohns beseitigen[60].

Ist das Werk seiner Art nach nicht abnahmefähig, gelten die §§ 634 ff., sobald der Unternehmer geleistet hat[61].

2. Die Anspruchs- und Rechtsgrundlagen der Mängelrechte und ihre Ausnahmen

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Anspruchs- und Rechtsgrundlage für die Mängelrechte des Bestellers ist § 634[62], freilich eine unvollständige und undurchsichtige, denn sie zählt die Mängelrechte lediglich auf und nennt mit dem Werkmangel eine Anspruchsvoraussetzung, verweist im Übrigen aber umfänglich auf andere Vorschriften, nicht ohne sich durch den doppelten Vorbehalt abzusichern, „wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist“. Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich.

Bild 40: Die Mängelrechte des Bestellers


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Jeder einzelne Mangel begründet selbständig die Rechte aus § 634[63].

Keine Anspruchsgrundlagen, sondern Gegennormen sind die §§ 635 III, 639, 640 III, 634a, 280 I 2, 323 VI. Sie schließen die Haftung aus, beschränken oder hemmen sie und begründen

Einwendungen oder Einreden gegen die Mängelrechte.

Nach allgemeiner Beweislastregel muss der Besteller, der ein Mängelrecht geltend macht, die rechtsbegründenden Tatsachen beweisen[64], der Unternehmer nur die Einwendungen und Einreden[65]. Ob der Besteller seine Mängelrechte einklagt oder mit ihnen die Werklohnklage abwehrt, spielt für die Beweislast keine Rolle.

Anders als § 17 VOB/B (RN 524) regelt das BGB die Sicherung der Mängelrechte nicht, sondern überlässt dies der Parteivereinbarung, auch durch AGB, die nach § 307 I den Vertragspartner aber nicht unangemessen benachteiligen dürfen[66].

Beispiele

Verbreitet sind folgende Sicherheiten:


- Der Besteller darf einen Teil des Werklohns – nach § 641 III in Höhe der doppelten Mängelbeseitigungskosten – solange einbehalten, bis das bestellte Werk vollständig und mängelfrei hergestellt ist (BGH NJW 2004, 443: AGB). Der Einbehalt kann , je nach Vereinbarung ,auf Verlangen des einen oder anderen Vertragspartner durch eine gleichwertige andere Sicherheit abgelöst werden (BGH NJW 2011, 443: durch Bankbürgschaft und § 401; NJW 2014, 3642; 2009, 3422: nicht durch Bürgschaft ohne die Einreden nach § 768; NJW 2014, 3645: nicht durch Bürgschaft auf erstes Anfordern; NJW 2018, 458: nicht durch vorformulierte Bürgschaft mit Verzicht auf die Einreden aus §§ 770, 771; NJW 2018, 857: nicht durch vorformulierte Sicherungsabrede über die Ablösung des Einbehalts durch eine Bürgschaft ohne die Einrede aus § 770 auch für unstreitige oder rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen).
- Die Erfüllungsbürgschaft sichert alle Ansprüche des Bestellers auf Vertragserfüllung (BGH NJW 99, 1105; 2015, 856: auch den Anspruch auf Vorschuss für die Mängelbeseitigung).
- Die Gewährleistungsbürgschaft sichert die Mängelansprüche des Bestellers (BGH 76, 187: Der Anspruch auf Erstattung überzahlten Werklohns ist keine Gewährleistung; NJW-RR 2005, 1040: keine Bürgschaft auf erstes Anfordern).

4. Kapitel Der Anspruch des Bestellers auf Nacherfüllung

1. Die Anspruchsgrundlage

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Nach § 635 I hat der Besteller, wenn das hergestellte Werk mangelhaft ist, gegen den Unternehmer einen Anspruch auf Nacherfüllung. Anders als der Käufer darf aber nicht der Besteller, sondern der Unternehmer zwischen Mängelbeseitigung und Herstellung eines neuen Werks wählen. Wenn man dem Wortlaut des Gesetzes trauen darf, was bei einem „modernisierten“ Gesetz freilich riskant ist, handelt es sich um eine Wahlschuld mit Wahlrecht des Schuldners nach §§ 262 ff.[67].

2. Die Rechtsfolge des Nacherfüllungsanspruchs

Worauf klagt der Besteller nach § 635 I? Er klagt nicht pauschal auf „Nacherfüllung“, denn dies wäre nach § 253 II Nr. 2 ZPO zu unbestimmt, er klagt vielmehr streng nach dem Gesetz auf Mängelbeseitigung oder Neuherstellung nach Wahl des Unternehmers, wenn dieser die Wahl noch nicht getroffen hat. Vollstreckungsrechtlich sind dies vertretbare oder unvertretbare Handlungen (§§ 887, 888 ZPO), je nachdem, ob auch ein anderer oder nur der Unternehmer sie leisten kann. Klageantrag und Urteilstenor müssen nur das Erscheinungsbild des Mangels, nicht auch seine Ursache, so genau beschreiben, dass der Unternehmer den Mangel finden und beseitigen kann[68].

Wie der Unternehmer die gewählte Nacherfüllung bewerkstelligt, ist seine Sache, denn er schuldet nur den Erfolg der Mängelbeseitigung[69] oder Neuherstellung, gemäß § 635 II freilich auf seine Kosten. Dazu gehören nicht nur Transport-, Arbeits- und Materialkosten, sondern auch Kosten für erforderliche Vor- und Nacharbeiten[70].

Lässt sich der Mangel nur durch eine bestimmte Maßnahme beseitigen, ist sie allein geschuldet, und der Besteller darf alle anderen Maßnahmen ablehnen[71].

Beispiele

Der Installateur verlegt im Badezimmer die Rohre falsch. Zur Nachbesserung gehören auch das Aufschlagen der Badezimmerwände, das fachmännische Verschließen der Löcher (BGH NJW 63, 805), Abbau und Wiedereinbringen des Estrichs in die Fußbodenheizung (OLG Düsseldorf NJW 2018, 627) sowie die Bauaufsicht durch einen Architekten (BGH 72, 31), nicht auch die Beseitigung anderer Schäden an fremden Gewerken (BGH 96, 224). Den Gewinnausfall des Bestellers während der Nachbesserungszeit hat der Unternehmer nur aus Verzug nach §§ 280 I, II, 286 zu ersetzen (so schon BGH 72, 31).

Nachzuerfüllen ist, wenn der Vertrag nichts anderes bestimmt, dort, wo sich das Werk vertragsgemäß befindet[72].

Aus einem Urteil, das den Unternehmer – nach seiner Wahl – zur Mängelbeseitigung oder Neuherstellung verurteilt, kann der Besteller nach § 264 I, der zumindest entsprechend gilt, wahlweise die Mängelbeseitigung oder die Neuherstellung vollstrecken, bis der Unternehmer die eine oder die andere Leistung bewirkt.

 

Stellt der Unternehmer zwecks Nacherfüllung ein neues Werk her, hat er nach §§ 635 IV, 346 Anspruch auf Rückgewähr des mangelhaften Werks.

3. Die Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
3.1 Werkvertrag, Abnahme, Mangel

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Der Anspruch auf Nacherfüllung hat nach § 635 I drei Voraussetzungen: einen Werkvertrag (RN 428), eine Abnahme des Werks (RN 439)[73] und einen Mangel des Werks. Die Beweislast trägt der Besteller.

Der Mangel des Werks ist entweder ein Sachmangel oder ein Rechtsmangel. Den Sachmangel definiert § 633 II, den Rechtsmangel § 633 III. Es genügt, dass das abgenommene Werk mangelhaft erscheint, die Ursache des Mangels muss der Besteller weder erforschen noch nachweisen, vielmehr obliegt es dem Unternehmer, der Mängelrüge des Bestellers auf den Grund zu gehen[74].

3.2 Der Sachmangel des Werks

Nach § 633 II ist, in Anlehnung an den Kauf (RN 81 ff.), auch das Werk in fünf Fällen mit einem Sachmangel behaftet:


-
-
- Oder es taugt nicht einmal zur gewöhnlichen Verwendung.
- Oder der Unternehmer hat ein anderes als das bestellte Werk hergestellt.
- Oder er hat das Werk in einer geringeren als der bestellten Menge hergestellt.

Jeder Sachmangel muss den Wert oder die Brauchbarkeit des Werks spürbar mindern[77].

Beispiele


- Dem Rohbau fehlt die erforderliche Abdichtung gegen drückendes Wasser (BGH 90, 344; NJW 2000, 2991), der „Trogabdichtung“ die erforderliche Gleitfuge (BGH NJW 87, 644).
- Die Kellerräume sind für den vorgesehenen Ausbau als Einliegerwohnung zu niedrig (BGH NJW 87, 2373).
- Die Wohnfläche ist um mehr als 10 % kleiner als vereinbart oder vertraglich vorausgesetzt (BGH NJW 97, 2874: gilt auch für „ca-Angabe“; NJW 99, 1859: 53 qm statt 65 qm).
- Der Trittschallschutz des Wohnhauses erreicht nicht das vereinbarte Schalldämmmaß oder ohne Vereinbarung nicht den technisch erreichbaren Mindeststandard nach DIN (BGH NJW 98, 2814; 2007, 2983: Doppelhaus; NJW 2009, 2439: Eigentumswohnung; NJW 2012, 2725: DIN 4109; NJW 2013, 684: Trennwände einer Reihenhauszeile).
- Die hölzerne Innentreppe hat nicht die Mindeststärke nach DIN, sodass ihre Standsicherheit nicht nachgewiesen ist (BGH NJW 2013, 1226).
- Die Glasfassade ist entgegen der Vereinbarung nicht bruchsicher (BGH NJW 2014, 3365: da technisch nicht machbar, nur Schadensersatz);
- Die Statik (Tragwerksplanung) gewährleistet nicht die Standfestigkeit des Gebäudes, weil sie die herrschenden Boden- und Grundwasserverhältnisse außer Acht lässt (BGH NJW 2013, 2268: Mitverschulden des Bauherrn, weil der planende Architekt den Statiker falsch informiert hat).
- Die Planung des Architekten ist baurechtlich nicht genehmigungsfähig und deshalb unbrauchbar (BGH NJW 2001, 1642: Planung des Unternehmers; NJW 2003, 287), verdeutlicht nicht die erforderliche Abdichtung gegen drückendes Wasser (BGH NJW 2000, 2991; 2001, 1276), verfehlt einen ausreichenden Trittschallschutz (BGH NJW 2013, 684), beruht auf einem Beratungsfehler (BGH NJW 2014, 3511), überschreitet den vereinbarten Kostenrahmen oder erfragt ihn erst gar nicht (BGH NJW 2013, 1593; OLG Frankfurt NJW 2012, 1793).
- Soll der Architekt die Grundlagen eines Bauvorhabens ermitteln, muss er dem Bauherrn klarmachen, dass die Bebauung des abbruchgefährdeten Steilhangs riskant sei (BGH NJW 2013, 3442: Kausalitätsvermutung und Mitverschulden des Bauherrn, gilt auch für Statiker).
- Der bauleitende Architekt übersieht Baumängel (BGH 125, 111; NJW 2009, 582: arbeitsteilige Bauüberwachung einer Wohnanlage).
- Die Heizungsanlage, die an ein Blockheizwerk angeschlossen werden soll, heizt nicht (BGH NJW 2008, 511.)
- Die Wasserleitung ist zwar fachgerecht verlegt, wird aber zu schnell undicht und ist deshalb nicht funktionstauglich (OLG Hamm NJW 2013, 545).
- Der Personenaufzug ist wegen Mängeln an anderen Aufzügen der gleichen Machart und Gefährdung der Betriebserlaubnis selbst schadensanfällig (OLG Stuttgart NJW 2012, 3792).
- Der Steuerberater erklärt fälschlich, dass die von ihm erstellte Steuerbilanz, die eine Werkleistung ist, „nur eine Überschuldung rein bilanzieller Natur“ ausweise, keine insolvenzrechtliche (BGH NJW 2013, 2345: Haftung für die Folgen des verspäteten Insolvenzantrags des Mandanten; NJW 2017, 1611: Warnung vor drohender Insolvenz).

Wenn der Besteller Bescheid weiß oder über ein Risiko besonders aufgeklärt wird, kann er mit dem Unternehmer auch eine Beschaffenheit des Werks von minderer Qualität verbindlich vereinbaren[78]. Das Werk ist jedoch mangelhaft, wenn die vereinbarte Beschaffenheit technisch nicht hergestellt werden kann[79] oder die vereinbarte Machart sich nicht dazu eignet, ein brauchbares Werk herzustellen[80].

Stets muss der Unternehmer die Zweckbestimmung des Werks und die anerkannten Regeln der Technik (DIN, VDE) beachten[81]. Das Werk, das zum vereinbarten oder vertraglich vorausgesetzten Zweck nicht voll taugt, ist aber auch dann mangelhaft, wenn der Unternehmer technisch einwandfrei gearbeitet hat[82], denn im Werkvertragsrecht zählt nur der vereinbarte oder vertraglich vorausgesetzte Erfolg.

Will der Besteller ein bestimmtes Risiko nicht übernehmen, muss der Unternehmer, der es auch nicht tragen will, die Haftung für dieses Risiko vertraglich ausschließen[83].

3.3 Der Rechtsmangel des Werks

Nach § 633 III besteht der Rechtsmangel, in Anlehnung an den Kauf (RN 120), aus dem Recht eines Dritten an dem Werk, das auch gegen den Besteller wirkt und von ihm vertraglich nicht übernommen wird.

3.4 Mängel des Architektenwerks und Baumängel

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Baumängel, die durch fehlerhafte Planung oder Bauüberwachung verursacht werden, machen auch das Architektenwerk mangelhaft[84]. Es sind dies Mangelfolgeschäden des Architektenwerks[85], die nach §§ 634 Nr. 4, 280 I 1 zu ersetzen sind (RN 462). Jedoch wird der Fehler des Architekten, der eine Teilleistung nicht oder unvollständig oder fehlerhaft erbracht hat, durch ein mangelfreies Bauwerk geheilt, denn letztlich zählt nur das Bauwerk, es sei denn auch die Teilleistung ist besonders vereinbart[86].

Das Architektenwerk ist schon dann mangelhaft, wenn der Architekt den vereinbarten Kostenrahmen für das Bauvorhaben überschreitet oder ihn gar nicht erst ermittelt, denn er ist verpflichtet, vorweg den Bauherrn nach dessen finanziellen Möglichkeiten und Vorstellungen zu befragen, und darf nur in diesem Rahmen planen[87].

Der umfassend mit einer Vollarchitektur beauftragte Architekt soll nicht nur das Bauvorhaben fehlerfrei planen und überwachen, sondern darüber hinaus den Bauherrn beraten und betreuen, die Mängelursachen ermitteln und sogar eigene Planungs- oder Überwachungsfehler offenbaren[88].

3.5 Mangelhafte Vorgaben des Bestellers und mangelhafte Vorleistungen anderer Unternehmer

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Das Werk des Unternehmers ist auch dann mangelhaft, wenn er:


- ungeeignetes Material des Bestellers verwendet;
- ungeeignete Vorgaben des Bestellers befolgt;
-
-

Derartige Vorgaben darf der Unternehmer nicht blindlings hinnehmen, sondern muss sie, soweit es ihm fachlich möglich ist, kritisch prüfen und den Besteller unverzüglich warnen, bevor er auch noch sein eigenes Werk verdirbt[91]. Die §§ 4 III, 13 III VOB/B (RN 523) gelten über § 242 auch für den BGB-Bauvertrag[92].

Von seiner Mängelhaftung befreit sich der Unternehmer nur, wenn er seine Prüf- und Warnpflicht rechtzeitig erfüllt[93]. Dafür trägt er die Beweislast, denn die eigene Mängelhaftung ist die gesetzliche Regel, die Befreiung von der Haftung eine Ausnahme[94].

Schlägt der Besteller die Warnung des Unternehmers in den Wind, übernimmt er das Risiko eines Fehlschlags und befreit den Unternehmer von der Mängelhaftung[95]. Dies gilt erst recht, wenn der Besteller das Mängelrisiko oder sein Architekt das Planungsrisiko vertraglich übernommen hat[96].

Beispiele


- Wer ein Außenschwimmbecken bauen soll, muss prüfen, ob die vorhandene Betonplatte dicht und standfest sei (BGH NJW 87, 643).
- Wer eine Heizungsanlage einbauen und an das Blockheizkraftwerk eines anderen Unternehmers anschließen soll, muss prüfen, ob das Blockheizkraftwerk ausreichend Heizwärme liefern könne (BGH NJW 2008, 511).
- Der Installateur, der eine Hauswasserleitung an eine Grundleitung mit Rückstausicherung anschließen soll, muss prüfen, ob die ausgesuchte Grundleitung überhaupt eine Rückstausicherung habe (BGH NJW 2011, 2644).
- Der Bauunternehmer muss prüfen, ob die Pläne des Architekten, die er vom Bauherrn bekommen hat, eine mangelfreie Hersteller des Bauwerks erlauben (BGH NJW 2009, 582). Auch der Architekt, dem der Bauherr nur die Überwachung des Bauvorhabens überträgt, muss die fremden Baupläne auf ihre Brauchbarkeit prüfen (BGH NJW 2009, 582).
- Die Klägerin soll für die Stadt P. einen Elektrodüker (Kabelkanal unter der Straße) verlegen sowie seine Lage vermessen und dokumentieren. Die Vermessung und Dokumentation, welche die Grundlage für Rammpläne eines anderen Unternehmers bilden sollen, vergibt die Klägerin an die Beklagte. Anstatt den tatsächlichen Verlauf des Dükers mittels oberirdischer Farbmarkierungen exakt zu vermessen, nimmt die Beklagte nur die Lage der Start- und Zielgrube auf und verbindet die beiden Punkte mit einer „idealisierten“ geraden Linie. Diese Lagepläne übergibt sie im Einverständnis der Klägerin dem anderen Unternehmer, der auf dieser Grundlage die Rammpläne erstellt. Rammarbeiten beschädigen prompt den von der Klägerin verlegten Düker und unterbrechen die Stromversorgung. Nachdem die Klägerin den Düker für 82 000,– € neu verlegt hat, verklagt sie die Beklagte auf Ersatz dieses Betrags. Anspruchsgrundlage ist § 634 Nr. 4 mit § 280 I 1. Das Werk der Beklagten ist mangelhaft, ihm fehlt die vereinbarte Beschaffenheit, denn die Vermessung des Dükers war keine geeignete Grundlage für die Erstellung der Rammpläne. Die Beklagte hätte den Verlauf des Dükers exakt vermessen und dokumentieren sollen. Dass die Klägerin als Bestellerin mit der oberflächlichen Vermessung einverstanden war oder sie der Beklagten gar vorgegeben hat, entlastet die Beklagte noch nicht. Von ihrer Mängelhaftung hätte sich die Beklagte nur befreit, wenn sie die unbrauchbare Vorgabe der Klägerin kritisch geprüft und die Klägerin gewarnt, oder wenn die Klägerin das Risiko vertraglich übernommen hätte (BGH NJW 2011, 3780). Für diese Ausnahmen von der gesetzlichen Mängelhaftung aber trägt die Beklagte die Beweislast (BGH NJW 2011, 3780). Gelingt es der Beklagten nicht, sich auf diese Art und Weise zu entlasten, ist ihre Haftung vielleicht wegen Mitverschuldens der Klägerin nach § 254 I (hälftig) zu kürzen. Auch dafür trägt die Beklagte die Beweislast (BGH NJW 2011, 3780).