Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

3. Das Mitverschulden des Patienten

399

Den Patienten, der seine Gesundheit dem medizinischen Profi anvertraut, trifft in aller Regel kein Mitverschulden an der Beschädigung seiner Gesundheit[220], es sei denn, er missachte eine erfolgversprechende therapeutische Anordnung des Behandlers, obwohl er über das Risiko der Nichtbehandlung verständlich aufgeklärt worden ist[221].

4. Noch einmal zwei Anspruchsgrundlagen

Nachdem der Behandlungsvertrag samt Beweislastregeln sich im BGB niedergelassen hat, sieht es ganz so aus, als hätte § 823 I als Anspruchsgrundlage ausgedient und werde nur noch benötigt, wenn der Krankenhausarzt, der keinen Vertrag mit dem Patienten hat, Fehler mache. Da aber der BGH bislang die Anspruchsgrundlage des § 823 I vorgezogen hat und vielleicht weiterhin vorziehen wird, weil sie es ihm leichter macht, mit der technischen Entwicklung der Medizin Schritt zu halten[222], sollen hier beide Anspruchsgrundlagen näher beschrieben werden.

5. Der Behandlungsfehler als Vertragsverletzung
5.1 Die Anspruchsgrundlage

400

Nach § 280 I 1, einer Anspruchsgrundlage des allgemeinen Schuldrechts, hat der Patient als Gläubiger Anspruch auf Schadensersatz, wenn der Behandler, sein Schuldner, eine schuldrechtliche Pflicht verletzt und den Patienten dadurch schädigt. Die Beweislast trägt nach allgemeiner Regel der Patient als Anspruchssteller. Davon weichen die gesetzlichen Beweislastregeln des § 630h ab.

5.2 Die Pflichtverletzung des Behandlers

401

Wozu ist der Behandler dem Patienten vertraglich oder gesetzlich verpflichtet?

Nach § 630a zu einer medizinischen Behandlung gemäß den allgemein anerkannten fachlichen Standards; jeder Behandlungsfehler ist eine Vertragsverletzung;

nach § 630c zur umfassenden therapeutischen Aufklärung des Patienten;

nach § 630d dazu, vor einem medizinischen Eingriff die Einwilligung des Patienten einzuholen;

nach § 630e zur rechtzeitigen, richtigen, vollständigen und verständlichen Aufklärung des Patienten über den medizinischen Eingriff;

nach § 630f zur Dokumentation der Behandlung in einer Patientenakte und deren Aufbewahrung während 10 Jahren.

402

Die Beweislast für eine Pflichtverletzung des Behandlers und, als deren Voraussetzung, für den Behandlungsvertrag trägt in der Regel der Patient als Anspruchsteller[223]. Von dieser Regel weicht § 630h in drei Fällen ab:

403

§ 630h I vermutet einen Behandlungsfehler dann, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht, das der Behandler voll beherrschen kann[224]. Der Behandler muss die gesetzliche Vermutung widerlegen und das Gegenteil beweisen.

404

Da nur die Einwilligung des aufgeklärten Patienten den medizinischen Eingriff rechtfertigt, muss der Behandler nach § 630h II beweisen, dass er die Einwilligung eingeholt und den Patienten zuvor vollständig und richtig aufgeklärt habe (S. 1). Jedoch darf der Behandler, wenn die Aufklärung des Patienten nicht dem Gesetz entspricht, einwenden, dass der Patient auch nach einer gesetzmäßigen Aufklärung eingewilligt hätte (S. 2).

405

Im Streit darüber, ob der Behandler eine medizinisch gebotene Maßnahme vorgenommen oder unterlassen habe, vermutet § 630h III, der Behandler habe sie unterlassen, wenn er sie nicht in der Patientenakte vermerkt oder die Patientenakte nicht lange genug aufbewahrt hat[225]. Der Behandler muss die gesetzliche Vermutung widerlegen und das Gegenteil beweisen.

Erlaubt ist zwar auch eine Behandlung, die (noch) nicht allgemein anerkannt ist, aber nur nach sorgfältiger Abwägung der Vor- und Nachteile, und die ist umso strenger, je schwerer der ärztliche Eingriff ist[226].

5.3 Der Schaden des Patienten und die Verursachung des Schadens

406

Im Normalfall muss der Patient nicht nur seinen Gesundheitsschaden, sondern auch dessen Verursachung durch die Pflichtverletzung des Behandlers beweisen.

407

Wenn aber der Behandler der Behandlung nicht gewachsen ist und Fehler macht, vermutet § 630h IV, dass die mangelnde Fähigkeit des Behandlers den Gesundheitsschaden des Patienten verursacht habe. Der Behandler muss die gesetzliche Vermutung widerlegen und das Gegenteil beweisen.

408

Und wenn der Behandler einen groben Behandlungsfehler begeht, der sich dazu eignet, den Körper oder die Gesundheit des Patienten so zu verletzen, wie es tatsächlich geschieht, vermutet § 630h V 1, dass der grobe Behandlungsfehler die Verletzung verursacht habe. Der Patient muss zwar den groben Behandlungsfehler und dessen Eignung zur Schädigung beweisen, der Behandler aber die gesetzliche Kausalitätsvermutung widerlegen und das Gegenteil beweisen[227]. Dies gilt nach § 630h V 2 auch dann, wenn der Behandler es grob fahrlässig unterlässt, einen medizinisch gebotenen Befund zu erheben oder zu sichern[228].

5.4 Das Verschulden des Behandlers

409

Die Anspruchsgrundlage des § 280 I 1 erfordert kein Verschulden, denn der Schuldner muss sich nach § 280 I 2 entlasten und seine Nichtschuld beweisen.

Für die Arzthaftung galt dies bislang nicht. Entgegen § 280 I haftete der Arzt nur für einen schuldhaften Behandlungsfehler. Die Begründung der Rechtsprechung lautet: Der Arzt habe keinen Heilungserfolg versprochen, und der menschliche Organismus sei derart unberechenbar, dass ein Misserfolg der Behandlung noch kein Verschulden bedeute, das Krankheitsrisiko aber trage der Patient[229]. Die praktische Bedeutung dieser Beweislastregel zum Nachteil des Patienten ist gering, weil jede Abweichung vom medizinischen Standard in aller Regel auch verschuldet ist und der Arzt nach § 276 II auch dafür einstehen muss, dass er den Anforderungen seines Berufs nicht gewachsen ist[230].

410

Anwendbar bleibt § 280 I 2 auf den fehlerhaften Einsatz medizinischer Geräte[231] und auf die fehlerhafte Organisation der Arztpraxis[232].

6. Der Behandlungsfehler als unerlaubte Handlung
6.1 Die Anspruchsgrundlage

411

Anspruchsgrundlage ist § 823 I, Anspruchsvoraussetzung eine vorsätzliche oder fahrlässige Tötung, Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung. Die Beweislast trägt der Patient als Anspruchsteller. Nicht anspruchsbegründend ist, gegen den Wortlaut des Gesetzes, die widerrechtliche Verletzung, denn die Verletzung dieser absoluten Rechtsgüter ist rechtswidrig, wenn sie nicht ausnahmsweise besonders gerechtfertigt wird (RN 987 ff.).

Bild 37: Die Beweislast für und gegen die Haftung des Behandlers nach § 823 I


[Bild vergrößern]

6.2 Die Rechtfertigung des medizinischen Eingriffs

412

Jeder, auch der fehlerfreie, medizinische Eingriff in den menschlichen Körper durch Operation, Injektion, Bestrahlung, Chemo-Therapie, Bluttransfusion, aggressives Medikament oder schmerzhafte Untersuchung ist eine rechtswidrige Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung, wenn sie nicht durch Einwilligung des aufgeklärten Patienten besonders gerechtfertigt wird[233]. Beweisen muss er aber nicht nur das Einverständnis des Patienten, sondern auch die richtige und vollständige, rechtzeitige und verständliche Risikoaufklärung[234].

413

Die Einwilligung des Patienten ist ein Rechtfertigungsgrund, den der Behandler beweisen muss.

Diese Verteilung der Beweislast rechtfertigt sich sowohl aus dem System des § 823 I, der absolute Rechtsgüter und Rechte schützt, als auch aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten nach Art. 2 I GG. Nicht der Arzt, sondern der Patient bestimmt, ob er sich dem Eingriff unterziehe. Seine freie Entscheidung gegen den Eingriff ist auch dann zu respektieren, wenn sie jeder medizinischen Vernunft spottet[235]. Die Ablehnung bestimmter ärztlicher Eingriffe oder lebensverlängernder Maßnahmen kann der Patient vorsorglich schon in einer Patientenverfügung nach § 1901a erklären[236].

Wenn der Patient laut Wahlleistungsvereinbarung erklärt, er wolle sich nur vom Chefarzt operieren lassen, ist die Operation durch einen anderen Arzt mangels Einwilligung des Patienten rechtswidrig, und der operierende Arzt haftet für die Folgen dieser Körperverletzung[237]. Ausgeschlossen ist sein Einwand, der Patient hätte durch eine rechtmäßige Operation den gleichen Schaden erlitten[238].

6.3 Die Einwilligung des Patienten

414

Die Einwilligung des Patienten ist keine Willenserklärung nach § 183, sondern eine tatsächliche Gestattung, die den ärztlichen Eingriff rechtfertigt[239]. Der Minderjährige kann selbst einwilligen, wenn er reif genug ist, die Tragweite von Einwilligung und Eingriff zu ermessen[240], andernfalls ist die Einwilligung der personensorgeberechtigten Eltern nötig[241]. Jedoch darf der Minderjährige einem Eingriff, der nicht dringend, aber riskant ist, auch dann noch widersprechen, wenn die Eltern einwilligen[242].

 

Entbehrlich ist nach § 630d I 4 die Einwilligung samt Aufklärung des Patienten nur, wenn der notwendige Eingriff so dringlich ist, dass eine Einwilligung des Patienten nicht mehr rechtzeitig eingeholt werden kann und der Patient mutmaßlich einverstanden ist[243].

6.4 Die Aufklärung des Patienten

415

Nur der aufgeklärte Patient kann sich frei für oder gegen den Eingriff entscheiden. Aufgeklärt ist er dann, wenn er rechtzeitig und in verständlicher Form erfährt, was ihn erwartet. Der Arzt muss in einer Sprache, die auch der Laie versteht[244], und zur rechten Zeit[245] zumindest über die Erkrankung sowie über Art und Schwere des Eingriffs aufklären[246]. Ohne diese „Grundaufklärung“ ist jeder Eingriff rechtswidrig, und der Arzt haftet für alle Folgen[247].

Aufklären soll der Arzt auch über Dringlichkeit, Erfolgsaussichten und Risiken des Eingriffs, über Art und Dauer der Schmerzen, über Nebenwirkungen und über gleichwertige Behandlungsalternativen mit unterschiedlichen Chancen und Risiken[248].

Eine neue nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode oder Operationstechnik ist für den medizinischen Fortschritt unentbehrlich und für sich allein noch kein Behandlungsfehler, denn der behandelnde Arzt hat bei der Therapiewahl einen weiten Beurteilungsspielraum, muss aber die Vor- und Nachteile seiner Therapiewahl sorgfältig abwägen und den Patienten darüber umfassend aufklären[249].

Der Patient muss zwar nicht alle Einzelheiten erfahren, aber doch „im Großen und Ganzen“ wissen, was ihn erwartet[250], und auch seltene, aber folgenschwere Risiken des Eingriffs kennen[251]. Die Risikoaufklärung ist selbst dann geboten, wenn der Eingriff lebenswichtig, das Risiko selten und ohne den Eingriff größer ist[252].

Beispiele


- Risiko starker Nebenwirkungen des verordneten Medikaments, auch wenn schon der Beipackzettel des Herstellers darauf hinweist (BGH NJW 2005, 1716);
- Schmerzrisiko durch Rektoskopie (BGH 90, 96) oder durch Osteotomie, die nach Hüftluxation den Schmerz lindern soll (BGH NJW 87, 1481);
- Risiko von Lähmungserscheinungen bis hin zur Querschnittslähmung durch Darstellung des Rückenmarks (BGH NJW 96, 777);
- Risiko einer Nachoperation mit Nierenverlust durch Nierenbeckenplastik (BGH NJW 96, 3073).
- Risiko einer Querschnittslähmung durch Bestrahlung des Rückgrats (BGH 90, 103) oder nach einer operativen Aortenisthmusstenose (BGH NJW 91, 2344);
- Risiko einer Dauerschädigung wichtiger Nerven durch Knie-Ellenbogen-Lage bei Bandscheibenoperation (BGH NJW 85, 2192);
- Risiko einer Schädigung des Armplexus durch Telekobaltbestrahlung (BGH NJW 90, 1528);
- Risiko einer Schnittentbindung (BGH NJW 93, 2372) oder einer Zwillingsschwangerschaft (BGH NJW 2004, 3703: Behandlungsalternative).

Von der Risikoaufklärung muss man die therapeutische Aufklärung: die Beratung über ein therapiegerechtes Verhalten des Patienten unterscheiden (RN 387, 388). Was der Arzt hier falsch macht, ist oft ein gewöhnlicher Behandlungsfehler, den der Patient nachweisen muss[253].

416

Besonders gründlich und umfassend muss der Arzt aufklären, wenn der Eingriff nicht dringlich oder der Erfolg zweifelhaft ist, sodass ein vorsichtiger Patient die Einwilligung eher verweigert[254]. Dieser strenge Maßstab wird auch an kosmetische Operationen angelegt, weil sie in aller Regel nicht dringlich sind[255].

417

Entbehrlich ist die Aufklärung:


-
-
-
-
-
-

6.5 Die volle Haftung des Arztes für eine fehlerhafte oder unvollständige Aufklärung des Patienten

418

Die Einwilligung des Patienten in den Eingriff des Arztes ist unteilbar. Jede fehlerhafte oder unvollständige Aufklärung des Patienten durch den Arzt macht den ärztlichen Eingriff rechtswidrig, denn es fehlt eine wirksame Einwilligung des Patienten, und der Arzt haftet nach § 280 I 1 oder § 823 I für alle Schadensfolgen, auch wenn sich kein Risiko verwirklicht, über das der Arzt hätte aufklären müssen[262]. Das ist jedenfalls die gesetzliche Regel.

Der Schutzzweck der verletzten Norm rechtfertigt jedoch eine Ausnahme, wenn sich nur ein Risiko verwirklicht, über das der Arzt den Patienten ebenso aufgeklärt hat wie über Art und Schwere des Eingriffs (sog. Grundaufklärung), denn dieses Risiko hat der Patient mit seiner Einwilligung in Kauf genommen[263].

6.6 Die hypothetische Einwilligung des Patienten und der Entscheidungskonflikt

419

Die Haftung des Arztes ist ausgeschlossen, wenn er nachweist, dass der Schaden auch nach ausreichender Aufklärung des Patienten entstanden wäre[264].

Der Arzt kann den Vorwurf eines Aufklärungsfehlers mit dem Einwand der „hypothetischen Einwilligung“ oder des „rechtmäßigen Alternativverhaltens“ parieren, wenn er beweist, dass der Patient den Heileingriff auch nach richtiger und vollständiger Aufklärung gestattet hätte[265]. Dieser Beweis ist schwer zu führen. Zwar darf der Patient den Einwand des Arztes im Prozess nicht einfach bestreiten, sondern muss plausible Gründe dafür darlegen, dass die richtige und vollständige Aufklärung ihn in einen „echten Entscheidungskonflikt“ zwischen Einwilligung und Ablehnung des Eingriffs gestürzt hätte[266]. Wie er sich entschieden hätte, muss der Patient aber weder behaupten noch beweisen, denn dieser Beweis obliegt dem Arzt, der seine Aufklärungspflicht verletzt hat[267]. Unerheblich ist der Einwand des Arztes, ein vernünftiger Patient hätte eingewilligt, denn hier zählt nicht die medizinische Vernunft, sondern nur die höchstpersönliche Entscheidung des Patienten, mag sie noch so unvernünftig sein[268].

7. Der Behandlungsfehler

420

Behandlungsfehler sind: die fehlende oder fehlerhafte Aufklärung über die Risiken eines Eingriffs, die fehlerhafte Diagnose, die fehlerhafte Therapie und die fehlerhafte Beratung über die nötigen Heilmaßnahmen. Der Arzt haftet nicht nur für unsorgfältiges Handeln, sondern auch für pflichtwidriges Unterlassen der erforderlichen Untersuchungen oder Heilmaßnahmen[269].

Die Unterlassung einer Untersuchung oder Heilmaßnahme ist nicht erst dann ein Behandlungsfehler, wenn die unterlassene Maßnahme zwingen geboten ist, sondern schon dann, wenn sie medizinischer Standard ist[270]. Stellt der Arzt deshalb eine falsche Diagnose, weil er eine medizinisch geboten Untersuchung unterlässt, ist dies kein Diagnosesondern ein Befunderhebungsfehler[271], der die Beweislast für die Verursachung der Gesundheitsverletzung auf den Arzt abwälzen kann[272]. Fehlerhaft wird eine Behandlung schon durch fehlerhafte Organisation. Trifft der Arzt gegen ein beherrschbares Risiko keine Vorkehrungen, verletzt er bereits seine Organisationspflicht[273].

Maßstab für die richtige oder falsche Behandlung sind nicht deren Erfolg und Misserfolg, sondern die Sorgfaltsregeln der ärztlichen Kunst und der medizinische Standard[274].

Beispiele


- Der Arzt erkennt trotz deutlicher Symptome die Krankheit nicht; aber nicht jede falsche Diagnose ist schon ein Behandlungsfehler (BGH NJW 2003, 2827).
- Der Arzt narkotisiert den Patienten, ohne ihn auf Vorerkrankungen untersucht zu haben (BGH NJW 59, 1583).
- Obwohl der Patient ersichtlich schwer krank ist und nicht in die Sprechstunde kommen kann, verzichtet der Arzt auf einen Hausbesuch und beschränkt sich auf eine telefonische Ferndiagnose (BGH NJW 79, 1248; aber auch Katzenmeier NJW 2019, 1769).
- Der Arzt warnt den Patienten nicht vor der Infektionsgefahr durch vorzeitiges Verlassen der Klinik nach Herzkathederuntersuchung (BGH NJW 81, 2513) oder vor einer Versteifung des Sprunggelenks, wenn es nicht alsbald operiert werde (BGH NJW 87, 705).
- Hat der Patient die Klinik ohne Nachuntersuchung verlassen, muss der Arzt ihn vielleicht erneut einbestellen und über die Notwendigkeit und Dringlichkeit weiterer Behandlung beraten (BGH NJW 91, 748).
- Dass die intravenös zu verabreichende Valiuminjektion versehentlich in die Schlagader gerät, ist für sich allein vielleicht noch kein vermeidbarer Behandlungsfehler, wohl aber das Unterlassen weiterer Untersuchung, wenn der Patient nach der Injektion über Schmerzen klagt (BGH NJW 89, 771).
- Der behandelnde Arzt ist verpflichtet, die für eine fachgerechte Diagnose und Therapie erforderlichen Untersuchungen durchzuführen und Befunde zu erheben sowie fachgerecht zu bewerten (BGH NJW 2011, 1672; 2020, 2467). Der Befunderhebungsfehler wird vom Fehler der therapeutischen Aufklärung danach abgegrenzt, welche Pflichtverletzung schwerer wiegt (BGH NJW 2020, 2467).
- Der Arzt wertet den erhobenen Röntgenbefund nicht sorgfältig aus; das ist auch dann ein Behandlungsfehler, wenn es nicht erforderlich war, den Patienten zu röntgen (BGH NJW 2011, 1672)
- Der Arzt weist den Patienten nicht darauf hin, dass zur Abklärung einer Verdachtsdiagnose eine bestimmte Untersuchung dringend notwendig sei (BGH NJW 97, 3090: Ohne diesen Hinweis entlastet die Weigerung des Patienten, sich untersuchen zu lassen, den Arzt nicht).
- Wird der Patient ambulant so stark sediert, dass er für längere Zeit nicht mehr sicher Auto fahren kann, darf der behandelnde Arzt ihn nicht seinem Schicksal überlassen, sondern muss verhindern, dass er mit dem Auto nach Hause fahre (BGH NJW 2003, 2309: auch wenn der Patient nach Belehrung versprochen hat, ein Taxi zu nehmen; kritisch Laufs NJW 2003, 2288)
- Wenn zwei Fachärzte denselben Patienten behandeln, hat jeder nur den Anforderungen seines Fachgebiets zu genügen und darf sich darauf verlassen, dass auch der andere dies tue; dagegen ist keiner verpflichtet, den Kollegen zu überwachen (BGH NJW 99, 1779; 2020, 2468).

Der Zwischenfall während der Operation kann Arztfehler oder Schicksal sein. Das Gericht muss im Arzthaftungsprozess mit Hilfe medizinischer Sachverständiger aufklären, wie es zu dem Zwischenfall gekommen und welcher Fachbereich medizinisch zuständig sei[275]. Vom Arzt erwartet man die Sorgfalt eines gewissenhaften Vertreters seiner Zunft, der auf der Höhe der Zeit steht und die Entwicklung der medizinischen Wissenschaft verfolgt. Freilich muss nicht jeder Arzt alles wissen und können. Vom Arzt für Allgemeinmedizin erwartet man nicht die Spezialkenntnisse des Facharztes. Wer aber über den gewöhnlichen Standard hinaus Spezialkenntnisse besitzt, muss sie für den Patienten auch einsetzen[276]. Der Arzt muss nicht immer den sichersten Weg gehen, das höhere Risiko aber durch besondere Sachzwänge oder günstigere Heilungsaussichten rechtfertigen[277].