Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen

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8. Kapitel Der Krankenhausaufnahmevertrag

1. Drei Varianten

378

Der Krankenhausaufnahmevertrag zwischen Patient und Krankenhausträger ist im Kern stets ein Dienstvertrag[171]. Es gibt drei Spielarten[172].


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Wenn die gesetzliche Krankenkasse einen Kassenpatienten ins Krankenhaus einweist, schließt sie mit dem Krankenhausträger nach §§ 611, 328 einen privatrechtlichen Behandlungsvertrag zugunsten des Patienten[180], nicht auch mit den Krankenhausärzten, die keine Kassenärzte sind. Überweist sie dagegen einen Kassenpatienten zur ambulanten Behandlung ins Krankenhaus, schließt sie den Behandlungsvertrag kraft kassenärztlicher Beteiligung nur mit dem zur vertragsärztlichen Behandlung ermächtigten Krankenhausarzt, nicht mit dem Krankenhausträger[181].

Und wer sich als Privatpatient im Krankenhaus ambulant behandeln lässt, schließt den Behandlungsvertrag nur mit dem Chefarzt, der die Ambulanz leitet und selbst liquidieren darf[182].

Auch die ärztliche Heilbehandlung nach einem Arbeitsunfall ist eine zivilrechtliche Dienstleistung, für die der behandelnde Arzt selbst haftet. Öffentliche Aufgaben der Berufsgenossenschaft sind nur die Diagnose des Durchgangsarztes und die Erstversorgung[183].

Öffentlichrechtlich sind die Behandlung eines Soldaten durch den Truppenarzt[184] und die

Zwangsbehandlung eines untergebrachten psychisch Kranken[185].

Die Krankenhauskosten eines mittellosen Patienten trägt die Sozialhilfe[186].

2. Die Krankenhaushaftung
2.1 Die Vertragshaftung

379

Auch der Krankenhausträger haftet nach § 280 I 1 mit § 241 II aus Vertrag für jede vermeidbare Pflichtverletzung. Krankenhausträger und Vertragsschuldner des Krankenhausaufnahmevertrags ist meistens eine juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts: Land, Kreis, Gemeinde, GmbH, Verein oder Stiftung.

Fehler der verfassungsmäßigen Vertreter werden ihr unmittelbar nach §§ 31, 89, Fehler des übrigen Personals mittelbar nach § 278 zugerechnet. Verfassungsmäßige Vertreter sind auch die Chefärzte, die medizinisch weisungsfrei arbeiten[187].

Die übrigen Ärzte und das Pflegepersonal können Erfüllungsgehilfen sein[188]. Wer im Einzelfall Erfüllungsgehilfe ist, hängt freilich vom Inhalt des Vertrages ab. Soweit der Krankenhausträger die ärztliche Behandlung schuldet, haftet er nach § 278 für seine Ärzte. Schuldet er hingegen nur die nichtärztliche Pflege und Versorgung, haftet er nach § 278 nur für sein Pflegepersonal[189]. Beim totalen Krankenhausvertrag sind Ärzte und Pflegepersonal Erfüllungsgehilfen des Krankenhausträgers.

2.2 Die Haftung aus unerlaubter Handlung

Für unerlaubte Handlungen seiner verfassungsmäßigen Vertreter haftet der Krankenhausträger nach §§ 31, 89 ohne Entlastungsmöglichkeit, für sein übriges Personal nur nach § 831 mit der Möglichkeit, sich durch den Nachweis sorgfältiger Auswahl und Überwachung zu entlasten (RN 1063 ff.).

2.3 Die Organisationshaftung

380

Die Verantwortung des Krankenhausträgers beginnt nicht erst beim Behandlungs- oder Pflegefehler (§ 278, 831), sondern schon beim Organisationsfehler (§§ 31, 89), denn durch seine verfassungsmäßigen Vertreter hat er den Krankenhausbetrieb so zu organisieren, dass die Patienten vor Schaden möglichst bewahrt bleiben[190]. Dass er seine Organisationspflicht erfüllt habe, muss im Streitfall der Krankenhausträger beweisen[191].

Beispiele


- Ärzte, die durch Nachtdienst übermüdet sind, dürfen nicht zur Operation eingeteilt werden (BGH NJW 86, 776).
- Erforderliche Medikamente müssen rechtzeitig vor der Operation verfügbar sein (BGH NJW 91, 1543).
- Infusionsflüssigkeit ist steril zu lagern (BGH NJW 82, 699).
- Der gebotene Standard der Anästhesie ist durch klare Anweisungen an die Ärzte zu sichern (BGH 95, 63).
- Behandlungsunterlagen müssen jederzeit greifbar sein (BGH NJW 96, 779: andernfalls Beweiserleichterung für den Patienten).
- Das Personal ist sorgfältig auszuwählen und laufend zu überwachen. So muss der Chefarzt Diagnose und Therapie des Arztes in Facharztausbildung alsbald selbst überprüfen oder durch einen Facharzt überprüfen lassen (BGH NJW 87, 1479).
- Das Belegkrankenhaus muss dagegen einschreiten, wenn der Belegarzt das Pflegepersonal fachlich überfordert (BGH NJW 96, 2429).
- Der Betreiber eines Geburtshauses, dessen Prospekt auch ärztliche Leistungen anbietet, hat den Ablauf der Geburtshilfe durch den weisungsfrei arbeitenden Arzt so zu organisieren, dass grobe Fehler vermieden werden (BGH NJW 2005, 888).
- Der Patient muss sich unter Aufsicht auch im Roll- oder Duschstuhl sicher bewegen können (BGH NJW 91, 2960).
- Schwerkranke Patienten müssen Gelegenheit haben, rechtzeitig ein wirksames Testament zu errichten (BGH NJW 89, 2945).

Bild 36: Die Krankenhaushaftung


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2.4 Typische Behandlungsfehler im Krankenhaus

381

Die Vertragsverletzungen und unerlaubten Handlungen im Krankenhaus sind so vielgestaltig wie die Vertrags- und Rechtspflichten des Krankenhausträgers

Beispiele


- Übernahmeverschulden: Das Krankenhaus darf sich nicht übernehmen. Es muss den Patienten über mangelnde Hygiene und unzulängliche Ausstattung aufklären (BGH NJW 71, 241; 84, 655) oder gar die Aufnahme ablehnen, wenn eine kontrollierte Therapie nicht möglich ist (BGH NJW 89, 2321). Solange der medizinische Standard gewährleistet ist, muss es freilich nicht darauf hinweisen, dass anderswo mit besserem Personal und besseren Apparaten eine risikoärmere Behandlung zu erwarten sei (BGH 102, 17). Der Notfallpatient darf von einem kleinen Krankenhaus nicht den Standard einer Spezialklinik erwarten und ist nur dann aufzuklären, wenn eine Verlegung ratsam und möglich ist (BGH NJW 82, 2121).
- Anfängeroperation: Jeder angehende Chirurg muss einmal seine erste Operation durchführen. Die fehlende Erfahrung ist durch sorgfältige Überwachung auszugleichen. Der Chef- oder Oberarzt begeht einen Behandlungsfehler, wenn er einem Assistensarzt ohne ausreichende Qualifikation eine Operation zur selbständigen Ausführung überträgt (BGH 88, 249; NJW 92, 1560 u. 98, 2736: Umkehr der Beweislast für die Kausalität; NJW 84, 655; 85, 2193: erhöhte Dokumentationspflicht). Den Anfänger selbst trifft nur dann ein Übernahmeverschulden, wenn er wissen muss, dass er der Operation nicht gewachsen ist.
- HIV-Infizierung: Der Krankenhausträger haftet dafür, dass ein Patient durch eine verseuchte Blutkonserve mit dem HIV-Virus angesteckt wird. Dem Patienten hilft der Anscheinsbeweis, wenn er keiner Risikogruppe angehört, der Blutspender an Aids erkrankt war und auch andere Blutempfänger infiziert wurden (BGH 114, 284; NJW 2005, 2614: gilt auch für den vom Patienten angesteckten Ehegatten).
- Lagerungsschaden: Der Behandlungsfehler wird vermutet, wenn der Patient durch falsche Lagerung auf dem Operationstisch zu Schaden kommt, denn diese Gefahr ist voll beherrschbar (BGH NJW 84, 1403; 91, 1541; 95, 1618).
- Wundinfektion: Für eine Infektion der Operationswunde haftet das Krankenhaus nur, wenn der Patient entweder einen Behandlungsfehler oder mangelnde Hygiene nachweist. Die Infektion ist für sich allein noch kein Haftungsgrund, denn es ist nicht immer vermeidbar, dass das Operationsteam Keime einschleppe (BGH NJW 91, 1542; OLG Koblenz NJW 91, 1553).
- Arztbrief: Das Krankenhaus soll dem nachbehandelnden Arzt in schweren Fällen den Entlassungsbefund und die nötige Therapie mitteilen (BGH NJW 87, 2927).

2.5 Der Gläubiger des Schadensersatzanspruchs

Der Patient hat auch dann einen eigenen Schadensersatzanspruch, wenn nicht er selbst, sondern nach § 328 die gesetzliche Krankenkasse oder die Eltern den Krankenhausaufnahmevertrag für ihn geschlossen haben[192]. Umgekehrt haben Eltern, die ihr Kind im eigenen Namen ins Krankenhaus aufnehmen lassen, als Vertragspartner Anspruch nicht nur auf Ersatz des Kindesschadens, sondern auch auf Ersatz des erhöhten Unterhaltsbedarfs[193].

 
9. Kapitel Der Behandlungsvertrag

1. Das gesetzliche System

382

Der Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient war schon immer ein reiner Dienstvertrag nach §§ 611 ff.[194], die Arzthaftung freilich eine Domäne der Rechtsprechung[195]. Erst das Patientenschutzgesetz vom 20.2.2013 hat den Arztvertrag zum Behandlungsvertrag erweitert und als „ähnlichen Vertrag“ in den §§ 630a-630h besonders geregelt (dazu: RN 327 f.).

2. Die Ansprüche aus dem Behandlungsvertrag
2.1 Die Anspruchsgrundlage und ihre Rechtsfolgen

383

Nach § 630a hat der Patient Anspruch auf die versprochene medizinische Behandlung (I) gemäß den „allgemein anerkannten fachlichen Standards“ zur Zeit der Behandlung, soweit nichts anderes vereinbart ist (II), und der Behandler hat Anspruch auf die vereinbarte Vergütung, soweit nicht ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist (I).

Auch der neue Behandlungsvertrag ist ein Dienstvertrag, kein Werkvertrag, und nach § 630b sind die Vorschriften über das Dienstverhältnis nicht nur entsprechend, sondern direkt anwendbar, soweit die §§ 630a ff. nichts anderes bestimmen. Der menschliche Organismus ist keine Maschine, die man einfach reparieren kann, wenn sie nicht mehr läuft. Deshalb verspricht der Arzt keine Heilung, sondern nur eine sorgfältige Behandlung nach den Standards der ärztlichen Zunft. Er garantiert weder die richtige Diagnose noch die heilende Therapie und schon gar nicht die erfolgreiche Operation. Der Zahnarzt macht da keine Ausnahme, auch die Zahnbehandlung ist Heilbehandlung[196]. Werkvertragsrecht gilt nur für technische Mängel einer Zahnprothese[197].

384

Ist die Höhe der Vergütung vertraglich nicht bestimmt, verdienen Arzt und Zahnarzt für die Behandlung von Privatpatienten nach § 612 II die taxmäßige Vergütung. Taxe ist für den Arzt die GOÄ[198], für den Zahnarzt die GOZ[199]. Den Kassenarzt bezahlt die öffentliche Krankenkasse.

385

Nicht vergütet wird die nutzlose Behandlung. Beauftragt der behandelnde Arzt, vielleicht gegen Provision, im Namen des Patienten einen Laborarzt mit einer medizinisch nutzlosen Laboruntersuchung, muss der Patient sie nicht bezahlen, denn er hat den behandelnden Arzt dazu nicht bevollmächtigt[200].

2.2 Behandlungsvertrag und Behandler

386

Die §§ 630a ff. regeln nicht den Arztvertrag, sondern den Behandlungsvertrag, sagen aber nicht, wer einen solchen Vertrag als medizinischer Behandler schließen könne. Allem Anschein nach sind es nicht nur Arzt und Zahnarzt, sondern auch Physio-, Psycho- und Ergotherapeut, Hebamme, Masseur, medizinischer Bademeister und Heilpraktiker[201]. Da ein Tier nicht Patient sein kann, ist der Tierarzt kein Behandler nach §§ 630a-630h[202].

Wenn man das Gesetz beim Wort nimmt, kann nach §§ 630a ff. medizinisch nur behandeln, wer die Behandlung vertraglich verspricht, entweder dem Vertragspartner oder nach § 328 einen Dritten[203]. Kein Behandler ist rechtlich, obwohl auch er behandelt, der Krankenhausarzt, der keinen Vertrag mit dem Patienten hat[204] und für seine Behandlungsfehler nicht aus Vertrag, sondern nur aus § 823 I haftet. Laut Überschrift und Text regeln die §§ 630a ff. lediglich das Vertragsverhältnis, nicht auch die vertragslose Rechtsbeziehung zwischen Behandler und Patienten.

3. Die Informationspflicht des Behandlers

387

§ 630c II, III verpflichtet den Behandler zu umfangreichen Informationen, § 630e zu gründlicher Aufklärung. Die beiden Pflichten unterscheiden sich nicht nur dem Namen nach, sondern auch nach ihrem Sinn und Zweck, denn § 630c II, III regelt die therapeutische Aufklärung, § 630e dagegen die Aufklärung über einen medizinischen Eingriff, ohne die der Patient nach § 630d II nicht wirksam einwilligen kann.

388

Nach § 630c II soll der Behandler dem Patienten zur Beginn der Behandlung und auch weiterhin alle wesentlichen Umstände der Behandlung erläutern, vor allem die Diagnose und die Therapie mit allem, was dazu gehört, damit der Patient wisse, was der Behandler mit ihm vorhabe (S. 1)[205]. Dem Patienten ist sogar der Verdacht eines Behandlungsfehlers zu offenbaren (S. 2).

389

Muss der Behandler damit rechnen, dass die private oder öffentliche Krankenversicherung die Behandlungskosten nicht vollständig übernehme oder erstatte, soll er den Patienten nach § 630c III 1 in Textform (§ 126b) über die Höhe der ungedeckten Kosten informieren. Tut er es nicht, verliert er in Höhe der ungedeckten Behandlungskosten seinen Vergütungsanspruch[206].

Nach § 630c IV ist die therapeutische Aufklärung ausnahmsweise entbehrlich, wenn die Behandlung unaufschiebbar ist, oder der Patient auf die Information ausdrücklich verzichtet hat.

4. Die Einwilligung des Patienten und die Aufklärungspflicht des Behandlers

390

§ 630d verpflichtet den Behandler, vor jedem medizinischem Eingriff und vor jeder schmerzhaften oder auch nur unangenehmen Behandlung die Einwilligung des Patienten einzuholen (I 1). Ist der Patient zu einer Einwilligung nicht fähig, ist sein gesetzlicher oder bevollmächtigter Vertreter dafür zuständig (I 2). Entbehrlich ist die Einwilligung nur im Notfall und nur, wenn die Behandlung dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht (I 4), Der Patient kann seine Einwilligung jederzeit und ohne Angabe von Gründen widerrufen (III).

391

Wirksam ist die Einwilligung des Patienten nach § 630d II nur, wenn er gemäß § 630e rechtzeitig, richtig und vollständig über den Eingriff aufgeklärt worden ist.

392

Damit der Patient sich frei für oder gegen den vorgesehenen Eingriff entscheiden kann, verpflichtet § 630e den Behandler, den Patienten über alle für den Eingriff wichtigen Umstände aufzuklären (I 1), vor allem über Art, Umfang und Durchführung, über Folgen und Risiken, über Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten des Eingriffs (I 2). Auch soll der Patient über Alternativen zur vorgesehenen Behandlung belehrt werden (I 3). Der Behandler muss persönlich oder durch eine dafür ausgebildete Person mündlich, rechtzeitig und verständlich aufklären (II 1). Dem Patienten sind Abschriften derjenigen Schriftstücke zu erteilen, die er im Zusammenhang mit seiner Einwilligung unterschrieben hat (II 2). Wenn der Patient nicht fähig ist, einzuwilligen, ist sein gesetzlicher oder bevollmächtigter Vertreter über den Eingriff aufzuklären (IV), zusätzlich aber auch noch der Patient selbst (V). Entbehrlich ist die Aufklärung ausnahmsweise dann, wenn der Eingriff unaufschiebbar ist oder der Patient auf die Aufklärung ausdrücklich verzichtet hat (III).

5. Die Dokumentationspflicht des Behandlers

393

§ 630f verpflichtet den Behandler, alles, was für die derzeitige und künftige Behandlung wichtig erscheint, zeitnah in einer Patientenakte zu dokumentieren, Berichtigungen und Änderungen als solche zu kennzeichnen und zu datieren (I, II) sowie die Patientenakte 10 Jahre lang aufzubewahren (III).

394

§ 630g berechtigt den Patienten, seine Patientenakte einzusehen, um zu erfahren, wie man mit ihm verfahre, welche Daten ermittelt worden und welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen seien (I 1)[207]. Erhebliche therapeutische Gründe[208] oder Rechte Dritter schließen das Einsichtsrecht des Patienten ausnahmsweise aus (I 1). Die Ablehnung der Einsichtnahme ist zu begründen (I 2). Der Patient hat, auf seine Kosten, Anspruch auf elektronische Abschriften der Patientenakte (II).

395

Diese Rechte haben aus vermögensrechtlichem Interesse auch der Erbe des verstorbenen Patienten und aus immateriellem Interesse seine nächsten Angehörigen[209], soweit nicht der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des Patienten entgegensteht (III).

10. Kapitel Die Haftung des Behandlers

1. Zwei Anspruchsgrundlagen

396

In den §§ 630a-630h findet der fehlerhaft behandelte Patient keine Anspruchsgrundlage für Schadensersatz. Anspruchsgrundlagen sind, selbständig nebeneinander und mit unterschiedlichen Voraussetzungen, die Vertragsverletzung nach § 280 I 1 und die unerlaubte Handlung nach § 823 I. Jeder vermeidbare Behandlungsfehler verpflichtet den Behandler zum Schadensersatz. Die Anforderungen an die medizinische Sorgfalt sind, obwohl nur § 630a II sie regelt, für beide Anspruchsgrundlagen gleich hoch[210]. Auch verjähren beide Ansprüche normal nach §§ 195, 199[211]. Die Vertragshaftung hat für den Patienten den Vorteil, dass der Behandler nach § 278 für seine Erfüllungsgehilfen schärfer haftet als nach § 831 für seine Verrichtungsgehilfen. Die Ersatzansprüche Dritter aus §§ 844, 845 entstehen nur aus unerlaubter Handlung.

2. Die Rechtsfolge: ein Anspruch auf Schadensersatz

397

Den Umfang des Schadensersatzes regeln einheitlich die §§ 249 ff[212]. Dazu gehört auch § 253 II, der nach einer Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung einen Anspruch auf Schmerzensgeld begründet[213]. Der Behandler haftet für alle zurechenbaren Folgen seines Behandlungsfehlers, auch für weitere Behandlungsfehler anderer Behandler, die der Patient wegen des ersten Behandlungsfehlers zugezogen hat[214].

 

398

Wird nach fehlerhafter ärztlicher Beratung über eine Empfängnisverhütung, Schwangerschaftsunterbrechung oder Sterilisation das unerwünschte Kind geboren und sollte die Beratung eine Belastung mit Kindesunterhalt verhindern, hat der Arzt den Eltern auch den Unterhaltsschaden zu ersetzen[215]. Für die unerwünschte Schwangerschaft, auch wenn sie glatt verläuft, hat die Mutter Anspruch auf ein Schmerzensgeld[216]. Die gleichen Rechtsfolgen hat die fehlerhaft misslungene Schwangerschaftsunterbrechung oder Sterilisation[217]. Diese Rechtsprechung ist verfassungsgemäß oder vielleicht doch nicht?[218].

Der Schutzzweck des Behandlungsvertrags deckt den Unterhaltsschaden der Kindeseltern nicht mehr, wenn die Frau wegen eines Hautausschlags ihren Hausarzt aufsucht, dabei ihre Schwangerschaft erwähnt, und der Hausarzt nicht erkennt, dass die Schwangere an Röteln erkrankt ist und ihr Kind damit anstecken kann[219].