Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

5.2 Der wichtige Grund zur Kündigung

353

Der wichtige Grund ist ein komplexer, unbestimmter Rechtsbegriff. Nach § 626 I besteht er aus Tatsachen, die eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum vereinbarten Vertragsende oder Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar machen[53]. Dies erfordert eine sorgfältige Abwägung der beiderseitigen Interessen. Die gerichtliche Feststellung eines wichtigen Grundes hat zwei Bestandteile: die Feststellung von Tatsachen und die rechtliche Schlussfolgerung, dass diese Tatsachen einen wichtigen Grund bilden. Die für einen wichtigen Grund erforderlichen Tatsachen muss im Prozess derjenige behaupten und beweisen, der sich vorzeitig vom Vertrag lösen will[54]. Er muss nicht nur den Kündigungsgrund nachweisen, sondern auch etwaige Rechtfertigungsgründe widerlegen, die der Kündigungsgegner für sein Verhalten ins Feld führt[55]. Die rechtliche Bewertung dieser Tatsachen als wichtigen Grund hingegen obliegt allein dem Gericht.

5.3 Die Vertragsverletzung als wichtiger Grund zur Kündigung

354

Der wichtige Grund erfordert weder eine Vertragsverletzung noch ein Verschulden. Auch Umstände, die keine Seite zu vertreten hat, können die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar machen[56]. Freilich ist die schuldhafte Vertragsverletzung des Vertragsgegners das Hauptbeispiel eines wichtigen Grundes. Je schwerer die Vertragsverletzung und je gröber das Verschulden ist, desto leichter fällt die Lösung vom Vertrag.

Beispiele


- Verweigerung der Dienstleistung und Schlechterfüllung durch Fernbleiben, Trunkenheit oder Haft (BAG NJW 86, 342; 89, 546);
- Verletzung der Treuepflicht durch Vollmachtsmissbrauch, Wettbewerbsverstoß (BAG NJW 88, 438) oder schweren Vertrauensbruch (BGH DB 67, 1170);
- strafbare Handlung gegen den Dienstberechtigten (BAG NJW 85, 1854, 3094). Die Arbeitsgerichte anerkennen sogar die Verdachtskündigung, wenn schon der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung das Vertrauen zerstört (BAG NJW 86, 3159; 93, 83);
- unberechtigte fristlose Kündigung des Vertragsgegners (BGH NJW 94, 443).

5.4 Die vertragliche Risikoverteilung

355

Ein wichtiger Faktor der Interessenabwägung ist die vertragliche Risikoverteilung. Risiken, die eine Partei im Vertrag übernommen hat, berechtigen sie nicht zur fristlosen Kündigung[57].

Beispiele


- Die Eltern dürfen den Internatsschulvertrag nicht deshalb kündigen, weil ihr Kind zu dumm oder zu faul ist oder keinen Spaß am Unterricht hat. Diese Risiken weist der Vertrag den Eltern zu. Dagegen berechtigt der Selbstmordversuch des Kindes, das im Internat nicht leben kann, die Eltern zur fristlosen Kündigung (BGH NJW 84, 2091).
- Einen Dolmetscherlehrgang darf man nicht deshalb fristlos kündigen, weil man der nötigen Sprachkenntnisse ermangle (BGH 90, 280).
- Dass der Kunde berufsbedingt seinen Wohnort wechselt, rechtfertigt keine fristlose Kündigung des Fitnessdienstvertrags (BGH NJW 2016, 3718).
- Die Einstellung des Geschäftsbetriebs ist noch kein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung einer Wirtschaftsberatung (BGH 24, 91), denn die Entwicklung des Unternehmens bis hin zur Insolvenz ist in aller Regel das Risiko des Dienstberechtigten (BAG NJW 69, 525; 73, 342; 85, 2606: Ausnahme; BGH WPM 75, 761: Ausnahme).

5.5 Die Ausschlussfrist für die fristlose Kündigung

356

Gemäß § 626 II 1 muss man die Kündigung binnen 2 Wochen ab Kenntnis des wichtigen Grundes erklären. Das ist eine Ausschlussfrist, deren Ablauf das Kündigungsrecht auslöscht, wenn nicht der Berechtigte es vorher ausübt (RN 25)[58]. Die Ausschlussfrist beginnt nach § 626 II 2, sobald der Kündigungsberechtigte diejenigen Tatsachen kennt, die den wichtigen Grund bilden[59]. Kündigungsberechtigt ist bei der juristischen Person das zuständige Organ[60].

Das Kündigungsrecht erlischt nicht, wenn die Kündigung noch vor Fristablauf dem Gegner zugeht[61].

5.6 Die Umdeutung der unwirksamen fristlosen Kündigung

Die unwirksame fristlose Kündigung lässt sich nach § 140 in eine wirksame ordentliche Kündigung umdeuten, wenn der Kündigende das Dienstverhältnis auf jeden Fall beenden will[62].

5.7 Die unberechtigte Kündigung

Ohne einen wichtigen Grund nach § 626 ist die fristlose Kündigung nicht nur unwirksam und kann das Dienstverhältnis nicht beenden, sie verletzt auch noch den Dienstvertrag und verpflichtet nach § 280 I 1 zum Schadensersatz, wenn der Kündigende sich nicht nach § 280 I 2 entlastet[63].

6. Die fristlose Kündigung höherer Dienste

357

Nach § 627 I darf jeder Vertragspartner ein Dienstverhältnis auch ohne wichtigen Grund fristlos kündigen, wenn der Dienstpflichtige Dienste höherer Art leisten soll und nicht in einem dauerndem Dienstverhältnis mit festen Bezügen steht[64]. Dieses außerordentliche Kündigungsrecht geht über § 626 weit hinaus.

Dienste höherer Art leisten vor allem die freien Berufe, denen die Kundschaft besonderes Vertrauen schenkt, weil sie zur Verschwiegenheit verpflichtet sind[65].

Beispiele


- Arzt (OLG Stuttgart NJW 86, 2374; OLG Jena NJW 2012, 2357; Spickhoff NJW 2011, 1651); Zahnarzt (BGH NJW 2011, 1674); Rechtsanwalt (BGH NJW 2002, 2774; 2014, 317; Ritter NJW 2015, 2008), Steuerberater (BGH NJW 2010, 1520: auch wenn für einen Teil der Dienste feste Bezüge vereinbart sind; NJW 2014, 2715) und Wirtschaftsprüfer (BGH NJW 2011, 3375); Werbeberater, Promotor (BGH NJW 83, 1191) und Kommissionär (RG 110, 123); zugelassene ambulante Pflegeeinrichtung (BGH NJW 2011, 2955) sowie Heirats- und Partnerschaftsvermittler, wenn sie nicht nur Makler sind, sondern sich zur Vermittlung verpflichten (BGH 106, 341; NJW 87, 2808; 91, 2763; 2005, 2543; 2010, 150: Online-Partnerschaftsvermittlung durch GmbH; Artz ZGS 2010, 21).
- Die besondere Vertrauensstellung fehlt beim Vertrag über ein dreitägiges Kurzseminar für Verkaufsschulung (BGH NJW 86, 373; 99, 355: Touristenbetreuung).
- Ebenso wenig gilt § 627 für einen Privatschulvertrag mit festem Schulgeld (BGH NJW 2008, 1064).

Zur Unzeit darf der Dienstpflichtige nach § 627 nicht kündigen, es sei denn, er hat dafür einen wichtigen Grund (II 1). Wirksam ist die Kündigung zur Unzeit auch ohne wichtigen Grund, verpflichtet aber zum Schadensersatz (II 2).

Anders als § 626 ist § 627 abdingbar, da dem Vertragspartner immer noch die unabdingbare fristlose Kündigung nach § 626 bleibt. Abweichende AGB freilich sind auch zwischen Unternehmern unwirksam[66].

7. Die Vergütung nach fristloser Kündigung

358

Da die fristlose Kündigung nach §§ 626, 627 den Dienstvertrag vorzeitig beendet, hat der Dienstpflichtige nur Anspruch auf eine anteilige Vergütung: Die vereinbarte Vergütung wird nach § 628 I 1 im Verhältnis zur erbrachten Dienstleistung gekürzt[67]. Das ist der gesetzliche Normalfall.

§ 628 I 2 geht noch einen Schritt weiter und kürzt die Restvergütung zusätzlich bis auf Null[68], soweit die bisherige Dienstleistung für den Dienstberechtigten durch die Kündigung wertlos geworden ist[69], Das ist die gesetzliche Ausnahme; sie hat folgende Voraussetzungen: Entweder hat der Dienstpflichtige selbst gekündigt, ohne dass er durch eine Vertragsverletzung des Dienstberechtigten dazu bestimmt worden ist, oder er hat die Kündigung des Dienstberechtigten durch seine eigene Vertragsverletzung veranlasst[70]. Die Beweislast für diese Einwendung gegen den Vergütungsanspruch trägt der Dienstberechtigte[71].

 

Beispiel

Kündigt der Mandant das Mandat, weil sein Anwalt unter dem Verdacht, Mandantengelder veruntreut zu haben, verhaftet worden ist, und muss er deshalb einen neuen Prozessbevollmächtigten bestellen und bezahlen, verliert der Anwalt nach § 628 I 2 seinen Vergütungsanspruch, auch soweit die Gebühren bereits entstanden sind, vollständig (BGH NJW 95, 1954).

Vorauszahlungen auf die Vergütung sind gemäß § 628 I 3 zu erstatten, entweder nach § 346 oder nach §§ 812 ff., je nachdem ob der Dienstpflichtige die Kündigung zu vertreten hat oder nicht.

§ 628 ist vertraglich abdingbar, aber nicht durch AGB des Dienstpflichtigen[72].

8. Der Anspruch auf Ersatz des Kündigungsschadens

359

Wer durch Vertragsverletzung die fristlose Kündigung des Vertragsgegners verursacht, ist nach § 628 II zum Ersatz des Kündigungsschadens verpflichtet, der dem Vertragsgegner durch die vorzeitige Beendigung des Dienstverhältnisses entsteht[73].

Beispiel

Die Internatsschule kündigt fristlos den Schulvertrag mit den Eltern des Schülers, der grob gegen die Schulordnung verstoßen hat. Die Eltern haben diese Verstöße nach § 278 zu vertreten und sind nach § 628 II zum Schadensersatz verpflichtet (BGH NJW 84, 2093).

Der Schadensersatzanspruch entfällt, wenn die Vertragsverletzung des Rechtsanwalts keinen wichtigen Grund bildet oder der Mandant die zweiwöchige Kündigungsfrist nicht einhält[74], oder wenn auch der Kündigungsgegner wegen einer Vertragsverletzung des Kündigenden hätte kündigen können[75]. § 628 II ist auch dann nicht anwendbar, wenn der Geschäftsführer einer GmbH nach seiner Abberufung oder der Beschränkung seiner Aufgaben den Anstellungsvertrag kündigt, denn die Abberufung ist keine Vertragsverletzung und lässt nach § 615 S. 2 den vertraglichen Vergütungsanspruch bestehen[76].

9. Der Anspruch des Dienstpflichtigen auf ein Zeugnis

360

Am Ende eines „dauernden“ Dienstverhältnisses hat der Dienstpflichtige nach § 630 Anspruch auf ein Zeugnis über Art und Dauer des Dienstverhältnisses, auf Verlangen auch noch über seine Leistungen und seine Führung[77]. Das Zeugnis muss wahr sein[78]. Das falsche Zeugnis verletzt den Vertrag und verpflichtet nach § 280 I 1 zum Schadensersatz[79]. Einem Dritten, der sich auf das falsche Zeugnis verlässt, haftet der Dienstberechtigte nur aus § 826[80].

6. Kapitel Der Anwaltsvertrag

1. Ein Dienst- und Geschäftsbesorgungsvertrag

361

Der Anwaltsvertrag (Mandat) ist ein Dienstvertrag nach § 611, sein Gegenstand eine Geschäftsbesorgung nach § 675 I[81], sodass auf ihn nicht nur die §§ 611-630, sondern auch noch die §§ 663, 665-670, 672-674 anzuwenden sind (RN 591).

Der Rechtsanwalt verspricht weder einen Verhandlungserfolg noch einen Prozesssieg, sondern nur eine sorgfältige Rechtsberatung oder Prozessführung. Wer einen Anwalt aufsucht, erwartet im Zweifel Rechtsrat, keine Anlageberatung und keine Maklertätigkeit, die ihm freilich nicht völlig verwehrt sind[82]. Typische Anwaltstätigkeiten sind auch die Mediation[83], die treuhänderische Verwaltung fremder Vermögen[84] sowie die Verwaltung und Abwicklung von Nachlässen[85].

Werkleistungen nach § 631 mit Gewährleistung nach § 634 sind nur die isolierte Rechtsauskunft, das Rechtsgutachten und der Vertragsentwurf[86].

Rechtsberatung und Prozessvertretung sind, bis auf eng begrenzte Ausnahmen gemäß §§ 6-10 RDG und § 79 ZPO, immer noch den Rechtsanwälten vorbehalten (RN 2337 ff.)

Nach § 134 nichtig ist der Anwaltsvertrag, der das gesetzliche Verbot des § 43a IV BRAO übertritt, widerstreitende Interessen zu vertreten[87], oder das Tätigkeitsverbot des § 45 I Nr. 1 oder des § 46 II Nr. 1 BRAO[88] missachtet.

2. Die Vergütung des Rechtsanwalts

362

Die Vergütung des Prozessanwalts ist im RVG geregelt und besteht aus Gebühren und Auslagen (§ 1 I 1). Die Gebühren richten sich nach dem Gegenstandswert der Rechtsstreitigkeit (§ 2 I) und dem Vergütungsverzeichnis (§ 2 II). Wer den Gegenstandswert kennt, kann die Gebühren aus der Gebührentabelle ablesen (§ 13).

Aber auch der Prozessanwalt lässt sich, wenn er prominent und geschäftstüchtig genug ist, gerne ein höheres als das gesetzliche Honorar versprechen. Nach § 3a I RVG bedarf die Honorarvereinbarung der Textform (§ 126b), ist als Vergütungsvereinbarung oder ähnlich zu bezeichnen, muss von anderen Abreden deutlich getrennt werden und darf nicht in der Vollmachtsurkunde stehen[89]. Und sie soll dem Mandanten klarmachen, dass er nach gewonnenem Prozess dem Prozessgegner oder der Staatskasse nur die gesetzlichen Gebühren berechnen dürfe, weil nur sie nach § 91 I ZPO notwendig sind.

Unangemessen hohe Gebühren kann das Prozessgericht nach § 3a II RVG auf den angemessenen Betrag herabsetzen[90].

Die Vereinbarung, in der sich ein Anwalt, der durch Prozesskostenhilfe beigeordnet ist, höhere als die gesetzlichen Gebühren versprechen lässt, ist nach § 3a III RVG nichtig.

Seit jeher anrüchig und nichtig war hierzulande die Vereinbarung eines Erfolgshonorars des Inhalts, dass der siegreiche Prozessanwalt für seinen Erfolg mit einem Bruchteil des erstrittenen Geldbetrags oder sonstwie besonders belohnt werde[91]. Erst das BVerfG hat sachte an diesem ehernen Verdikt gerüttelt[92], mit mäßigem Erfolg, denn § 49b III BRAO erlaubt die Vereinbarung eines Erfolgshonorars nur, wenn das RVG sie erlaubt, und § 4a RVG erlaubt sie nur in spärlichen Dosen[93].

Eine Vergütungsvereinbarung, die nicht die Form des § 3a I RVG wahrt oder dem § 4a RVG widerspricht, ist aber nicht in vollem Umfang nichtig, sondern berechtigt den Anwalt, die vereinbarte Vergütung bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren zu verlangen[94]. Nichtig ist nach § 49b I BRAO aber die Vereinbarung geringerer als der gesetzlichen Gebühren[95].

363

Soweit für die außergerichtliche Beratung und Vertretung gesetzliche Gebühren fehlen, empfiehlt § 34 RVG eine Vergütungsvereinbarung, etwa nach Stundensätzen[96]. Ohne Vereinbarung hat der Anwalt nach § 612 II nur Anspruch auf die übliche Vergütung[97] (RN 332). Die übliche Vergütung schuldet aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung auch der geschäftsunfähige Mandant[98].

Das Anwaltshonorar wird nach § 8 I RVG erst fällig, wenn der Auftrag erledigt ist und der Anwalt dem Mandanten nach § 10 RVG eine prüfbare Rechnung erteilt hat[99]. Jedoch hat der Anwalt nach § 9 RVG Anspruch auf einen angemessenen Vorschuss[100]. Die Verjährung des Anwaltshonorars beginnt nach § 10 I 2 RVG auch ohne Rechnung[101], wird für den Prozessanwalt aber nach § 8 II RVG während der Dauer des Rechtsstreits gehemmt.

3. Das Berufsbild des Rechtsanwalts

364

Rechtsgrundlage ist die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). Als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1) ist der Rechtsanwalt zur Beratung und Vertretung in allen Rechtsangelegenheiten berufen (§ 3)[102]. Er übt einen freien Beruf aus, kein Gewerbe (§ 2). Mit dem Richter steht er auf gleichem Fuß, denn Rechtsanwalt kann nur werden, wer die Befähigung zum Richteramt erworben hat (§ 4).

Wer den Beruf eines Rechtsanwalts ausüben will, bedarf der Zulassung durch die örtliche Rechtsanwaltskammer. Nach § 78 ZPO darf der zugelassene Rechtsanwalt vor jedem Zivilgericht auftreten, nur der BGH-Anwalt braucht eine besondere Zulassung.

Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erlischt durch Tod, rechtskräftigen Ausschluss aus der Anwaltschaft oder Rücknahme der Zulassung (§§ 13, 14 BRAO).

Der Anwalt hat nicht nur Vertragspflichten gegenüber seinem Mandanten, sondern nach §§ 43 ff. BRAO auch vielfältige gesetzliche Berufspflichten[103], so zur Verschwiegenheit und Fortbildung, zur unverzüglichen Herausgabe oder sicheren Anlage der Mandantengelder, zur Unterlassung einer reißerischen Werbung und der Vertretung widerstreitender Interessen (RN 361), zur Vertretung armer Parteien, zur Führung von Handakten und zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung.

Nach § 53 I BRAO muss der Anwalt bei Bedarf für seine Vertretung sorgen. Tut er dies nicht, kann die Rechtsanwaltskammer nach § 53 V BRAO einen Vertreter bestellen. Und nach dem Tod des Anwalts kann sie nach § 55 BRAO einen Abwickler der Kanzlei bestellen[104].

7. Kapitel Die Anwaltshaftung

1. Die Anspruchsgrundlage

365

Seinem Mandanten ist der Anwalt für jeden vermeidbaren Fehler zum Schadensersatz verpflichtet. Da der Anwaltsvertrag als Dienst- und Geschäftsbesorgungsvertrag keine besondere Mängelhaftung kennt, ist § 280 I 1 mit § 241 II die richtige Anspruchsgrundlage.

Die werkvertragliche Mängelhaftung nach § 634 greift nur dann ein, wenn der Anwalt nach § 631 einen greifbaren Erfolg in Gestalt einer isolierten Rechtsauskunft, eines Rechtsgutachtens oder eines Vertragsentwurfs verspricht und dabei Fehler macht[105].

2. Die Rechtsfolge: Ein Anspruch des Mandanten auf Schadensersatz

366

Rechtsfolge der Anwaltshaftung ist ein Anspruch auf Schadensersatz im Umfang der §§ 249 ff. Der Anwalt hat den Mandanten finanziell so zu stellen, wie er stünde, wenn der Anwalt seine Anwaltspflicht erfüllt hätte[106]. Zu ersetzen ist nach § 252 auch der entgangene Gewinn[107]. Meist schuldet der Anwalt Geldersatz für Rechtsverlust, Prozessverlust oder nutzlose Kosten.

Ein Schmerzensgeld schuldet der Anwalt nach § 253 II nur, wenn die verletzte Vertragspflicht die Gesundheit, Freiheit oder sexuelle Selbstbestimmung des Mandanten schützen sollte, es genügt nicht, dass ein Beratungsfehler die Gesundheit des Mandanten beeinträchtigt[108].

Liegt der Schaden des Mandanten in seiner Belastung mit der Vergütungspflicht für wertlose Anwaltsdienste, verliert der Anwalt seinen Vergütungsanspruch ohne Aufrechnung schon nach § 249 I[109].

Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 III, 281-283 schuldet der Anwalt nur, wenn er nicht lediglich eine vertragliche Nebenpflicht zur Aufklärung, Warnung oder Beratung, sondern durch Leistungsverweigerung, Unfähigkeit oder Unzuverlässigkeit direkt seine Dienstleistungspflicht verletzt.

Anspruchsberechtigt ist der Mandant, ein Dritter nur dann, wenn er vertraglich in den Schutz des Anwaltsvertrags einbezogen ist (RN 1475 f.)[110].

Ersatzpflichtig ist der beauftragte Anwalt, nach § 52 II 1 BRAO, wenn das Mandat einer Sozietät erteilt ist, aber die Sozietät als rechtsfähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts samt allen Sozien[111]. Schadensersatzpflichtig sind sogar die Mitglieder einer Scheinsozietät, die durch Praxisschild und/oder Briefkopf den Rechtsschein einer Sozietät erwecken, obwohl sie nur eine Bürogemeinschaft bilden oder Angestellte sind[112].

Die rechtskräftige Verurteilung des Anwalts zum Schadensersatz und der im Urteil festgestellte Sachverhalt binden auch das Gericht im Deckungsprozess des Anwalts gegen seinen Haftpflichtversicherer[113].

3. Die Voraussetzungen der Anwaltshaftung

367

Die Anwaltshaftung hat nach §§ 280 I 1, 241 II vier Voraussetzungen:


- Zwischen den Parteien besteht ein Anwaltsvertrag bestimmten Inhalts und Umfangs (RN 361).
- Der Anwalt verletzt eine Vertragspflicht gegenüber dem Mandanten (RN 368 ff.).
- Der Mandant erleidet einen Schaden (RN 371).
- Der Schaden des Mandanten wird durch die Pflichtverletzung des Anwalts verursacht (RN 372 ff.).

Nach §§ 280 I 1, 241 II, 311 II haftet der Anwalt schon für die Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht.

 

Die Beweislast für alle anspruchsbegründenden Tatsachen trägt der Mandant[114].

Keine Anspruchsvoraussetzung ist das Verschulden des Anwalts, seine Nichtschuld vielmehr eine anspruchshindernde Einwendung, denn nach § 280 I 2 muss sich der Anwalt entlasten und beweisen, dass er den Fehler nicht zu vertreten habe (RN 376).