Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen

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4.3 Die Verjährung der Rechtsmängelhaftung

Die Ansprüche des Käufers wegen eines Rechtsmangels aus § 437 verjähren nach § 438 genauso wie die Sachmängelrechte (RN 110 ff.) mit einer Ausnahme: Erst in 30 Jahren verjähren nach § 438 I Nr. 1 die Ansprüche des Käufers, wenn der Rechtsmangel durch den dinglichen Herausgabeanspruch eines Dritten aus §§ 985, 1065, 1227 oder durch ein im Grundbuch eingetragenes dingliches Recht begründet wird.

13. Kapitel Der Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen

1. Aus alt mach neu und aus zwei mach eins

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Das neue Kaufrecht wirft nicht nur Sach- und Rechtsmängel, sondern auch den Sach- und den Rechtskauf in einen Topf. Den Rechtskauf nimmt es ganz auf die leichte Schulter und geizt mit einer einzigen mageren Vorschrift, die auch noch für den Kauf „sonstiger Gegenstände“ gilt. Das sieht dann so aus: Unter der Überschrift „Allgemeine Vorschriften“ regeln die §§ 433-452 vorweg und im Detail den Sachkauf mit einheitlichen Rechtsfolgen für Sach- und Rechtsmängel.

Für den Rechtskauf bestimmt § 453 I kurz und bündig: „Die Vorschriften über den Kauf von Sachen finden auf den Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen entsprechende Anwendung“. Einfacher geht es nicht, und auf den ersten Blick besticht diese Gleichschaltung. Fraglich ist nur, wie sehr sich Sach- und Rechtskauf „entsprechen“ und ob die Unterschiede nicht doch größer sind als die Gemeinsamkeiten. So kann man ein Recht weder übergeben noch übereignen, auch kann das verkaufte Recht, sieht man vom Recht zum Besitz nach § 453 III ab, nie und nimmer mit einem Sachmangel behaftet sein. Offenbar bleiben die Feinheiten, auf die der moderne Gesetzgeber sonst so großen Wert legt, der Rechtsprechung überlassen.

2. Die Ansprüche auf Erfüllung des Kaufvertrags
2.1 Die Anspruchsgrundlage

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Anspruchsgrundlage ist § 433, gemäß § 453 I aber nur in entsprechender Anwendung. Was heißt hier „entsprechend“? § 433 I 1 verpflichtet den Verkäufer zur Übergabe und Übereignung der verkauften Sache. Ein Recht aber kann der Verkäufer weder übergeben noch übereignen, er kann es nur begründen oder übertragen. Also ist der Verkäufer nach § 453 I 1 mit § 433 I 1 verpflichtet, das verkaufte Recht dem Käufer durch Begründung oder Übertragung zu verschaffen, nach § 433 I 2 frei von Rechtsmängeln und nach § 453 II auf seine Kosten. Frei von Rechtsmängeln heißt: wirksam und einredefrei.

Über § 453 I ist § 433 I auch auf den Kauf „sonstiger Gegenstände“ entsprechend anwendbar.

Der Käufer schuldet nach § 433 II den vereinbarten Kaufpreis.

2.2 Die Verschaffung des verkauften Rechts

Kaufen und verkaufen kann man Rechte jeder Art: Erbbaurechte, Grundpfandrechte und Dienstbarkeiten, Wechsel, Schecks und einfache Forderungen jeglicher Art[325], Patente und Markenrechte[326], Mitgliedschaftsrechte und Gesellschaftsanteile[327].

Entsprechend § 433 I erwirbt der Käufer einen Anspruch auf unbeschränkten, unbelasteten und vollgültigen Erwerb des gekauften Rechts.

Wie der Verkäufer das verkaufte Recht begründen oder übertragen soll, regelt nicht das Kaufrecht, sondern je nach Art des verkauften Rechts das Sachenrecht, schuldrechtliche Abtretungsrecht, Wertpapierrecht, Gesellschaftsrecht oder Patentrecht.

Beispiele


- Eine Briefgrundschuld überträgt der Verkäufer nach §§ 1192 I, 1154 I, II durch dinglichen Abtretungsvertrag, schriftliche Abtretungserklärung und Briefübergabe oder Eintragung im Grundbuch.
- Die Buchhypothek wird nach §§ 873, 1154 III durch dingliche Einigung und Eintragung im Grundbuch übertragen.
- Wechsel und Scheck überträgt man nach Art. 11 WG, Art. 14 ScheckG durch Übereignung des indossierten Papiers.
- Einfache Forderungen werden nach § 398 durch formfreien schuldrechtlichen Vertrag abgetreten.
-

Wenn das verkaufte Recht zum Besitz einer Sache berechtigt, wie es Erbbaurecht[329], dingliches Wohnrecht, Faustpfandrecht, Miet- und Pachtrecht tun, schuldet der Verkäufer nach § 453 III auch die Übergabe der Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln.

Kaufen und verkaufen kann man auch Rechte, die nicht bestehen, nicht begründet oder nicht übertragen werden können. Der Kaufvertrag ist nicht etwa nichtig, sondern nach § 311a I wirksam. Der Verkäufer kann ihn freilich nicht erfüllen und ist dem Käufer stattdessen nach § 311a II 1 zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er sich nicht nach § 311a II 2 entlastet.

2.3 Die Verschaffung eines sonstigen Gegenstandes

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„Sonstige Gegenstände“, die weder Sache noch Recht sind, hat der Verkäufer dem Käufer nach §§ 453 I, 433 I auf die technisch mögliche Art zu verschaffen.

Beispiele


- Elektrizität und Heizwärme, die man früher wie Sachen behandelt hat (BGH 97, 97; NJW 79, 1304; OLG Koblenz NJW 2000, 2031), sind in den Haushalt oder in das Unternehmen des Käufers zu liefern. Nach den Allgemeinen Versorgungsbedingungen (AVB) darf das Versorgungsunternehmen die Vergütung für Energie vorläufig verbindlich festsetzen und vor Gericht ohne Beweisaufnahme durchsetzen, wenn nicht der Kunde nachweist, dass die Preisberechnung offensichtlich falsch sei. Ohne diesen Nachweis muss der Kunde seine Einwände in einem späteren Regressprozess geltend machen (BGH NJW 2013, 2273; 2016, 936: Preisanpassung). Der Versorgungsvertrag kommt auch stillschweigend durch den Bezug von Strom, Gas, Heizwärme oder Wasser zustande (BGH NJW 2016, 1266).
- EDV-Programme, die nicht als Software (BGH NJW 93, 2436: Software ist Sache) verkauft sind, hat der Verkäufer vielleicht auf der Anlage des Käufers zu installieren.
- Herstellungsverfahren und Betriebsgeheimnisse sind dem Käufer zu offenbaren.

Zu den „sonstigen Gegenständen“, die man kaufen und verkaufen kann, zählen auch Unternehmen[330] und freiberufliche Praxen[331]. Sie sind weder Sache noch Recht, sondern eine komplexe Vermögensmasse aus Sachen (Betriebsgrundstück, Inventar, Maschinen, Fuhrpark, Warenvorräte, Rohstoffe), aus Rechten (Kundenforderungen, Bankguthaben, Wechsel, Mietrechte, Patente, Markenrechte und Lizenzen) und aus anderen Vermögenswerten (Firma, Kundenstamm, Herstellungsverfahren, know how und good will)[332]. Ein Unternehmenskauf ist auch der Kauf aller Geschäftsanteile einer GmbH[333].

Ein Unternehmen oder eine freiberufliche Praxis kann man zwar in Bausch und Bogen verkaufen, ohne im Kaufvertrag jeden einzelnen Gegenstand aufzuzählen, aber man kann sie nicht in einem Akt übereignen oder übertragen[334], sondern muss jeden einzelnen Gegenstand nach seinen eigenen gesetzlichen Regeln übertragen. Deshalb klagt der Unternehmenskäufer nicht pauschal auf Übertragung des Unternehmens, sondern entweder auf Übertragung bestimmter einzelner Sachen, Rechte und sonstiger Werte[335] oder nur auf Feststellung der Übertragungspflicht[336].

Beispiel

Wer eine Gaststätte in Mieträumen verkauft und diese an den Käufer untervermietet, hat die nach § 540 I erforderliche Einwilligung des Vermieters beizubringen, denn nach § 453 III schuldet er dem Käufer rechtmäßigen Besitz (BGH NJW 86, 308). Der Käufer verklagt den Verkäufer darauf, dass er ihm die Einwilligung des Vermieters beschaffe.

3. Die Rechts- und Sachmängelhaftung beim Rechtskauf

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Auf den Rechtskauf sind nach § 453 I auch die Vorschriften der §§ 434 ff. über Sach- und Rechtsmängel entsprechend anwendbar. Nun kann das verkaufte Recht aber nie an einem Sachmangel kranken, sondern nur an einem Rechtsmangel, die Rechtsfolgen sind freilich die Gleichen.

Für Sachmängel haftet der Verkäufer nach § 453 III nur dann, wenn das verkaufte Recht zum Besitz einer Sache berechtigt und diese Sache Mängel hat.

Stets hat der Käufer entsprechend § 437 Anspruch auf Nacherfüllung (§ 439), ein Rücktrittsrecht (§ 323) oder ein Minderungsrecht (§ 441) sowie einen Anspruch auf Schadensersatz oder Aufwendungsersatz (§§ 280 ff., 311a II). Von der Schadensersatzpflicht kann sich der Verkäufer durch den Nachweis befreien, dass er den Mangel des Rechts nicht zu vertreten (§ 280 I 2) oder bei Kaufabschluss schuldlos nicht gekannt habe (§ 311a II 2).

 

Entsprechend § 435 ist das verkaufte Recht mangelhaft, wenn es Rechten Dritter ausgesetzt ist, die auch gegen den Käufer wirken. Gemeint sind Einwendungen und Einreden, die der Dritte dem Recht entgegen halten kann. Es genügt, dass das störende Recht des Dritten im Entstehen begriffen oder das verkaufte Recht bereits dem Untergang geweiht ist[337].

Der gröbste Rechtsmangel aber besteht darin, dass das Recht nicht begründet oder nicht übertragen werden kann.

Beispiele


- Die verkaufte Forderung besteht nicht (BGH NJW 2005, 359), ist gepfändet, nicht übertragbar (BGH NJW 70, 556: zu § 399) oder einredebehaftet (BGH NJW 2005, 359), einer Anfechtung oder Aufrechnung (§ 406) ausgesetzt oder aus anderem Grunde rechtlich nicht durchsetzbar (BGH NJW 63, 1971: Das Wertpapierdepot im Ausland ist beschlagnahmt).
- Der verkaufte Gesellschaftsanteil existiert nicht, ist nicht übertragbar, hat nicht die versprochene Größe oder beschränkt sich auf den Liquidationsanteil.
- Keine Rechtsmängel des Gesellschaftsanteils sind der niedrige Wert, der magere Umfang des Gesellschaftsvermögens oder die Überschuldung der Gesellschaft, denn das sind allenfalls Mängel des Unternehmens (BGH 65, 248; NJW 80, 2409).
- Kein Rechtsmangel ist die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners der verkauften Forderung, denn der Verkäufer haftet nur für den rechtlichen Bestand und die Einredefreiheit der verkauften Forderung (BGH NJW 2005, 359: zum früheren Recht). Für die tatsächliche Beschaffenheit der Forderung (Bonität) muss er nur einstehen, wenn sie besonders vereinbart ist (dazu Schmidt ZGS 2006, 135).
- Der Kauf von GmbH-Anteilen ist zwar ein Rechtskauf, der Kauf aller oder fast aller Anteile wird aber rechtlich als Unternehmenskauf behandelt, und der Verkäufer haftet nach §§ 434 ff. für Sachmängel, wenn die GmbH überschuldet und insolvent ist (BGH NJW 2019, 145: nicht wenn der Käufer schon 50 % der Anteile besitzt).

4. Die Rechts- und Sachmängelhaftung beim Unternehmenskauf

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Mängel des verkauften Unternehmens hat man früher wie Sachmängel behandelt, nicht nur Mängel der zum Unternehmen gehörenden Sachen, auch Mängel des Unternehmens selbst[338]. Jetzt muss der Verkäufer dafür nach § 453 I mit §§ 437, 434 einstehen[339].

Beispiele


- Die vereinbarte Ertragsfähigkeit des Unternehmens bleibt aus (BGH NJW 59, 1584; 70, 653; 77, 1538; 95, 1547; 99, 1405).
- Die Schulden des Unternehmens sind höher als vereinbart (BGH WM 79, 944; RG 146, 120).
- Die chemische Reinigung widerspricht dem gesetzlichen Sicherheitsstandard (BGH NJW 85, 1769).
- Der Umfang der Arztpraxis ist geringer als vereinbart (BGH NJW 59, 1584).
- Zur Arztpraxis gehören Belegbetten in einem Krankenhaus mit unzulänglichen Operationsbedingungen (BGH NJW 59, 1585).
- Rechtsmängel einzelner Unternehmensbestandteile sind zugleich Mängel des Unternehmens, wenn sie auf das Unternehmen durchschlagen wie in den folgenden Beispielen: Alle Warenautomaten des Unternehmens sind beschlagnahmt oder sicherungsübereignet (BGH NJW 69, 184); dem Gerüstbauunternehmen fehlt ein Großteil der Gerüststangen (BGH NJW 79, 339); die Mietrechte an den Geschäftsräumen bestehen nicht oder sind nicht übertragbar (BGH NJW 70, 556).
- Keine Mängel des Unternehmens sind: falsche Bilanzen sowie geringe Umsätze oder Erträge (BGH NJW 95, 1547; 99, 1405). Stattdessen haftet der Verkäufer für falsche Angaben oder pflichtwidriges Verschweigen aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen oder Vertragsverletzung direkt nach §§ 280 ff., 323 ff. (BGH NJW 2001, 2163; 2002, 1042).

14. Kapitel Die Konkurrenz der Mängelrechte mit anderen Rechten des Käufers

1. Der Vorrang des Kaufrechts vor dem allgemeinen Schuldrecht

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Schon das frühere Recht hat die gesetzliche Gewährleistung des Verkäufers für Sachmängel erschöpfend geregelt. Für einen Sachmangel haftete der Verkäufer weder aus positiver Vertragsverletzung noch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen, es sei denn er hat eine vertragliche oder vorvertragliche Pflicht zur Aufklärung, Warnung oder Obhut vorsätzlich verletzt[340]. Mangelfolgeschäden freilich waren aus positiver Vertragsverletzung zu ersetzen und verjährten erst nach 30 Jahren[341].

Die Schuldrechtsreform hat die Konkurrenzfrage entschärft. Auch der Sachmangel ist nach § 433 I 2 eine Vertragsverletzung, die § 437 weitgehend nach §§ 280 ff. und §§ 323 ff. ahndet. Auch Mangelfolgeschäden sind nach §§ 437 Nr. 3, 280 I 1 zu ersetzen und verjähren nach § 438 I Nr. 3 in der Regel nach 2 Jahren. Die kürzere Verjährungsfrist ist denn auch der einzige nennenswerte Unterschied zwischen dem Kaufrecht und dem allgemeinen Schuldrecht.

Die Mängelrechte des § 437 sind so vielfältig, dass sie ab Gefahrübergang nach §§ 446, 447 nicht nur Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen[342], sondern auch die Irrtumsanfechtung des Käufers nach § 119 sowie Rechte aus § 313 wegen Störung der Geschäftsgrundlage ausschließen[343].

Der Verkäufer haftet aber dann unmittelbar aus §§ 280, 311 II auf Ersatz des Vertrauensschadens, wenn er eine vorvertragliche Pflicht zur Aufklärung, Warnung oder Obhut vorsätzlich verletzt, und dieser Anspruch wird auch nach Gefahrübergang nicht von der Mängelhaftung verdrängt[344]. Auch darf der arglistig getäuschte Käufer seine Kauferklärung ungehindert nach § 123 anfechten[345].

Beispiel

Der Gebrauchtwagenhändler verkauft einen Gebrauchtwagen, ohne dem Käufer zu sagen, dass er das Auto eben erst von einem „fliegenden Zwischenhändler“ erworben hat, der nicht im Kfz-Brief eingetragen ist. Damit hat er seine vorvertragliche Pflicht, den Käufer ungefragt über alle Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck gefährden und den Käufer vom Kauf abhalten können, vorsätzlich verletzt und ist dem Käufer nach §§ 280 I 1, 311 II zum Schadenersatz verpflichtet (BGH NJW 2010, 858). Davor rettet ihn nur der Nachweis, dass der Käufer auch dann gekauft hätte, wenn ihm die Herkunft des Autos bekannt gewesen wäre. Ein vereinbarter Haftungsausschluss ist nach § 444 unwirksam (BGH NJW 2010, 858).

Das gesetzliche Mängelrecht regelt die Käuferrechte auch noch in anderer Hinsicht abschließend. Wenn der Käufer den Sachmangel eigenmächtig selbst beseitigt, ohne dem Verkäufer eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt zu haben oder davon ausnahmsweise befreit zu sein, verliert er nicht nur alle Mängelrechte, sondern kann seinen Aufwand vom Verkäufer auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund ersetzt verlangen[346].

2. Die unerlaubte Handlung des Verkäufers

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Die Mängelrechte des Käufers und seine Ansprüche auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung stehen selbständig nebeneinander[347] Die Lieferung mangelhafter Ware verletzt aber noch kein Rechtsgut des Käufers, auch nicht sein Eigentum an der Kaufsache, die er bereits mangelhaft erwirbt. Sein Eigentum wird erst dann verletzt, wenn der Sachmangel nach der Lieferung „weiterfrisst“ und andere Teile der Kaufsache oder gar andere Sachen des Käufers ansteckt und verdirbt (RN 961)[348].

Beispiel

Der falsche Hinterreifen, mit dem der gekaufte Gebrauchtwagen bestückt ist, platzt, verursacht einen Unfall und beschädigt das Auto (BGH NJW 78, 2241).

3. Die Pflichtverletzung des Verkäufers außerhalb von Mängeln

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Verletzt der Verkäufer eine vertragliche oder vorvertragliche Pflicht, die nicht mit einem Sachmangel zusammenhängt, ist auch er nach der allgemeinen Regel des § 280 I 1 mit § 241 II oder § 311 II zum Schadensersatz verpflichtet.

Beispiele


- Die Erklärung des Verkäufers, man könne die gekaufte Maschine auf dem gewünschten Platz aufstellen, erweist sich als falsch (BGH NJW 62, 1196).
- Der Lieferant füllt das Normalbenzin in den Tank für Superbenzin und das Superbenzin in den Tank für Normalbenzin (BGH 107, 249).
- Der Lacklieferant berät den Hersteller hochwertiger Gartenmöbel falsch über die für 1/2 Mio. DM verkaufte Lackieranlage (BGH NJW 97, 3227).
- Nach falscher Beratung durch den Verkäufer über den vorgeschriebenen Kaminquerschnitt für die gekauften Waschautomaten untersagt das Gewerbeaufsichtsamt den Betrieb der Wäscherei (BGH NJW 85, 2472).
- Der Grundstücksverkäufer klärt den Käufer nicht darüber auf, dass ein Teil des von einem Holzzaun umfriedeten Grundstücks dem Nachbarn gehöre (BGH NJW 2012, 846).
- Der Grundstücksverkäufer verschweigt dem Käufer die jahrelangen Schikanen eines Nachbarn. Das Verhalten des Nachbarn ist weder ein Mangel noch eine Eigenschaft des verkauften Grundstücks. Also haftet der Verkäufer, wenn man eine Aufklärungspflicht bejaht, aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (BGH NJW 91, 1673; OLG Düsseldorf NJW 97, 1079: Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist zerstritten).
- Wer eine Eigentumswohnung als Kapitalanlage verkauft, soll den Käufer über den zu erwartenden Ertrag und die Höhe der monatlichen Zuzahlung aufklären (BGH NJW 2017, 248).
- Der Verkäufer eines Unternehmens legt dem Käufer fahrlässig falsche Bilanzen vor, gibt Umsatz und Ertrag zu hoch an oder verschweigt die vorhandene oder drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (BGH NJW 2001, 2163). Da nur die Ertragsfähigkeit, nicht auch Ertrag, Verlust und Bilanzwahrheit eine Eigenschaft des Untemehmens ist, haftet der Verkäufer aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (BGH 69, 53, NJW 70, 653; 77, 1538; 90, 1658; 2001, 2163).
- Der Verkäufer einer Steuerberatungspraxis verschweigt die Unzuverlässigkeit des angestellten Steuergehilfen. Da dies keine Eigenschaft des Unternehmens ist, haftet der Verkäufer, wenn man ihn für aufklärungspflichtig hält, aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (BGH NJW 91, 1223).
- Wer beim Verkauf seines Hauses, das in der Nähe einer stinkenden Kläranlage liegt, Fragen des Käufers nach Geruchsbelästigung wissentlich falsch beantwortet, haftet unabhängig von der Gewährleistung auch aus vorsätzlichem Verschulden bei Vertragsverhandlungen (BGH NJW-RR 88, 10).

Oft macht die Rechtsprechung den Verkäufer in derartigen Fällen sogar wegen Verletzung eines stillschweigend vereinbarten Beratungsvertrags direkt nach § 280 I 1 haftbar (RN 620 f.).