Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen

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5. Die Brauchbarkeit der Kaufsache zur vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Verwendung
5.1 Der subjektive Verwendungszweck

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Nach § 434 I 2 ist die Kaufsache mangelhaft, wenn sie nicht zur vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Verwendung taugt. Damit übernimmt das neue Recht den subjektiven Fehlerbegriff des alten Rechts, der auf den Verwendungszweck abstellt und danach fragt, als was und wofür die Sache ge- und verkauft sei[214]. Die Antwort liegt beispielsweise in der Bezeichnung der Kaufsache als „Bauplatz“, „Bauerwartungsland“, „Ackerland“ oder als

„Neuwagen“, „Gebrauchtwagen“ oder „Unfallwagen zum Ausschlachten“. Aussagekräftig ist auch die Höhe des Kaufpreises, weil ein Bauplatz sehr viel mehr kostet als ein Acker und ein fahrtüchtiger Gebrauchtwagen mehr als ein Autowrack[215].

§ 434 I 2 und § 434 I 3 regeln nicht die vertragliche, sondern die gesetzliche Mängelhaftung[216].

5.2 Die vertraglich vorausgesetzte und die gewöhnliche Verwendung

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Die „nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“ gemäß § 434 I 2 Nr. 1 ist weniger als die „vereinbarte Beschaffenheit“, aber mehr als die Erwartung, die der Käufer insgeheim hegt.

Vertraglich vorausgesetzt ist eine bestimmte Verwendung der Kaufsache erst dann, wenn Verkäufer und Käufer sie bei Kaufabschluss übereinstimmend erwarten [217] .

Schutzwürdig ist nur die vertraglich berechtigte Käufererwartung. Was der Käufer insgeheim erwartet, ist unerheblich[218]. Dass er die Kaufsache nicht so verwenden kann, wie er es sich insgeheim gewünscht hat, ist sein typisches Käuferrisiko, das er nur durch die Einigung über einen gemeinsamen Verwendungszweck auf den Verkäufer abwälzen kann[219].

Fehlt ein besonderer Kaufzweck, wie bei den Alltags-Käufen zwischen Händler und Verbraucher oder zwischen Hersteller und Händler, muss die Kaufsache nach § 434 I 2 Nr. 2 wenigstens zum gewöhnlichen Gebrauch taugen. Gewöhnlich ist derjenige Gebrauch, dem eine Sache dieser Art: ein Buch, Fahrrad, Fernseher oder Computer nach der Verkehrsanschauung allgemein dient. Auch eine seinerzeit fehlerfrei hergestellte Sache kann später, wenn sie als gesundheitsschädlich beurteilt wird, mangelhaft werden[220].

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Sachmängel sind nur folgenschwere Abweichungen, die den Wert oder die Brauchbarkeit der Sache mindern[221]. Der Wert wird bestimmt durch die wertbildenden Faktoren wie Alter, Zustand, Brauchbarkeit oder Echtheit. Die Wertminderung muss in der Sache selbst, zumindest in ihrer Aufmachung oder Verpackung liegen.

Beispiele

Grundstücke


- Hausschwamm und Trockenfäule im Wohnhaus (BGH MDR 78, 1009), Asbest im Wohnhaus (BGH NJW 2009, 2120), Hausbockbefall (BGH NJW 2015, 468); Schimmel im Keller eines alten Hauses (BGH NJW 2012, 2793) und Feuchtigkeitsschäden in einem alten Bauernhaus (BGH NJW 2018, 1954) gefährden die Bausubstanz.
- Das Wohngrundstück wird von gifthaltigem Grundwasser durchflossen (BGH NJW 2013, 1671: Altlast) oder wurde früher als Klärschlammbecken genutzt; der Altlastenverdacht ist ein Sachmangel, der keiner weiteren Begründung bedarf (BGH NJW 2018, 389).
- Wasserversorgung und Abwasserentsorgung eines Wohnhauses sind ungesichert (BGH NJW 2011, 2128).
- Der „Bauplatz“ ist nach öffentlichem Baurecht nicht oder nur beschränkt bebaubar (BGH 67, 134; 96, 385; 98, 100; NJW 79, 2200; 92, 1384).
- Der Trockenspeicher oder Keller wurde ohne die erforderliche Baugenehmigung in Wohnraum umgebaut (BGH 114, 260; NJW 87, 2511; 2013, 2182: Gefahr eines baurechtlichen Nutzungsverbots; ob eine Baugenehmigung erforderlich war, muss das Gericht im Mängelprozess selbst klären).
- Nicht schon der geringe Mietertrag (BGH NJW 80, 1456) oder die geplante Bebauung des Nachbargrundstücks mit Asylantenbaracken (OLG Karlsruhe NJW 91, 2494).

Kraftfahrzeuge


- Der „Neuwagen“ hat einen Konstruktions- oder Herstellungsfehler (BGH NJW 71, 1795), die Kupplungsüberhitzungsanzeige einen Softwarefehler (BGH NJW 2019, 292).
- Der Neuwagen verbraucht viel mehr Benzin, als nach Werksangaben zu erwarten ist (BGH 132, 55: Mehrverbrauch 13 %; NJW 97, 2590: unerheblich Mehrverbrauch unter 10 %).
- Der Gebrauchtwagen hatte einen Unfall, mögen die Schäden auch einwandfrei behoben sein (BGH NJW 83, 2242; 2008, 53; 2013, 1733: anfänglicher unverbesserlicher Sachmangel). Ausgenommen sind nur Bagatellschäden, die einen vernünftigen Käufer nicht vom Erwerb abhalten (BGH NJW 2008, 53; 2008, 1517).
- Durch Montage nicht zugelassener Felgen erlischt die Betriebserlaubnis, wenn andere Verkehrsteilnehmer dadurch gefährdet werden (BGH NJW 2020, 1287).
- Der VW-Dieselmotor stößt dank einer verborgenen Abschaltvorrichtung im Straßenverkehr mehr Abgase aus als beim Probelauf in der Werkstatt (BGH NJW 2019, 1133; 2020, 1962: zu § 826 BGB)!
- Nicht das Alter des Neuwagens, der bis zu einem Jahr auf Halde stand (BGH NJW 80, 1097; 2004, 160);
- nicht die Kurzzulassung eines unbenutzten Neuwagens auf den Händler (BGH NJW 2005, 1422);
- nicht der normale Verschleiß eines Gebrauchtwagens (BGH NJW 2006, 434: Turboladerdefekt nach 197 000 km; NJW 2008, 53: Bagatellschäden);
- nicht der längere Stillstand eines älteren Gebrauchtwagens (BGH NJW 2009, 1588);
- nicht die fehlende Herstellergarantie beim LKW-Kauf (BGH 132, 320);
- nicht, wenn der Stand der Technik hinter der Käufererwartung zurückbleibt (BGH NJW 2009, 2056: Dieselpartikelfilter);
- nicht der versteckte Unfallschaden eines als „unrepariertes Unfallauto“ verkauften Gebrauchtwagens (OLG Hamm ZGS 2005, 315).

Lebensmittel


- Das Trinkwasser ist verunreinigt (BGH 59, 304).
- Der Verdacht, Hasenfleisch sei von Salmonellen verseucht, ist nicht zu widerlegen (BGH 52, 51; NJW 72, 1462; 89, 218; 2017, 1666).

Kunstwerke und Antiquitäten (dazu Wertenbruch NJW 2004, 1977)


- Das Ölgemälde wird Jakob I (Isaaksohn) Ruisdael zugeschrieben, stammt aber von Jakob S (Salomonsohn) Ruisdael (RG 135, 339).
- Entgegen fachmännischer Expertise stammt das Stillleben nicht von Alexej Jawlensky, sondern von unbekannter Hand (BGH 63, 369).
- Das angeblich „ca. 150 Jahre altes Biedermeier-Zimmer“ wurde erst Anfang des 20. Jahrhunderts hergestellt (OLG Frankfurt NJW 82, 651).
- Die angeblich 200 Jahre alte Standuhr ist kein Original, sondern aus vielen Teilen später zusammengebaut (OLG Hamm NJW 87, 1028).

Andere Sachen


- Verpackungsmängel sind Sachmängel, wenn die Verpackung die Ware haltbar machen, schützen oder als Originalverpackung kennzeichnen soll (BGH 66, 208; 87, 88).
- Der Ebersamen für die Besamung von Zuchtsauen darf nicht mit einem gefährlichen Virus befallen sein (BGH NJW 2017, 2817).
- Die angeblich „fabrikneue“ Maschine entpuppt sich als Ausstellungsstück (OLG Hamm MDR 83, 576).

Tiere (Wertenbruch NJW 2012, 2065: Besonderheiten des Tierkaufs; Lüdicke NJW 2020, 2840: Pferdekauf).

 

- Der Hundewelpe leidet anlagebedingt an einer Fehlstellung des Sprunggelenks (BGH NJW 2005, 2852).
- Das Reitpferd laboriert an einer Augenentzündung (BGH NJW 2006, 988).
- Das klinisch unauffällige Reitpferd ist nicht schon deshalb mangelhaft, weil es von der „physiologischen Norm“ abweicht und der Markt darauf mit Preisabschlägen reagiert (BGH NJW 2007, 1351; 2020, 389). Auch ist ein Röntgenbefund für sich allein noch kein Sachmangel, solange das Dressurpferd bei Gefahrübergang weder krank ist noch bereits den Keim einer Krankheit in sich trägt (BGH NJW 2018, 150; 2020, 389; 2020, 2879).

Marktstörungen, sinkende Nachfrage, Kursverfall und Modewechsel machen eine intakte Sache noch nicht mangelhaft. Der Mangel liegt nie im Wert oder Preis der Sache, sondern immer nur in einer wertbildenden Eigenschaft[222].

5.3 Die Werbeaussage

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Der gewöhnliche Verwendungszweck und die berechtigte Käufererwartung werden nach § 434 I 3 auch durch Eigenschaften der Kaufsache bestimmt, die der Verkäufer, Importeur oder Hersteller (§ 4 I, II ProdHaftG) selbst oder durch Gehilfen öffentlich verkündet hat, entweder in der Werbung oder zur besonderen Kennzeichnung[223]. Die Werbung oder Kennzeichnung muss aber konkrete Eigenschaften der Ware ansprechen. Allgemeine Werbesprüche genügen nicht. Den Fachhändler hat die Rechtsprechung schon nach altem Recht beim Wort genommen, wenn er seine Ware besonders angepriesen hatte[224].

Beispiel

Der Käufer erwirbt für 750.000 Euro ein Wohnhaus. Die Gewährleistung für Sach- und Rechtsmängel ist vertraglich ausgeschlossen. Im Verkaufsexposé des Maklers, den der Verkäufer mit der Vermittlung beauftragt hat, heißt es, die Errichtung von 2-3 Pferdeboxen auf dem hinteren Teil des Grundstücks sei erlaubt. An diesen Pferdeboxen ist der Käufer, wie dem Verkäufer bekannt ist, stark interessiert. Die Pferdeboxen sind jedoch baurechtlich weder genehmigt noch genehmigungsfähig, und der Verkäufer weiß es. Der Käufer erklärt nach §§ 437 Nr. 2, 323 zu Recht den Rücktritt vom Kaufvertrag, weil das Grundstück nach § 434 I 3 mangelhaft ist. Auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss kann sich der Verkäufer nach § 444 nicht berufen, denn er hat den Mangel arglistig verschwiegen (BGH NJW 2019, 2380).

§ 434 I 3 hat drei Ausnahmen („… es sei denn, dass …“), die den Verkäufer entlasten: Entweder kannte der Verkäufer die Werbeaussage nicht und musste sie auch nicht kennen, oder sie war beim Kaufabschluss bereits korrigiert, oder sie konnte den Kaufabschluss nicht beeinflussen, weil der Käufer sie nicht kannte oder ihr nicht glaubte. Die Chance, dass der Verkäufer sich erfolgreich entlaste, ist gering, denn er muss durchweg negative Tatsachen beweisen.

6. Die fehlerhafte Montage

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Zwei weitere Sachmängel beschreibt § 434 II: Der Verkäufer montiert die Kaufsache fehlerhaft (S. 1)[225] oder liefert dem Käufer eine fehlerhafte Montageanleitung, die den Käufer zur fehlerhaften Montage verleitet (S. 2)[226]. Entweder hat der Verkäufer die Montage vertraglich versprochen, oder die Kaufsache ist dazu bestimmt, vom Käufer montiert zu werden.

Beispiele


- Der Verkäufer soll die Waschmaschine nicht nur liefern, sondern auch anschließen.
- Der Verkäufer soll das Gerät nur liefern, aber mit Montageanleitung, damit der Käufer selbst es anschließe.

Stets setzt § 434 II einen Kaufvertrag voraus. Werkvertragsrecht gilt erst, wenn die Montage den Schwerpunkt des Vertrags bildet[227].

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Die mangelhafte Bedienungsanleitung oder Gebrauchsanweisung fällt nicht unter § 434 II, macht aber die Kaufsache dann mangelhaft, wenn sie die Gefahr einer Sachbeschädigung heraufbeschwört[228].

7. Die Falschlieferung und der Mengenfehler

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§ 434 III behandelt sowohl die Falschlieferung als auch die Mindermenge ausnahmslos als Sachmängel.

Liefert der Verkäufer ein anderes als das verkaufte Stück, etwa einen anderen als den verkauften Gebrauchtwagen, den es nur einmal gibt, hat der Käufer gemäß § 433 I oder § 439 I nach wie vor Anspruch auf Lieferung des richtigen Gebrauchtwagens[229]. Kann oder will der Verkäufer diesen Wagen nicht liefern, hat der Käufer die Rechte aus § 437 Nr. 2 und Nr. 3.

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Liefert der Verkäufer aus einer anderen Gattung, beispielsweise Sommerweizen statt des verkauften Winterweizens, hat der Käufer nach § 439 I nur Anspruch auf eine Ersatzlieferung aus der richtigen Gattung, denn eine andere Mängelbeseitigung ist nicht möglich.

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Eine Mindermenge liefert der Verkäufer dann, wenn er dem Käufer nur einen Teil der verkauften Sache oder nur eine Teilmenge der verkauften Gattungsware überlässt.

Beispiel

Hotelverkauf mit allem Zubehör, es fehlt bei Übergabe aber das ausgelagerte Inventar (BGH NJW 92, 3224).

Dagegen fehlt dem verkauften Grundstück bereits die vereinbarte Beschaffenheit, wenn es kleiner ist, als es laut Kaufvertrag sein soll, denn Grundstücke lassen sich nicht einfach aufteilen[230]. Gleiches gilt, wenn dem Käufer laut Kaufvertrag an genauer Dosierung (Arzneimittel), Abfüllung (Flaschenwein, Konserven) oder Gewicht (Adventsstollen) gelegen ist[231].

8. Der Sachmangel beim Gefahrübergang

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Nach § 434 I 1 muss die Kaufsache „bei Gefahrübergang“ mangelhaft sein, der Mangel, zumindest im Keim, der Kaufsache schon beim Gefahrübergang anhaften, mag er auch erst später hervortreten[232]. Unerheblich ist ein älterer Mangel, den der Verkäufer bis zum Gefahrübergang noch beseitigen kann und will[233]. „Mängel“, die erst nach dem Gefahrenübergang entstehen, trägt ersatzlos der Käufer[234]. Und wird die mangelhafte Sache erst nach Gefahrübergang mangelfrei, kommt die Besserung zu spät[235].

Nach § 446 S. 1 geht die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung der Kaufsache mit der Übergabe auf den Käufer über (RN 97). Also muss die Kaufsache schon bei der Übergabe mangelhaft sein.

Übergabe bedeutet nach § 854 die Übertragung des unmittelbaren Besitzes. Der Übergabe steht nach § 446 S. 3 nur der Annahmeverzug des Käufers gemäß §§ 293 ff. gleich.

Beim Versendungskauf geht die Gefahr nach § 447 I schon mit der Auslieferung der Ware an die Transportperson auf den Käufer über (RN 98). Für den Verbrauchsgüterkauf gilt dies nach § 475 II nur, wenn der Käufer die Transportperson beauftragt.

9. Kapitel Der Gefahrübergang sowie Nutzungen und Lasten beim Kauf

1. Das gesetzliche System
1.1 Das Zufallsrisiko

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Die §§ 446, 447 regeln den Gefahrübergang beim Kauf für den Fall, dass die Leistung des Verkäufers durch Zufall unmöglich oder verschlechtert werde. Unter Gefahr versteht das BGB das Zufallsrisiko. Im Schuldverhältnis unterscheidet man die Leistungsvon der Gegenleistungs- oder Preisgefahr. Die Leistungsgefahr ist das Risiko des Schuldners, noch einmal leisten zu müssen, nachdem der erste Leistungsversuch gescheitert ist. Die Preisgefahr ist das Risiko des Schuldners, den Anspruch auf die vereinbarte Vergütung zu verlieren, wenn die eigene Leistung unmöglich oder verschlechtert wird.

Zufall ist im Schuldverhältnis alles, was weder der Schuldner noch der Gläubiger zu vertreten hat.

1.2 Die Preisgefahr beim gegenseitigen Vertrag und beim Kauf

Beim gegenseitigen Vertrag trägt der Schuldner bis zu seiner vollständigen Vertragserfüllung die Preisgefahr, denn wenn seine Leistung vorher unmöglich wird, erlischt nach § 275 I nicht nur seine Leistungspflicht, sondern nach § 326 I 1 auch sein Anspruch auf die vereinbarte Vergütung. Das ist der gesetzliche Normalfall.

Die §§ 446, 447 nehmen den Kauf von dieser allgemeinen Regel aus. Der Verkäufer trägt die Preisgefahr nicht bis zu seiner vollständigen Vertragserfüllung durch Übereignung der Kaufsache, sondern nur bis zu ihrer Übergabe an den Käufer oder Auslieferung an die Transportperson.

Die Beweislast für diese Ausnahmen trägt der Verkäufer[236].

Bild 18: Der Übergang der Preisgefahr


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2. Der Gefahrübergang durch Übergabe an den Käufer

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Nach § 446 S. 1 muss der Käufer den Kaufpreis auch dann bezahlen, wenn die verkaufte Sache nach der Übergabe an den Käufer durch Zufall untergeht oder verschlechtert wird[237]. Die Übergabe besteht nach § 854 aus der Übertragung des unmittelbaren Besitzes. Erwirbt der Käufer mit dem unmittelbaren Besitz zugleich Eigentum an der Kaufsache, trägt er schon als Eigentümer die Preisgefahr. § 446 S. 1 wird ihm nur dann gefährlich, wenn die Übereignung, wie beim Grundstücks- oder Vorbehaltskauf, der Übergabe zeitlich nachfolgt.

Die Kaufsache geht unter, wenn sie zerstört wird, unauffindbar verloren geht oder von einem Dritten unerreichbar entzogen wird. Verschlechtert wird sie durch jeden Qualitätsverlust.

In drei Fällen geht die Preisgefahr schon vor der Übergabe auf den Käufer über: beim Versendungskauf mit der Auslieferung an den Spediteur oder Frachtführer (§ 447 I), beim Erbschaftskauf mit dem Kaufabschluss (§ 2380) sowie allgemein mit dem Annahmeverzug des Käufers (§§ 446 S. 3, 300 II).

3. Der Gefahrübergang durch Auslieferung beim Versendungskauf
3.1 Der Gefahrübergang

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Beim Versendungskauf geht die Preisgefahr schon mit Auslieferung der Kaufsache an den Spediteur, Frachtführer oder sonstigen Beförderer auf den Käufer über. Gemäß §§ 447 I, 448 I reist die Ware auf Gefahr und Kosten des Käufers. Der Käufer trägt freilich nicht jede Gefahr sondern nur die Transportgefahr[238].

§ 447 I hat drei Voraussetzungen: einen Versendungskauf, die Auslieferung der Ware an die Transportperson und die Verwirklichung eines Transportrisikos.

 

3.2 Der Versendungskauf

Der Kauf ist nach § 447 I ein Versendungskauf, wenn der Verkäufer die bewegliche Kaufsache auf Verlangen des Käufers an einen anderen Ort als den Erfüllungsort versenden soll, seine Lieferpflicht also eine Schickschuld ist (RN 1389). Erforderlich ist die Vereinbarung, der Verkäufer solle die Ware vom Erfüllungsort des § 269 I aus an einen anderen Ort schicken[239]. Im Handelsverkehr ist sie die Regel[240]. Für Hol- und Bringschulden (RN 1388) bleibt es bei § 446.

Ein Versendungskauf ist auch das Streckengeschäft: Der Verkäufer weist seinen Lieferanten an, direkt an den Käufer zu liefern. Dies ist zwar keine Versendung vom Erfüllungsort aus. Aber wenn der Käufer mit einer Lieferung ab Werk, Lager oder Grenze einverstanden ist, übernimmt er auch das Transportrisiko[241]. Genauso behandelt man den Kauf rollender oder schwimmender Ware, die der Verkäufer auf Verlangen des Käufers fehlerfrei umleitet[242].