Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen

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2.4 Die Besitzstörung

57

Verbotene Eigenmacht nach § 858 I ist schon jede Besitzstörung ohne Willen des unmittelbaren Besitzers bis an die Grenze zur Besitzentziehung.

Beispiele


- Immissionen jeder Art stören den Nachbarn, vor allem Lärm aus Disco, Baustelle oder Fabrik (BGH NJW 95, 132; R6 105, 213) und Gestank aus Schweinemästerei oder Kläranlage (RN 292 ff.), auch gesundheitsschädliches Passivrauchen von Balkon zu Balkon (BGH NJW 2015, 2023). Der Maßstab des § 906 gilt auch hier, da der Besitzer nicht schutzwürdiger ist als der Eigentümer.
- Ein Nachbar versperrt mit Betonpfählen die Zufahrt zu einem Grundstück (OLG Koblenz MDR 78, 141).
- Der Autofahrer parkt sein Auto unbefugt auf einem fremden Grundstück (BGH NJW 2009, 2530; 2012, 3781; 2016, 2407), und der Grundstücksbesitzer darf es in berechtigter Selbsthilfe auf Kosten des Störers (§ 683 S. 1) entfernen (BGH NJW 2016, 2407).
- Verbotene Eigenmacht begeht auch derjenige, der sein Auto auf einem jedermann zugänglichen Parkplatz abstellt, ohne die verlangte Parkgebühr zu bezahlen und den Parkschein zur Kontrolle sichtbar hinter der Windschutzscheibe auszulegen (BGH NJW 2016, 863). Störer ist auch der Halter, wenn er die Auskunft darüber verweigert, wer das Auto dort abgestellt habe (BGH NJW 2016, 863: Zustandsstörer).
- Ein Kunde betritt trotz Hausverbots ein Ladengeschäft (BGH 124, 39: nur bei Hausverbot wegen konkreten Diebstahlsverdachts; OLG Frankfurt NJW 94, 946; a.A. Löwisch/Rieble NJW 94, 2596).
- Gestört wird der Flughafenbetrieb durch das Verteilen von Flugblättern an Passagiere, um eine Abschiebung zu verhindern (BGH NJW 2006, 1054: Hausrecht).
- Gestört wird der unmittelbare Besitz auch durch den Einwurf von Werbematerial in den Hausbriefkasten entgegen einem Aufkleber: „keine Werbung“ (BGH 106, 229; OLG Frankfurt NJW 96, 934; OLG Stuttgart NJW-RR 96, 1516) und durch die Werbung politischer Parteien (OLG Bremen NJW 90, 2140; BVerfG NJW 91, 910: verfassungsgemäß).
- Noch nicht gestört wird der Besitz des Mieters, wenn der Vermieter die Heizung abstellt (BGH NJW 2009, 1947: nur Vertragsrecht).

Schon das Bestreiten fremden Besitzrechts, die Drohung mit Wegnahme oder Störung oder das Äußern eines Verbots kann den unmittelbaren Besitz stören[62]. Die Drohung mit Klage oder einstweiliger Verfügung jedoch ist so wenig verbotene Eigenmacht wie die Klage oder der Antrag auf einstweilige Verfügung selbst, mögen sie noch so unbegründet sein, denn der Weg zum Gericht ist der einzig richtige, um einen Besitzstreit zivilisiert auszutragen[63].

2.5 Die gesetzliche Gestattung der Besitzstörung

58

Nicht verboten ist die Eigenmacht nach § 858 I nur dann, wenn das Gesetz den Eingriff gestattet, es genügt nicht, dass es einen Anspruch auf Duldung gewährt. Gesetzlich gestattet ist die eigenmächtige Besitzverletzung nur durch Notwehr (§ 227), Notstand (§§ 228, 904) oder Selbsthilfe (§§ 229, 859). Die §§ 758, 808, 883 ZPO gestatten dem Gerichtsvollzieher den Zwangszugriff in der Vollstreckung, die Polizeigesetze der Länder gestatten den Polizeivollzugsbeamten Zwangsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr[64]. Alles in allem sind das eng begrenzte Ausnahmen, vor allem aus dem öffentlichen Recht[65].

3. Die Selbsthilfe des unmittelbaren Besitzers

3.1 Das gesetzliche System

59

§ 859 erlaubt dem unmittelbaren Besitzer Selbsthilfe gegen verbotene Eigenmacht auf zweierlei Art und Weise: als Besitzwehr (I) und als Besitzkehr (II, III). Die Unterscheidung ist wichtig, weil § 859 III nur die Besitzkehr des Grundstücksbesitzers zeitlich begrenzt[66].

Die Selbsthilfe des Besitzers ist genauso ein Rechtfertigungsgrund wie Notwehr (§ 227) und allgemeine Selbsthilfe (§ 229), geht über beide aber noch hinaus[67] und verhindert gleichfalls eine Haftung des Besitzers für Körper-, Sach- und Vermögensschäden des Störers.

Die Selbsthilferechte aus § 859 I-III hat der Besitzer nicht nur gegen den Störer selbst, sondern nach § 859 IV auch gegen jeden anderen, der fehlerhaft besitzt. Wer das ist, bestimmt § 858 II 2 (RN 56).

3.2 Die Besitzwehr gegen eine Besitzstörung

60

Nach § 859 I darf sich der unmittelbare Besitzer verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren. Rechtsfolge ist das Recht zur gewaltsamen Besitzwehr. Selbsthilfeberechtigt ist der unmittelbare Besitzer mit oder ohne Recht zum Besitz und für ihn nach § 860 auch sein Besitzdiener[68].

Erlaubt ist diejenige Gewalt, die erforderlich ist, um die verbotene Eigenmacht wirksam zu verhindern. Wer diese Grenze, und sei es schuldlos, überschreitet, handelt rechtswidrig[69].

Beispiel

Sicherlich darf ich dem Dieb, der sich gerade auf mein Fahrrad schwingt, das Fahrrad entreißen, auch wenn er dadurch zu Fall kommt und sich verletzt. Wieviel Gewalt erforderlich ist, richtet sich allein nach der Stärke des Angriffs auf den Besitz. Will der Dieb das Fahrrad partout nicht loslassen, darf ich ihn vom Fahrrad ziehen und zu Boden werfen. Zwischen der Gesundheit des Diebs und dem Wert meines Fahrrads muss ich nach dem Gesetz nicht abwägen, denn der Besitz muss der Gewalt nicht weichen. Erlaubt ist die erforderliche Gewalt, nicht lediglich eine verhältnismäßige. Das Ende der Fahnenstange ist erst erreicht, wenn das Selbsthilferecht missbraucht wird, denn der Rechtsmissbrauch verdient nach § 242 keinen Schutz (BGH NJW 2009, 2530).

Dies trifft aber nur auf Grenzsituationen zu. So ist es rechtsmissbräuchlich, auf Wanderer, die einen nicht gesperrten Privatweg über ein fremdes Grundstück begehen, Hunde zu hetzen und mit der Flinte zu schießen (BayObLG NJW 65, 163).

Voraussetzung der Besitzwehr ist eine verbotene Eigenmacht nach § 858 I durch Störung des unmittelbaren Besitzes (RN 54, 57). Gegen eine vollendete Besitzentziehung – der Störer hat die Sache dem Besitzer bereist abgenommen und eigenen Besitz begründet – hilft nur noch die Besitzkehr nach § 859 II, III, und deren Voraussetzungen sind strenger.

3.3 Die Besitzkehr gegen eine Besitzentziehung

61

Nach § 859 II darf der unmittelbare Besitzer eine bewegliche Sache, die ihm durch verbotene Eigenmacht weggenommen worden ist, dem auf frischer Tat betroffenen oder verfolgten Täter mit Gewalt wieder abnehmen. Hier ist der Besitz durch verbotene Eigenmacht bereits entzogen (RN 56), die Tat aber noch taufrisch und die Beute noch nicht in Sicherheit.

Beispiel

Der Dieb fährt bereits auf meinem Fahrrad davon, es gelingt mir aber, ihm den Weg abzuschneiden und ihn vom Fahrrad zu ziehen. Auch wenn er mir erst einige Stunden nach der Tat über den Weg fährt, muss ich nicht zusehen, wie er sich aus dem Staube macht.

Eine noch engere zeitliche Grenze zieht § 859 III dem Grundstücksbesitzer, der seinen Besitz durch verbotene Eigenmacht verloren hat, denn er darf sich des verlorenen Besitzes nur sofort nach der Entziehung wieder bemächtigen, indem er den Täter gewaltsam von seinem Grundstück entfernt. „Sofort“ ist eine objektive und enge Zeitbestimmung und bedeutet: so schnell wie irgend möglich[70]. Wegen der strengen Zeitschranke des § 859 III muss man die Besitzentziehung sauber von der Besitzstörung abgrenzen.

Beispiel


- Wer zu Werbezwecken eine Hauswand gemietet und nach der Verkehrsanschauung daran unmittelbaren Besitz erlangt hat, darf ein fremdes Werbeschild, das ohne seinen Willen dort angebracht wurde, zwar gewaltsam entfernen, muss dies nach § 859 III aber sofort tun, weil er damit nicht nur eine Besitzstörung abwehrt, sondern die Entziehung des Besitzes an einem Teil der Hauswand rückgängig macht (BGH NJW 67, 48).
- Das Gleiche gilt für das unbefugte Parken auf fremdem Grund und Boden, denn es entzieht dem unmittelbaren Grundstücksbesitzer einen Teil seines Besitzes (BGH NJW 2009, 2530: lässt es offen, weil § 859 III auf jeden Fall anwendbar sei). Erforderlich ist hier eine Besitzkehr durch Abschleppen oder Abschleppenlassen binnen weniger Stunden. Die Kosten des sofortigen Abschleppens darf der unmittelbare Besitzer dem Störer nach §§ 823 II, 683, 677, 670 in Rechnung stellen (BGH NJW 2009, 2530; 2012, 3781).

4. Der Besitzentziehungsanspruch

4.1 Die Anspruchsgrundlage

62

 

Nach § 861 I hat der unmittelbare Besitzer, der seinen Besitz durch verbotene Eigenmacht verloren hat, einen Anspruch auf „Wiedereinräumung des Besitzes“ gegen denjenigen, der ihm gegenüber fehlerhaft besitzt. Der Anspruch ist abtretbar[71].

4.2 Die Rechtsfolge

Rechtsfolge ist ein dinglicher Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes. Anspruchsberechtigt ist der bisherige Besitzer, Anspruchsgegner ist der jetzige Besitzer, der nach § 858 II gegenüber dem früheren Besitzer fehlerhaft besitzt (RN 56).

Der Anspruchsteller klagt auf Herausgabe, das Urteil ist nach § 883 ZPO vollstreckbar. Dass die Klage zugleich mit Eigentum nach § 985 oder mit einem besseren Recht zum Besitz nach § 1007 begründet wird, vermehrt nicht den Streitgegenstand sondern nur die rechtliche Begründung[72].

Gibt der Anspruchsgegner die Sache während des Prozesses nicht heraus sondern weg, geht der Prozess nach §§ 265, 325 ZPO gleichwohl gegen ihn weiter[73] und kann das Urteil nach § 727 ZPO gegen den neuen Besitzer umgeschrieben werden.

Da § 863 Einwendungen des Störers aus dem Recht zum Besitz ausschließt, kommt der beklagte Störer leicht in Versuchung, die Klage aus § 861 mit einer Widerklage auf Feststellung seines Rechts zum Besitz zu torpedieren. § 33 ZPO macht es möglich[74]. Wenn aber beide Klagen gleichzeitig entscheidungsreif und begründet sind, sich also widersprechen, muss das Gericht dem § 863 zum Trotz wohl oder übel der Widerklage stattgeben und die Klage abweisen, denn wenn der Besitz und das Recht zum Besitz im Prozess aufeinander treffen, muss der nackte Besitz dem Recht zum Besitz weichen[75]. Dagegen hilft nur eine schnelle Vorwegentscheidung über die Besitzschutzklage durch Teilurteil und dessen Vollstreckung. § 863 ist nicht mehr anwendbar, wenn in der letzten Instanz das Recht zum Besitz der einen oder anderen Partei feststeht[76].

Beispiel

Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen Eigentumsverletzung, nachdem er die Sache durch verbotene Eigenmacht zurückgeholt hat. Der Beklagte fordert widerklagend Herausgabe der Sache wegen verbotener Eigenmacht.

Sobald das Recht des Klägers zum Besitz feststeht, wird die Widerklage des Beklagten aus § 861 unbegründet, weil § 863 nicht mehr anwendbar ist (BGH NJW 99, 425).

Statt durch Klage kann der frühere Besitzer seinen Herausgabeanspruch auch durch Antrag auf einstweilige Verfügung nach §§ 935, 940, 940a ZPO geltendmachen[77].

4.3 Die Anspruchsvoraussetzungen

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Der Anspruch aus § 861 I hat zwei Voraussetzungen, die der Anspruchsteller beweisen muss[78]:


- den eigenen Verlust des unmittelbaren Besitzes durch verbotene Eigenmacht nach § 858 I (RN 54, 56) und
- den fehlerhaften Besitz des Antragsgegners nach § 858 II (RN 56).

Unerheblich ist, ob der entzogene Besitz rechtmäßig oder unrechtmäßig war[79] mit der einzigen Ausnahme des § 861 II.

Entzogen ist der Besitz erst, wenn der bisherige Besitzer die tatsächliche Sachherrschaft vollständig verloren hat[80]. Unterhalb dieser Schwelle handelt es sich nur um eine Besitzstörung nach § 862.

5. Die Besitzstörungsansprüche

5.1 Die Anspruchsgrundlagen

64

Gegen Besitzstörungen gibt § 862 I dem unmittelbaren Besitzer je einen Anspruch auf Beseitigung der Störung (S. 1) und auf Unterlassung weiterer Störungen (S. 2). Auch diese Ansprüche klagt man ein oder verfolgt sie nach §§ 935, 940 mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung. Die Ansprüche sind nur zusammen mit dem Besitz übertragbar[81].

5.2 Der Anspruch auf Beseitigung der Störung

65

Rechtsfolge des § 862 I 1 ist ein Anspruch auf Beseitigung einer bestimmten Besitzstörung. Vollstreckungsrechtlich ist das eine vertretbare oder unvertretbare Handlung nach §§ 887, 888 ZPO. Beseitigen lässt sich eine Störung nur, wenn sie noch fortwirkt, weil die Disco weiterhin lärmt oder die Schweinemästerei weiterhin stinkt. Man nennt dies eine Störquelle oder Störanlage[82].

Anspruchsteller ist der unmittelbare Besitzer, Anspruchsgegner ist der Störer. Das ist jeder, der selbst stört, durch andere stören lässt[83] oder eine fremde Störung duldet, obwohl er sie verhindern kann und soll[84]. Letztlich kommt es darauf an, wer die Störung und ihre Beseitigung willentlich beherrscht (RN 222 ff.).

Anspruchsvoraussetzung ist eine Störung des unmittelbaren Besitzes durch verbotene Eigenmacht bis an die Grenze der Besitzentziehung (RN 54, 57).

5.3 Der Anspruch auf Unterlassung einer Störung

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Rechtsfolge des § 862 I 2 ist ein Anspruch auf Unterlassung weiterer Störungen. Das Unterlassungsurteil ist nach § 890 ZPO vollstreckbar. Vollstreckungsrechtlich klagt auch derjenige auf Unterlassung, der bestimmte Schutzvorkehrungen gegen weitere Störungen verlangt[85].

Anspruchsberechtigt ist wiederum der unmittelbare Besitzer, Anspruchsgegner der Störer (RN 65).

Anspruchsvoraussetzung ist die begründete Furcht vor weiteren Besitzstörungen durch verbotene Eigenmacht, kurz: die Wiederholungsgefahr[86]. In der Praxis wird sie nach der ersten Störung oft vermutet[87], und diese Vermutung kann nur durch ein vertragliches Unterlassungs- und Vertragsstrafeversprechen entkräftet werden[88].

67

Obwohl sich nur eine bereits verübte Störung wiederholen kann, muss der Besitzer nicht sehenden Auges die erste Störung geduldig abwarten, bevor er auf Unterlassung klagt, sondern darf schon der ersten Besitzstörung mit einem Anspruch auf Unterlassung vorbeugen. Neben die Wiederholungsgefahr tritt die konkrete Gefahr einer ersten Besitzstörung[89].

Abbildung 8: Beweislast für und gegen die Besitzschutzansprüche


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6. Einwendungen des Störers gegen die Besitzschutzansprüche

6.1 Überblick und Beweislast

68

Die Besitzschutzansprüche aus §§ 861, 862 sind ausgeschlossen:


- nach § 858 I, wenn die Eigenmacht ausnahmsweise gesetzlich erlaubt ist (RN 58);
- nach §§ 861 II, 862 II, wenn der entzogene oder gestörte Besitz dem Störer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber nach § 858 II fehlerhaft war und im letzten Jahr vor der Entziehung oder Störung erlangt worden ist;
- nach § 864 I, wenn der Anspruch nicht binnen eines Jahres eingeklagt wird (RN 69);
- nach § 864 II, wenn rechtskräftig feststeht, dass der Anspruchsgegner zum Besitz berechtigt ist (RN 69).

Es sind dies anspruchsfeindliche Einwendungen, die der Anspruchsgegner beweisen muss.

Mit Einwendungen aus seinem Recht zum Besitz hingegen kann der Anspruchsgegner nach § 863 die Besitzschutzansprüche nicht abwehren (RN 70), es sei denn nach § 864 II (RN 69).

6.2 Die Ausschlussfrist

69

Nach § 864 I erlöschen die Ansprüche aus §§ 861, 862 nach Ablauf eines Jahres. Die Jahresfrist ist eine Ausschlussfrist[90]. § 864 I besteht deshalb aus zwei Rechtssätzen. Der erste lautet: Der Anspruch erlischt mit Ablauf eines Jahres nach der verbotenen Eigenmacht[91]. Der zweite lautet: Der Anspruch erlischt ausnahmsweise nicht, wenn er rechtzeitig vor Fristablauf eingeklagt wird.

Der erste Rechtssatz begründet eine anspruchsvernichtende Einwendung, die der Anspruchsgegner beweisen muss, der zweite eine anspruchserhaltende Gegeneinwendung, die der Anspruchsteller beweisen muss. Also muss der Anspruchsgegner den Zeitpunkt der verbotenen Eigenmacht und der Anspruchsteller den Zeitpunkt der Klageerhebung oder die Voraussetzungen des § 167 ZPO beweisen.

Gewahrt wird die Frist nur durch Klage auf Herausgabe der Sache, auf Beseitigung der Besitzstörung oder auf Unterlassung weiterer Störungen, nicht durch Klage auf Feststellung und nicht durch Antrag auf eine einstweilige Verfügung.

Nach § 864 II erlischt der Anspruch auch durch die rechtskräftige Feststellung, der Anspruchsgegner habe ein Recht zum Besitz[92].

6.3 Keine Einwendungen aus einem Recht zum Besitz

70

Da erst einmal die verbotene Eigenmacht rückgängig gemacht werden soll, bevor über das bessere Recht zum Besitz gestritten werden darf, schlägt § 863 dem Anspruchsgegner den Einwand aus der Hand, er habe ein Recht zum Besitz. Der Anspruchsgegner darf nicht einwenden, er sei Eigentümer, Anwartschaftsberechtigter, Mieter oder Pächter. § 863 hindert ihn freilich nicht, sein Recht zum Besitz mit einer Feststellungswiderklage geltendzumachen (RN 62). Auch ist § 863 nicht mehr anwendbar, wenn in letzter Instanz zwischen dem jetzigen und dem früheren unmittelbaren Besitzer feststeht, dass der jetzige Besitzer zum Besitz berechtigt ist[93].

7. Das Verfolgungsrecht des Besitzers einer beweglichen Sache

7.1 Die rechtliche Konstruktion

71

Das Verfolgungsrecht des § 867 ergänzt den Besitzschutz der §§ 859 ff., hält aber nicht, was sein Name verspricht, denn der unmittelbare Besitzer einer beweglichen Sache, die auf ein fremdes Grundstück gelangt ist, darf seine Sache nicht einfach auf dem fremden Grundstück suchen, weil dies verbotene Eigenmacht nach § 858 wäre, sondern hat nur einen Anspruch gegen den Grundstücksbesitzer auf Gestattung, den er mit Klage oder Antrag auf einstweilige Verfügung durchsetzen muss.

 

Ein unmittelbares Betretungsrecht gibt § 962 dem Eigentümer eines Bienenschwarms.

7.2 Der Anspruch auf Gestattung

Anspruchsgrundlage ist § 867 S. 1, Rechtsfolge ein Anspruch auf Gestattung, das fremde Grundstück zu betreten, um dort eine bewegliche Sache zu suchen und wegzuschaffen. Die Gestattung ist aber keine Willenserklärung, sondern eine Duldung, vollstreckbar nach § 890 ZPO. Anspruchsberechtigt ist der Besitzer einer beweglichen Sache, Anspruchsgegner ist der Besitzer des Grundstücks, auf das die bewegliche Sache gelangt ist.

Der Duldungsanspruch erlischt, sobald der Grundstücksbesitzer die bewegliche Sache nicht einfach liegen lässt, sondern in seinen Besitz nimmt. Stattdessen erlangt der frühere Besitzer der beweglichen Sache die Besitzschutzrechte aus §§ 859 ff.