Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen

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2. Das absolute Recht

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Das Zivilrecht kennt absolute und relative Rechte. Eigentum und beschränkte dingliche Rechte sind absolut, weil sie kraft ihrer Publizität durch Besitz oder Grundbuch von jedermann zu respektieren sind und deshalb umfassenden Rechtsschutz genießen.

Das Eigentum ist das gesetzliche Muster, nach dem auch die anderen dinglichen Rechte gestrickt sind. Nach § 903 S. 1 darf der Eigentümer mit seiner Sache nicht nur machen, was er will, sondern auch Dritte von jeglicher Einwirkung ausschließen. Starke dingliche Ansprüche helfen ihm, Eingriffe Dritter abzuwehren. Wird ihm der Besitz entzogen, klagt er nach § 985 auf Herausgabe (RN 117 ff.). Andere Störungen wehrt er mit dem Anspruch aus § 1004 I 1 auf Beseitigung der Störquelle ab (RN 213 ff.), drohende künftige Störungen erstickt er im Keime mit dem Anspruch aus § 1004 I 2 auf Unterlassung (RN 253 ff.). Der schuldrechtliche Schadensersatzanspruch aus § 823 I vervollständigt den Rundumschutz.

Die dinglichen Ansprüche selbst sind freilich nicht absolut, sondern wie jeder Anspruch relativ, weil sie sich nur gegen einen bestimmten Verletzer oder Störer richten. Sie sind aber auch keine selbstständigen Rechte, sondern mit dem Eigentum untrennbar verbunden, gewissermaßen der dingliche Schutzschild, ohne den das Eigentum jedem Zugriff Dritter wehrlos ausgeliefert wäre.

Die beschränkten dinglichen Rechte sind, je nach ihrem Inhalt, auf die gleiche Art und Weise geschützt (§§ 1027, 1065, 1134, 1227). Der dingliche Rechtsschutz wird ergänzt und verstärkt durch den schuldrechtlichen Schadensersatzanspruch aus § 823 I wegen schuldhafter Verletzung eines „sonstigen“ Rechts.

Im Vergleich zum Eigentum ist das Forderungsrecht des Gläubigers nur ein schwaches relatives Recht: Es richtet sich nur gegen den Schuldner und kann auch nur vom Schuldner erfüllt und verletzt werden. Dritte geht es nichts an, Dritte müssen es nicht respektieren und können es nicht verletzen. Folgerichtig ist die Forderung auch kein „sonstiges Recht“ nach § 823 I. Und warum ist das so? Weil die Forderung nicht durch Besitz, Grundbuch oder ein anderes Publikationsmittel offen zu Tage liegt, sondern nur in den Köpfen oder Schubladen von Gläubiger und Schuldner lebt. Deshalb gibt es außerhalb des Wertpapierrechts auch keinen Forderungserwerb vom Nichtberechtigten.

3. Das Eigentum und die beschränkten dinglichen Rechte

3.1 Das Eigentum und seine Spaltprodukte

Das Eigentum ist das dingliche Vollrecht und das umfassendste Herrschaftsrecht an einer Sache, das die Rechtsordnung kennt.

Von ihm lassen sich durch dingliche Belastung mancherlei Teilrechte abspalten und rechtlich verselbstständigen. Daraus entstehen die beschränkten dinglichen Rechte, die entweder zur Nutzung oder zum Erwerb oder zur Verwertung der belasteten Sache berechtigen und in diesem Umfang den Eigentümer verdrängen und ausschließen. Ihre Zahl ist gesetzlich beschränkt, ihr Inhalt gesetzlich geregelt (RN 1445), denn der Rechtsverkehr verlangt eine überschaubare Zahl klarer Rechtsformen, auf die er sich verlassen kann.

Gesetzlich zugelassen als Grundstücksbelastungen sind das Erbbaurecht, dreierlei Dienstbarkeiten, das Vorkaufsrecht, die Reallast und dreierlei Grundpfandrechte. Bewegliche Sachen kann man nur mit Nießbrauch und Pfandrecht belasten.

Abbildung 4: Beschränkte dingliche Rechte


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Wohnungs- und Teileigentum nach dem WEG sind keine Grundstücksbelastungen, sondern vollwertiges Eigentum in Gestalt von Bruchteilseigentum an einem bebauten Grundstück, verbunden mit Sondereigentum an bestimmten Räumen (RN 360).

3.2 Das Erbbaurecht

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Das Erbbaurecht (RN 469 ff.) berechtigt dazu, auf fremdem Grundstück ein Gebäude zu errichten und/oder zu haben (§ 1 I ErbbauRG). Insoweit ist es eine Grundstücksbelastung wie Grunddienstbarkeit oder Grundschuld. Zugleich ist es aber ein grundstücksgleiches Recht, weil es wie ein Grundstück veräußert und belastet werden kann (§ 11 ErbbauRG) und deshalb sein eigenes Erbbaugrundbuch bekommt (§ 14 ErbbauRG).

3.3 Die Dienstbarkeiten

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Die Dienstbarkeiten (§§ 1018-1093) spalten die Sachnutzung vollständig oder teilweise vom Eigentum ab. Es gibt deren drei: den Nießbrauch, die Grunddienstbarkeit und die beschränkte persönliche Dienstbarkeit.

Während der Nießbrauch auch an beweglichen Sachen und an Rechten bestellt werden kann, sind die anderen beiden Dienstbarkeiten reine Grundstückslasten. Das ist aber nicht der einzige Unterschied. Der Nießbrauch berechtigt zur vollständigen Sachnutzung und ist deshalb weder übertragbar noch vererblich (RN 500 ff.). Die anderen beiden Dienstbarkeiten berechtigen nur zu einzelnen Nutzungen des belasteten Grundstücks, etwa zum Gehen und Fahren, zum Verlegen und Halten einer Leitung, zum Halten einer Tankstelle oder zu Immissionen, oder sie verbieten dergleichen Nutzungen auf dem belasteten Grundstück.

Die Grunddienstbarkeit (RN 510 ff.) steht nicht einer bestimmten Person, sondern dem jeweiligen Eigentümer eines anderen Grundstücks zu (§ 1018), zählt deshalb zu den subjektiv-dinglichen Rechten und ist ein Bestandteil des herrschenden Grundstücks (§ 96).

Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit (RN 532 ff.) hingegen, die auch als Wohnungsrecht vorkommt (RN 537), gehört einer bestimmten Person (§ 1090) und ist weder übertragbar noch vererblich (§ 1092). Demgegenüber sind das dingliche Dauerwohnrecht und Dauernutzungsrecht des § 31 WEG frei übertragbar und vererblich (RN 418).

3.4 Das dingliche Vorkaufsrecht

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Das dingliche Vorkaufsrecht (RN 539 ff.) berechtigt im Vorkaufsfall zum käuflichen Erwerb des belasteten Grundstücks (§§ 1094 ff.), ganz wie das schuldrechtliche Vorkaufsrecht, hat aber den großen Vorteil, dass es im Grundbuch steht und den (künftigen) Anspruch auf Übereignung wie eine Vormerkung dinglich sichert (§ 1098 II).

3.5 Die Reallast

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Die Reallast (RN 550 ff.) belastet das Grundstück mit widerkehrenden Leistungen und sichert vorwiegend Leibgedinge aus Übergabe- und Altenteilsverträgen (§§ 1105 ff). Zwar haftet der Eigentümer des belasteten Grundstücks auch persönlich (§ 1108), dinglich aber ist die Reallast ein Verwertungsrecht (§ 1107) und steht den Grundpfandrechten näher als den Nutzungsrechten.

3.6 Die Grundpfandrechte

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Die Grundpfandrechte (RN 559 ff.) berechtigten dazu, das belastete Grundstück wegen einer Geldforderung zu verwerten (§§ 1113, 1191), freilich nicht freihändig, sondern nur durch Zwangsvollstreckung (§ 1147), also durch Zwangsversteigerung und/oder Zwangsverwaltung (§ 866 ZPO). Dazu braucht der Grundpfandgläubiger einen dinglichen Vollstreckungstitel, der auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das belastete Grundstück wegen einer bestimmten Geldforderung lautet. Es kann dies ein Leistungsurteil sein, ist aber meist eine vollstreckbare notarielle Urkunde nach § 794 I Nr. 5 ZPO.

Das BGB bietet, historisch bedingt, drei Grundpfandrechte an: die Hypothek (§§ 1113 bis 1190), die Grundschuld (§§ 1191-1198) und die Rentenschuld (§§ 1199-1203), die im Rechtsleben keine große Rolle spielt.

Hypothek und Grundschuld unterscheiden sich darin, dass die Hypothek rechtlich von einer Geldforderung abhängt (§§ 1113, 1153), die Grundschuld dagegen nicht (§ 1192 I). Das Stichwort heißt Akzessorietät: Ohne Forderung keine Hypothek.

Zwar sichert auch die Grundschuld in aller Regel eine Geldforderung, Grundschuld und Forderung sind aber nicht sachenrechtlich miteinander verbunden (§ 1192 I), sondern nur schuldrechtlich durch den Sicherungsvertrag (RN 601 ff.). Fehlt die zu sichernde Forderung oder erlischt sie, verwandelt sich die Grundschuld anders als die Hypothek nicht in eine Eigentümergrundschuld, sondern ist zurückzugeben; Anspruchsgrundlage ist der Sicherungsvertrag (RN 669 ff.). Die Grundschuld hat deshalb der Hypothek in der Praxis der Kreditsicherheiten längst den Rang abgelaufen.

 

3.7 Nießbrauch und Pfandrecht an beweglichen Sachen

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Der Nießbrauch an beweglichen Sachen (§§ 1030-1067) hat Seltenheitswert (RN 1331). Dem Pfandrecht an beweglichen Sachen (§§ 1204-1258) geht es kaum besser (RN 1332 ff.).

Als schwerfälliges Faustpfand (§ 1205) steht es im rechtsgeschäftlichen Verkehr auf verlorenem Posten und wird fast ganz von der Sicherungsübereignung nach § 930 verdrängt (RN 1263 ff.).

Rechtliches Interesse verdienen nach wie vor das gesetzliche Vermieter- und Verpächterpfandrecht (§§ 562, 581 II), das gesetzliche Unternehmerpfandrecht (§ 647) und das Pfändungspfandrecht (§ 804 ZPO).

3.8 Beschränkte dingliche Rechte an eigener Sache

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Beschränkte dingliche Rechte werden zulasten einer fremden Sache bestellt; das ist der gesetzliche Normalfall.

Nach § 1196 kann sich freilich der Eigentümer selbst eine Grundschuld an seinem eigenen Grundstück bestellen, um sie bei Bedarf als Sicherheit für einen Kredit abzutreten (RN 788 ff.). Nach dem Vorbild der Eigentümergrundschuld erlaubt die Rechtsprechung bei Bedarf auch Eigentümererbbaurechte (RN 491) und Eigentümerdienstbarkeiten (RN 527).

Kraft Gesetzes entsteht eine Eigentümerhypothek oder -grundschuld aus einer forderungslosen Hypothek (§§ 1163, 1177), durch Ablösung eines Grundpfandrechts (§ 1143) oder durch Verzicht auf ein Grundpfandrecht (§ 1168).

1. Buch Besitz und Eigentum

1. Teil Der Besitz
1. Kapitel Begriff und Funktion des Besitzes

1. Besitz und Eigentum

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§ 854 I definiert den Besitz als „tatsächliche Gewalt“ über eine Sache[1]. Besitzen kann man nur Sachen, also „körperliche Gegenstände“ (§ 90), weder Rechte noch ganze Vermögen.

Die tatsächliche Sachherrschaft des Besitzers unterscheidet sich fundamental von der rechtlichen Sachherrschaft des Eigentümers, der nach § 903 S. 1 mit seiner Sache machen darf, was er will. Auch wenn der Volksmund den Besitz noch immer mit dem Eigentum gleichsetzt und den Eigentümer meint, wenn er vom Grundstücks- oder Haus- oder Autobesitzer spricht, trennt das geltende Recht scharf zwischen Besitz und Eigentum. Denn der Besitz hat andere Voraussetzungen und andere Rechtsfolgen als das Eigentum. Das 3. Buch „Sachenrecht“ des BGB regelt deshalb im 1. Abschnitt mit den §§ 854-872 vorweg den „Besitz“ und erst im 3. Abschnitt mit den §§ 903-1011 das „Eigentum“. Diese Trennung ist schon deshalb richtig, weil nicht jeder Besitzer zugleich Eigentümer und nicht jeder Eigentümer zugleich Besitzer ist. Besitzer sind der Mieter, der Finder und der Stehler, Eigentümer hingegen ist keiner der drei. Mieter und Finder haben immerhin ein Recht zum Besitz, der Dieb hat nichts dergleichen, sondern nur die nackte tatsächliche Sachherrschaft, die aber lässt sich nicht bestreiten.

Schon stellt sich die Frage, ob denn der Besitz ein Recht sei. Die Antwort sollte nicht schwer fallen. Die tatsächliche Sachherrschaft bar jeder Berechtigung, wie der Dieb sie an sich reißt, ist das Gegenteil eines Rechts, ist grobes Unrecht, erst das Recht zum Besitz aus Eigentum, Pfandrecht oder Miete macht aus der tatsächlichen Sachherrschaft auch eine rechtliche.

Der Jurist muss deshalb nicht nur Besitz und Eigentum, sondern auch berechtigten und unberechtigten Besitz auseinander halten.

2. Die Funktion des Besitzes im System des BGB

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Es ist kein Zufall, dass die Umgangssprache Besitz und Eigentum noch immer in einen Topf wirft. Auch wenn es sich um zwei selbstständige Rechtsinstitute mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Wirkungen handelt, hängen sie doch eng zusammen. Die Gleichsetzung des Besitzes mit dem Eigentum trifft im System des BGB, wenn auch nur für bewegliche Sachen, voll ins Schwarze. Dass der Besitzer einer beweglichen Sache auch der Eigentümer sei, ist nach §§ 1006, 929, 932 die gesetzliche Regel. Nach diesen Vorschriften verkörpert und verkündet die sichtbare tatsächliche Sachherrschaft das unsichtbare Eigentumsrecht. § 1006 I 1 schließt vom Besitz auf Eigentum; wer etwas anderes behauptet, muss es im Streitfall beweisen. Eine bewegliche Sache übereignet man nach § 929 S. 1 nicht lediglich durch dinglichen Vertrag, sondern durch Einigung und Übergabe; Übergabe aber bedeutet Besitzübertragung. Folgerichtig bildet der Besitz nach § 932 I die sichtbare Vertrauensgrundlage für den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten.

Im Liegenschaftsrecht ist es nur deshalb anders, weil das Grundbuch, stärker noch als der Besitz, dessen Rolle für Eigentumsvermutung (§ 891), Übereignung (§ 873) und gutgläubigen Erwerb (§ 892) übernimmt.

3. Der Gang der Darstellung

Nach einem Überblick über die verwirrende Vielfalt der Besitzarten im 2. Kapitel beschreiben das 3. und 4. Kapitel den unmittelbaren Besitz und seinen Schutz; das ist der Schwerpunkt des Besitzrechts. Die folgenden Kapitel handeln von den besonderen Besitzarten: vom mittelbaren Besitz, Teilbesitz, Mitbesitz und Eigenbesitz sowie vom Herausgabeanspruch aus dem besseren Recht zum Besitz.

2. Kapitel Die bunte Vielfalt der gesetzlichen Besitzarten

1. Gesetzlicher Normalfall und Sonderfälle

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Das BGB beleuchtet den Besitz von allen Seiten und unterscheidet nicht weniger als sechs Besitzpaare:


- nach dem Grad der Sachnähe den unmittelbaren und den mittelbaren Besitz (§§ 854, 868);
- nach dem Umfang der Sachherrschaft den Voll- und den Teilbesitz (§ 865);
- nach der Zahl der Besitzer auf gleicher Stufe den Allein- und den Mitbesitz (§ 866);
- nach der Willensrichtung des Besitzers den Eigen- und den Fremdbesitz (§ 872);
- nach der Rechtsbeziehung zwischen Eigentümer und Besitzer den berechtigten und den unberechtigten Besitz (§§ 986 ff.);
- nach der Art des Erwerbs den fehlerfreien und den fehlerhaften Besitz (§ 858 II).

Im System des BGB ist der unmittelbare, alleinige, berechtigte und fehlerfreie Besitz an einer ganzen Sache der gesetzliche Normalfall, während die übrigen Besitzarten als Sonderfälle auftreten: so der mittelbare Besitz, der durch seine Sachferne schon stark vergeistigt ist; der Teilbesitz, der sich auf den Teil einer Sache beschränkt; der Mitbesitz, den man mit anderen teilt; schließlich der unberechtigte und der fehlerhafte Besitz, die beide der Rechtsordnung widersprechen, der eine, weil ihm ein Recht zum Besitz fehlt, der andere, weil er durch verbotene Eigenmacht erlangt ist.

Die §§ 854-864 regeln den unmittelbaren Besitz in aller Ausführlichkeit, bevor die §§ 865-872 die Abweichungen nur knapp ansprechen. Auch hier erleichtert das juristische Denken in den Kategorien von Normalfall und Sonderfall, von Regel und Ausnahme das rechtliche Verständnis.

Abbildung 5: Besitzarten


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2. Unmittelbarer und mittelbarer Besitz

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Dass man die Kleidung besitzt, die man auf dem Leib trägt, oder die Möbel, mit denen man seine Wohnung ausgestattet hat, oder das Auto in der Garage, weiß jeder, auch wenn er den § 854 I nicht kennt. Dagegen versteht es sich nicht von selbst, dass man sein Haus, seine Wohnung oder sein Auto auch dann noch besitzt, wenn man sie vermietet hat. So aber bestimmt es § 868, bezeichnet diese Art von Besitz freilich als „mittelbaren Besitz“.

Der unmittelbare Besitz, geregelt in §§ 854-864, ist der gesetzliche Normalfall. § 854 I definiert ihn als tatsächliche Gewalt über eine Sache. Obwohl nun der Vermieter von der tatsächlichen Herrschaft über die Mietsache weit entfernt ist, behandelt § 868 auch ihn als Besitzer. Dies hat zur Folge, dass § 869 auch dem mittelbaren Besitzer vollen Besitzschutz nach §§ 859, 861, 862 gegen verbotene Eigenmacht gewährt. Dieser Schutzzweck heiligt das Mittel der Gleichbehandlung, denn der mittelbare Besitz, den der unmittelbare Besitzer (Mieter) kraft eines Besitzmittlungsverhältnisses (Mietverhältnis) einem anderen (Vermieter) vermittelt, ist ein Besitz ohne tatsächliche Sachherrschaft.

Aber auch der unmittelbare Besitz ist nicht frei von Widersprüchen zur gesetzlichen Definition des § 854 I. So ist nach § 855 der Besitzdiener trotz tatsächlicher Sachherrschaft kein Besitzer, denn unmittelbaren Besitz hat nur der Besitzherr. Und der Erbe erbt den unmittelbaren Besitz des Erblassers nach § 867 schon mit dem Erbfall, obwohl er noch keine tatsächliche Sachherrschaft über den Nachlass haben kann.

3. Voll- und Teilbesitz

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Eine Sache kann man nicht nur ganz, sondern nach § 865 auch teilweise besitzen, freilich nicht zu einem ideellen Bruchteil, sondern nur zu einem realen Teil, der auch ein wesentlicher Bestandteil einer Sache sein kann (Wohnung, Hauswand, Gartenstück), denn der Besitz ist nun einmal kein Recht, sondern nur eine tatsächliche Sachherrschaft. Es gibt zwar Miteigentum zu Bruchteilen (§§ 1008 ff., 741 ff.), aber keinen Bruchteilsbesitz. Umgekehrt kann man an einem wesentlichen Bestandteil einer Sache zwar Besitz (§ 865), aber kein Sondereigentum begründen (§ 93). Von dieser Regel weicht nur das Wohnungseigentumsgesetz ab.

4. Allein- und Mitbesitz

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Eine Sache kann man allein besitzen, man kann den Besitz nach § 866 aber auch mit anderen teilen. Der Mitbesitz ist gewissermaßen das sichtbare Abbild des Miteigentums (§ 1008). Mitbesitzer stehen nebeneinander auf der gleichen Besitzstufe. Keine Mitbesitzer sind der unmittelbare und der mittelbare Besitzer, denn sie stehen auf verschiedenen Besitzstufen. Nach § 866 haben Mitbesitzer, was den Besitzschutz angeht, ein Innen- und ein Außenverhältnis. Gegen Störungen Dritter genießt auch der Mitbesitzer vollen Besitzschutz nach §§ 859 ff., dagegen beschränkt § 866 den Schutz gegen Besitzstörungen durch einen Mitbesitzer; das ist die besondere gesetzliche Rechtsfolge des Mitbesitzes.

5. Eigen- und Fremdbesitz

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Eigenbesitzer ist nach § 872 derjenige, der eine Sache „als ihm gehörend besitzt“. Wer hingegen eine Sache als einem anderen gehörend besitzt, ist Fremdbesitzer. Maßgeblich ist nicht die Rechtslage, sondern die Willensrichtung des Besitzers. Eigenbesitzer ist nicht nur der Eigentümer, sondern auch der Dieb. Nießbraucher und Mieter dagegen sind Fremdbesitzer, weil sie fremdes Eigentum über sich anerkennen. Die Unterscheidung ist vor allem wichtig für die Eigentumsvermutung des § 1006, denn sie gründet auf dem Erwerb des Eigenbesitzes an einer beweglichen Sache.

 

6. Berechtigter und unberechtigter Besitz

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§ 854 I definiert den Besitz nicht als rechtliche, sondern als tatsächliche Sachherrschaft. Danach ist der Besitz noch kein Recht, erst das Recht zum Besitz aus Eigentum, Pfandrecht oder Miete macht aus der tatsächlichen auch eine rechtliche Sachherrschaft. Das Recht zum Besitz des Nießbrauchers oder Mieters widersteht nach § 986 sogar dem Eigentum. Ohne Recht zum Besitz hingegen muss man nicht nur die Sache nach § 985 an den Eigentümer herausgeben, sondern haftet unter den Voraussetzungen der §§ 987 ff. auch noch auf Nutzungs- und Schadensersatz.