Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

3.1 Das gesetzliche System und die Beweislast

186

Nach § 994 I 1 hat der unberechtigte Besitzer Anspruch auf Ersatz seiner notwendigen Versendungen, die er auf die herauszugebende Sache gemacht hat, der verklagte und der bösgläubige Besitzer nach § 994 II jedoch nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag.

§ 994 I 1 ist der gesetzliche Normalfall, § 994 II die gesetzliche Ausnahme. Auf diese Art und Weise verteilt das Gesetz die Beweislast.

Der Besitzer muss nach § 994 I 1 nur beweisen, dass er als unberechtigter Besitzer notwendige Verwendungen in bestimmter Höhe auf die herauszugebende Sache gemacht habe. Er muss weder seinen guten Glauben noch das Fehlen einer Herausgabeklage beweisen, denn das sind keine Anspruchsvoraussetzungen, vielmehr begründen der böse Glaube des Besitzers und die Rechtshängigkeit der Herausgabeklage eine anspruchsmindernde Einwendung, die der Eigentümer beweisen muss, denn sie erschweren den Verwendungsersatz durch die zusätzlichen Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag. Die Voraussetzungen einer auftraglosen Geschäftsführung nach §§ 683, 677 aber müssen der auf Herausgabe verklagte und der bösgläubige Besitzer beweisen.

Auch hier wird der gute Glaube wie überall im Sachenrecht gesetzlich vermutet[82].

Verwendungen, die zwar nicht notwendig waren, aber den Wert der Sache erhöhen, sind nur nach § 996 zu ersetzen (RN 188).

3.2 Notwendige Verwendungen

187

Notwendig ist eine Verwendung, wenn sie zur Erhaltung oder ordentlichen Bewirtschaftung der Sache objektiv erforderlich ist[83]. Zu ersetzen ist der volle Aufwand.

Beispiele


- Reparatur eines beschädigten Fahrzeugs (BGH 27, 317; 34, 122; 51, 250; NJW 2002, 2875);
- Bergung eines Schiffswracks (BGH NJW 55, 340);
- auch geldwerte Eigenarbeit des Besitzers zwecks Erhaltung eines Wohnhauses (BGH 131, 220);
- nach § 995 S. 1 auch die Bezahlung der Grundstückslasten wie Grundsteuer und Grundschuldzinsen.
- Nicht notwendig sind: die Enttrümmerung eines Grundstücks (BGH 39, 186), der Anbau an ein Wohnhaus (BGH NJW 79, 716), der gescheiterte Nachbesserungsversuch des Verkäufers oder Unternehmers (BGH 48, 272) und der Aufwand zwecks Nutzung eines Gebäudes, das der Eigentümer abreißen will (BGH 64, 339).

Nicht ersetzt werden dem Besitzer nach § 994 I 2 die gewöhnlichen Erhaltungskosten[84] für die Zeit, für die ihm nach § 993 I die Nutzungen verbleiben, denn beides gehört zusammen. Dies gilt nach § 995 S. 2 auch für die Bezahlung der Lasten der Sache, aber nicht für die Ablösung eines Grundpfandrechts.

3.3 Werterhöhende Verwendungen

188

Nach § 996 hat der unverklagte gutgläubige Besitzer Anspruch auch auf Ersatz anderer als notwendiger Verwendungen, soweit sie den Wert der herauszugebenden Sache noch erhöhen, wenn der Eigentümer die Sache wiedererlangt. Diese Werterhöhung ist zu ersetzen[85], freilich nur bis zur Höhe des erforderlichen Aufwands[86]. Der Streit über die Werterhöhung ist durch Sachverständigengutachten zu klären, jedoch darf das Gericht die Werterhöhung im Rahmen des § 287 II ZPO auch einfach schätzen.

Der Besitzer muss wiederum nur die Verwendungen und die Werterhöhung zum maßgeblichen Zeitpunkt beweisen, denn sein guter Glaube wird vermutet.

3.4 Verwendungen während der Besitzrechtszeit

189

Viel spricht dafür, die §§ 994, 996 auf Verwendungen zu beschränken, die der unberechtigte Besitzer als solcher auf die fremde Sache gemacht hat. Der Rechtsprechung dagegen ist es einerlei, ob der Besitzer die Verwendungen als berechtigter oder als unberechtigter Besitzer gemacht hat, wenn er nur schlussendlich ohne Recht zum Besitz dasteht und dem Herausgabeanspruch des Eigentümers wehrlos ausgeliefert ist[87].

190

Folgt man dieser Rechtsprechung nicht, sind nach Ablauf eines vertraglichen Besitzrechts die vorher gezogenen Nutzungen wie die vorher gemachten Verwendungen nach Vertragsrecht oder, wenn der Vertrag schweigt, nach Bereicherungsrecht abzuwickeln: Die beiderseitigen Vor- und Nachteile, also die gezogenen Nutzungen und die gemachten Verwendungen sind miteinander zu verrechnen, so dass per Saldo nur demjenigen ein Bereicherungsanspruch zusteht, der mehr gegeben als bekommen hat[88].

Damit nun die Abwicklung nach §§ 812 ff. und die Abwicklung nach §§ 987 ff. nicht auseinander laufen, sind Nutzungen und Verwendungen auch dann zu saldieren, wenn man mit der Rechtsprechung auch die frühere, inzwischen beendete, vertragliche Beziehung nach §§ 987 ff. abwickelt[89].

3.5 Der Wechsel des Eigentümers oder des Besitzers

191

§ 999 regelt den besonderen Fall, dass der Eigentümer oder der Besitzer wechselt, nachdem die Verwendungen auf die Sache gemacht sind, und ergänzt die Anspruchsgrundlagen der §§ 994, 996. Der Verwendungsersatz ist stets zwischen den Personen abzuwickeln, die zur Zeit des Ersatzverlangens in einem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis stehen[90].

Gemäß § 999 I kann der jetzige – unberechtigte – Besitzer, wenn er Rechtsnachfolger des Vorbesitzers ist, auch dessen notwendige oder werterhöhende Verwendungen nach §§ 994, 995, 996 ersetzt verlangen[91]. „Rechtsnachfolger“ wird man nur durch ein – wirksames oder unwirksames – Veräußerungsgeschäft, nicht schon durch Besitzübergabe[92] oder Erwerb mittelbaren Besitzes[93].

Nach §§ 999 II, 994 I, 995, 996 schuldet der jetzige Eigentümer auch Ersatz derjenigen Verwendungen, die schon vor seinem Eigentumserwerb gemacht worden sind[94].

4. Der verklagte und der bösgläubige Besitzer

192

Nach § 994 II hat zwar auch der auf Herausgabe verklagte oder bösgläubige Besitzer Anspruch auf Ersatz seiner notwendigen Verwendungen, die er auf die fremde Sache gemacht hat, aber nur unter den strengen Voraussetzungen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677, 683, und das ist eine hohe Hürde, die der Besitzer so leicht nicht überspringt. Denn die Verwendungen müssen nicht nur objektiv zur Erhaltung der Sache notwendig sein, sondern nach § 677 auch noch dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Eigentümers entsprechen[95]. Andernfalls bleibt dem Besitzer nur ein schwacher Bereicherungsanspruch nach § 684 mit §§ 812, 818. Ein ablehnender Wille des Eigentümers ist nach § 679 nur dann unbeachtlich, wenn die notwendige Verwendung im öffentlichen Interesse liegt.

193

Nach dem System der Beweislast ist § 994 II als Ausnahme von § 994 I ein Zwitter: sowohl Anspruchsgrundlage als auch anspruchsmindernde Einwendung. Da der gute Glaube wie überall im Sachenrecht als gesetzliche Regel vermutet wird, hat der unberechtigte Besitzer solange Anspruch auf Ersatz seiner notwendigen Verwendungen nach § 994 I, bis ihm der Eigentümer einen bösen Glauben oder die Rechtshängigkeit der Herausgabeklage nachweist. Erst wenn der Eigentümer diesen Beweis geführt hat, reduziert sich der Verwendungsersatz nach § 994 II auf einen Anspruch aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag, und muss der Besitzer die Voraussetzungen der §§ 677, 683 beweisen.

5. Die Einwendungen des Eigentümers gegen den Anspruch auf Verwendungsersatz

194

Dem Anspruch des Besitzers auf Verwendungsersatz nach § 994 I kann der Eigentümer die Rechtshängigkeit der Herausgabeklage oder den bösen Glauben des Besitzers entgegenhalten, muss dies aber beweisen. Gelingt ihm der Nachweis, werden notwendige Verwendungen des Besitzers nach § 994 II nur noch unter den Voraussetzungen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag und werterhöhende Verwendungen überhaupt nicht mehr ersetzt (RN 193).

195

Gemäß § 1002 erlischt der Anspruch auf Verwendungsersatz nach Ablauf eines Monats, bei einem Grundstück nach Ablauf von 6 Monaten ab Herausgabe der Sache an den Eigentümer[96]. Das ist eine gesetzliche Ausschlussfrist; sie hat zwei Voraussetzungen: die Herausgabe der Sache an den Eigentümer und den Fristablauf. Der Eigentümer muss vor allem den Zeitpunkt der Herausgabe beweisen.

Der Anspruch auf Verwendungsersatz erlischt ausnahmsweise nicht, wenn der Besitzer vor Fristablauf seinen Anspruch gerichtlich geltendmacht oder der Eigentümer die Verwendungen genehmigt. Diesen anspruchserhaltenden Gegeneinwand muss der Besitzer beweisen[97], ebenso eine Hemmung der Ausschlussfrist nach § 1002 II mit §§ 206, 210, 211.

 

Ist der Anspruch auf Verwendungsersatz erst einmal erloschen, lebt er wegen derselben Verwendung durch eine neue Vindikationslage nicht wieder auf[98].

Der Verwendungsersatzanspruch verjährt normal nach §§ 195, 199.

6. Das Wegnahmerecht des Besitzers

6.1 Wegnahme oder Verwendungsersatz

196

Nach § 997 I 1 darf jeder unberechtigte Besitzer, ob gut- oder bösgläubig, eine Sache, die er nach §§ 946, 947 mit der herauszugebenden Sache des Eigentümers fest verbunden hat, abtrennen und sich aneignen. Zwischen dem Verwendungsersatz nach §§ 994, 996 und der Aneignung nach § 997 I 1 muss er wählen, er bekommt nicht beides.

§ 997 I gilt nur für wesentliche Bestandteile nach § 93, 94, nicht auch für Scheinbestandteile nach § 95 und nicht für Zubehör nach § 97. Soweit derartige Sachen bereits dem Besitzer oder einem Dritten gehören, nimmt der Besitzer sie einfach mit oder verlangt vom Eigentümer die Herausgabe.

6.2 Das Aneignungsrecht des Besitzers

Das Recht des Besitzers auf Trennung und Aneignung ist kein Anspruch, sondern ein Gestaltungsrecht: Der Besitzer klagt nicht auf Aneignung, sondern trennt und eignet sich an. Freilich muss er die herauszugebende Sache nach §§ 997 I 2, 258 S. 1 auf seine Kosten in den vorigen Zustand zurückversetzen. Auch muss er den ganzen wesentlichen Bestandteil wegnehmen und darf nicht lediglich die brauchbaren Teile ausschlachten[99].

6.3 Der Duldungsanspruch des Besitzers

Erst wenn die Sache wieder im Besitz des Eigentümers ist, verwandelt sich das Aneignungsrecht des früheren Besitzers in einen klagbaren Anspruch auf Duldung der Trennung und Aneignung, vollstreckbar nach § 890 ZPO. Der Eigentümer wiederum darf die Gestattung verweigern, bis ihm für den drohenden Schaden Sicherheit geleistet wird (§ 997 I 2 mit § 258 S. 2 Hs. 2).

6.4 Der Ausschluss der Wegnahme

197

Das Wegnahmerecht ist nach § 997 II in drei Fällen ausgeschlossen: Der Besitzer kann insoweit nach § 994 I 2 keinen Verwendungsersatz verlangen, oder die Trennung hat für ihn keinen Nutzen, oder der Eigentümer hat ihm den Wert ersetzt. Verbietet das öffentliche Recht eine Trennung, ist der Besitzer nach § 242 angemessen zu entschädigen[100].

7. Der Verwendungsersatz in der Praxis

198

Fall 1: Kein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

Die Beklagte vermietet ihre Diesellokomotive an die Fa. H, die sich vertraglich verpflichtet, die Mietsache während der Mietzeit auf ihre Kosten instandzuhalten. Dementsprechend lässt die Fa. H die defekte Lokomotive vom Kläger reparieren. Der Kläger gibt sie repariert an die Fa. H zurück, die dem Kläger über die Reparaturkosten einen Wechsel gibt, ihn aber nicht einlöst und später insolvent wird. Der Insolvenzverwalter gibt die Lokomotive an die Beklagte zurück. Der Kläger, der im Insolvenzverfahren der Fa. H mit seinem Werklohnanspruch ausgefallen ist, verklagt nun die Beklagte auf Zahlung.

Die Klage hat keinen Erfolg. Zwischen den Parteien besteht kein Vertragsschuldverhältnis. Das gesetzliche Pfandrecht nach § 647 ist, falls es gutgläubig überhaupt erworben werden kann, jedenfalls durch Rückgabe der Lokomotive nach § 1253 I 1 erloschen. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Verwendungsersatz aus § 994 I, denn die Fa. H war als Mieterin nicht nur berechtigte Besitzerin, sondern auch zur Übergabe an den Kläger berechtigt. Deshalb bestand zwischen den Parteien kein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. Für eine entsprechende Anwendung des § 994 I fehlt jegliches Bedürfnis, denn der Kläger hat einen vertraglichen Werklohnanspruch gegen die Fa. H und kann das Insolvenzrisiko nicht auf die Beklagte abwälzen (BGH 27, 317).

199

Fall 2: Kein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

Die Klägerin, eine Bank, finanziert dem A ein Auto und lässt es sich nach §§ 930, 868 zur Sicherheit übereignen. Nach einem Verkehrsunfall lässt A das Auto von der Beklagten reparieren. Da A nicht zahlt, erwirkt die Beklagte einen rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid, lässt das Auto pfänden und ersteigert es für 7 000,– €. Die Klägerin verlangt von der Beklagten den Versteigerungserlös von 7 000,– € heraus.

Die Klage ist aus §§ 812 I 1, 818 II begründet. Der Versteigerungserlös steht nach materiellem Recht nicht der Beklagten, sondern der Klägerin zu, denn er ist nichts anderes als das Surrogat der versteigerten Sache. Das Auto selbst kann die Klägerin nicht mehr herausverlangen, nachdem die Beklagte es wirksam in der Zwangsversteigerung ersteigert und zu Eigentum erworben hat. Dass das Auto nicht dem Vollstreckungsschuldner, sondern der Klägerin gehörte, konnte die Versteigerung prozessual nicht verhindern (BGH 100, 98). Nach materiellem Recht hingegen war die Versteigerung im Verhältnis zwischen der Beklagten und der Klägerin nach § 812 I 1 ein rechtsgrundloser Eingriff in das Eigentum der Klägerin (BGH 100, 99).

Die Beklagte kann dem Bereicherungsanspruch der Klägerin weder ein Unternehmerpfandrecht nach § 647 noch einen Anspruch auf Verwendungsersatz nach § 994 entgegenhalten. Ein Unternehmerpfandrecht nach § 647 hat die Beklagte nicht erworben. Sie hat den Reparaturvertrag nicht mit der Klägerin sondern mit dem Nichteigentümer A geschlossen, und ein gutgläubiger Erwerb des gesetzlichen Pfandrechts ist nicht möglich (BGH 34, 122; 87, 274; 100, 101). Für die Bestellung eines vertraglichen Pfandrechts nach §§ 1204, 185 fehlt jeder Anhalt.

Die Reparaturkosten haben die Beklagte auch nicht nach § 818 III entreichert, denn die Beklagte hat gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Ersatz ihrer Verwendungen nach § 994 I. Zwischen den Parteien bestand kein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. Der Besteller A war als berechtigter Besitzer auch dazu berechtigt, das Auto reparieren zu lassen, und verschaffte deshalb auch der Beklagten rechtmäßigen Besitz. Dass die Klägerin die Versteigerung ihres Eigentums geschehen ließ, ohne ihr nach § 771 ZPO zu widersprechen, ändert daran nichts: Weder begründet dieses Verhalten eine Vindikationslage noch rechtfertigt es eine entsprechende Anwendung des § 994 I (BGH 100, 104).

Unbegründet wäre die Klage, wenn A den Kredit vollständig an die Klägerin zurückbezahlt hätte, denn dann stünde der Versteigerungserlös nicht der Klägerin zu, sondern dem A, der den Werklohn schuldet (BGH 100, 105).

200

Fall 3: Keine Verwendung

Der Beklagte baut an Stelle von 2 Einzelhäusern einen 8-stöckigen Wohnblock über die Grenze auf das Grundstück des Klägers. Dieser klagt auf Herausgabe seines Grundstücks. Der Beklagte verweigert die Herausgabe wegen der Baukosten in Höhe von 772 663,– € und erhebt Widerklage auf Ersatz dieses Betrags.

Die Herausgabeklage ist aus § 985 begründet, die Widerklage unbegründet, denn der Beklagte hat kein Recht zum Besitz. Die §§ 994 ff. regeln den Verwendungsersatz im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis erschöpfend und schließen einen Bereicherungsausgleich nach §§ 812 ff. aus. Die Voraussetzungen der vorrangigen §§ 994, 996 aber sind nicht erfüllt. Verwendungen sind nur Aufwendungen zur Erhaltung oder ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Grundstücks (BGH 10, 171; 41, 157; 87, 104; 131, 220). Der 8-stöckige Wohnblock hingegen gestaltet das Grundstück des Klägers völlig um; das aber ist keine Verwendung mehr. Auf den guten oder bösen Glauben des Beklagten kommt es nicht mehr an (BGH 41, 157).

201

Fall 4: Keine notwendige Verwendung

Der Beklagte enttrümmert gegen den Willen des Klägers dessen Grundstück, stellt dort eine Baubude auf und lagert Baustoffe. Der Kläger klagt auf Herausgabe und verlangt eine Nutzungsentschädigung. Der Beklagte hält dem entgegen, die Enttrümmerung habe ihn weit mehr gekostet und den Wert des Grundstücks erhöht.

Die Klage auf Nutzungsersatz ist aus §§ 987 I, 990 I begründet. Der Beklagte kann den Gebrauchsvorteil (§ 100) zwar nicht herausgeben, muss ihn aber mit Geld vergüten (BGH 39, 186; RG 93, 281). Dagegen hat er keinen Anspruch auf Ersatz seiner Verwendungen. Als Anspruchsgrundlage kommt nur § 994 II mit § 677 in betracht, denn der Beklagte ist unberechtigter bösgläubiger Besitzer. Die Enttrümmerung aber war keine notwendige Verwendung zur Erhaltung oder ordentlichen Bewirtschaftung des Grundstücks. Außerdem widersprach sie dem Willen des Klägers. Ob sie den Wert des Grundstücks erhöht hat, ist unerheblich, denn § 996 ist auf den bösgläubigen Besitzer nicht anwendbar, und die §§ 812 ff. sind hier ausgeschlossen. Eine etwaige Bereicherung des Klägers findet ihren Rechtsgrund in § 996 (BGH 39, 186).

202

Fall 5: Notwendige Verwendung im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

K erwirbt vom Beklagten unter Eigentumsvorbehalt einen Kleinbus mit der Verpflichtung, ihn instandzuhalten, zahlt aber die Kaufpreisraten nicht. Der Kläger repariert im Auftrag des K den unfallbeschädigten Kleinbus. Daraufhin wird K insolvent. Da der Beklagte sich weigert, die der Höhe nach unstreitigen Reparaturkosten zu bezahlen, klagt der Kläger auf Herausgabe des Kfz.-Briefes, um den Kleinbus zu verwerten. Der Beklagte verlangt widerklagend die Herausgabe des Kleinbusses.

Als Eigentümer hat der Beklagte den § 985 für sich. Die entscheidende Frage lautet: Hat der Kläger ein Recht zum Besitz nach § 986, oder besteht zwischen den Parteien ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis? Von K kann der Kläger ein Besitzrecht nicht mehr herleiten, denn das Besitzrecht des K ist durch dessen Insolvenz erloschen. Ein Pfandrecht an dem Kleinbus hat der Kläger auch nicht erworben, weder ein gesetzliches nach § 647 noch ein vertragliches nach §§ 1204, 185 (BGH 34, 122; 100, 101).

Als unberechtigter Besitzer darf der Kläger vom Beklagten nach § 994 I Ersatz seiner notwendigen Verwendungen auf den Kleinbus verlangen und nach § 1000 die Herausgabe des Kleinbusses verweigern. Die Reparatur eines defekten Fahrzeugs ist in aller Regel eine notwendige Verwendung (BGH NJW 2002, 2875). Dass der Kläger den Kleinbus zu einer Zeit repariert hat, als er noch zum Besitz berechtigt war, schadet nach der Rechtsprechung nicht, wenn er nur jetzt kein Recht zum Besitz mehr hat (BGH 34, 122; 75, 288; NJW 2002, 2875).

Im Regelfall des § 1000 ist die Herausgabeklage des Eigentümers nicht abzuweisen, sondern der Besitzer entsprechend § 274 zur Herausgabe zu verurteilen Zug um Zug gegen Erstattung der Verwendungen. Hier aber ist die Widerklage des Beklagten abzuweisen, weil der Beklagte die unstreitigen Verwendungen nicht genehmigen will. Nach § 1003 kann nun der Kläger, da die Höhe der Verwendungen unstreitig ist, ohne Fristsetzung und Klage den Kleinbus verwerten. Da er hierzu den Kfz.-Brief benötigt, ist seine Herausgabeklage aus §§ 985, 952 begründet (BGH 34, 153).

203

Fall 6: Notwendige Verwendungen des unberechtigten Fremdbesitzers

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, das mit einem Wohnhaus bebaut ist. Die Beklagte hat daran angebaut. Mit dem Rechtsvorgänger der Klägerin hatte die Beklagte vereinbart, dass sie auf ihre Kosten an das Wohnhaus anbauen solle und dafür ein unentgeltliches lebenslanges Wohnrecht bekomme, das jedoch wegen des Eigentumswechsels nicht mehr bestellt werden konnte. Die Klägerin verlangt Räumung und Herausgabe des Anbaus. Die Beklagte verweigert die Herausgabe wegen der Anbaukosten in Höhe von 94 000,– € und fordert widerklagend diesen Betrag.

 

Die Räumungs- und Herausgabeklage ist aus § 985 begründet. Die Beklagte hat gegenüber der Klägerin kein Recht zum Besitz nach § 986, denn die schuldrechtliche Vereinbarung mit dem Voreigentümer wirkt nicht gegen die Klägerin. Sie hat auch kein Zurückbehaltungsrecht nach § 1000. Zweifelhaft ist bereits, ob der Anbau noch eine Verwendung nach §§ 994, 996 oder bereits eine wesentliche Veränderung des bebauten Grundstücks ist (BGH NJW 79, 716). Eine notwendige Verwendung nach § 994 ist der Anbau nicht, allenfalls eine nützliche nach § 996. Aber auch dies kann offen bleiben. Zwar sind die §§ 994 ff. auch auf den unberechtigten Fremdbesitzer anwendbar, aber nur im Rahmen des vermeintlichen Besitzrechts. Nach der Vereinbarung mit dem Voreigentümer aber hatte die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung ihrer Anbaukosten, sondern nur einen Anspruch auf ein Wohnrecht. Diese Vereinbarung geht dem Gesetz vor, damit der unberechtigte Besitzer nicht besser fahre als der Berechtigte (BGH 34, 122; NJW 79, 716).

§ 999 II ändert daran nichts, denn er soll dem Besitzer den Anspruch auf Verwendungsersatz über den Eigentumswechsel hinüberretten, nicht aber den Besitzer gegenüber dem neuen Eigentümer besser stellen, als er gegenüber dem Voreigentümer stand (BGH NJW 79, 716).

Wegen des Wohnrechts muss die Beklagte sich nach § 280 I 1 an den Voreigentümer als ihren Vertragspartner halten.

204

Fall 7: Erlöschen des Zurückbehaltungsrechts

U repariert im Auftrag des A einen LKW, den A seiner Bank B als Sicherheit für einen Kredit übereignet hat, und gibt ihn repariert an A zurück. A bezahlt weder den Werklohn noch die Kreditraten. Später bringt A den LKW erneut zur Reparatur in die Werkstatt des U. Die Bank B verklagt den U auf Herausgabe. U verweigert die Herausgabe wegen der Kosten der ersten Reparatur.

Die Herausgabeklage der B ist aus § 985 begründet. U hat kein Recht zum Besitz nach § 986. Ein etwaiges Unternehmerpfandrecht nach § 647 oder nach §§ 1204, 185 wegen der ersten Reparatur ist durch die vorbehaltslose Herausgabe des reparierten LKW an A gemäß § 1253 I ebenso erloschen (BGH 27, 324; 51, 250; 87, 274) wie das Zurückbehaltungsrecht aus § 1000 mit § 994 I, da es den Herausgabeanspruch aus § 985 nicht überlebt. Dem neuen Herausgabeanspruch des Eigentümers darf der Besitzer keine alten Verwendungen aus einem früheren Eigentümer-Besitzer-Verhältnis entgegenhalten (BGH 51, 250; 87, 274), auch nicht nach § 273, da die beiderseitigen Ansprüche nicht demselben rechtlichen Verhältnis entstammen (BGH 87, 274).

Nach § 1002 I erlischt der Anspruch auf Verwendungsersatz außerdem nach Ablauf eines Monats ab Herausgabe der Sache, wenn nicht der Beklagte ihn vorher gerichtlich geltendmacht oder der Eigentümer die Verwendungen genehmigt (BGH 87, 274).