Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

2.3 Gegenüber dem Grundstücksbesitzer

Leichter tut sich, wer Herausgabe eines Grundstücks verlangt, als dessen Eigentümer er im Grundbuch eingetragen ist, denn sein Eigentum wird nach § 891 I gesetzlich vermutet. Dem Anspruchsgegner hilft dann nur der Nachweis, der Grundbucheintrag sei falsch (RN 992). Ist dagegen der besitzende Anspruchsgegner als Eigentümer im Grundbuch eingetragen, muss der Antragsteller die gesetzliche Eigentumsvermutung des § 891 widerlegen und beweisen, dass das Grundbuch unrichtig und er selbst der Eigentümer sei.

3. Der Besitz des Anspruchsgegners

132

Anspruchsvoraussetzung ist auch der Besitz des Anspruchsgegners[34], sei es Allein- oder Mitbesitz, Eigen- oder Fremdbesitz, unmittelbarer oder mittelbarer Besitz[35]. Obwohl der Besitz nach § 854 I kein Recht, sondern eine tatsächliche Sachherrschaft ist, muss der Anspruchsteller nur den Besitzerwerb des Anspruchsgegners nachweisen, mag dieser beweisen, dass er den Besitz nach § 856 wieder verloren habe.

Der Besitzdiener ist kein tauglicher Anspruchsgegner, denn nach § 855 besitzt er die Sache nicht. Das Gleiche gilt für den gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person[36]. Besitzer und Anspruchsgegner ist nur der Besitzherr oder die juristische Person[37].

4. Der Verlust des Eigentums nach Klageerhebung

133

Verliert der Anspruchsteller sein Eigentum an einen anderen erst nach Rechtshängigkeit der Herausgabeklage, erlischt zwar sein Herausgabeanspruch aus § 985, aber der Prozess wird nach § 265 II 1 ZPO zwischen den bisherigen Parteien fortgesetzt; das ist jedenfalls die gesetzliche Regel. Ohne Eigentum prozessiert der Kläger nunmehr in gesetzlicher Prozessstandschaft für und gegen den neuen Eigentümer (§§ 325 I, 727 ZPO).

Abgewiesen wird die Herausgabeklage nur dann, wenn der neue Eigentümer beim Erwerb einer beweglichen Sache die Rechtshängigkeit der Herausgabeklage nicht kannte und seine Unkenntnis auch nicht grob fahrlässig war (§§ 265 III, 325 II ZPO mit § 932); beim Erwerb des Eigentums an einem Grundstück schadet nach § 892 I 1 nur die positive Kenntnis der Rechtshängigkeit.

4. Kapitel Das Recht des Anspruchsgegners zum Besitz

1. Eine anspruchshindernde Einwendung

134

Nach § 986 I 1 kann der Besitzer „die Herausgabe der Sache verweigern, wenn er oder der mittelbare Besitzer, von dem er sein Recht zum Besitz ableitet, dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt ist“. Diese Formulierung bedarf der Korrektur, denn gegen seinen Wortlauf begründet § 986 I 1 nicht lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht, das der Besitzer gegenüber dem Eigentümer ausüben müsste, sondern eine anspruchshindernde Einwendung: Schon das Recht zum Besitz schließt den Herausgabeanspruch aus[38]. Das ist jedenfalls die gesetzliche Regel. Eine Ausnahme macht nur das Zurückbehaltungsrecht nach §§ 273, 320; § 369 HGB, wenn man es als Besitzrecht gelten lässt.

2. Die Beweislast des Anspruchsgegners für sein Besitzrecht

135

Die Beweislast für sein Recht zum Besitz trägt der Anspruchsgegner[39]. Aber auch er muss nach allgemeiner Regel nur beweisen, dass er ein Recht zum Besitz, etwa als Nießbraucher, Vorbehaltskäufer oder Mieter, irgendwann einmal erworben habe. Denn das einmal erworbene Recht besteht solange fort, bis es nachweislich erlischt oder verloren geht. Den Verlust des Besitzrechts aber muss der Anspruchsteller beweisen.

Streiten die Parteien aber nicht um ein Recht zum Besitz einer beweglichen Sache sondern um das Eigentum, erhebt der Anspruchsgegner, der die Sache als ihm gehörig besitzt (§ 872), keine Einwendung nach § 986 I 1, sondern macht dem Anspruchsteller das Eigentum nach § 985 streitig und hat als Eigenbesitzer die gesetzliche Eigentumsvermutung des § 1006 I 1 auf seiner Seite (RN 130).

3. Das Recht zum Besitz gegenüber dem Eigentümer

136

Das Recht zum Besitz kann ein dingliches (Pfandrecht) oder schuldrechtliches (Mietrecht), ein familienrechtliches (eheliche Lebensgemeinschaft) oder öffentlichrechtliches (Pfändung) sein. Stets muss es gegenüber dem Eigentümer bestehen. Ein Besitzrecht nur gegenüber einem Dritten nützt dem Besitzer nichts[40].

Direkt dem Eigentümer gegenüber wirken sowohl die vom Eigentum abgespaltenen beschränkten dinglichen Rechte als auch die mit dem Eigentümer vereinbarten schuldrechtlichen Besitzrechte.

Bezieht der Besitzer sein Besitzrecht von einem Dritten, ist er nur dann auch gegenüber dem Eigentümer zum Besitz berechtigt, wenn der Eigentümer dem Dritten erlaubt hat, die Sache weiterzugeben; dies aber versteht sich nicht von selbst, der Besitzer muss es im Streitfall nachweisen.

Beispiele


- Ist der Vorbehaltskäufer kraft verlängerten Eigentumsvorbehalts berechtigt, die Ware, obwohl sie ihm noch nicht gehört, im regulären Geschäftsgang weiterzuveräußern, um mit dem Erlös seine Kaufpreisschuld zu bezahlen, erwirbt der Abnehmer ein Recht zum Besitz auch gegenüber dem Eigentümer, obwohl er dem Vorbehaltskäufer keinen mittelbaren Besitz vermittelt.
- Genauso ist es, wenn der Käufer das gekaufte, aufgelassene und übergebene Grundstück vor seiner Eintragung als Eigentümer weiterverkauft und seinem Käufer übergibt. Obwohl der Zweitkäufer weder eine direkte Rechtsbeziehung zum Eigentümer hat noch dem Erstkäufer mittelbaren Besitz verschafft, darf der Eigentümer das Grundstück vom Zweitkäufer nicht herausverlangen, wenn der Erstkäufer berechtigt war, das Grundstück an seinen Abnehmer weiterzugeben. Schon die Auflassung ermächtigt zur Weitergabe, solange diese den Vertragszweck nicht vereitelt (BGH NJW 97, 936).

Hat der Eigentümer die Weitergabe der Sache nicht erlaubt, kann er vom unmittelbaren Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen, nach § 986 I 2 in der Regel aber nicht an sich selbst, sondern nur an den berechtigten Vorbesitzer, damit die rechtmäßige Besitzlage wiederhergestellt werde.

Beispiel

Der Eigentümer E vermietet seine Eigentumswohnung an den Mieter M, dieser weiter an den Untermieter U. Ist M kraft Mietvertrags zur Untervermietung berechtigt, erwirbt auch der Untermieter U ein Recht zum Besitz gegen E (BGH NJW 2015, 229), das aber nach § 546 II mit dem Hauptmietverhältnis, von dem es abgeleitet ist, steht und fällt.

War M nicht zur Untervermietung berechtigt, ist U zwar gegenüber M, aber nicht gegenüber E zum Besitz berechtigt und muss die Wohnung auf Verlangen des E nach § 985 herausgeben, nach § 986 I 2 aber nur an M, der nach wie vor gegenüber E zum Besitz berechtigt ist. Herausgabe an sich selbst darf E nur verlangen, wenn M den Besitz nicht mehr übernehmen kann oder will.

137

§ 986 I 2 stellt zwar auf den mittelbaren Besitz ab, wie er durch ein Miet- oder Pachtverhältnis vermittelt wird, gilt aber auch dann, wenn der berechtigte Besitzer die Sache unbefugt einem Dritten überlässt, ohne ein Besitzmittlungsverhältnis nach § 868 zu begründen[41].

4. Beispiele für die Vielfalt der Besitzrechte

138


- In der vordersten Reihe stehen die beschränkten dinglichen Rechte, die ihrem Inhalt nach auch zum Besitz der fremden Sache berechtigen, als da sind: Nießbrauch (§ 1036 I), Wohnungsrecht (§ 1093 I)) und Mobiliarpfandrecht (BGH NJW 99, 3716: gesetzl. Pfandrecht des Lagerhalters), Erbbaurecht (§ 1 ErbbauRG) und Dauerwohnrecht (§ 31 WEG), ebenso das dingliche Besitzrecht nach entschuldigtem Grenzüberbau gemäß § 912 (BGH 27, 204; NJW 2003, 3621).

139


- Es folgen alle diejenigen Schuldverhältnisse zwischen Eigentümer und Besitzer, die den Besitzer zum Besitz berechtigen, wie Kauf (zwischen Übergabe und Übereignung), Miete (BGH NJW 2003, 1317), Leasing, Leihe und Pacht, Werkvertrag (Reparatur, Transport) und Verwahrung, Auftrag, Geschäftsbesorgung und berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag. Das vertragliche Besitzrecht erlischt mit dem Vertragsschuldverhältnis (BGH NJW 2006, 3488: Rücktritt vom Vertrag).

140


- So ist der Vorbehaltskäufer nach Lieferung unter Eigentumsvorbehalt zum Besitz der Ware berechtigt, fraglich ist nur, ob dies noch ein schuldrechtliches oder schon ein dingliches Besitzrecht sei. Da die Lieferung unter Eigentumsvorbehalt nach §§ 929, 158 I aufschiebend bedingtes Eigentum überträgt und ein dingliches Anwartschaftsrecht begründet, weil der Verkäufer den Eigentumsübergang einseitig nicht mehr verhindern kann, spricht viel für ein dingliches Besitzrecht (OLG Karlsruhe JZ 66, 272; a.A. BGH 10, 69; offen gelassen von BGH 54, 214). Dieser Streit ist freilich ein akademischer. Wichtiger ist die Frage, wann das Besitzrecht des Vorbehaltskäufers, der den Kaufpreis nicht bezahlt, endet. Da es sich auf den kaufrechtlichen Übergabe- und Übereignungsanspruch aus § 433 I stützt, endet es erst, wenn dieser Anspruch erlischt, also nicht schon mit dem Zahlungsverzug des Käufers, sondern nach § 449 II erst mit dem Rücktritt des Verkäufers vom Kaufvertrag. Gibt der Kaufvertrag dem Vorbehaltsverkäufer das Recht, die Kaufsache unter bestimmten Voraussetzungen, etwa bei Zahlungsverzug des Käufers, einseitig zurückzunehmen, erlischt das Besitzrecht des Käufers schon mit Eintritt der vereinbarten Rücknahmevoraussetzungen (BGH 96, 182). Verweigert der Vorbehaltskäufer die Kaufpreiszahlung zu Recht wegen Verjährung, darf er die Ware nicht etwa unentgeltlich behalten, sondern muss sie nach § 985 mit §§ 216 II 2, 449 II an den Verkäufer und Eigentümer herausgeben, wenn dieser vom Kaufvertrag zurücktritt.

141

 


- Dagegen wird das Besitzrecht des Grundstückskäufers trotz Verjährung des Übereignungsanspruchs unangreifbar, denn mit der Übergabe des Grundstücks hat der Verkäufer den Kaufvertrag teilweise erfüllt und diese Teilerfüllung lässt sich nicht mehr rückgängig machen, sondern verwandelt den Anspruch auf Übergabe aus § 433 I in ein unverjährbares Recht zum Besitz, mag der Übereignungsanspruch auch an der Verjährung scheitern (BGH 90, 269; RG 138, 296).
- Kein Recht zum Besitz erwirbt der Käufer einer Eigentumswohnung aus einem formnichtigen Kaufvertrag, es sei denn nach § 242 (BGH NJW 2002, 1050).

142


- Errichtet der Mieter mit Erlaubnis des Vermieters auf dem Mietgrundstück ein Gebäude, das entgegen §§ 93, 94 nicht wesentlicher Bestandteil des Grundstücks wird, sondern als Scheinbestandteil nach § 95 ins Eigentum des Mieters fällt, und gibt der Mieter nach Mietende das bebaute Grundstück zurück, verwandelt sich sein Wegnahmerecht aus § 539 II in einen dinglichen Anspruch gegen den Vermieter auf Duldung der Wegnahme. Solange der Mieter diesen Anspruch nicht geltendmacht, sind der Vermieter und sein neuer Mieter zum Besitz auch des Gebäudes berechtigt, und dieses Besitzrecht wird unangreifbar, wenn der Mieter seinen Duldungsanspruch nach § 548 II verjähren lässt (BGH 81, 146). Das Recht zum Besitz aber schließt folgerichtig ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis nach §§ 987 ff. aus, sodass der Mieter vom Vermieter auch keinen Nutzungsersatz nach §§ 987, 990 verlangen darf (BGH 81, 146).
- Das Besitzrecht des Grundstücksmieters erlischt durch Anordnung der Zwangsverwaltung nach § 148 ZVG (BGH NJW 2013, 1881).
- Kein vertragliches Recht zum Mitbesitz und zur Mitnutzung der gemeinsamen Wohnung im Hause des anderen hat im Zweifel der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, denn sein Besitzrecht gründet nur auf der tatsächlichen Gestattung des Eigentümers und erlischt, wenn der Eigentümer die Gestattung widerruft und die Herausgabe des Mitbesitzes verlangt (BGH NJW 2008, 2333: Leihe nur unter besonderen Umständen).

143


- Aus der ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353) erwächst dem Ehegatten, der mit im Haus des anderen wohnt oder dessen Hausrat mitbenutzt, wie selbstverständlich ein Recht zum unmittelbaren (Mit-)Besitz, das erst mit Rechtskraft der Scheidung erlischt, wenn nicht das Familiengericht die Benutzung von Ehewohnung oder Hausrat für die Zeit vor oder nach der Scheidung anders regelt (BGH 71, 217). Dies gilt auch gegenüber dem Vermieter der Ehewohnung, denn der Ehegatte, der nicht gemietet hat, ist kein Dritter nach §§ 540, 553, sondern hat für die Dauer der Ehe ein Recht zum Mitbesitz der Ehewohnung (BGH NJW 2013, 2507; 2017, 260).
- Nach §§ 2038 II 1, 743 II ist der Mieterbe zum Besitz des ganzen Nachlassgrundstücks berechtigt, solange er das Recht der anderen Miterben auf Mitgebrauch nicht beeinträchtigt (BGH NJW 87, 3001).

144


- Die Rechtsprechung anerkennt auch die Einrede des ausgeübten Zurückbehaltungsrechts aus §§ 273, 320; § 369 HGB als ein Recht zum Besitz nach § 986 I, denn wer die Herausgabe einer Sache solange verweigern dürfe, bis der andere seine Leistung erbringe, dürfe die fremde Sache nun einmal vorübergehend besitzen (BGH 64, 122; NJW 55, 340; 95, 2628; 98, 2045; 99, 3487; 2004, 3484: aber unzulässige Rechtsausübung, wenn das Zurückbehaltungsrecht erst nach der unberechtigten Verweigerung der Herausgabe entstanden ist). Dieses Argument ist nicht zu schlagen. Freilich wird die Herausgabeklage wegen dieser Einrede nicht abgewiesen, der Besitzer vielmehr nach § 274 dazu verurteilt, die Sache herauszugeben Zug um Zug gegen die genau bestimmte Leistung des Eigentümers (BGH 64, 122). Das Zurückhaltungsrecht aus § 1000 bedarf der Krücke des § 986 I allerdings nicht; sie wäre auch systemwidrig, denn § 1000 handelt vom Verwendungsersatzanspruch des unberechtigten Besitzers, der gerade kein Recht zum Besitz aus § 986 hat und die Herausgabe nur wegen seiner Verwendungen verweigern darf. Die Rechtsfolge dieser Verweigerung entnimmt man dem § 274, der zumindest entsprechend anwendbar ist (RN 202).

5. Sonstige Einwendungen und Einreden des Besitzers

5.1 Die Einwendung aus dem Besitzmittlungsverhältnis

145

Nach § 986 II darf der unmittelbare Besitzer einer Sache, die der jetzige vom früheren Eigentümer nach § 931 durch Abtretung des Herausgabeanspruchs aus einem Besitzmittlungsverhältnis erworben hat, auch dem jetzigen Eigentümer alle Einwendungen entgegenhalten, die er schon vor der Abtretung gegen den abgetretenen Herausgabeanspruch hatte. Dadurch werden die §§ 404 ff. auf den dinglichen Herausgabeanspruch anwendbar[42].

Beispiel

Der Bauunternehmer übereignet seinen Baukran, den er vermietet hat, nach § 931 durch Einigung und Abtretung seines mietrechtlichen Herausgabeanspruchs aus § 546 I sicherungshalber an seine Bank. Solange das Mietverhältnis besteht, hat der Mieter nach § 986 II mit § 404 ein Recht zum Besitz auch gegenüber der Bank.

Obwohl § 986 II sich auf die Übereignung nach § 931 beschränkt, gilt er entsprechend auch für die Übereignung nach § 930 durch Einigung und Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses nach § 868, wenn der Veräußerer bereits mittelbarer Besitzer war[43].

5.2 Der Besitzverlust des Anspruchsgegners

146

Da sich der Herausgabeanspruch aus § 985 gegen den jeweiligen Besitzer richtet, erlischt er, wenn der Anspruchsgegner seinen Besitz verliert. Entweder verklagt der Eigentümer den neuen Besitzer auf Herausgabe aus § 985 oder den bisherigen Besitzer, der für den Besitzverlust einzustehen hat, auf Schadensersatz aus §§ 989, 990. Dies gilt jedenfalls für den Besitzverlust vor Erhebung der Herausgabeklage.

Ist die Herausgabeklage hingegen erst einmal erhoben, bleibt der verklagte Besitzer nach § 265 II 1 ZPO auch dann der richtige Beklagte, wenn er den Besitz nachträglich verliert. Das rechtskräftige Urteil wirkt nach § 325 I ZPO auch für und wider den Rechtsnachfolger nach Rechtshängigkeit, und als Rechtsnachfolge gilt auch die Nachfolge in den Eigenbesitz (§ 872)[44]. Der gute Glaube wird nach § 325 II ZPO aber auch hier geschützt. Wer also beim Erwerb der streitbefangenen Sache gemäß § 892 oder § 932 sowohl in Bezug auf das Recht des Veräußerers als auch in Bezug auf die Rechtshängigkeit der Herausgabeklage im guten Glauben ist, und das ist die gesetzliche Regel, hat von dem Prozess nichts zu befürchten[45].

Der klagende Eigentümer wird stattdessen zur Schadensersatzklage nach § 989 übergehen, was prozessual nach § 264 Nr. 3 ZPO ohne weiteres zulässig ist.

5.3 Die Verjährung des Herausgabeanspruchs

Nach § 197 I Nr. 2 verjährt der dingliche Herausgabeanspruch des Eigentümers aus § 985 erst in 30 Jahren.

Unverjährbar ist nach § 902 jedoch der Herausgabeanspruch des im Grundbuch eingetragenen Grundstückseigentümers[46].

5.4 Die Verwirkung des Herausgabeanspruchs

Der Eigentümer kann seinen Herausgabeanspruch trotz der langen Verjährungsfrist verwirken, wenn er ihn nach § 242 wider Treu und Glauben lange Zeit nicht geltendmacht und beim Besitzer den Eindruck erweckt, er wolle ihn nicht mehr geltendmachen[47]. Das ist jedoch eine außergewöhnliche Ausnahme für Grenzfälle[48]. Die Beweislast trägt der Besitzer als Anspruchsgegner[49].

4. Teil Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis
1. Kapitel Die Vindikationslage

1. Eigentum contra unrechtmäßigen Besitz

147

Als Eigentümer-Besitzer-Verhältnis bezeichnet man das dingliche Rechtsverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem unberechtigten Besitzer[1]. Es entsteht durch die Vindikationslage: Der Herausgabeanspruch des Eigentümers aus § 985 ist begründet, wenn der Besitzer kein Recht zum Besitz nach § 986 hat. Die §§ 987-1003 wickeln das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis ab und begründen Ansprüche auf Nutzungs-, Schadens- und Verwendungsersatz[2].

Beispiel

Nach rechtskräftiger Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses in der Zwangsversteigerung verliert der Ersteher rückwirkend Eigentum und Besitzrecht am ersteigerten Grundstück. Durch erneuten rechtskräftigen Zuschlag erwirbt ein anderer Ersteher das Eigentum, und zwischen den beiden Erstehern entsteht ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (BGH NJW 2010, 2664).

Das Gesetz selbst lässt keinen Zweifel daran, dass die §§ 987-1003 nur den unberechtigten Besitzer im Visier haben. Das stärkste Argument ist der gute oder böse Glaube des Besitzers, auf den die §§ 990-996 allenthalben abstellen. Anders als in den §§ 932, 936, 892, 893 bezieht sich der gute oder böse Glaube hier nicht auf das dingliche Recht des Vertragspartners, sondern auf das eigene Besitzrecht. Gut- oder bösgläubig in Bezug auf sein eigenes Besitzrecht aber kann nur der unberechtigte Besitzer sein. Für den berechtigten Besitzer hingegen spielt es rechtlich keine Rolle, ob er sich für berechtigt hält, denn er ist es.