Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen

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5. Volleigentum und Anwartschaftsrecht

5.1 Dicht vor dem Ziel

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Durch Rechtsgeschäft erwirbt man Eigentum erst, wenn alle Voraussetzungen des mehraktigen Erwerbstatbestands vollständig erfüllt sind. Der Erwerb des Eigentums an einem Grundstück erfordert nach §§ 873, 925 Auflassung und Eintragung, das Eigentum an einer beweglichen Sache wird nach §§ 929-931 durch Einigung und Übergabe oder einen Übergabeersatz erworben.

Nun gibt es Situationen, in denen der dingliche Eigentumserwerb schon so weit gediehen ist, dass der Veräußerer ihn einseitig nicht mehr verhindern kann. Der Erwerber ist zwar noch nicht Eigentümer, steht aber dicht vor dem Ziel, und der Veräußerer kann daran nichts mehr ändern. Diese gesicherte Erwerbsaussicht nennt man Anwartschaftsrecht. Das Gesetz weiß davon nichts, es handelt sich um Richterrecht.

5.2 Das Anwartschaftsrecht des Auflassungsempfängers

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Ein Anwartschaftsrecht auf Eigentum erwirbt unter bestimmten Voraussetzungen der Auflassungsempfänger. Die Auflassung allein, obwohl nach §§ 925 I, 873 II in aller Regel bindend, sichert den Eigentumserwerb noch nicht, denn sie hindert den Veräußerer nicht daran, noch einmal über das Grundstück zu verfügen und es einem anderen zu übereignen. Dies ändert sich erst, wenn der Erwerber selbst seine Eintragung im Grundbuch beantragt hat oder für ihn eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen ist, denn jetzt kann der Veräußerer den Eigentumswechsel einseitig nicht mehr verhindern (RN 283 ff.).

5.3 Das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers

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Ein Anwartschaftsrecht auf Eigentum begründet stets die Lieferung einer Ware unter Eigentumsvorbehalt. Es ist dies eine Übereignung nach § 929 S. 1, die nach § 158 I unter der aufschiebenden Bedingung steht, dass der Käufer den Kaufpreis vollständig bezahle. Da der Eigentumserwerb nur noch von der Kaufpreiszahlung abhängt, kann der Verkäufer ihn einseitig nicht mehr verhindern (RN 1226 ff.).

Abbildung 10: Anwartschaftsrecht auf Eigentum


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5.4 Der gemeinsame Nenner

So unterschiedlich die rechtliche Konstruktion der beiden Anwartschaftsrechte auch ist, haben sie doch einen gemeinsamen Nenner: Der dingliche Erwerb ist schon so weit gediehen, dass der Veräußerer ihn allein nicht mehr verhindern kann.

6. Das Treuhandeigentum

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Treuhandeigentum entsteht dadurch, dass der Treugeber dem Treuhänder eine Sache übereignet, damit der Treuhänder mit ihr einen bestimmten Zweck verfolge[52].

Während die Verwaltungstreuhand Interessen des Treugebers verfolgt[53], soll die Sicherungstreuhand in Gestalt der Sicherungsübereignung das Sicherheitsinteresse des Treuhänders befriedigen[54].

Die Treuhand ist indes keine sachenrechtliche, sondern eine schuldrechtliche Errungenschaft. Dinglich erwirbt der Treuhänder wie jeder andere Erwerber unbeschränktes Eigentum mit voller Verfügungsmacht, die sich nach § 137 S. 1 durch Rechtsgeschäft dinglich nicht beschränken lässt[55]. Schuldrechtlich hingegen darf er nur in bestimmter Weise oder gar nicht über das Treugut verfügen, denn es ist ihm nicht endgültig zur freien Verfügung übertragen, sondern nur auf Zeit und zu treuen Händen anvertraut.

Die Treuhand ist Vollrechtsübertragung mit schuldrechtlicher Beschränkung[56]. Der Treuhänder darf schuldrechtlich weniger, als er dinglich kann[57]. Dinglich ist auch die vertragswidrige Verfügung wirksam, denn der Treuhänder verfügt als Berechtigter[58], schuldrechtlich hingegen verletzt sie den Treuhandvertrag und verpflichtet nach § 280 I 1 zum Schadensersatz.

Dies alles gilt auch für die Sicherungsübereignung (RN 1264 f.).

3. Teil Der Herausgabeanspruch des Eigentümers
1. Kapitel Das gesetzliche System
1. Eigentum contra Besitz

1.1 Die Selbsthilfe als ultima ratio

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Wer von beiden hat Recht, wenn der Eigentümer mit dem Besitzer um den Besitz an einer Sache streitet? Die §§ 985, 986 beantworten die Frage klar und einleuchtend: Es gewinnt der Eigentümer, wenn der Besitzer kein Recht zum Besitz hat, und es gewinnt der Besitzer, wenn er dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt ist.

Keinesfalls darf der Eigentümer die Sache dem Besitzer kurzer Hand wegnehmen, auch dann nicht, wenn der Besitzer kein Recht zum Besitz hat, denn dies wäre verbotene Eigenmacht nach § 858. Selbsthilfe ist auch hier nur als letztes Mittel unter den strengen Voraussetzungen der §§ 229, 859 erlaubt. Stattdessen muss der Eigentümer im Streitfall sein Glück im Prozess suchen, den Besitzer nach § 985 auf Herausgabe verklagen und das Herausgabeurteil nach §§ 883 ff. ZPO vollstrecken.

1.2 Die Beweislast für und gegen den Herausgabeanspruch

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Auch im Herausgabestreit hängt der Prozesserfolg wesentlich von der Beweislast ab: Wer muss was beweisen? Anspruchsgrundlage ist § 985. Sie hat zwei Voraussetzungen: Eigentum des Anspruchstellers und Besitz des Anspruchsgegners; beides muss der Anspruchsteller beweisen. Ob der Besitzer ein Recht zum Besitz habe, ist sein Problem, denn das Recht zum Besitz begründet nach § 986 eine anspruchshindernde Einwendung, die der Besitzer als Anspruchsgegner beweisen muss.

§ 985 ist als Anspruchsgrundlage die gesetzliche Regel, § 986 als anspruchshindernde Gegennorm die gesetzliche Ausnahme.

So gesehen hat der Eigentümer rechtlich eine starke Position. Das Eigentum ist das absolute dingliche Recht schlechthin, die umfassende rechtliche Herrschaft über eine Sache. Nach § 903 S. 1 kann der Eigentümer mit seiner Sache machen, was er will, und andere von jeder Einwirkung auf die Sache ausschließen. Dies gilt zwar nur, „soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen“. Aber schon die negative Formulierung verrät, dass dies Ausnahmen sind von der gesetzlichen Regel.

Nun kann der Eigentümer zwar Teilbefugnisse von seinem Eigentum abspalten und dinglich oder schuldrechtlich einem anderen überlassen. Auf diese Art und Weise entstehen Gebrauchs-, Nutzungs- und Verwertungsrechte, die das Eigentum beschränken und ihm vorgehen. Aber wer dergleichen geltendmacht, muss den Erwerb beweisen.

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Wenn aber zwei Personen über das Eigentum an einer beweglichen Sache streiten, sitzt der unmittelbare Besitzer rechtlich am längeren Hebel, denn er hat die gesetzliche Vermutung des § 1006 I 1 für sich, dass er mit dem Eigenbesitz nach § 872, der auch vermutet wird, zugleich Eigentum erworben habe. Sein Gegner, der aus § 985 klagt, muss diese Vermutungen widerlegen und das Gegenteil beweisen. Dieser Beweis kann ihm schwer zu schaffen machen (RN 1174 ff.). Die Eigentumsvermutung des § 1006 I 1 hilft dem unmittelbaren Besitzer freilich nicht, wenn er schon nach dem unstreitigen Sachverhalt nur Fremdbesitzer ist oder aus einem anderen Grund kein Eigentum erworben haben kann[1].

2. Die Konkurrenz mit anderen Herausgabeansprüchen

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Wer von einem anderen die Herausgabe einer Sache verlangt, ist nicht auf § 985 angewiesen, sondern hat vielleicht noch eine andere Anspruchsgrundlage:


- § 861 nach verbotener Eigenmacht;
- § 1007 aus besserem Besitz;
- § 546 nach Ablauf der Mietzeit;
- § 667 aus Auftrag oder Geschäftsbesorgung;
- §§ 681 S. 2, 667 aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag;
- § 812 I 1 aus ungerechtfertigter Bereicherung;
- § 823 I aus unerlaubter Handlung;
-

Weder schließt § 985 die anderen Ansprüche aus noch schließen die anderen Ansprüche den § 985 aus, vielmehr stehen alle diese Ansprüche selbstständig nebeneinander[3]. Die Herausgabeklage stützt man auf diejenige Anspruchsgrundlage, deren tatsächliche Voraussetzungen unstreitig oder leicht zu beweisen sind.

 

Unzulässig ist die Klage auf Herausgabe einer gepfändeten Sache, denn dagegen hilft nur die Widerspruchsklage nach § 771 ZPO[4].

3. Berechtigter und unberechtigter Besitzer

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Im Streit zwischen Eigentümer und Besitzer stellt oft § 986 die Weichen: Entweder hat der Besitzer ein Recht zum Besitz oder er hat es nicht. Freilich zählt nur ein Recht zum Besitz gegenüber dem Eigentümer. Von einem Besitzer, der ihm gegenüber zum Besitz berechtigt ist, kann der Eigentümer die Sache nicht nach § 985 herausverlangen, denn das Besitzrecht nach § 986 beschränkt das Eigentum und besiegt es.

Die Rechtsbeziehung zwischen Eigentümer und berechtigtem Besitzer ist denn auch kein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis nach §§ 987 ff., sondern gründet auf Vertrag (Miete) oder Gesetz (eheliche Lebensgemeinschaft). Eigentumsverletzungen haben in dieser Rechtsbeziehung die Qualität von Vertragsverletzungen und/oder unerlaubten Handlungen.

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Wenn aber der Besitzer mangels eines Rechts zum Besitz die Sache nach § 985 an den Eigentümer herausgeben soll, ist rechtlich auch der bisherige unrechtmäßige Besitz abzuwickeln. Das Gesetz muss dazu drei Fragen beantworten: Wem stehen die Nutzungen zu, die der Besitzer aus der fremden Sache gezogen hat? Was ist mit den Verwendungen, die der Besitzer auf die fremde Sache gemacht hat? Und welche Rechtsfolgen hat es, wenn der Besitzer die Sache nur noch beschädigt oder überhaupt nicht herausgeben kann? Antwort geben die §§ 987-1003. Sie regeln das berühmt-berüchtigte Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (RN 147 ff.). Seine Voraussetzung ist die Vindikationslage zwischen Eigentümer und unberechtigtem Besitzer, der dem Herausgabeanspruch aus § 985 kein Recht zum Besitz entgegensetzen kann.

Antwort geben die §§ 987-1003. Sie regeln das berühmt-berüchtigte Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (RN 147 ff.). Seine Voraussetzung ist die Vindikationslage zwischen Eigentümer und unberechtigtem Besitzer, der dem Herausgabeanspruch aus § 985 kein Recht zum Besitz entgegensetzen kann.

2. Kapitel Die Rechtsfolge des Herausgabeanspruchs

1. Die Herausgabe durch den unmittelbaren Besitzer

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Rechtsfolge des § 985 ist ein dinglicher Herausgabeanspruch des Eigentümers gegen den Besitzer.

Anspruchsgegner ist im Normalfall der unmittelbare Besitzer, nie der Besitzdiener, denn Besitzer ist nach § 855 allein der weisungsbefugte Besitzherr (RN 45), und seine Verurteilung zur Herausgabe ist auch gegen den Besitzdiener vollstreckbar[5].

Der Eigentümer klagt auf Herausgabe einer bestimmten Sache. Das Herausgabeurteil ist nach § 883 I ZPO vollstreckbar: Der Gerichtsvollzieher nimmt die Sache, so er sie findet, dem Besitzer weg und übergibt sie dem Eigentümer. Gepfändet wird hier nicht, es sei denn nach § 886 ZPO. Dies gilt auch für die Herausgabe von Geld, solange es noch bar vorhanden ist und der Herausgabeanspruch sich noch nicht in einen Ersatzanspruch verwandelt hat.

Ist eine unbewegliche Sache herauszugeben, klagt der Eigentümer auf Räumung und Herausgabe. Dieser Titel wird nach § 885 ZPO vollstreckt: Der Gerichtsvollzieher setzt den Besitzer aus dem Besitz, entfernt dessen bewegliche Habe vom Grundstück und weist den Eigentümer in den Besitz ein.

Nach § 986 I 2, wenn also der mittelbare Besitzer gegenüber dem Eigentümer zwar zum Besitz, nicht aber zur Weitergabe des Besitzes berechtigt war, verklagt der Eigentümer den unmittelbaren Besitzer auf Herausgabe der Sache an den mittelbaren Besitzer statt an sich selbst, es sei denn, der mittelbare Besitzer könne oder wolle den unmittelbaren Besitz nicht wieder übernehmen. Auf diese Weise soll der frühere rechtmäßige Besitzstand wieder hergestellt werden.

Der Miteigentümer darf nach § 1011 zwar alleine auf Herausgabe klagen, aber nur auf Herausgabe an alle Miteigentümer, es sei denn, die anderen Miteigentümer können oder wollen den Mitbesitz nicht mehr übernehmen (RN 109).

2. Die Herausgabe durch den mittelbaren Besitzer

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Nach § 985 kann der Eigentümer seine Sache auch vom mittelbaren Besitzer herausverlangen[6]. Was aber soll der mittelbare Besitzer herausgeben: die Sache selbst, also den unmittelbaren Besitz, den er selbst nicht hat, oder nur den mittelbaren Besitz? Der BGH entscheidet sich „grundsätzlich“ für die Herausgabe der Sache selbst[7]. Das ist solange unproblematisch, als der mittelbare Besitzer zur Herausgabe der Sache im Stande ist. Außerdem kann der Eigentümer sich in der Vollstreckung nach § 886 mit § 835 ZPO den Herausgabeanspruch des mittelbaren gegen dem unmittelbaren Besitzer überweisen lassen und diesen Anspruch dann direkt gegen den unmittelbaren Besitzer verfolgen[8]. Schließlich darf er zum Schadensersatz übergehen, wenn der mittelbare Besitzer die Sache nicht herausgeben kann und dafür nach §§ 989-992 einstehen muss[9].

Wenn hingegen der mittelbare Besitzer zur Herausgabe der Sache außer Stande ist und dafür auch nicht ersatzpflichtig gemacht werden kann, klagt der Eigentümer auf Übertragung des mittelbaren Besitzes durch Abtretung des Herausgabeanspruchs aus dem Besitzmittlungsverhältnis gegen den unmittelbaren Besitzer. Die Abtretung nach § 870 ist eine Willenserklärung, die nach § 894 ZPO mit Rechtskraft der Verurteilung als abgegeben gilt[10].

Beispiel

H verpachtet sein Hotel mit Kegelbahn an P1. Dieser bezieht von E unter Eigentumsvorbehalt eine komplette Kegelbahneinrichtung. H beendet den Pachtvertrag mit P1 vorzeitig und verpachtet das Hotel samt Kegelbahn an P2. Da P1 den Kaufpreis für die Kegelbahneinrichtung nicht bezahlt, verklagt E den H auf Herausgabe der Kegelbahneinrichtung, hilfsweise auf Abtretung des Herausgabeanspruchs, den H gegen P2 habe.

Obwohl H nur mittelbarer Besitzer der Kegelbahneinrichtung ist, darf E ihn „grundsätzlich“ nach § 985 auf Herausgabe verklagen (BGH 53, 29). Mit dem Hilfsantrag auf Übertragung des mittelbaren Besitzes nach § 870 durch Abtretung des Herausgabeanspruchs, den H aus dem Pachtvertrag gegen P2 hat, muss E sich nur dann zufrieden geben, wenn H den unmittelbaren Besitz an der Kegelbahneinrichtung nicht herausgeben kann und für dieses Unvermögen nicht nach § 990 einstehen muss. Dies hängt davon ab, ob H seinen mittelbaren Besitz an der Kegelbahneinrichtung gut- oder bösgläubig besessen hat (BGH 53, 34).

3. Der Erfüllungsort für die Herausgabe

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Wo der Besitzer die Sache an den Eigentümer herausgeben soll, sagt § 985 nicht. Man wendet deshalb die schuldrechtliche Vorschrift des § 269 über den Erfüllungsort entsprechend an[11]. Maßgebend sind die besonderen Umstände des Falles, vor allem der gute oder böse Glaube des Besitzers (dazu RN 162).

Der gutgläubige Besitzer gibt die Sache dort heraus, wo sie gerade liegt; also muss der Eigentümer sie dort holen[12]. Der Besitzer muss sie freilich auf seine Kosten zur Abholung bereithalten[13].

Der bösgläubige Besitzer soll die Sache dort herausgeben, wo sie sich befand, als er bösgläubig wurde[14]. Der Deliktsbesitzer des § 992 hat die Sache nach § 249 I an ihren früheren Standort zurückzubringen[15].

Holt der Eigentümer die Sache an einem anderen Ort als dem Erfüllungsort ab, darf er dem Besitzer die Kosten nach §§ 684, 812 in Rechnung stellen[16].

4. Die Abtretung des Herausgabeanspruchs und die Einziehungsermächtigung

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Viel spricht dafür, dass der Herausgabeanspruch aus § 985 ein untrennbarer Bestandteil des Eigentums sei und nicht ohne das Eigentum selbstständig abgetreten werden könne, denn ein Eigentum ohne den Schutz des § 985 wäre nur noch eine leere Hülse[17].

Stattdessen kann der Eigentümer einen anderen analog § 185 dazu ermächtigen, im eigenen Namen vom Besitzer Herausgabe der Sache an sich selbst oder an den Eigentümer zu verlangen[18]. Eine unwirksame Abtretung lässt sich nach § 140 leicht in eine wirksame Einziehungsermächtigung umdeuten[19]. Prozessual braucht der Einziehungsberechtigte aber zusätzlich ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Klage[20].

5. Der Herausgabeanspruch und das allgemeine Schuldrecht

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Die schuldrechtlichen Vorschriften über den Schuldner- und den Gläubigerverzug gelten entsprechend auch für den dinglichen Herausgabeanspruch[21]. Entsprechend anwendbar ist auch § 269, der den Leistungsort bestimmt (RN 125).

Dagegen lässt sich § 285 über die Herausgabe einer Ersatzleistung anstelle der herauszugebenden Sache nicht auf den dinglichen Herausgabeanspruch übertragen, denn es fehlt eine schuldrechtliche Leistungspflicht[22].

Auch die Ausnahmevorschrift des § 817 S. 2 ist über das Bereicherungsrecht hinaus nicht anwendbar[23].

3. Kapitel Die Voraussetzungen des Herausgabeanspruchs

1. Die Beweislast für und gegen den Herausgabeanspruch

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Der Herausgabeanspruch des § 985 hat zwei Voraussetzungen: das Eigentum des Anspruchstellers und den Besitz des Anspruchsgegners. Beides muss der Anspruchsteller beweisen[24].

Falsch ist es, den Anspruch auch noch vom fehlenden Besitzrecht des Anspruchsgegners abhängig zu machen, denn das Fehlen eines Besitzrechts ist nicht etwa eine negative Anspruchsvoraussetzung, vielmehr begründet das Recht zum Besitz nach § 986 eine anspruchshindernde Einwendung, die der Anspruchsgegner beweisen muss (RN 134 f.).

Abbildung 11: Die Beweislast für und gegen den Herausgabeanspruch aus § 985


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2. Das Eigentum des Anspruchsstellers

2.1 Gegenüber dem Fremdbesitzer einer beweglichen Sache

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Wie aber beweist der Anspruchsteller, dass er Eigentümer sei? Da sich die gegenwärtige Existenz eines subjektiven Rechts nicht beweisen lässt, muss der Anspruchsteller nur Tatsachen dafür beweisen, dass er irgendwann Eigentum an der Sache erworben habe[25]. Gelingt ihm dieser Beweis, muss der Anspruchsgegner beweisen, dass der Anspruchsteller aus besonderem Grund (§§ 105, 134, 138, 142, 935) kein Eigentum erworben oder es wieder verloren habe, denn das einmal entstandene oder erworbene Recht besteht solange fort, bis es erlischt[26]. Dies gilt freilich nur gegenüber einem Fremdbesitzer, der als Mieter, Pächter oder Vorbehaltskäufer fremdes Eigentum über sich anerkennt.

2.2 Gegenüber dem Eigenbesitzer einer beweglichen Sache

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Streiten die Parteien hingegen nicht nur um den Besitz, sondern auch um das Eigentum an einer beweglichen Sache, hat der Anspruchsgegner als Eigenbesitzer nach § 872 im Prozess die besseren Karten, denn die gesetzliche Eigentumsvermutung des § 1006 I 1 wälzt die Beweislast für das Eigentum voll auf den Anspruchsteller ab. Jetzt wird nämlich vermutet, dass der Anspruchsgegner mit dem Eigenbesitz zugleich Eigentum erworben habe[27]. Da im Streitfall auch der Erwerb von Eigenbesitz vermutet wird[28], muss der Anspruchsteller die beiden Vermutungen widerlegen und nachweisen:


- Entweder habe der Anspruchsgegner nur Fremdbesitz erworben,
- oder trotz Eigenbesitzerwerbs kein – unbedingtes – Eigentum erworben,
-
-

Die Beweislast des § 1006 I 1 drückt den Anspruchsteller ganz gewaltig, denn der unmittelbare Besitzer hat nun einmal, für jeden sichtbar, die größere Nähe zum Eigentum (RN 1174 ff.).

131

Zwar hat der Anspruchsteller, wenn er die Sache früher einmal besessen hat, die gesetzliche Vermutung des § 1006 II für sich, dass er mit dem Besitzerwerb zugleich Eigentum erworben habe. Auch wird der Fortbestand des einmal erworbenen Eigentums schon nach allgemeiner Beweislastregel solange vermutet, bis es nachweislich verloren geht[31]. Aber die gesetzliche Vermutung des § 1006 II wirkt nur gegenüber einem Fremdbesitzer, der fremdes Eigentum über sich anerkennt, nicht gegenüber einem Eigenbesitzer, der die stärkere, weil aktuellere gesetzliche Vermutung des § 1006 I 1 auf seiner Seite hat[32].

Einem Fremdbesitzer helfen die gesetzlichen Vermutungen des § 1006 selbstverständlich nicht. Macht der Anspruchsgegner geltend, er habe das Eigentum erst nach dem Besitz und somit als Fremdbesitzer erworben, muss er den Erwerb des Eigentums beweisen, denn die Verwandlung von Fremdin Eigenbesitz wird nicht vermutet[33].