Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen

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4. Enteignung, enteignender und enteignungsgleicher Eingriff

4.1 Enteignung durch Gesetz oder Verwaltungsakt

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Art. 14 III GG erlaubt die Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit und nur durch ein Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt.

Die Enteignung unmittelbar kraft Gesetzes ist eine unliebsame Ausnahme, weil sie den Rechtsschutz verkürzt; sie ist deshalb nur in engen Grenzen zulässig[18]. Normalerweise wird die Enteignung auf Grund eines Gesetzes von der Verwaltung angeordnet. Dagegen kann sich der Eigentümer nach Art. 19 IV GG vor Gericht wehren, gegen eine Legalenteignung nicht[19]. Der Verwaltungsakt, der die Enteignung anordnet, ist nach § 42 VwGO mit der Klage zum Verwaltungsgericht anfechtbar[20]. Über die streitige Höhe der Enteignungsentschädigung entscheidet nach Art. 14 III 4 GG dagegen das Zivilgericht. Handelt es sich um eine Enteignung nach dem BauGB, ist nach § 217 BauGB das Landgericht – Kammer für Baulandsachen – auch für die Anfechtung der Enteignung zuständig.

4.2 Materielle Voraussetzung der Enteignung

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Die Enteignung muss dem Wohl der Allgemeinheit nicht nur dienen, sondern zum Wohl der Allgemeinheit für ein bestimmtes öffentliches Vorhaben unumgänglich sein[21]. Das ist sie nicht, wenn andere Wege, die den Eigentümer weniger beeinträchtigen, genauso zum erwünschten Ziel führen, denn Art. 14 III GG verbietet jedes Übermaß an hoheitlichen Eingriffen. Die Enteignung ist unzulässig, wenn eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung: eine Übereignung, Bestellung einer Dienstbarkeit oder schuldrechtliche Gestattung den gleichen Dienst am Gemeinwohl leistet[22].

Schon gar nicht rechtfertigt schiere Zweckmäßigkeit eine Enteignung. Die Gemeinde darf ein gepachtetes Gelände nicht enteignen, um sich vom lästigen Pachtvertrag zu befreien; die gute Absicht, darauf einen Sportplatz anzulegen, rechtfertigt die böse Tat nicht[23].

4.3 Formelle Voraussetzung der Enteignung

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Nach Art. 14 III GG ist die Enteignung ein rechtmäßiger hoheitlicher Eingriff in privates Eigentum zum Wohle der Allgemeinheit und auf Grund eines Gesetzes, das auch Art und Maß der Entschädigung regelt. Nimmt man diese Verfassungsbestimmung beim Wort, gibt es nur eine rechtmäßige, keine rechtswidrige Enteignung. Rechtsmäßig aber ist eine Enteignung nur, wenn sie alle Voraussetzungen des Art. 14 III 1-3 GG erfüllt[24].

Nun darf der Gesetzgeber die Grenze zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung nicht selbst ziehen, das Eigentum nicht nach Belieben entschädigungslos verkürzen oder gar aushöhlen, sondern muss dem Eigentümer ein Minimum an Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeit lassen, denn die Substanz des Eigentums ist nach Art. 14 I GG garantiert[25]. In diesen harten Kern des Eigentums darf der Gesetzgeber nur unter den strengen materiellen und formellen Voraussetzungen des Art. 14 III GG eingreifen. Nur die verfassungsrechtlich zulässige Enteignung ersetzt die Bestandsgarantie des Art. 14 I GG durch die Wertersatzgarantie des Art. 14 III GG[26].

Wenn aber schon die rechtmäßige Enteignung zu entschädigen ist, muss dann nicht erst recht der rechtswidrige hoheitliche Eingriff in privates Eigentum entschädigt werden, wenn er den Eigentümer genauso schwer trifft wie eine Enteignung? Der BGH hat die Frage bejaht und dafür den „enteignungsgleichen Eingriff“ erfunden[27].

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Nach Meinung des BVerfG hingegen ist nur die verfassungsrechtlich zulässige Enteignung zu entschädigen, während es gegen rechtswidrige Eingriffe in privates Eigentum keine Anspruchsgrundlage für eine Entschädigung gibt[28]. Der Eigentümer muss den rechtswidrigen Eingriff mit der Anfechtungsklage zum Verwaltungsgericht bekämpfen. Der verwaltungsgerichtliche Primärschutz nach § 42 VwGO geht dem Entschädigungsverlangen des Eigentümers vor[29].

Die Enteignungsentschädigung ist kein Schadensersatz, sondern ein Wertausgleich[30]. Zu ersetzen ist der gemeine Wert des enteigneten Grundstücks oder sonstigen Rechts[31].

4.4 Enteignungsgleicher Eingriff

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Der BGH ist der Meinung, dass auch der rechtswidrige hoheitliche Eingriff in privates Eigentum wie eine Enteignung zu entschädigen sei, wenn er nur schwer genug wiege (RN 349 ff.). Eine gesetzliche Anspruchsgrundlage gibt es dafür freilich nicht. Art. 14 III 3 GG selbst begründet keine Entschädigungspflicht, sondern befiehlt nur dem Gesetzgeber, zusammen mit der Enteignung auch die Entschädigung zu regeln. Anspruchsbegründend ist letztlich der Aufopferungsgedanke, der heute noch rechtmäßige hoheitliche Eingriffe in die Gesundheit, insbesondere Impfschäden, entschädigt (RN 350).

Der rechtswidrige hoheitliche Eingriff in privates Eigentum wirkt dann enteignungsgleich, wenn er dem Eigentümer unter Verletzung des Gleichheitssatzes ein Sonderopfer auferlegt, das so schwer wiegt wie eine Enteignung und den Eigentümer unerträglich hart trifft[32]. Dies gilt auch für nichtige Rechtsverordnungen und Satzungen[33], dagegen nicht für verfassungswidrige Gesetze[34].

Der Eigentümer tut indes gut daran, den enteignungsgleichen Eingriff, wenn es sich um einen Verwaltungsakt handelt, vor dem Verwaltungsgericht anzufechten, wenn er sein Eigentum nicht entschädigungslos verlieren will[35].

4.5 Enteignender Eingriff

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Der BGH hat auch den wenig aussagekräftigen Begriff des enteignenden Eingriffs geprägt und versteht darunter die ungewollte Nebenfolge einer rechtmäßigen hoheitlichen Maßnahme, die dem Eigentümer ein unerträglich schweres Sonderopfer auferlegt und deshalb zu entschädigen sei (RN 349).

Beispiele


- Lärmbelästigung durch den Verkehr auf öffentlichen Straßen (BGH 91, 20; 94, 373; 97, 114; NJW 80, 582) oder vom nahen Flugplatz (BGH NJW 86, 2423);
- Gestank aus einer öffentlichen Kläranlage (BGH 91, 20; NJW 76, 1204);
- nicht die Beschädigung eines nach § 94 StPO beschlagnahmten und in einer verschlossenen Halle verwahrten PKW durch Dritte, die in die Halle eingebrochen sind (BGH 100, 335: keine staatliche Gefährdungshaftung, kein innerer Zusammenhang mit der Beschlagnahme).

2. Kapitel Das Eigentum des BGB

1. Das gesetzliche System

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Vom Eigentum handelt das BGB im 3. Abschnitt des 3. Buches „Sachenrecht“. Dieser Abschnitt umfasst fünf Titel mit den §§ 903-1011:


1. Titel: Inhalt des Eigentums (§§ 903-924);
2. Titel: Erwerb und Verlust des Eigentums an Grundstücken (§§ 925-928);
3. Titel: Erwerb und Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen (§§ 929-984);
4. Titel: Ansprüche aus dem Eigentum (§§ 985-1007);
5. Titel: Miteigentum (§§ 1008-1011).

Es fällt auf, dass das Gesetz nur im 2. und 3. Titel, die den Erwerb und Verlust des Eigentums regeln, deutlich zwischen Grundstücken und beweglichen Sachen unterscheidet, während die anderen Titel anscheinend für alle Sachen gelten. Bei näherem Zusehen aber stellt man fest, dass auch der 1. Titel mit den §§ 905-924 lediglich das Rechtsverhältnis zwischen Grundstücksnachbarn regelt und nur die §§ 903, 904 für alle Sachen gelten.

Der 3. Titel über Erwerb und Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen, ohnehin der umfangreichste, ist weiter unterteilt in „Übertragung“, „Ersitzung“, „Verbindung, Vermischung, Verarbeitung“, „Erwerb von Erzeugnissen und sonstigen Bestandteilen einer Sache“, „Aneignung“ und „Fund“. Übertragung bedeutet rechtsgeschäftliche Übereignung entweder durch den Eigentümer (§§ 929-931) oder durch den Nichteigentümer (§§ 932-936). Ersitzung (§§ 937-945) sowie Verbindung, Vermischung und Verarbeitung (§§ 946-952) hingegen sind keine Rechtsgeschäfte, sondern Realakte und gesetzliche Erwerbsgründe. Gleiches gilt für die Trennung der Erzeugnisse oder sonstigen Bestandteile von der Sache (§§ 953, 957). Die Aneignung beschränkt sich auf herrenlose Sachen, die keinen Eigentümer haben (§§ 958-964). Jagd- und Fischereirecht, die wichtigsten Beispiele, sind außerhalb des BGB geregelt. Der Fund kann den Finder zum Eigentümer machen, hat durch Verwahr- und Ablieferungspflichten aber auch eine schuldrechtliche Seite (§§ 965-984).

 

Der 4. Titel begründet die dinglichen Ansprüche des Eigentümers auf Herausgabe (§ 985), auf Beseitigung einer Störung (§ 1004 I 1) und auf Unterlassung künftiger Störungen (§ 1004 I 2). Sie sollen das Eigentum nach allen Seiten schützen und geben ihm erst Saft und Kraft. Hier findet man auch das in der Ausbildung so beliebte EigentümerBesitzer-Verhältnis (§§ 987 bis 1003) und die gesetzliche Eigentumsvermutung zu Gunsten des Besitzers einer beweglichen Sache (§ 1006).

Der 5. Titel regelt in vier mageren Vorschriften das Miteigentum in Gestalt des Bruchteilseigentums (§§ 1008-1011) als dingliche Ergänzung der schuldrechtlichen Gemeinschaft (§§ 741 ff.). Miteigentum nach Bruchteilen ist auch das Wohnungs- und Teileigentum des WEG, allerdings untrennbar verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung oder an einem anderen Raum (§ 1 WEG).

Das altdeutsche Gesamthandseigentum des Gesellschafters, Ehegatten in der Gütergemeinschaft und Miterben findet man verstreut im Schuld-, Familien- und Erbrecht.

2. Das absolute und umfassende Herrschaftsrecht an einer Sache

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Das Eigentum des BGB ist das umfassendste und stärkste Herrschaftsrecht an einer Sache, das die Rechtsordnung anerkennt, denn nach § 903 S. 1 darf der Eigentümer mit seiner Sache machen, was er will, und andere von jeder Einwirkung ausschließen[36]. Er darf sie vor allem gebrauchen, nutzen und verbrauchen, belasten und veräußern. Nutzung und Verwertung bilden den harten Kern des Eigentums. Das dingliche Recht auf Nutzung oder Verwertung ist denn auch Gegenstand der beschränkten dinglichen Rechte, die der Eigentümer von seinem Eigentum abspaltet, rechtlich verselbstständigt und durch Rechtsgeschäft einem anderen bestellt.

Das Recht, Dritte von jeglicher Einwirkung auf die Sache auszuschließen, ist gewissermaßen der notwendige Schutzschild des Eigentums in Gestalt starker dinglicher Ansprüche auf Herausgabe nach § 985 (RN 117 ff.), auf Beseitigung einer Eigentumsstörung nach § 1004 I 1 (RN 213 ff.) und auf Unterlassung künftiger Störungen nach § 1004 I 2 (RN 253 ff.). Der dingliche Eigentumsschutz wird ergänzt durch den schuldrechtlichen Anspruch auf Schadensersatz nach § 823 I. Ohne diese Ansprüche wäre das Eigentum eine leere Hülse, sie aber machen aus ihm ein absolutes Recht, das im Gegensatz zur schuldrechtlichen Forderung von jedermann zu respektieren ist (RN 13).

Eigentum gibt es nur an Sachen, die § 90 als körperliche Gegenstände definiert (RN 1403). Unkörperliche Gegenstände wie Forderungen, Erfinder- und Urheberrechte sind nicht eigentumstauglich; darin unterscheidet sich das Eigentum des BGB vom Eigentum des GG (RN 94).

Eigentum gibt es nur an einzelnen Sachen, nicht an Sachgesamtheiten wie Inventar oder Warenlager und schon gar nicht an gewerblichen Unternehmen, freiberuflichen Praxen oder landwirtschaftlichen Betrieben (RN 1442). Derlei kann man zwar kaufen und verkaufen, aber nicht übereignen, vielmehr muss jeder einzelne Gegenstand nach seinen eigenen Regeln übertragen werden.

Das Eigentum des BGB besteht auch an öffentlichen Sachen, wird aber durch die öffentlichrechtliche Widmung und Zweckbestimmung überlagert (RN 1413). Für ein öffentlichrechtliches Eigentum gibt es keine Rechtsgrundlage. Jedoch ist die öffentliche Hand auch als Eigentümerin unmittelbar an die Grundrechte gebunden und dies schon dann, wenn sie die öffentliche Sache mehrheitlich beherrscht[37].

3. Die zivilrechtlichen Schranken des Eigentums

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Die rechtliche Herrschaft des Eigentümers über seine Sache ist keine Allmacht, sondern wird durch das Gesetz und die Rechte Dritter gebremst, denn nach § 903 S. 1 besteht sie nur, „soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen“. Schon die §§ 904 bis 924, die vor allem die Rechte und Pflichten zwischen Grundstücksnachbarn regeln, setzen dem Eigentum mannigfache Grenzen. Die Stichworte lauten: Immissionen, Grundstücksvertiefung, Überbau und Notweg. Die Nachbarrechtsgesetze der Länder (Art. 122 bis 124 EGBGB) ergänzen das BGB. Die Rechte Dritter, die das Eigentum beschränken, sind in erster Linie die beschränkten dinglichen Nutzungs- und Verwertungsrechte der §§ 1018-1259.

Aber die negative Formulierung des § 903 S. 1 („… soweit nicht …“) zeigt, dass die unbeschränkte Rechtsmacht des Eigentümers die gesetzliche Regel ist, die gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Beschränkungen hingegen gesetzliche Ausnahmen sind. Danach richtet sich im Streitfall die Beweislast. Wer sich gegenüber dem Eigentümer auf ein Recht an der Sache beruft, muss es beweisen, so der Besitzer nach § 986 sein Recht zum Besitz, mit dem er den Herausgabeanspruch aus § 985 abwehren will (RN 135), und ebenso der Störer nach § 1004 II sein Recht auf Störung, mit dem er sich gegen die Ansprüche auf Beseitigung oder Unterlassung der Eigentumsstörung verteidigt (RN 229). Und wer fremdes Eigentum verletzt, muss die Verletzung besonders rechtfertigen, denn die Rechtswidrigkeit der Eigentumsverletzung wird gegen den Wortlaut des § 823 I vermutet[38].

4. Allein- und Miteigentum

4.1 Das gesetzliche System

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Nach dem BGB ist das Alleineigentum einer einzelnen Person der gesetzliche Normalfall.

Wo immer es Erwerb und Verlust, Rechte und Pflichten des Eigentums regelt, spricht es den Alleineigentümer an. Das Miteigentum taucht erst in den §§ 1008-1011 auf und beschränkt sich auf ein paar Sonderregeln. Im Übrigen unterliegt es den gleichen gesetzlichen Vorschriften wie das Alleineigentum.

Wo das BGB von Miteigentum spricht, meint es das Buchteilseigentum nach § 1008, dessen schuldrechtliche Grundlage die Gemeinschaft nach §§ 741 ff. bildet. Eine ganz andere Art von Miteigentum ist das Gesamthandseigentum der BGB-Gesellschafter nach § 719, der Ehegatten in Gütergemeinschaft nach § 1419 und der Miterben nach § 2033 II.

Bruchteils- und Gesamthandseigentum gibt es sowohl an beweglichen als auch an unbeweglichen Sachen.

Abbildung 9: Miteigentum


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4.2 Das Bruchteilseigentum

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Miteigentum ist stets Bruchteilseigentum nach § 1008, wenn nicht die gemeinschaftliche Sache zum Sondervermögen einer Personengesellschaft (BGB-Gesellschaft, OHG, KG), einer Gütergemeinschaft oder einer Erbengemeinschaft gehört, denn diese drei Gesamthandsgemeinschaften – und mehr gibt es nicht – sind gewissermaßen die exotischen Ausnahmen.

Jeder Miteigentümer hat nach § 1008 einen rechnerischen Bruchteil (1/2, 1/5, 1/132) der gemeinschaftlichen Sache zu Eigen, über den er frei verfügen kann, ohne die anderen fragen zu müssen. Dies freut auch seine Gläubiger, die den Miteigentumsanteil nach § 857 ZPO pfänden und verwerten können.

Die Sache selbst können nur alle Miteigentümer gemeinsam übereignen oder belasten. § 1009 I erlaubt eine Belastung der Sache auch zu Gunsten eines Miteigentümers. Und nach § 1009 II kann das gemeinschaftliche Grundstück zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks und ebenso ein anderes Grundstück zu Gunsten der jeweiligen Eigentümer des gemeinschaftlichen Grundstücks belastet werden, auch wenn das andere Grundstück einem Miteigentümer des gemeinschaftlichen Grundstücks gehört.

Miteigentum erwirbt man mit anderen zusammen vom Alleineigentümer oder allein von einem Miteigentümer durch rechtsgeschäftliche Übereignung nach §§ 873, 925, 929 ff. Gesetzliche Erwerbsgründe sind nach §§ 947, 948 die Verbindung und die Vermischung mehrerer beweglicher Sachen verschiedener Eigentümer (RN 1293 ff.).

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Nach § 1011 kann jeder Miteigentümer die dinglichen Ansprüche auf Herausgabe der gemeinschaftlichen Sache nach § 985, auf Beseitigung einer Eigentumsstörung nach § 1004 I 1 und auf Unterlassung künftiger Eigentumsstörungen nach § 1004 I 2 für sich allein erheben und einklagen[39] mit einer kleinen, aber wichtigen Einschränkung: Herausgabe der Sache kann der einzelne Miteigentümer entsprechend § 986 I 2 nur an alle Miteigentümer verlangen, es sei denn, die anderen wollen oder können die Sache nicht mehr übernehmen oder seien mit einer Herausgabe an den allein klagenden Miteigentümer einverstanden[40]. Gleiches gilt für Bereicherungs- und Schadensersatzansprüche in Bezug auf die gemeinschaftliche Sache[41].

Nach § 1011 klagt der einzelne Miteigentümer sein eigenes Sonderrecht, nicht in Prozessstandschaft das gemeinschaftliche Eigentum ein[42], denn die Rechtskraft des Urteils erstreckt sich nicht auf die anderen Miteigentümer[43], und ohne Rechtskrafterstreckung gibt es auch keine Prozessstandschaft[44].

Die dinglichen Ansprüche aus §§ 985, 1004 hat der Miteigentümer auch gegen andere Miteigentümer, die ihm den (Mit)Besitz entziehen oder sein Miteigentum stören. § 866 beschränkt nur den Besitzschutz zwischen Mitbesitzern (RN 86).

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Das Miteigentum hat nicht nur eine dingliche Außenseite, sondern auch ein schuldrechtliches Innenleben in Gestalt der Gemeinschaft nach §§ 741-758. Dort ist, vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen, die Verwaltung und Benutzung der gemeinschaftlichen Sache geregelt. Miteigentümer eines Grundstücks können nach § 1010 I ihre Verwaltungs- und Benutzungsvereinbarung[45] durch Eintragung im Grundbuch verdinglichen, sodass sie auch gegen Sonderrechtsnachfolger wirkt[46]. Durch Eintragung im Grundbuch lässt sich mit dinglicher Wirkung auch der Anspruch aus § 749 auf Aufhebung der Gemeinschaft beschränken oder gar ausschließen. Fraglich ist, ob auf diese Weise auch Teilungsabreden verdinglicht werden können[47].

4.3 Das Wohnungs- und Teileigentum

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Wohnungseigentum ist nach § 1 II WEG zwar auch Bruchteilseigentum, nämlich am Grundstück und an den tragenden Teilen des Gebäudes, aber untrennbar verbunden mit dem Sondereigentum an bestimmten Wohnräumen. Ebenso verbindet nach § 1 III WEG das Teileigentum einen Eigentumsbruchteil am Grundstück mit dem Sondereigentum an Räumen, die nicht dem Wohnen dienen. Diese kühne rechtliche Konstruktion hat im WEG ihre eigenen speziellen Regeln, welche die allgemeinen Regeln der §§ 1008-1011 und §§ 741-758 weitgehend verdrängen.

4.4 Das Gesamthandseigentum

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Miteigentum zur gesamten Hand gibt es nur in der BGB-Gesellschaft nach § 719, in der Gütergemeinschaft nach § 1419 und in der Erbengemeinschaft nach § 2033. Darüber hinaus lässt es sich rechtsgeschäftlich nicht begründen.

Alle beweglichen und unbeweglichen Sachen in einem dieser drei Sondervermögen, die rechtsfähige Außengesellschaft bürgerlichen Rechts macht keine Ausnahme (oder vielleicht doch[48]?), gehören den Gesellschaftern, Ehegatten oder Miterben gemeinschaftlich zur gesamten Hand.

 

Einen rechnerischen Anteil (Bruchteil) hat der Gesamthänder nur am ganzen Sondervermögen: dem Gesellschaftsvermögen, Gesamtgut oder Nachlass, nicht aber an dessen Bestandsteilen: den einzelnen Sachen und Rechten. Ob der Gesamthänder über seinen Anteil am Sondervermögen frei verfügen kann, ist eine Frage der Zweckmäßigkeit, die das BGB für Gesellschaft und Gütergemeinschaft verneint (§§ 719 I, 1419 I), für die Erbengemeinschaft aber bejaht (§ 2033 I).

Dagegen hat der Gesamthänder an den einzelnen Sachen, die zum Sondervermögen gehören, weder einen realen noch einen rechnerischen Anteil, vielmehr gehört die einzelne Sache nach §§ 719 I, 1419 I, 2033 II den Gesamthändern derart gemeinschaftlich, dass keiner über seinen Anteil verfügen kann. Das ist die unabdingbare zwingende Rechtsfolge aller Gesamthandsgemeinschaften.

Streng genommen gibt es überhaupt keine Miteigentumsanteile an den einzelnen Sachen, sondern nur die gemeinschaftliche Rechtszuständigkeit aller Mitberechtigten zur gesamten Hand[49]. Nur alle Gesamthänder zusammen sind der Eigentümer[50].

Ob es sich im Einzelfall um eine Gesamthandgemeinschaft unter Gesellschaftern oder nur um eine schlichte Bruchteilsgemeinschaft handelt, entscheidet die Art und Weise ihrer Entstehung. Die Gesellschaft erfordert nach § 705 einen Vertrag, durch den sich mehrere Personen gegenseitig verpflichten, ein gemeinschaftliches Ziel gemeinsam zu verfolgen. Das bloße Verwalten und Benutzen einer gemeinschaftlichen Sache erfüllt diese Voraussetzungen noch nicht, denn dafür genügt die Gemeinschaft nach §§ 741 ff., eine eher lose und zufällige Verbindung[51].