Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen

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6. Kapitel Der Teilbesitz

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Nach § 865 gelten die §§ 858-864 auch für denjenigen, „welcher nur einen Teil einer Sache besitzt“; gemeint ist der unmittelbare Teilbesitzer. Auch er wird gegen verbotene Eigenmacht nicht nur eines Dritten, sondern auch eines anderen Teilbesitzers geschützt und unterscheidet sich darin vom Mitbesitzer nach § 866.

Da der unmittelbare Besitz nach § 854 I eine tatsächliche Sachherrschaft erfordert, gibt es Teilbesitz nur an realen Bestandteilen einer Sache, nicht an ideellen Bruchteilen[115]. Eben darin unterscheidet sich der Besitz vom Eigentum. Die rechtliche Sachherrschaft des Eigentümers kann man nach § 1008 beliebig in Bruchteile aufspalten, die tatsächliche Sachherrschaft des Besitzers nicht. Umgekehrt gibt es Teilbesitz auch an wesentlichen Bestandteilen einer Sache, obwohl sie nach §§ 93, 94 nicht sonderrechtsfähig sind.

Beispiele


- Teilbesitz an wesentlichen Bestandteilen des bebauten Grundstücks haben der Wohnungs- und der Geschäftsraummieter, wenn sie nicht das ganze Grundstück gemietet haben. Hier ist der Vermieter unmittelbarer Besitzer des Grundstücks mit Ausnahme der Mieträume und nach § 868 zugleich mittelbarer Besitzer der Mieträume.
- In einem großen Mietshaus hat jeder Mieter unmittelbaren Teilbesitz an seiner Wohnung und zugleich unmittelbaren Mitbesitz an Flur, Waschküche, Trockenraum, Aufzug und Tiefgarage.
- Teilbesitz hat auch der Mieter einer Werbefläche auf der Außenwand eines Gebäudes (BGH NJW 67, 48).

7. Kapitel Der Mitbesitz

1. Der Besitz mehrerer Personen auf gleicher Stufe

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Eine Sache kann man nicht nur allein, sondern nach § 866 auch gemeinsam mit anderen besitzen, muss aber bedenken, dass der Besitz kein Recht, sondern nur eine tatsächliche Sachherrschaft ist, so dass die Regeln der §§ 741 ff. über die Rechtsgemeinschaft nicht ohne weiteres passen. Das Gesetz sagt dazu nichts. § 866 beantwortet nur die Frage, ob und wieweit auch der Mitbesitz gegen verbotene Eigenmacht zu schützen sei.

Auch der unmittelbare Mitbesitz begründet die Eigentumsvermutung des § 1006 I 1; vermutet wird hier Miteigentum nach Bruchteilen gemäß § 1008[116].

2. Die Rechtsfolge des Mitbesitzes

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Rechtsfolge des § 866 ist eine Beschränkung des Besitzschutzes im Verhältnis zu den Mitbesitzern, soweit „es sich um die Grenzen des dem Einzelnen zustehenden Gebrauchs handelt“. Man muss deshalb zwischen dem Innen- und dem Außenverhältnis unterscheiden.

Nach außen gegen dritte Störer genießt auch der Mitbesitzer vollen Besitzschutz. Der verbotenen Eigenmacht eines Dritten darf er sich nach § 859 mit Gewalt erwehren. Nach einer Besitzentziehung verlangt er vom Störer gemäß § 861 I Herausgabe der Sache, freilich nicht an sich allein, sondern an alle Mitbesitzer, es sei denn, die anderen könnten oder wollten den Mitbesitz nicht mehr übernehmen (Rechtsgedanke des § 1011 mit § 432). Eine Besitzstörung durch Dritte wehrt er mit dem Beseitigungs- und/oder Unterlassungsanspruch aus § 862 ab.

Im Innenverhältnis zu einem störenden Mitbesitzer unterscheidet das Gesetz zwischen der Entziehung und der bloßen Störung des Mitbesitzes. Gegen die Besitzentziehung durch einen anderen Mitbesitzer, der etwa das Schloss auswechselt oder sonst den Zugang versperrt, darf der gestörte Mitbesitzer sich in vollem Umfang nach §§ 859, 861 wehren[117], gegen die bloße Besitzstörung in aller Regel nicht; statt nach § 862 Beseitigung oder Unterlassung zu verlangen, muss der gestörte Mitbesitzer sein Recht zum Mitbesitz aus Vertrag oder Gesetz geltendmachen[118]. § 862 ist gegenüber einem störenden Mitbesitzer nur dann anwendbar, wenn die Störung den anderen Mitbesitzer wesentlich behindert[119].

Beispiel

Mehrere Geschäftsraummieter aus verschiedenen Mietverhältnissen dürfen einen Lastenaufzug benutzen und erlangen daran unmittelbaren Mitbesitz. Mitarbeiter eines Mieters beschädigen den Lastenaufzug, sodass er eine Zeit lang ausfällt. Dadurch erleidet ein anderer Mieter einen Gewinnausfall.

Nimmt man an, der Mitbesitz des geschädigten Mieters sei nicht entzogen, sondern nur gestört worden, versagt § 866 zwar den Besitzschutz nach § 862, aber nicht einen Schadensersatzanspruch aus §§ 823, 831 wegen Verletzung des Rechts zum Besitz (BGH 62, 243).

3. Die Voraussetzungen des Mitbesitzes

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Nach § 866 besitzen mehrere Personen eine Sache „gemeinschaftlich“, wenn sie die Sache nebeneinander auf gleicher Besitzstufe mit Besitzwillen derart beherrschen, dass jeder in der Ausübung seiner tatsächlichen Herrschaft nur durch den oder die anderen beschränkt ist[120]. Auch gemeinschaftlich kann man nur eine ganze Sache oder einen realen Bestandteil einer Sache besitzen, nicht lediglich einen rechnerischen Bruchteil[121].

Mitbesitz erwirbt man entweder durch gemeinsame Ergreifung der tatsächlichen Sachherrschaft (§ 854 I) oder vom Alleinbesitzer, der einen Mitbesitz behält[122], oder als Miterbe nach § 857.

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Je nach der Beschaffenheit des Zugangs zur Sache unterscheidet man den schlichten Mitbesitz, den jeder Mitbesitzer allein ausüben kann, weil die Sache jedem Mitbesitzer frei zugänglich ist, vom qualifizierten oder gesamthänderischen Mitbesitz, den nur alle gemeinsam ausüben können, weil die Sache nur allen gemeinsam zugänglich ist.

Beispiele

Schlichter Mitbesitz:


- Jeder Mitbesitzer hat einen Schlüssel zur Wohnung, zum Geschäftsraum oder zum Schließfach (BGH NJW 79, 714; 93, 935).
- Jeder Geschäftsraummieter kann für sich allein den gemeinschaftlichen Lastenaufzug benutzen (BGH 62, 243).
- Jeder Ehegatte hat Mitbesitz an der Ehewohnung und am Hausrat, wem immer diese Sachen gehören (BGH 12, 380; 73, 253, 256; NJW 79, 976). Dass ihm dieser Mitbesitz in der Zwangsvollstreckung gegen den anderen Ehegatten wenig nützt, liegt an der Sonderregel des § 739 ZPO mit § 1362 I BGB (dazu BGH NJW 76, 238; 92, 1162; 93, 935).

Qualifizierter Mitbesitz:


- Das Bankschließfach lässt sich nur mit zwei verschiedenen Schlüsseln öffnen; den einen Schlüssel hat der Kunde, den anderen hat die Bank. Fraglich ist, ob beide auch Mitbesitz am Inhalt des Schließfachs haben, oder ob der Kunde Alleinbesitzer sei (dazu BGH NJW 93, 935; OLG Düsseldorf NJW-RR 96, 839; Werner JuS 80, 175).
- Wertsachen werden derart hinterlegt, dass die Hinterlegungsstelle sie nur an mehrere Personen gemeinsam herausgeben darf, die dadurch qualifizierten mittelbaren Mitbesitz erlangen.

8. Kapitel Der Eigenbesitz

1. Eigenbesitz und Fremdbesitz

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Nach § 872 ist Eigenbesitzer, „wer eine Sache als ihm gehörend besitzt“. Das tut nicht nur der Eigentümer, sondern auch jeder, der sich irrig für den Eigentümer hält oder wider besseres Wissen als Eigentümer aufspielt wie der Dieb und der Täter einer Unterschlagung. Zum Eigenbesitzer wird man demnach nicht durch sein Eigentum, sondern allein durch seinen Willen, die Sache wie ein Eigentümer zu besitzen[123].

Wo es Eigenbesitz gibt, muss es zwangsläufig auch Fremdbesitz geben. Fremdbesitz ist jeder Besitz, der nicht Eigenbesitz ist, sondern fremdes Eigentum oder fremden höherstufigen Besitz über sich anerkennt. Fremdbesitzer sind Nießbraucher und Pfandgläubiger, Mieter und Pächter und viele andere[124].

Auf der gleichen Besitzstufe ist man entweder Eigen- oder Fremdbesitzer; man kann nicht beides gleichzeitig sein[125]. Das ist nur auf verschiedenen Besitzstufen möglich, denn Eigen- und Fremdbesitz gibt es auch als mittelbaren Besitz nach § 868 (RN 83).

2. Die Rechtsfolgen des Eigenbesitzes

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Eigenbesitz ist erforderlich für mancherlei außervertraglichen Eigentumserwerb durch Buchersitzung (§ 900), Aufgebotsverfahren (§ 927), Ersitzung (§ 937), Fruchterwerb (§ 955) und Aneignung (§ 958), außerdem für die Haftung aus § 836 wegen Gebäudeeinsturzes und für den Nutzungsersatz im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis nach § 988.

 

Vor allem aber begründet der Eigenbesitz als die Normalform des Besitzes einer beweglichen Sache eine gesetzliche Eigentumsvermutung, denn § 1006 I 1 vermutet, dass der unmittelbare Eigenbesitzer einer beweglichen Sache mit dem Erwerb des unmittelbaren Eigenbesitzes zugleich Eigentum erwerbe[126]. Dass der erworbene Besitz Eigenbesitz gewesen sei, wird gleichfalls vermutet[127]. Im Streit um das Eigentum einer beweglichen Sache hat deshalb der unmittelbare Besitzer solange die besseren Karten, bis ihm sein Gegenspieler entweder einen Fremdbesitzerwerb oder einen Eigentumsverlust nachweist (RN 1165 ff.).

Schließlich wird die Nachfolge in den Eigenbesitz einer streitbefangenen Sache prozessual wie eine Rechtsnachfolge behandelt, so dass sich die Rechtskraft des Urteils nach § 325 I ZPO auch auf den Besitznachfolger erstreckt[128].

9. Kapitel Der Herausgabeanspruch aus dem besseren „Recht“ zum Besitz

1. Das gesetzliche System

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§ 1007 ist zweifache Anspruchsgrundlage für die Herausgabe beweglicher Sachen[129], im 3. Abschnitt: „Eigentum“ aber falsch platziert, weil er zum Besitzrecht gehört. Dort ist er ein Lückenbüßer für die seltenen Fälle, dass ein Anspruch auf Herausgabe aus § 985 oder §§ 861, 862 entweder nicht besteht oder nicht beweisbar ist.

2. Die Rechtsfolge

Rechtsfolge der ersten beiden Absätze des § 1007 ist je ein selbstständiger Herausgabeanspruch des früheren gegen den jetzigen Besitzer.

3. Die Anspruchsvoraussetzungen

Der Herausgabeanspruch aus § 1007 I hat drei Voraussetzungen:


- früheren Besitz des Anspruchstellers,
- jetzigen Besitz des Anspruchsgegners und
- bösen Glauben des Anspruchsgegners beim Besitzerwerb.

Bösgläubig ist ein Besitzer dann, wenn er kein Recht zum Besitz hat und dies beim Erwerb des Besitzes weiß oder grob fahrlässig nicht weiß[130].

Der Herausgabeanspruch aus § 1007 II setzt voraus: Die bewegliche Sache ist dem Anspruchsteller abhanden gekommen, also unfreiwillig aus dem Besitz gefallen und befindet sich jetzt im Besitz des Anspruchsgegners. Bösgläubig muss dieser nicht sein, der unfreiwillige Besitzverlust des Anspruchstellers genügt.

4. Die Einwendungen

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Der Anspruchsgegner hat nach § 1007 III 2 alle Einwendungen aus seinem Recht zum Besitz[131].

Der Herausgabeanspruch ist nach § 1007 III 1 auch dann ausgeschlossen, wenn der Anspruchsteller entweder beim Erwerb seines früheren Besitzes nicht im guten Glauben war oder den Besitz aufgegeben hat. Im bösen Glauben war er dann, wenn er beim Erwerb des Besitzes kein Recht zum Besitz hatte und dies wusste oder grobfahrlässig nicht wusste. Besitzaufgabe ist freiwilliger Besitzverlust durch den unmittelbaren Besitzer.

Der Herausgabeanspruch aus § 1007 II ist schließlich dann ausgeschlossen, wenn der Anspruchsgegner Eigentümer ist oder die Sache schon vor dem Besitzverlust des Anspruchstellers seinerseits unfreiwillig verloren hat („… es sei denn, dass …“); für Geld und Inhaberpapiere gilt dies nicht.

2. Teil Das Eigentum – Inhalt und Grenzen
1. Kapitel Das Eigentum des Grundgesetzes

1. Individualrecht und Rechtsinstitut

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Vom Eigentum handelt nicht nur das BGB, sondern auch Art. 14 GG, der es – zusammen mit dem Erbrecht – verfassungsrechtlich gewährleistet (I 1), freilich unter dem Vorbehalt des Gesetzes, das Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmt (I 2). Überdies verpflichtet Eigentum (II 1), und sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen (II 2). Das Wohl der Allgemeinheit rechtfertigt sogar eine Enteignung (III 1), aber nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes, das zugleich Art und Ausmaß der Entschädigung regelt (III 2), die unter gerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen zu bestimmen (III 3) und im Streitfall von den ordentlichen Gerichten festzusetzen ist (III 4). Auf diese Art und Weise wird der Zivilrichter – aus historischen Gründen, die heute überholt sind – mit der öffentlichrechtlichen Enteignung befasst.

Art. 14 GG „gewährleistet“ das Eigentum in zwei Richtungen: als elementares individuelles Grundrecht des Einzelnen gegen staatliche Willkür und als fundamentale Einrichtung des Zivilrechts. Die verfassungsrechtliche Garantie des Eigentums soll dem Menschen helfen, sich frei zu entfalten und sein Leben eigenverantwortlich zu gestalten[1]. Um so wichtiger ist es, die Grenze zwischen zulässiger Inhaltsbestimmung nach Art. 14 I 2 GG und unzulässigem staatlichen Übergriff verfassungsrechtlich richtig zu ziehen und das Spannungsverhältnis zwischen der verfassungsrechtlichen Garantie und der Sozialbindung des Eigentums aufzulösen[2].

2. Jedes vermögenswerte Recht

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Wenn Art. 14 I 1 GG das Eigentum als Mittel zum Zweck einer freien Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit gewährleistet, meint er nicht nur das sachenrechtliche Eigentum des § 903, sondern auch alle anderen Vermögensrechte[3].

Art. 14 I 1 GG garantiert neben dem Eigentum des BGB auch die beschränkten dinglichen Rechte[4], außerdem Urheber- und Erfinderrechte[5], Marken und Ausstattungsschutz[6], das Recht am gewerblichen Unternehmen und an der freiberuflichen Praxis[7], ebenso die Mitgliedschaft in der Kapitalgesellschaft[8], sogar einfache Forderungen[9] und Rentenanwartschaften[10].

Da die öffentliche Hand keine Grundrechte gegen die eigene Willkür haben kann, wird ihr Eigentum nicht verfassungsrechtlich geschützt[11].

3. Inhaltsbestimmung und Sozialbindung des Eigentums

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Nach Art. 14 I 2 GG werden Inhalt und Schranken des Eigentums durch die Gesetze bestimmt, und nach Art. 14 II GG soll das Eigentum auch dem Gemeinwohl dienen. Wo aber verläuft die verfassungsrechtliche Grenze zwischen der – entschädigungslos – zulässigen Inhaltsbestimmung des sozialpflichtigen Eigentums und der Enteignung, die nur unter den strengen Voraussetzungen des Art. 14 III zulässig ist?

Zivilrechtlich bestimmt § 903 nicht nur den Inhalt des Eigentums, sondern stellt es zugleich unter den Vorbehalt des Gesetzes und der Rechte anderer. Beschränkt wird das Eigentum durch die §§ 904-924, die größtenteils davon handeln, was Grundstücksnachbarn tun dürfen und lassen sollen (RN 291 ff.).

Weit stärker wird das Grundeigentum durch das öffentliche Recht beschränkt: durch das Baurecht, das Naturschutz- und Denkmalschutzrecht, das Straßen- und Verkehrsrecht und vieles andere mehr.

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Das öffentliche Baurecht besteht aus dem Bauplanungs- und dem Bauordnungsrecht. Rechtsgrundlage des Bauplanungsrechts ist das bundesrechtliche Baugesetzbuch (BauGB), das auch die Stadtsanierung und -erneuerung regelt. Bauleitpläne in Gestalt von Gemeindesatzungen[12] sollen die Bebauung des Gemeindegebiets in geordnete Bahnen lenken. Während der Flächennutzungsplan das Bauprogramm vorerst nur in groben Zügen darstellt, setzt der Bebauungsplan verbindlich Art und Maß der baulichen Nutzung im Planungsgebiet fest, regelt die Größe der Baugrundstücke und reserviert der Gemeinde die erforderlichen Gemeinflächen. Mittels einer Veränderungssperre sichert die Gemeinde die Aufstellung des Bauleitplans.

Die Bauleitplanung der Gemeinde, die objektives Satzungsrecht setzt[13], greift tief und nachhaltig in die Baufreiheit des Eigentümers ein. Er kann nicht mehr so bauen, wie er es gerne möchte, sondern muss sich an die Vorgaben des Bebauungsplanes halten. Sein Nutzungsrecht wird dadurch empfindlich eingeschränkt. Dennoch muss er diese Beschränkungen in aller Regel entschädigungslos hinnehmen, weil sie lediglich Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmen und dem übergeordneten Gemeinwohl dienen[14]. Der Eigentümer muss deshalb auch eine erforderliche Veränderungssperre bis zu mehreren Jahren entschädigungslos hinnehmen[15].

Selbst die Umlegung von Grundstücken nach dem BauGB oder dem Flurbereinigungsgesetz ist noch keine Enteignung, wenn der Eigentümer in vollem Umfang mit Land entschädigt wird[16].

Obwohl Streitigkeiten aus dem BauGB öffentlichrechtliche Streitigkeiten sind, gehören sie nicht vor das Verwaltungsgericht, sondern nach §§ 217, 219, 220 BauGB vor die Baulandkammer des Landgerichts, die freilich mit Zivil- und Verwaltungsrichtern besetzt ist.

Das öffentliche Bauordnungsrecht ist Landesrecht und seiner Materie nach Polizeirecht, das zum Schutze von Leib und Leben für statische Sicherheit und Feuerschutz des Bauvorhabens sorgt. Auch diese Bestimmungen regeln nur den Inhalt und die Schranken des Eigentums[17].

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Beispiele

Inhalt und Schranken des Eigentums im Dienste des Gemeinwohls bestimmen auch:


- die Notwendigkeit einer behördlichen Genehmigung für die Veräußerung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke nach § 9 GrdstVG (BVerfG NJW 67, 619; 69, 1475: Versagung aber nur, wenn die Agrarstruktur nachteilig verändert würde);
- die Unterstellung eines Gebäudes unter Denkmalschutz, soweit sie den Eigentümer nicht unverhältnismäßig belastet (BVerfG NJW 99, 2877; BGH 72, 211; 99, 24; 110, 12; NJW 88, 3201; ferner Stüer/Thorand NJW 2000, 3737: auch zum Naturschutz);
- die Schaffung eines Landschafts- oder Naturschutzgebietes mit Baubeschränkungen und -verboten (BGH LM Art. 14 GG Nr. 60; BVerwG DÖV 76, 204) oder eines Wasserschutzgebiets mit Bauverbot (BGH 60, 145);
- das Verbot des Waldschutzgesetzes, Wald in landwirtschaftliche Nutzung zu überführen (BVerwG MDR 69, 332);
- die Einführung eines Anschluss- und Benutzungszwangs für Wasser, Abwasser und Müllabfuhr durch Gemeindesatzung (BGH 40, 355; 54, 293; BVerwG MDR 60, 435; DÖV 69, 431);
- die Zustandshaftung des Eigentümers für die Beseitigung von Altlasten durch Sanierung des Grundstücks (BVerfG NJW 2000, 2573: auch zu den Grenzen der Zumutbarkeit);
- die Duldung von Erdkabeln und Fernmeldemasten nach § 76 Telekommunikationsgesetz (BVerfG NJW 2000, 798; 2003, 196; BGH NJW 2002, 678);
- die Verkürzung der Nutzungsdauer für Erdbegräbnisse und die Einführung von Gebühren für eine Verlängerung der Nutzungsdauer (BGH 25, 200; BVerwG MDR 74, 961);
- die Herabsetzung des Pachtzinses für Kleingärten (BGH 100, 136; 108, 147);
- der soziale Schutz des Wohnungsmieters vor einer ordentlichen Kündigung nach § 573 (BVerfG NJW 85, 2633) und vor einer Mietzinserhöhung nach § 558 (BVerfG NJW 86, 1669);
- die Beschlagnahme eines PKW als Beweismittel nach § 94 StPO (BGH 100, 335);
- die Tötung tollwütiger Hunde nach dem Viehseuchengesetz (BVerfG 20, 351; BGH 43, 196).