Gereimtheiten und andere Gemeinheiten

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Essen ist Leben

Steh’ ich am Gemüsestand

mit dem Körbchen in der Hand,

guck’ ich dann ins Kühlregal

oder in die Fleischauswahl,

fallen mich Visionen an,

die ich nicht mehr bremsen kann.

Ist da nicht im Schinkenspeck

so ein schwärzlich grauer Fleck?

Liegt dort auf dem Emmentaler

nicht ein grüner anormaler

Schimmer? Und der Blumenkohl

ist doch bläulich. Vitriol?

Oder Blei? Wie dort im Lauch?

In den Frühlingszwiebeln auch?

EHEC selbst in Gentomaten?

Fadenwürmer in Salaten?

Kriechen bis ins Rückenmark?

Und im Joghurt und im Quark

Schimmelpilze, die mit Sporen

sich in meine Lunge bohren?

In der Butter nur Hormone?

Und das Brot ist auch nicht ohne?

Droh’n, wenn ich Makrelen esse,

mir nicht überall Abszesse?

Hat man kürzlich irgendwo

nicht gewarnt? Im Radio?

In der Zeitung? Nein, genau,

kam ja in der Tagesschau.

Und danach, da sah ich doch

diesen tollen Fernsehkoch,

der das Riesen-Schnitzel briet …

Himmel, krieg’ ich Appetit.

Richtig Hunger. Und rasant

treibt es mich zum Bratwurststand:

»Currywurst mit Pommes Schranke,

extra scharf!« »Zweifuffzig.« »Danke!«

Steht der Tod auch schon daneben,

diese Wurst ist noch das Leben.

Schnäppchen

Verwundert steh’ ich wieder mal

im Supermarkt vorm Kühlregal.

Die Milch, die Butter und der Quark …

schon wieder teurer. Das ist stark!

Auch Feta, Joghurt, Ziegenbrie …

So teuer waren die noch nie.

Dann guck’ ich zum Gemüsestand:

Die Gurken? Ist ja allerhand.

Und der Salat? Und selbst der Lauch

kaum noch bezahlbar. Ja, und auch

das Obst. Die Äpfel. Ein Pfund Trauben

fünf EURO achtzig. Kaum zu glauben.

Doch halt, dort bei den Bäckerwaren

ein Riesenschild: »Wir helfen sparen!«

Als ich voll Hoffnung hin zum Brot guck’,

liegt da beim Roggenbrot ein Notebook.

Der Deckel reckt stolz in die Luft sich,

»Top-Angebot!! Zehn EURO fuffzig.«

Ein Stückchen weiter bei den Fischen

seh’ ich ein Handy mitten zwischen

dem Rotbarsch und dem Lachsfilet.

Und wie ich so verwundert steh’,

sagt mir die netzbemützte Frau:

»Heut’ billiger als Kabeljau!«

Da bin ich gar nicht mehr erstaunt,

als dann der Schlachter gutgelaunt

und während er die Jagdwurst häutet,

auf seine Fleischauslagen deutet:

»Statt Steaks und diesem Braten da

empfehl’ ich hier die Kamera.

Ist günstiger als Schweinebauch.

Und Garantie gibt’s dafür auch.«

Da hab ich ohne viel zu fragen

rasch schnäppchenmäßig zugeschlagen

und futtere die nächste Zeit

Flatrates mit Zoom, 1 Gigabyte.

Energiesparlampen

Wie kann das Mistding runterfallen?

Und platzen? Was jetzt? Los! Fix fix!

In allen Zimmern – ja, in allen! –

reiß’ ich die Fenster auf. Dann nix

wie in die Küche … und ich greife

die Gummihandschuh’ vom Regal.

Und während ich sie überstreife …

Wo ist der Mundschutz? Scheißegal …

Jetzt erst mal in den Keller runter:

Die Heizung aus! Verdammt, da stoß’

ich mir den Kopf. Halt! Dackel Gunther …

und Kater Fritz, wo sind die bloß?

Die muss ich doch evakuieren.

Miez, Miez. Los! Raus, du blöder Hund!

So, jetzt das Unglück inspizieren

mit einem Wollschal vor dem Mund.

Da liegt das Zeug. Erst mal mit Besen

und Kehrblech. Vorsichtig! Den Rest

per Hand noch in den Beutel lesen,

der luftdicht sich verschließen lässt.

Jetzt noch die Handschuhe entsorgen.

Auch luftdicht. Und den schönen Schal.

Kann ich das Zimmer wohl schon morgen

betreten? Soll ich erst einmal

heut’ Nacht auf der Terrasse pennen?

Mein Gott, ich schwitz’ ja wie ein Schwein.

Ja, derart kreislauffördernd können

die Energiesparlampen sein.

Erst mal verschnaufen. Teufel auch,

was für ein Energieverbrauch.

Unter ständiger Kontrolle

Seitdem ich mir per Internet

preiswert ein neues Daunenbett

bestellt hab’, plus zwei Daunenkissen,

da lassen sie’s mich täglich wissen

in Emails: die diversen Damen

mit wilden Körpern, sanften Namen,

dass sie in meinen Daunenrollen

preisgünstig mit mir kuscheln wollen.

Oder: ich hab’ für wenig Geld

vier Sommerreifen mir bestellt

bei ebay. Und seitdem erwarten

zu unbegrenzten Probefahrten

mich Autohändler, und zwar täglich.

Und seit ich kürzlich den unsäglich

preiswerten Wein im Netz geordert,

werd’ ich andauernd aufgefordert,

dass ich Regale, Sektverschlüsse

und edle Gläser kaufen müsse.

Auch Kopfschmerzmittel für die Dröhnung

und Wunderpillen zur Entwöhnung.

Ich hatte meinen Nachbarn Pracht

vor kurzem unsanft angemacht.

Prompt fand’ ich auf den Emailseiten

ein Buch zu Nachbarstreitigkeiten.

Und als ich mich entschuldigt hab’

und seiner Frau zwei Küsse gab,

ganz kleine, wird mir jetzt seit Tagen

preiswert Viagra angetragen.

Von der Natur

Die Ballade vom Sonnensammler

Nein, die Geschichte glaubt mir keiner:

Die wilde Sammelleidenschaft

hat meinen besten Freund, den Rainer,

betört, verstört, dahingerafft.

Der Rainer sammelte ekstatisch

und systematisch überdies

die Sonne. War er so fanatisch

nur, weil er Rainer Dunkel hieß?

Ich weiß nur dieses: Seine Ohren,

die Augen, Arme, selbst sein Herz,

die drehten sich als Kollektoren

bei jedem Wetter sonnenwärts.

Er raffte Sonne, wo sie vorkam,

ob groß, ob klein, ob leicht, ob schwer.

Was ihm ins Auge fiel, ins Ohr kam,

wo Sonne war, da war auch er.

Wenn er Gehalt bekam, dann sparte

er es auf einer Sonnenbank.

Zum großen Teil. Denn er verwahrte

manch’ Sonnenschein im Küchenschrank.

Wo andre Brand auf Bier verspüren,

verspürte er nur Sonnenbrand.

Er trank, statt Wein zu konsumieren,

nur Sonnenmilch am Sonnenstand.

Statt Treppen reichte ihm im Hause

schon längst ein Sonnenaufgang nur.

Statt Brot aß in der Frühstückspause

er eine Sonnenscheibe pur.

Auch hat er seine zwei Toiletten

mit Sonnenbrillen ausstaffiert.

Und schließlich, darauf könnt’ ich wetten,

noch Werner Sonne adoptiert.

Vor Wochen hab’ ich ihn gesehen

am Fluss, im Boot, er rief mir zu:

»Ich will die Sonne selbst begehen.

Ich segle hin … zum Rendezvous.«

Dann setzte er die Sonnensegel.

Die Sonnenwende … lupenrein.

Sein Sonnenhut … ein winz’ger Kegel.

Dann war er weg. Wo mag er sein?

Ich denke, er ist ungebeten,

in dieser Liebe ungeübt,

der Sonne doch zu nah getreten.

Und sie hat ihn dann heiß geliebt.

Die ultimative Party

Für Eyjafjallajökull waren

die Zeiten als Vulkan nicht toll.

Sodbrennen quälte ihn seit Jahren.

Nun hatte er den Krater voll.

Er rülpste dreimal, viermal deftig

und dann noch mal … und dann noch mehr

und blickte – lachte dabei kräftig –

der Aschewolke hinterher.

Die sah’n auch andere Vulkane:

Ätna, Majon … Der Krakatau

blies eine kleine graue Fahne

von Rauch als Botschaft in das Blau:

»Wir rülpsen morgen um die Wette!«

Das war ein Fest. Und nicht zu knapp

quoll Asche, dicke, graue, fette

und deckte hundert Städte ab.

Das hörten die tekton’schen Platten

in Asien, Südamerika,

die lange brav geschlafen hatten

in ihren Wasserbetten da.

Die räkelten sich beim Erwachen.

Die Erde bebte kurz, und dann …

dann fragten sie mit munt’rem Krachen

bei ihren Ozeanen an:

Ob man vielleicht gemeinsam spielen …

Ein paar Tsunamis … Wär’ doch nett,

wenn von dem Festland, diesem vielen,

man endlich etwas wen’ger hätt’.

»Toll!«, donnerten die Ozeane

und hüpften fröhlich, machten keck

zur Probe Brecher, ganz spontane.

Die spülten zwei, drei Städte weg.

Zufällig sah’n das zwei Taifune.

Die lagen friedlich bei Hawaii

und fragten gleich mal zwei Monsune:

»Ne Party! Seid ihr mit dabei?«

Auch vier Orkane riefen: »Prima!«

Und bliesen lachend vor sich her:

»Das wird ein Spaß!« Paris und Lima,

Stockholm und Boston gab’s nicht mehr.

Die Party selbst, die Riesensause?

Wir waren nicht dabei. Wie dumm.

Die Erde? Klar, die war zu Hause.

Doch schweigt sie, lächelt, dreht sich um.

Von der Politik

Die Moritat vom treuen Staatsdiener

 

In letzten Jahr war’s, im späten August,

der Sommer zeigte sich schwach auf der Brust.

Doch im Reichstag war nach ruhiger Nacht

der Plenarsaal frisch aus dem Schlaf erwacht

und freute sich nach der Sommerpause

auf den ersten Sitzungstag im hohen Hause.

Ein Saaldiener putzte g’rad’ Staub aus den Ecken,

da fand er etwas, das ließ ihn erschrecken.

Denn da saß auf dem Platz vierhundertundneun

ein Abgeordneter. Wie kann das sein?

Es war doch erst sechs. Er schaute kurz nach:

Ernst Betz (CDU) aus Maria Laach.

Der saß da ganz ruhig, etwas schiefgewichtig,

die Hände gefaltet und schlief offensichtlich.

Doch da! Als der Diener ihn sanft gepackt

an der Schulter, da ist er nach vorne gesackt

auf den Berg von Papieren, die vor ihm lagen.

Und dann war es klar – wie soll ich es sagen –

Ernst Betz war verstorben – welch graus’ge Enthüllung –

war verschieden im Akte der Pflichterfüllung.

Und man stellte fest, das ist das Absurde,

dass er nicht etwa vergessen wurde

beim plötzlichen Aufbruch zur Sommerpause.

Nein, man rechnet, er habe dem Hohen Hause

zwei Jahre als Toter schon beigesessen.

Welch würdiges Ende. Denn er nahm unterdessen

– zwar wortkarg, doch immerhin äußerlich heil –

geduldig an allen Sitzungen teil.

Und das sei – so hat Frau Merkel erklärt –

ein stolzer Rekord, echt bewundernswert.

Da zeige sich klar: (wenn sie das schon lese)

Politikverdrossenheit? Alles nur Käse!

Erschütterung bei der Parteifreundin Maas,

die ahnungslos neben dem Schweigsamen saß.

Sie gab an, sie hätt’ seit geraumer Frist

zwar die Zwischenrufe des Parteifreunds vermisst.

Doch sei’s ja nach Kohl ziemlich ruhig gewesen.

Und sie sei seit zwei Jahren Oma – in Seesen.

Und die Abstimmungen? Sehn Sie, bei dem Ritual

sind doch Stimmenthaltungen völlig normal.

Zwar hätte sie sich bei der Haushaltsdebatte,

als man jede Stimme so nötig hatte

und Betz sich enthielt, schon gefragt, wieso?

Doch das sei jetzt geklärt, und das mache sie froh.

Ob nicht der Geruch …? Man müsse das fragen …

Ja schon, doch sie hätte – wie soll man das sagen? –

dem wenig Bedeutung beigemessen:

Der Friedrich Merz hätt’ ja vor ihr gesessen.

Und man weiß ja, dass der sich wenig bewegt

und in der Kantine den Fisch nicht verträgt.

Aber sonst? »Furchtbar traurig«, sagte sie leis’,

»dass man doch so wenig vom Anderen weiß.

Zumal, wenn der von der gleichen Partei ist.

Der Grund sei, dass man so wenig frei ist

für menschliche Nähe in diesem Betrieb.«

Aber wie gesagt: ihr Enkel, ganz lieb.

Fazit: Seitdem man die Leiche entdeckt,

ist das Parlament richtig aufgeschreckt.

SPD-Chef Gabriel – als das geschah –

hat rasch durchzählen lassen: War’n alle noch da!

Und die Grünen riefen die Crew voller Eile

zum Morgenappell vor der Siegessäule.

Als Einzige fehlte die Claudia Roth:

lag danieder in großer Gewissensnot.

Lieber rot als tot? Das ärgert sie grün.

Die CSU will Konsequenzen zieh’n:

Alle singen, weil so was ja täglich droht,

jeden Morgen die Hymne. Wer nicht aufsteht, ist tot.

Die CDU dagegen reagierte ganz knapp

und lehnte jede Verantwortung ab.

»Wir sind froh«, ließ Frau Merkel Reporter abblitzen,

»wenn überhaupt noch ein paar im Plenarsaal sitzen.

In welchem Zustand, ich bitte Sie,

ist das denn so wichtig? Das war es doch nie.«

Im Übrigen, wenn man nicht sicher sei:

So ein Hammelsprung trenne ja Weizen und Spreu.

Naja, die Moral ist – ich sag sie mal eben –:

Wer Hymnen singt

und wie’n Hammel springt,

kann als Staatsdiener morgen noch leben.

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