Der Reisebericht des Hieronymus Münzer

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Über die Entfernung AlmeríasAlmería, Ort zu AfrikaAfrika, L. und zur Berberei

Almeria ist 25 Meilen von der Stadt OránOran, Ort im Reich der Berber entfernt. Gegen Osten liegt ein größeres Vorgebirge in etwa 8 Meilen Distanz, das Cabo de GataCabo de Gata, L.. Von da aus kann man an einem klaren Tag die afrikanischen Berge sehen. Dieses Vorgebirge liegt etwa 20 Meilen von der Berberei; bei gutem Wind segelt man in 12, 16 oder 20 Stunden bis nach Orán. TremesinTlemcen, Ort liegt auf dem afrikanischen Kontinent 30 Meilen von Orán entfernt und ist größer als ValenciaValencia, Ort. Wir sahen im Hafen von AlmeríaAlmería, Ort ein Schiff, das mit Feigen, Bohnen, Reis und anderen Lebensmitteln beladen war und nach Orán in See stechen sollte. Weil es dort drei Jahre lang nicht geregnet hatte, herrschte eine so große Hungersnot in AfrikaAfrika, L., wie man sie kaum beschreiben kann. In jenen Tagen hatte auch ein Genuese heimlich ein Getreideschiff von AndalusienAndalusien, L. nach TunisTunis, Ort gesteuert. Dort kaufte er mit großem Gewinn Seide und brachte 300 SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) von Tunis nach GranadaGranada, Ort. Diese drängte er, für ein Jahr in SpanienSpanien, L. zu bleiben1, und nahm von jedem von ihnen eine Dobla für die Überfahrt ein2.

Über die neuerbauten Klöster

Drei Klöster gibt es inzwischen dort1. Der König gewährte ihnen in der Stadt einen sehr schönen Ort mit Häusern der Heiden, großen und schönen Gärten, mit Aquädukten, Wasserläufen und Kanälen im Stile der SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime). Der größte Teil aller dieser Häuser besitzt Brunnen oder Wasserläufe mit oberen und unteren Läufen sowie gutem Wasser, mit Wasserbecken aus Stein, Gips oder anderen Materialien, um das Wasser aufzubewahren. Die Sarazenen sind nämlich sehr erfinderisch in der Anlage von Aquädukten.

Sehr gut gebaut sind die Häuser des PredigerAlmería, OrtSan Domingo y la Santissima Trinidad, Kl.- und MinoritenordensAlmería, OrtSan Francisco, Kl. des heiligen FranziskusFranz von Assisi(† 1226), Hl., Ordensgründer. Die Mönche führen ein zölibatäres Leben. Ihre Frömmigkeit sagte uns ausgesprochen zu.

Über den Bananenbaum

Am 19. Oktober, dem Tag des heiligen LukasLukas († um 80), Hl.1, betraten wir das Kloster des PredigerordensAlmería, OrtSan Domingo y la Santissima Trinidad, Kl.2. Sie waren sechs Brüder. Der König gab ihnen, wie ich schon sagte, ein hervorragendes Kloster, einen Ort mit wertvollen und ausgedehnten Gärten, mit vielen Palmen und Dattelpalmen. Die Anlage gehörte früher den reichsten SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) und genügt zu ihrem Lebensunterhalt. Außerdem verfügen sie über reichlich fließendes Wasser.

Als wir in das Kloster der FranziskanerAlmería, OrtSan Francisco, Kl.3 hineingingen, bemerkten wir, dass sie einen noch besseren, wenn auch nicht so ausgedehnten Platz erhalten hatten, ebenso mit vorzüglichem Wasser, das aus einer Röhre rann. In einem ihrer Gärtchen sahen wir jenen berühmten Baum aus Ägypten, der Bananen4 trägt. Es waren fünf oder 6 Bäume, einer von ihnen war 5 oder 6 Ellen lang, so dick etwa wie mein Bein unterhalb des Knies. Die Bäume haben sehr große Blätter, die etwa zwei Fuß oder mehr breit und zehn oder zwölf Fuß lang sind. Die Frucht wächst als Dolde, wie beim Rizinus, dem Fünffingerkraut und der Weintraube. Die Früchte sind groß und lang wie Gurken. Auf einer Dolde gibt es 30, 40 oder 50 Früchte, und wenn man sie mit einem Messer teilt, erscheint überall ein Kreuzeszeichen5. Wenn sie reif ist, ist die Frucht mild wie die Feige, aber dort reift sie nicht so gut wie in ÄgyptenÄgypten, L. oder in AfrikaAfrika, L.. Wir sahen auch in zwei anderen Häusern noch weitere Bäume dieser Art mit ihren doldenartigen Früchten. Ich glaube, dass sie eher zur Zierde als zur Nutzung gepflanzt werden, weil, wie ich bereits sagte, die Früchte nicht so gut reifen wie zum Beispiel die Datteln. Hätte ich es nicht mit meinen eigenen Augen gesehen, hätte ich nicht geglaubt, dass dieser Baum sogar in Europa wächst. Aber weil die Gegend sehr warm ist und nahe bei Afrika liegt, würden die Leute dort sehr schlecht leben, wenn das Wasser nicht aus den Quellen und Flüssen über Kanäle an die verschiedensten Orte geführt würde. Zwei Jahre lang gab es kaum Regen, aber schon vom siebten bis zum zehnten Oktober hatten ValenciaValencia, Ort, die Küste von GranadaGranada, Ort, KatalonienKatalonien, L. und KastilienKastilien, L. ertragreiche Niederschläge, für die sie Gott unendlich dankten. Oh, wie schön waren wohl erst diese Gärten zur Herrschaftszeit der SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime), die sehr begabt sind, um Gärten anzulegen, Früchte zu pflanzen und Aquädukte zu bauen. Wenn man dies nicht selbst sieht, ist es schwer zu glauben.

Am selben Tag verließen wir AlmeríaAlmería, Ort nach dem Mittagessen und sahen vor der Stadt eine hohe gemauerte Säule, an der 6 Christen aus Italien,Italien, L. die der Sodomie überführt worden waren, an den Füßen hingen. Zuerst hatten sie diese am Hals aufgehängt, wie wir es zu tun pflegen, dann jedoch an den Füßen. Vor dem Urteil schnitten sie ihnen die Geschlechtsteile ab und befestigten sie am Hals, denn die Spanier verachten dieses Laster sehr und bestrafen es äußerst hart6; dies zu Recht, denn es ist gegen die Natur und tierisch. Wir folgten einem sehr fruchtbaren Tal, und nach 5 Meilen schlugen wir das Nachtlager auf.

Am 20. Oktober brachen wir drei Stunden vor Sonnenaufgang auf, stiegen kontinuierlich 7 Meilen lang bei hellem Mondschein einige sehr unwegsame Berge hinan, und kamen schließlich zu einer schönen Burg, die FiñanaFiñana, Ort genannt wird. Dort führte uns der Kastellan, der aus der BiskayaBiskaya, L. stammte und sehr höflich war, zu den Befestigungen und zeigte uns einen äußerst schönen Straußenvogel mit üppigem grauem Gefieder. Ebenso präsentierte er uns einen weißen Bären, mit dem er die großen Hunde spanischer Rasse spielen ließ, um uns zu unterhalten. Er bat uns, 2 Tage zu bleiben, damit er für uns eine Wildschweinjagd organisiere, denn Wildschweine gibt es dort in den hohen Bergen in großer Anzahl, vor allem westlich des dortigen Schlosses. Er zeigte uns das große Geweih einer Bergziege, die man in der Volkssprache „Steinbock“ nennt und die er in jenen Bergen erjagt hatte; er erläuterte uns auch die Fenster der Mauren, die alle mit großen Fellen von Wildschweinen geschmückt waren.

Nachdem wir mit Essen und kaltem Getränk über die Maßen gestärkt worden waren, ritten wir durch eine unfruchtbare Ebene, etwa 4 Meilen lang, und kamen spät zu vorgerückter Nacht in die Stadt GuadixGuadix, Ort. Wir besichtigten sie früh am nächsten Morgen.

Über die Stadt GuadixGuadix, Ort im Reich GranadaGranada, Ort

Die Stadt GuadixGuadix, Ort liegt in einer schönen Ebene, in der Nähe eines hübschen königlichen Schlosses, das sich auf einem anliegenden Hügel befindet1. Ich glaube, dass die Stadt im Umfang etwa NördlingenNördlingen, Ort in SchwabenSchwaben, L. entspricht.

Nachdem die SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) aus GuadixGuadix, Ort vertrieben worden waren2, leben dort nur noch Christen. Es entstanden zwei sehr schöne Klöster vom Orden des heiligen FranziskusGuadix, OrtFranziskanerkl.Franz von Assisi(† 1226), Hl., Ordensgründer und von den PredigernGuadix, OrtDominikanerkl.3 sowie weitere. Die dortige, ziemlich schöne MoscheeGuadix, OrtSanta María de la Encarnacíon, K. hat eine hexagonale Form und circa 70 freistehende Säulen, in der Mitte einen schönen überdachten Garten, in dessen Zentrum fließendes Wasser für die üblichen Reinigungen zur Verfügung steht. Die Kirche ist heute der Jungfrau MariaMaria / Maryam, Hl., bibl. Gestalt, Mutter Jesu Christi geweiht4. Sie hat einen Bischof und 12 Kanoniker, die von den Einkünften leben, die früher die Moschee zu Zeiten der Sarazenen erhielt. Wir stiegen auf den Turm und sahen uns die Ortslage an, wir erkannten eine große und schöne, fruchtbare Ebene, vor allem, weil kleine Flussläufe diesen üppigen Boden bewässern. Weil Guadix relativ hoch gelegen ist, wachsen dort keine Küstenfrüchte wie Zitronen, Apfelsinen und Oliven, dafür aber gigantische Bäume, so Nuss-, Mandel-, Feigen-, Apfel- und Birnbäume, ähnlich wie man sie in ItalienItalien, L. diesseits des PoPo, Fluß findet5. Wir sahen sogar, dass der Ort von einer geschlossenen Bergkette umgeben war, und erblickten besonders hohe Berge im Südwesten, auf die in jenen Tagen Schnee gefallen war, jedoch war es im Tal noch milder. Dieser Ort gefiel uns sehr gut, er ist recht dicht bevölkert. Die Dörfer (lugarde), welche die Deutschen Villae nennen, sind in der Regel höchstens von Sarazenen bewohnt, die nur karge Mahlzeiten zu sich nehmen und nur Wasser trinken. Der größte Teil des Bodens wird kultiviert, und es wird Ackerbau betrieben. Ein Heide gibt seinem Herrn im Jahr mehr Abgaben als drei Christen. Die Sarazenen sind ehrlich, gerecht und meistens treu, wie du nachher über ihre Sitten hören wirst6.

Am 21. Oktober verließen wir GuadixGuadix, Ort auf schmalen und bergigen Wegen und kamen nach einer Meile an heißen Quellen mit heilsamem und sehr klarem Wasser vorbei. Als wir in die Höhle traten, sahen wir dort viele SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) sich waschen. Ich versuchte das Wasser selbst und befand es für gut, angenehm und wohl temperiert. Der Ort gefiel mir, er war hervorragend angelegt, denn die Sarazenen lieben das BadenBaden, Ort sehr7.

Wir reisten weiter, wie ich schon sagte, und kamen nach drei Meilen zur Burg von La PezaLa Peza, Ort, die auf einem hohen Berg liegt; dort verbrachten wir die Nacht. Alle Bewohner dort waren SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) außer dem Kastellan, unserem Gastgeber, der uns am Fuß des Berges Unterkunft gewährte. Am Morgen setzten wir unseren Weg durch Täler und Berge 6 Meilen lang fort und gelangten schließlich zu der edelsten und größten Stadt des Reiches, die GranadaGranada, Ort heißt.

 

Über GranadaGranada, Ort und die dortige Moschee

Am 22. Oktober betraten wir nach Mittag die glorreiche und sehr große Stadt GranadaGranada, Ort, wir folgten einer breiten Straße, kamen an unzähligen SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) vorbei und wurden schließlich in einer guten Herberge empfangen. Darauf gingen wir zu ihrer HauptmoscheeGranada, Ortal-Gāmiʿ al-Murābitīn, Moschee, später K. San José, die sich von allen anderen abhebt, und konnten sie nur barfuß betreten1. Wegen des Regens war der Boden lehmig. Innen war alles mit feinen Teppichen aus weißen Binsen ausgestattet, ganz ähnlich die Säulen. Die Moschee ist 76 Schritte breit und 113 Schritte lang. Im Zentrum steht ein kleiner Pavillon mit einem Brunnen für Waschungen; es gibt neun Schiffe oder Anordnungen von Säulen: In jedem Schiff sind 13 freistehende Säulen und 14 Bögen, außer bei den Säulen an der Seite der Gärten und der Pavillons. Wir sahen auch viele Lampen brennen und ihre Priester, welche die Horen nach ihrer Art sangen: Man glaubt eher, es sei Heulen als Gesang. In der Tat ist diese MoscheeGranada, Ortal-Gāmiʿ al-Murābitīn, Moschee, später K. San José mit großen Kosten errichtet worden. In der Stadt gibt es viele andere Moscheen, die kleiner sind, es sind mehr als zweihundert. In einer sahen wir, wie sie ihre Gebete verrichteten, indem sie sich beugten und zu einer Kugel krümmten, wie sie die Erde küssten und sich beim Gesang des Priesters an die Brust schlugen, nach ihren Riten bitten sie Gott so um Verzeihung für ihre Sünden2. Wir sahen auch einen äußerst großen Kandelaber, auf dem an ihren Festtagen mehr als hundert Lampen brennen; sie verehren Gott hauptsächlich mit dem Licht und mit dem Element Feuer. Sie glauben, was richtig ist, dass Gott Licht vom Licht ist3 und dass von ihm alles geschaffen wurde. In jener Nacht war vor dem Morgengrauen ein solches Schreien von allen Türmen der Moscheen zu hören, dass man es kaum glauben mag. Was dieses Schreien bedeutet, wirst du später erfahren4. Es gibt weder Bilder noch Skulpturen in ihren Moscheen, was auch im alten mosaischen Gesetz verboten ist5. Wir lassen hingegen Bilder und Gemälde zu, weil sie wie die Schrift für Laien sind. Außerhalb jener Moschee gibt es ein Haus, in dessen Mitte ein 20 Schritte langes Marmorbassin steht. Dort waschen sie sich, bevor sie die Moschee betreten. In der Umgebung gibt es kleine Gebäude mit Wasserläufen für ihre Abtritte und Kloaken. Diese sind in Form eines langen Grabens über der Erde, etwa eine Elle breit und eine Handbreit tief. Darunter fließt Wasser. Sie haben auch eine kleine Rinne zum Urinieren. Alles dies ist sehr sorgfältig und hervorragend konstruiert, so dass es bewundernswert ist. Ebenso befindet sich dort ein vorzüglicher Brunnen mit Trinkwasser.

Über das Schloss Granadas, das AlhambraGranada, OrtAlhambra heißt

Am 23. Oktober gingen wir frühzeitig durch das Tor von ElviraGranada, OrtPuerta de Elvira1, durch das man nach CórdobaCórdoba, Ort gelangt. Auf dem Weg sahen wir den Friedhof der SarazenenAlhambramaqbara Sa ̔d ibn Mālik, Friedhof der SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime), der, wie ich glaube, tatsächlich zweimal größer ist als ganz NürnbergNürnberg, Ort, dies bewunderte ich sehr. Mir sagte Johannes aus SpeyerJohannes (aus Speyer) dt. Drucker2, ein vertrauenswürdiger Mann, dass jeder Sarazene in einem neuen und eigenen Grab beigesetzt wird. Sie bauen die Grabmäler mit vier steinernen Tafeln, so klein, dass kaum ein Leichnam hineingeht. Es wird mit Steintafeln gearbeitet, damit das Erdreich den Leichnam nicht berührt. Erst später geben sie Erde auf das Grab3. Unterwegs kamen wir am neuen Kloster des Ordens des heiligen HieronymusGranada, OrtNuestra Senora de la Concepción, Kl. vorbei, das außerhalb der Mauern liegt und das sie vor zwei Jahren recht kunstvoll aus einer alten und ehrwürdigen Moschee bauten4.

Nach dem Essen gingen wir erneut auf einen sehr hohen Berg zur AlhambraGranada, OrtAlhambra5 hinauf; am Fuße des Berges liegt wiederum ein großer FriedhofGranada, OrtMaqbarat al-Sabīka, Friedhof, sechsmal größer als der Marktplatz von NürnbergNürnberg, Ort6. Nachdem wir ein weiteres Stück hinaufgegangen waren, betraten wir zuerst den Ort, der Kerker der gefangenen Christen war. Es ist ein großes Gelände, von einer Mauer umgeben, wie bei der LorenzkircheNürnberg, OrtSt. Lorenz, K. (in NürnbergNürnberg, Ort), es gibt dort vierzehn tiefe Höhlen, die oben sehr eng sind und nur eine einzige Öffnung besitzen. Sie sind sehr tief und in den Felsen eingeschnitten. In einer dieser Höhlen wurden 100 oder zweihundert Gefangene eingesperrt. Alle, die im Kerker starben, wurden herausgezogen und anschließend in der Erde begraben7. Manchmal gab es an diesem Ort und in den Häusern der SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) in der Stadt siebentausend gefangene Christen, aber in Zeiten der Belagerung starben so viele an Hunger, dass nur wenige übrigblieben, als GranadaGranada, Ort erobert wurde. Nur fünfzehnhundert überlebten, sie wurden dem König vorgestellt, als dieser siegreich in Granada einzog8. Es war für uns ein trauriger Anblick, dieses schreckliche Monument der (gefangenen) Christen zu sehen. Sie waren sogar dazu gezwungen, Fleisch von toten Pferden, Eseln und Maultieren zu essen. Unter den Gefangenen gab es einen gewissen Priester, der mir viele traurige Geschichten erzählte. Er war mit dem Leben davongekommen, und der König machte ihn zum Kanoniker, er war ein guter und gottesfürchtiger Mann.

Wir gingen schließlich in die Befestigungsanlagen durch viele Eisentüren hinein, an vielen Wachleuten und offiziellen Gebäuden vorbei, bis wir zum vorzüglichen und edlen Palast des Kastellans gelangten. Dessen Name ist Iñigo LopezLópez de Mendoza y Quiñones, Iñigo, Gf. von Tendilla (1479–1515), Generalgouverneur von Granada, er stammt aus dem Haus der MendozaMendoza, Kastilisches Geschlecht aus KastilienKastilien, L., ist Graf von TendillaTendilla, Ort und Kastellan von GranadaGranada, Ort9. Als er das Empfehlungsschreiben des Kastellans von AlmeríaAlmería, Ort gelesen hatte10, empfing er uns mit außerordentlichen Ehren. Nachdem ich zunächst eine kleine Rede auf lateinisch vorgetragen hatte, die er bestens verstand, denn er war sehr gelehrt, und nachdem er mir unmittelbar geantwortet hatte, setzte er uns auf Seidenteppiche und ließ Konfekt und andere Dinge herbeibringen. Nach dieser Stärkung führte er uns mit einer beeindruckenden Begleitung an Rittern selbst zur königlichen Burg. Wir sahen dort Paläste, die aus strahlend weißem Marmor gefertigt waren, schönste Gärten, geschmückt mit Zitronen- und Myrtenbäumen, mit Wasserbecken und Sitzbegrenzungen aus Marmor, ebenso vier große reich gefüllte Waffenkammern mit Lanzen, Wurfgeschossen, Schwertern, Brustharnischen, Pfeilen und anderen Sachen, edelste Schlafgemächer und Zimmer. In jedem Palast sind sehr große Schalen aus schneeweißem Marmor, viel größer als die beim heiligen AugustinusAurelius Augustinus Hl., Kirchenvater, Bf. von Hippo (395–430)11, alle voll mit fließendem Wasser, ein wunderschönes Bad mit einer phantastischen Decke und außerhalb des Bades Schlafgemächer, zahlreiche so hohe Säulen aus Marmor, dass es nichts Schöneres gibt, schließlich im Zentrum eines Palastes ein großes Marmorgefäß, das auf dreizehn Löwen ruht, die ebenso aus weißestem Marmor gearbeitet sind. Aus jedem ihrer Mäuler fließt Wasser wie aus einem Kanal. Es gab verschiedene Marmortafeln, 15 Fuß lang und 7 oder 8 Fuß breit und ebenso viele quadratische Tafeln von 10 oder 11 Fuß. Etwas Ähnliches existiert, wie ich glaube, in ganz Europa nicht. Alles dies ist so herrlich, so wunderbar und aus so verschiedenen Materialien gebaut, dass man sich im Paradies wähnt. Ich kann nicht alles aufzählen. Der Graf begleitete uns die ganze Zeit persönlich und erklärte uns selbst alle Einzelheiten.

In einem Baderaum gab es ein schönes Marmorbassin, wo die Frauen und Konkubinen nackt badeten. Der König jedoch konnte sie von einem Ort mit Jalousien aus, in einem höheren Stock gelegen, den wir besichtigten, betrachten, und derjenigen, die ihm am besten gefiel, warf er von oben herab einen Apfel zu. Dies war ein Zeichen, dass er in dieser Nacht mit ihr schlafen wollte12.

Ich fragte den Kastellan nach dem Zeichen des Königs, ob er auch einen Granatapfel als Wappen habe und ob dieses an irgendeiner Stelle abgebildet sei. Er antwortete, dass der König kein Emblem habe, nur einen Schild in jener Form, in dessen Mitte in arabischen Buchstaben geschrieben war: „Bile gallila“, was heißt: „Kein Sieger außer Gott“, oder nur: „Gott ist allmächtig“13. Dieses Emblem ist in hellblauer Farbe gemalt und an verschiedenen Stellen angebracht.

Alle Palasträume werden durch die Wasserkanäle geziert, die kunstvoll an die verschiedensten Orte gelenkt werden, dass es nichts Bewundernswerteres gibt. Von einem sehr hohen Berg wird das fließende Wasser durch einen Graben geleitet und im ganzen Palastbereich verteilt.

Abb. 2:

Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 140r

Auf die Frage nach dem Wappenschild der spanischen Könige verwies man Münzer darauf, dass dieses angeblich arabische Schriftzüge trage; in der Zeichnung der Handschrift steht neben dem Schild „bile gallila“, was lautmalerisch den Gebetsruf der Muslime nachempfindet.

So führte uns der Graf, ein Adeliger, als wir den Palast des KönigsAlhambraDar al-Horra, Palast verließen, zu einer neuen quadratischen Zisterne, so groß wie die SebalduskircheNürnberg, OrtSt. Sebald, K. (in Nürnberg)Nürnberg, Ort, die er für zehntausend Dukaten im selben Jahre hatte bauen lassen. Es ist ein phantastisches Werk, das seinesgleichen sucht. Alle Paläste und Säle im oberen Teil haben wunderschöne Wölbungen und Dächer, die aus Gold, Lapislazuli, Elfenbein, Zypressenholz und verschiedenen anderen Materialien gefertigt worden sind; man kann es weder aufschreiben noch erzählen. Es gibt allein im SchlossGranada, OrtAlhambra fünfhundert Ritter mit ihren wunderschönen Pferden, die „jinetes“ heißen14. Sie kämpfen unter dem Grafen und leisten ihm Gefolgschaft. Wir stiegen auf zwei sehr hohe Türme und betrachteten die Lage der Stadt; wie uns der Graf versicherte, konnten wir kaum die Hälfte der Stadt sehen. Ich glaube, es gibt keine größere Stadt, weder in ganz Europa noch in AfrikaAfrika, L.. Wir sahen unterhalb des Schlosses gegen Süden ein anderes Kastell, das sehr stark befestigt, aber noch nicht ganz vollendet war. Ebenso liegt ein weiteres Schloss beim Südtor zwischen zwei Mauern mit einem Weg.15 So kann der König, auch wenn es die SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) nicht wollen, die Stadt verlassen und die AlhambraGranada, OrtAlhambra betreten oder verlassen.

Es gibt zahlreiche SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime), die dort bauen. Ebenso findet man viele, die im SchlossGranada, OrtAlhambra und auf königlichem Grund das wiedererrichten, was zerstört war. Als der König von GranadaGranada, Ort sich dessen bewusst wurde, dass er dem christlichsten König von SpanienSpanien, L. keinen Widerstand mehr leisten konnte, erlaubte er, viele Gebäude zu zerstören. Es gibt viele Lebensmittelgeschäfte und Unterkünfte für Geschützmeister und für andere. Keinem Sarazenen ist es erlaubt, im SchlossGranada, OrtAlhambra zu schlafen, sondern jeder muss in die Stadt hinuntergehen oder zu einer anderen Schlafstatt.

Wir verließen das SchlossGranada, OrtAlhambra nach Sonnenuntergang und kamen schon spät in der Nacht zu unserem Quartier. Dort trafen wir einen edlen Ritter, der auf einem Maultier saß, mit Hafer, Wein, Brot, Hennen und Fasanen. Alles dies hatte der großzügige Graf zu unserem Quartier schicken lassen. Wir konnten diese Großmut nicht erwidern, aber beim König und unseren Fürsten werden wir sie gebührend loben16. Als wir uns von dem Grafen verabschiedeten, erbaten wir eine neue Empfehlung für den Kastellan von MálagaMálaga, Ort und von SevillaSevilla, Ort, die er uns wohlwollend und gern ausstellte. Es gibt auch in der AlhambraGranada, OrtAlhambra eine wunderbare und edle MoscheeAlhambraKathedrale, die heute der seligen JungfrauMaria / Maryam, Hl., bibl. Gestalt, Mutter Jesu Christi MariaMaria / Maryam, Hl., bibl. Gestalt, Mutter Jesu Christi geweiht und Sitz des Erzbischofs ist17. Dort sind 40 Kanoniker und 140 Pfründner, das heißt Vikare, die Pfründen erhalten. Ebenso wurde dort ein Kloster von MinderbrüdernAlhambraSan Francisco de la Alhambra, Kl. des Ordens des heiligen FranziskusFranz von Assisi(† 1226), Hl., Ordensgründer gegründet18. Der König besitzt außerhalb der Mauern der Alhambra auf der Spitze des Berges einen Garten mit Quellen, Wasserbecken und Wasserläufen; dies alles wurde so wunderbar durch die Mauren gebaut, dass es nichts Besseres gibt19.

 

Am 26. Oktober, als wir dort weilten, sahen wir mehrere SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime), die Gemälde und andere Dinge in der ihnen eigenen Art schmückten und restaurierten; wir konnten dort ein wunderbares Schauspiel erleben. Als wir einen anderen, noch höheren Berg hinaufstiegen und die Lage betrachteten, fanden wir eine sehr schöne Ebene mit drei äußerst hohen Türmen, die innen sehr wertvoll, außen jedoch halb zerstört sind; dort veranstalteten die Könige von GranadaGranada, Ort einstmals ihre Spiele20.