Der Reisebericht des Hieronymus Münzer

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Die gesamte Geschichte des heiligen AegidiusAegidius von Saint-Gilles/Egidius aus Athen († 720/26), Hl. geht klar aus VeredemiusVeredemius († um 720), Hl. und FlaviusFlavius, König der Gothen sowie anderen (Schriften) hervor4.

Nachdem wir an diesem Tag das, was man von Saint-GillesSaint-Gilles-du-Gard, Ort gesehen haben muss, betrachtet hatten, machten uns wir uns auf zur großen Burg nach LunelLunel, Burg. Dort ist das Ackerland ausgezeichnet und fruchtbar; und die Glocken erzeugen, wenn sie im Einklang ertönen, eine hervorragende Harmonie.

Am nächsten Morgen erreichten wir nach 4 Meilen MontpellierMontpellier, Ort, eine bekannte Stadt, alt und ehrwürdig. Inmitten einer schönen Ebene erhebt sich pyramidenartig ein Berg, auf ihm und um ihn herum ist Montpellier erbaut worden. Ich glaube, der Ort ist so groß wie NürnbergNürnberg, Ort, und besteht aus uralten Bauwerken. Wir sahen auch eine KapelleMontpellier, OrtNotre-Dame-de-Tabeles, K. der seligen JungfrauMaria / Maryam, Hl., bibl. Gestalt, Mutter Jesu Christi, reich an Wunderwerken, dort brennen am Hauptaltar fortwährend neun silberne Lampen. Später kamen wir zu den Kollegien der Medizin und beider RechteMontpellier, OrtKollegien der Medizin und beider Rechte, welche infolge der drohenden Pestwelle und der dadurch verursachten Abwesenheit der Dozenten und Studenten geschlossen waren. Denn seit Mai (im Juni, Juli und August) sind bereits mehr als 5.000 Menschen an den Folgen der Pest5 gestorben.

Sodann kamen wir zum Kloster Saint-GermainMontpellier, OrtSaint-Germain, Kl., das der apostolische Papst UrbanUrban V., Papst (1362–1370) V. von Grund auf erbauen ließ, es ist so vorzüglich und exquisit ausgestattet, dass man es für den Avignoneser PalastAvignon, OrtPapstpalast halten könnte. Mönche aus dem Benediktinerorden ließen uns unter anderem das Haupt des heiligen BenediktBenedikt von Nursia († um 560), Hl., Mönchsvater, das Haupt des heiligen GermanusGermanus, Hl., Bf. von Paris (um 555–576) und das des BlasiusBlasius († vielleicht um 316), Hl., Bf. von Sebaste sowie unzählige andere Reliquien sehen, diese waren mit Silber, Gold und Gemmen bestückt. Und auch die Tafeln auf dem Hauptaltar sowie unter dem Altar (diese waren ganz fein aus Gold und Silber gefertigt) wurden gezeigt. Außerdem gab es weitere unzählige Schätze, die alle Urban V. dorthin zu bringen verfügt hatte6. Ebenso gibt es die Rechtsbücher Urbans. Weil es so viel ist, kann ich nicht von allem berichten.

Nach dem Mittagessen kamen wir zu einem kleinen Kastell, LupianLoupian, Ort, etwa 5 Meilen von MontpellierMontpellier, Ort entfernt. Wir standen früh auf und gelangten nach 6 Meilen zur alten Stadt BéziersBéziers, Ort. Dort gab es nichts Besonderes zu sehen außer fruchtbarem Land.

Am 16. September kamen wir nach NarbonneNarbonne, Ort, vier Meilen von BéziersBéziers, Ort entfernt; es ist eine sehr alte Stadt. Sie gliedert sich in zwei Stadtteile, die in der Mitte ein schiffbarer Fluss trennt. Und eine imposante Brücke zeichnet sich durch Überdachung und Bögen aus: auf ihr wird viel Handel und Verkauf betrieben. Die Stadt ist nun zunächst ausgesprochen groß und berühmt. Sie ziert eine erhabene Kirche, die dem heiligen Justus geweihtNarbonne, OrtSaint-Just-et-Saint-Pasteur, K. ist. Ebenso ist die Mauer jener Stadt so massiv, so dick, aus gigantischen Steinquadern zusammengesetzt, dass Du meinen könntest, sie sei dem Theater im italienischen VeronaVerona, Ort nachempfunden7. Im anderen Stadtteil, Richtung Westen, gibt es eine vornehme Kirche, die zu Ehren des heiligen Paulus SergiusPaulus (Paulus Sergius) (3. Jh.), Hl.,Narbonne, OrtSaint-Paul-Serge, K. gegründet wurde, dem ersten Bischof von Narbonne, einem Schüler des Apostels PaulusPaulus, († nach 60), Apostel, Hl., von dem er auch getauft wurde8. Es sind in der vorgenannten Kirche Kollegiatkanoniker, die Gott mit ausreichend Ehrfurcht lobpreisen.

II. Von PerpignanPerpignan, Ort bis AlhamaAlhama de Murcia, Ort


Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 110v

Am 17. September kamen wir, nachdem wir 9 Meilen geritten waren, von NarbonneNarbonne, Ort in die edle Stadt PerpignanPerpignan, Ort. Sie liegt am Fuße des PyrenäengebirgesPyrenäen, Gebirge in einer sehr schönen Ebene, die 7 Meilen breit und ebenso lang ist; sie wird im Norden, Osten und Westen von den PyrenäenbergenPyrenäen, Gebirge umgeben, im Süden vom Meer1. Die Ebene wird Grafschaft von RoussillonRoussillon, L. genannt. Dort gibt es Städte, Burgen und Befestigungsanlagen, etwa 100, und die Hauptstadt ist Perpignan. Das edelste Land bringt die verschiedenartigsten Früchte hervor, hauptsächlich den hervorragenden Süßwein, der Muskateller heißt.

Diese Stadt ist meiner Meinung nach genauso bekannt wie UlmUlm, Ort, vor allem wegen seiner Kaufleute und wegen seiner Tuche aus feiner Wolle2. Die edelste unter den übrigen Kirchen ist der Jungfrau MariaPerpignan, OrtSainte-Marie de la Real, K.Maria / Maryam, Hl., bibl. Gestalt, Mutter Jesu Christi geweihtPerpignan, OrtSainte-Marie-de-la-Real, K., sie wurde neu erbaut, ist aber noch nicht vollendet. Niemals habe ich größere Bögen gesehen. Ich glaube, dass ihre Breite derjenigen der SebalduskircheNürnberg, OrtSt. Sebald, K. in NürnbergNürnberg, Ort entspricht, die nur durch einen einzigen Bogen abgeschlossen wird. Wir waren außerhalb der Stadt, in der Nähe der Mauer untergebracht, im Haus eines gewissen Ritters namens Don SigibertSigbert, Ritter, Gastgeber in Perpignan, dessen Haus so großartig war, dass man glauben konnte, es sei ein Kastell oder Palast. Jenseits des Hauses gegen Norden lagen zwei äußerst große und sehr schöne Gärten. Sie waren wie Umgänge und Kreuzgänge der Klöster in DeutschlandDeutschland, L. angelegt. Alle Wandelgänge waren von verschiedenen Arten edelster Rebstöcke umgeben, die Seiten aber mit unterschiedlichen Bäumen umsäumt. Das Quadrat des ersten Gartens maß an einer Seite 232 Schritte, und beim anderen waren es 223. Welch großen Raum diese zwei Gärten einnahmen! Jene Gärtlein waren mit den verschiedensten Arten von Obstbäumen bepflanzt, die in jenen Gegenden zu wachsen pflegen. Im September, der Zeit, als wir dort waren, wuchsen dort viele Granatäpfel, Apfelsinen, Trauben, Feigen, Mandeln, Nüsse, Pfirsiche und unzählige andere Obstsorten. Wahrhaftig, ein aufmerksamer Beobachter könnte sich im Paradies wähnen. Durch einen klug angelegten Aquädukt wurden diese Gärten sehr einfach mit dem Wasser eines vorbeiströmenden Flusses bewässert. Eine Stunde würde nicht genügen, um all diese schönen Dinge aufzuzählen. Niemals haben wir ähnliche Gärten gesehen. Das Gefolge des Ritters versicherte uns, dass alle Fremden, die sich dort aufhielten, noch nie etwas Ähnliches gesehen hätten.

Diese Grafschaft gehört seit 30 Jahren zur Jurisdiktion des Königs von FrankreichLudwig XI., Kg. von Frankreich (1461–1483), der sie als Beute vom König von Aragón erhielt. Aber im Jahr der Eroberung von GranadaGranada, Ort forderte sie der König von SpanienSpanien, L. ein, der französische König gewährte ihm dies gern, und nun ist sie unter spanischer Herrschaft3.

Am 19. September verließen wir PerpignanPerpignan, Ort. Nachdem wir drei Meilen am Fuß der PyrenäenPyrenäen, Gebirge entlanggegangen waren, gelangten wir zu einem Kastell, das den Namen VolonLe Boulou / Volon, Ort (Le Boulou) hat. Wir drangen durch einen sehr unwegsamen und rauen Weg weiter in das Gebirge ein, ließen rechts La GuardiaLaguardia, Ort, eine schöne Befestigung und eine hohe Bergspitze zurück, und nachdem wir die Pässe schließlich überquert hatten, gelangten wir nach KatalonienKatalonien, L., zunächst nach La JunqueraLa Jonquera / La Junquera, Ort und schließlich nach FigueresFigueras, Ort.

Am 20. September, nachdem wir fünf Meilen seit FigueresFigueras, Ort gegangen waren, erreichten wir die alte und edle Stadt, die GironaGirona / Gerona, Ort genannt wird. Sie hat einen Bischofssitz und eine berühmte KathedraleGirona, OrtSant Feliu, K., wo der heilige NarcissusNarcissus († 307), Bf. von Girona, der erste Erzbischof (!), durch Wunder hervorsticht4. Es sind zwei Stadtteile, die ein recht sauberes Flüsschen trennt.

Über die Stadt BarcelonaBarcelona, Ort

Am 21. dieses Monats, nachdem wir seit GironaGirona / Gerona, Ort 14 Meilen gegangen waren, kamen wir zu der edelsten Stadt BarcelonaBarcelona, Ort, die an den Ufern des Balearischen Meeres liegt und die Hauptstadt ganz KataloniensKatalonien, L. ist. Ihre Mauern sind aus behauenen Quadersteinen erbaut. Mit Zinnen, Bollwerken und Türmen ist die hervorragend bewehrte Stadt bis zu den Stränden des Meeres bestens umgeben.

Sie liegt in einem wunderschönen Becken, das im Süden vom Meer begrenzt wird und im Osten, Westen und Norden von einigen fruchtbaren Bergen in der Art eines Halbkreises umgeben ist. Am Ufer des Meeres ist diese ehrwürdigste Stadt BarcelonaBarcelona, Ort erbaut worden. Sie hat, wie ich schon sagte, ein stark befestigtes Mauerwerk, das sie ganz umgibt. Gleichsam in der Mitte, auf einem kleinen Berg, steht die wunderbare und hervorragende Kathedral- und Bischofskirche, die dem Heiligen KreuzBarcelona, OrtKathedrale Santa Cruz y Santa Eulalia gewidmet ist1. Dieser Bau ist außergewöhnlich. Im Umgang gibt es mehr als 20 Altäre mit vergoldeten Altarbildern, eine exzellente Bibliothek und einen Garten mit Apfelsinenbäumen, Zitronenbäumen und Zypressen. Man zeigte uns in dieser Kirche große Schätze. Unter anderen Dingen gibt es dort eine wunderbare Monstranz für den Leib des Herrn, die aus etwa 94 Mark reinen Goldes besteht; sie ist mit so vielen Perlen und wertvollen Steinen verziert, dass man nur staunen kann2. Die Kirche ist ebenso in bewundernswerter Art gebaut. Unter dem Chor liegt die Krypta, wo der Leichnam der Heiligen Jungfrau EulaliaEulalia von Barcelona († 303), Hl. ruht, die von DiokletianG. A. Valerius Diocletianus / Diokletian († 312), röm. Ks. (284–305) mit dem Martyrium ausgezeichnet wurde3. In dieser Krypta leuchten kontinuierlich 20 Lampen. Ich stieg auf den höchsten Turm und betrachtete wie in einem Spiegel die Stadt und ihre Lage. Welch wunderbares Schauspiel! Die Stadt hat innerhalb und außerhalb ihrer Mauern in einem Umkreis von etwa zwei Meilen mehr als 30 Männer- und Frauenklöster, und ich glaube, dass die Stadt zweimal größer als NürnbergNürnberg, Ort ist. Zum größten Teil sind alle Häuser aus Quadersteinen konstruiert. Aber vom Tor des heiligen AntoniusBarcelona, OrtPortal de Sant Antoni bis zum Meer im Westen ist die Stadt voll mit Gärten, Feldern und lieblichsten Anpflanzungen von Granatäpfeln, Zitronen, Nüssen, Apfelsinen, Datteln, Disteln, Pinien, Weinreben, Pfirsichen und anderem. Der Boden ist fruchtbar. Nahe dem Tor des Heiligen EngelsBarcelona, OrtPortal de l’Àngel im Norden steht das Kloster der Minderbrüder, das den Namen zur heiligen Maria JesusBarcelona, OrtSanta María de Jesús, Kl. hat. Oh, welch schöner Bau mit einer ausgewählten Bibliothek, Mönchszellen, weiterhin Gärtlein, Quellen und Bächlein (zur Bewässerung) der verschiedenen Obstbäume.

 

In der Bischofskirche dienen mehr als 44 Kanoniker und ebenso viele Vikare; die Zahl des Klerus’ dieser Kirche beläuft sich auf 200 Personen, die anderen Pfarrkirchen des heiligen JustusBarcelona, OrtSants Just i Pastor / Santos Justo y Pastor, K., von Santa (Maria del) PiBarcelona, OrtSanta Maria del Pi / Santa Maria del Pino, K., von Santa Maria del MarBarcelona, OrtSanta María del Mar / Santa María de las Arenas, K. und so weiter nicht eingerechnet. Ich glaube, dass mehr als 2000 Religiose beiderlei Geschlechtes in der Stadt leben.

Über die Verwaltung der Stadt

Vor vierzig Jahren stand BarcelonaBarcelona, Ort in seiner höchsten Blüte, denn wegen seines Handels wuchs es außergewöhnlich. Aber die Könige von AragónAragón, L. führten beständig Kriege untereinander und verpfändeten nach und nach die königlichen Zinse der ganzen Grafschaft KataloniensKatalonien, L. an die Stadt. Mit der Zeit gelangten so die königlichen Abgaben der Grafschaften von RoussillonRoussillon, L., von GironaGirona / Gerona, Ort, von TortosaTortosa, Ort sowie alle königlichen Rechte in der Stadt Barcelona an die Stadt selber. Die Stadt lebt deshalb nun in höchster Freiheit. Dort beachtet man folgende Verfassung. Man wählt aus der ganzen Grafschaft alle drei Jahre drei Männer: einen aus dem Klerus, einen zweiten aus dem Adel und den dritten aus der Stadtgemeinde. Diese drei versammeln sich jeden Tag in einem großartigen Gebäude, das „Deputat“ heißt, denn das Gebäude ist hierfür bestimmt1. Dort empfangen diese drei die Tribute und das, was ehemals den Königen zustand, und bestimmen über deren Verwendung. Sie haben Kanzleibeamte, die alles ordnungsgemäß aufzeichnen. Es gibt auch andere Tributzahlungen: nicht königlicher Herkunft, sondern von Städten und Ortschaften; über deren Verwendung bestimmt ebenfalls dieser Rat. Es ist schon 44 Jahre her, dass sich das Volk aus Übermut und anderen Leidenschaften gegen die Herren der Stadt erhob2. Vor diesen Revolten flohen die reichsten Bewohner. Seitdem verlagerte sich der Handel in Richtung des großen ValenciaValencia, Ort, dem wichtigsten Handelsplatz SpaniensSpanien, L.. Inzwischen ist BarcelonaBarcelona, Ort fast wie eine tote Stadt, wenn man dies mit seinem früheren Zustand vergleicht3.

Das Haus der KaufleuteBarcelona, OrtLlotja / Lonja

Am Ufer des Meeres erhebt sich ein wunderbares und phantastisch gewölbtes Gebäude, das man als Kirche oder großen Palast ansehen kann. Neben diesem Gebäude gibt es einen sehr schönen Garten mit zehn Reihen von Orangen- und Zitronenbäumen und in der Mitte einen Springbrunnen; an den Seiten sind Sitzplätze aus Quadersteinen. In diesem Haus treffen sich zweimal täglich die Kaufleute, um ihre Geschäfte zu erledigen. Sie haben dem Haus den Namen „La LonjaBarcelona, OrtLlotja / Lonja“ gegeben, das heißt: Versammlungshaus1. Darin finden sich Wechselstellen und Banken, um Geld aufzubewahren, mit großer Voraussicht für die Menschen eingerichtet.

Das Haus des Infanten HeinrichBarcelona, OrtHaus des Infanten Heinrich

Der Infant HeinrichHeinrich von Aragón (†1445), Infant von Aragon, der 1453 in NeapelNeapel, Ort durch den Schuss eines Geschützes starb, hinterließ einen Sohn mit gleichem NamenHeinrich von Aragón und Pimentel († 1522), Infant von Aragón1. König FerdinandFerdinand II., Kg. von Aragón (1479–1516), augenblicklich König SpaniensSpanien, L., und dieser Heinrich sind die Söhne von zwei Brüdern. Der Infant entschloss sich zu einem Leben, das mehr dem Müßiggang und den Vergnügungen als dem Krieg gewidmet war. Er ließ sich beim heiligen FranziskusFranz von Assisi(† 1226), Hl., Ordensgründer ein unvergleichbares Haus bauen, das ausgesprochen edel und üppig ausgestattet ist. Die Höfe sind im gesamten Haus mit verschiedenen Töpfer- und Kachelarbeiten unterschiedlicher Farbe verziert: alle aus reinstem Gold, geschmückt mit verschiedenen Blumen, ebenfalls aus Gold. Welch herausragendes Gebäude! Dort sahen wir eine Gazelle, dieses Lebewesen spendete Moschus. Sie ist größer als der Fuchs; Kopf, Maul und Ohren ähneln einem Wolf; schwärzlich, hell und grau gefleckt hat sie einen Schwanz und Pfoten wie der Hund. Sie ist ein cholerisches und schnell wütend werdendes Tier. Die Gazelle war in einer Holzhütte mit einer Eisenkette angebunden. Ihr Wärter ließ sie mit dem Kopf an der Kette der Hütte festbinden. Er zog sie an den Hinterpfoten heraus und hob den Schwanz, und er zeigte uns am Glied, dass es ein männliches Tier war. Dann ergriff er die großen Hoden und drehte sie um wie man eine Tasche umstülpt. Und beim Drehen der Hoden erschienen zwei Öffnungen in jedem jeweils eine. Er führte dort einen kleinen flachen Löffel aus Glas ein und nahm dreimal die Menge eines duftenden Sekrets heraus, wie ich glaube zwei Drachmen wert, mit der er mir die Hände bestrich, die den durchdringenden Geruch des Moschus einige Tage lang behielten2. Später zeigte uns der Wärter einen Papagei, der so groß war wie eine Dohle oder eine Elster. Er war am ganzen Körper von unterschiedlich gräulichen und weißen Farbtönen, besonders unterhalb des Halses, ähnlich wie die Falken und Sperber in DeutschlandDeutschland, L.. Sein Schwanz hatte etwa die Länge wie der einer Dohle, tiefrot wie Zinnober. Schnabel, Krallen und sein Krächzen entsprachen den Papageien; er ist wirklich einer von ihnen, aber von einer anderen Art als die grünen. Der Wärter zeigte uns auch einige Stare in einem himmlischen Blau. Er sagte, sie würden einige Worte sprechen, obwohl ich dies niemals hörte, während ich dort weilte.

Über das Kloster der Minderbrüder

In der Nähe dieses Hauses beim Meeresstrand steht das große Kloster des FranziskanerordensBarcelona, OrtSant Francesc / San Francisco. Im Zentrum dieser Anlage gibt es ein anderes, kleineres Kloster mit einem einfachen Kreuzgang, einem Refektorium, Zellen und einer kleinen Kirche in der Art einer Krypta, die der heilige FranziskusFranz von Assisi(† 1226), Hl., Ordensgründer bauen ließ1. Dort führte er während einiger Jahre ein entbehrungsreiches Leben. Damals, als die Stadt noch klein war, lag das Kloster außerhalb der Mauern. Die Kirche hat ein einzigartiges quadratisches Fenster mit einem Eisengitter, durch welches die Seeleute die Messe und die Predigt hörten. Heute gibt es noch ein altes und einfaches Bildnis der seligen Jungfrau MariaMaria / Maryam, Hl., bibl. Gestalt, Mutter Jesu Christi – dies war der Schmuck ihrer Kirche. Inzwischen beginnt aber schon einiges zu verwittern. Die Brüder gehören nicht zur Observanzbewegung, aber unter ihnen gibt es sehr gelehrte Männer wie den intelligenten Juan de BergaJohannes de Aqua de Bercka († 1482), Kölner Ratsherr, Rektor der Kölner Universität, einen schon älteren Mann von 77 Jahren, der nach seinen eigenen Worten das Konzil von BaselBasel, Ort besuchte2. Er ist ein sehr gelehrter Mann mit einem für sein Alter hervorragenden Gedächtnis. Im Chorraum der Kirche des heiligen Franziskus gibt es die sehr berühmten Grabmäler der Könige von AragónAragón, L.. Wir sahen den einbalsamierten Leichnam einer Königin, die vor etwa 80 Jahren gestorben war, noch heute ist er vollkommen3. Im Chorraum befindet sich weiterhin eine sehr schöne Tafel. Das Kloster hat einen großen Garten, der mit Hilfe eines Esels aus einem Brunnen mit fließendem Wasser bewässert wird; dauernd schöpft er Kübel voll mit Wasser, das durch Kanalläufe den ganzen Garten versorgt.

Das DominikanerklosterBarcelona, OrtSanta Caterina / Santa Catalina, Kl.4 ist ebenso bewundernswert, und in einigen Dingen dem vorausgehenden keinesfalls unterlegen. In beiden Kirchen gibt es unzählige Wappen (vexilla) verstorbener Adliger. Dies ist ein schöner und herrlicher Anblick.

Über ihre Gerichtsverwaltung

Vor Jahren war die Justiz äußerst schlecht, weil die Prokuratoren und Anwälte durch ihre Machenschaften Gerechtigkeit und Recht verdreht hatten, wie es augenblicklich in DeutschlandDeutschland, L. und unseren Ländern geschieht. In dem Jahr, in dem der ehrwürdige KönigFerdinand II., Kg. von Aragón (1479–1516) in BarcelonaBarcelona, Ort war1, versammelte sich die ganze Grafschaft KataloniensKatalonien, L., und mit Zustimmung des Königs wurden acht Rechtsdoktoren ernannt. Sie wurden vom Haus der Deputierten bezahlt, jeder jährlich mit 500 Pfund, was etwa 600 rheinischen Gulden entspricht; außerdem wurde ein königlicher Stellvertreter für die ganze Grafschaft bestimmt. Diese Amtsleute legen, sobald sie die Zeugen der Parteien gehört haben, den Tag zur Urteilsverkündigung fest; man kann nicht mehr appellieren. Es ist ihnen unter Geld- und Körperstrafe verboten, ein Geschenk von irgendjemandem anzunehmen. Man hat jedoch heimlich mehrfach versucht, sie durch Geschenke zu bestechen. In diesem Jahr sind mehr Angelegenheiten erledigt worden als vorher in 20 Jahren. Bei diesem System verlor der König selbst als erster einen Prozess: Ein gewisser Apotheker verlangte mit Recht tausend Dukaten für die Drogen und Arzneien, die ihm für den verstorbenen Vater des Königs geschuldet wurden. Das Urteil erging gegen den König, und als Erbe des Vaters musste er den Apotheker sofort entlohnen. Wenn diese 8 Doktoren und der königliche Stellvertreter ein schlechtes Urteil sprechen, zu dem sie durch Bestechung, Begünstigung, Zorn oder Hass verleitet wurden, kann man anschließend an den König appellieren. Wenn ihnen bewiesen wird, dass falsch geurteilt wurde, wird derjenige, den sie verurteilt hatten, wieder freigesprochen, und sie werden an seiner Statt verurteilt. Folglich sind sie verpflichtet, ihn aus ihrer eigenen Tasche zu entschädigen. Der glorreiche Gott möge diese Rechtsprechung weiter erhalten! In jenen Tagen wurde ein Mann mit seiner Frau verurteilt, weil sie gegenüber einem ehrbaren Mann falsches Zeugnis abgelegt hatten; sie hatten behauptet, er sei ein MarraneMarranen, jüdisch- christliche Konvertiten, wofür er verbrannt wurde. Durch andere richtige Marranen wurden sie als falsche Zeugen entlarvt. Deshalb wurden die beiden auf Eselinnen gebunden und zu Tode geschleift2.