Die Kunst des Seins

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Vor jedem Wort muss aber ein Gedanke stehen, denn das Wort ist ja bereits der materialisierte Gedanke, der wiederum Bewusstsein voraussetzt.

Wenn man das weiß und befolgt, schützt man sich vor unbewussten Äußerungen. Wie oft sagen Sie: ›Das habe ich ja nicht so gemeint.‹ Das mag zwar stimmen, aber die Macht, die alles erschaffen kann, hat nicht die Aufgabe, zu kontrollieren und zu bewerten, sondern eben nur die Aufgabe, zu materialisieren.

Diese Energie ist die stärkste Kraft im gesamten Universum und gilt für den Makrokosmos wie für den Mikrokosmos. Vielleicht ist diese Kraft so groß, weil sie nicht denkt, sondern nur ausführt.

Es gibt zwei wichtige Instanzen in Ihnen.

Den Denker – er kann denken, was er will – und den Beweisführer – er wird alles daransetzen, Beweise für die Richtigkeit des Denkens zu erbringen. Die neuere Hirnforschung ist zwar dabei zu beweisen, dass wir in Wirklichkeit gar nicht denken, aber ich lade Sie ein, davon auszugehen, dass wir es manchmal doch tun. Was immer der Denker also denkt, wird der Beweisführer beweisen. In der Psychologie nennt man dieses Phänomen in Anlehnung an die griechische Mythologie den ›Pygmalion-Effekt‹.

Einst lebte auf Zypern ein großartiger Bildhauer mit Namen Pygmalion. Er beschloss, sich ganz und gar seiner Kunst zu widmen, da er keine Frau finden konnte, die seiner Vorstellung von Schönheit entsprach. Bald darauf hatte er in seinem Atelier ein Stück sehr reinen weißen Marmors, aus dem er eine wunderschöne Frau formte – eine Gestalt, die all das verkörperte, was er für schön hielt. Pygmalion war so ergriffen von seiner eigenen Schöpfung, dass er die Göttin Aphrodite bat, ihm bei der Suche nach einer Frau zu helfen, deren Schönheit seiner Skulptur ebenbürtig war. Aphrodite wusste, dass nur die Statue selbst Pygmalion genügen würde, und so hauchte sie dem Marmor das Leben ein, nach dem Pygmalion so glühend verlangte. Pygmalion nannte sie Galatea und heiratete seine eigene Schöpfung.

Die Geschichte des Pygmalion wurde von Ovid, einem der bedeutendsten römischen Schriftsteller der Nachwelt überliefert.

Sie finden sie aber auch in der moderneren Fassung zum Beispiel in dem Musical ›My fair Lady‹ wieder.

Professor Higgins, der sich mit Phonetik beschäftigt, trifft auf dem Blumenmarkt in London die Blumenverkäuferin Eliza Doolittle, die ihn wegen ihrer kraftvoll-vulgären Sprache fasziniert und gleichzeitig abstößt. Er überredet sie, sein Sprachlabor aufzusuchen und verspricht dort, ihr den Weg zu den besten Kreisen zu bahnen, wenn sie bei ihm Sprachunterricht nähme. Sie müht sich mit nur mäßigem Erfolg ab und provoziert bei dem von Higgins inszenierten Versuch, die nur oberflächlich angelernte ›feine Lebensart‹ beim Pferderennen in Ascot den Leuten vorzuführen, einen Skandal. Higgins findet trotzdem immer mehr Gefallen an seinem ›Objekt‹. Auf dem Diplomatenball im Buckingham Palace kann sie sich aber beweisen, obwohl ein Phonetiker anwesend ist, der für Geld die wahre Herkunft von Personen errät. Er denkt allerdings wegen ihres reinen Englisch, dass sie eine Ungarin mit königlichem Blut sei. Am gleichen Abend beglückwünschen sich Higgins und Colonol Pickering, aber keiner beglückwünscht Eliza.

Sie jedoch sagt dem Professor sehr deutlich, wie sehr sie sich vorgeführt und erniedrigt fühlt und verschwindet am nächsten Morgen. Professor Higgins fordert Eliza erfolglos auf, zurückzukommen, dann erst versteht er: Er vermisst sie, weil er sie trotz der großen Unterschiede zwischen sich und ihr gelernt hat als Person zu schätzen, sogar zu lieben. Professor Higgins hatte, wie auch Pygmalion, versucht, eine Frau vollkommen nach seiner Vorstellung zu schaffen, glücklicherweise aber noch die ›Kurve bekommen‹.

Wir sehen an diesen Beispielen, dass man keinen anderen Menschen nach seinen eigenen Idealvorstellungen formen kann.

Viele Beziehungen scheitern an diesem Irrglauben. Aber es gibt eine gute Nachricht: Sich selbst kann man sehr wohl verändern. Die Sozialwissenschaftler Ellen Key, Robert King-Merton und Robert Rosenthal haben sich intensiv mit diesem Phänomen beschäftigt und teils spektakuläre Versuche unternommen.

Es gab unter anderem ein Schulexperiment, in dem mehreren Lehrern einer für sie neuen Klasse gesagt wurde, mit wem sie es in der nächsten Zeit zu tun haben würden. Die Klasse wurde ihnen gegenüber aufgeteilt in die sehr motivierten intelligenten und in die eher faulen oder dummen Schüler.

Tatsache aber war, dass diese Einteilung rein willkürlich vorgenommen worden war, was die neuen Lehrer natürlich nicht wussten.

Das Ergebnis beeindruckte sogar die Versuchsleiter. Beim nächsten Zeugnis waren die Noten der vermuteten guten Schüler besser, die der angeblich schlechten Schüler schlechter. Die Schüler hatten sich also ›erwartungsgemäß‹ verhalten, und die Lehrer hatten wiederum darauf reagiert.

Das Erstaunlichste beim Pygmalion-Effekt ist also, dass sich die Menschen in Ihrer Umgebung so verhalten werden, wie es Ihrer Einstellung entspricht. Glauben Sie das nicht?

Machen Sie doch einmal den folgenden Versuch: Gehen Sie an einem beliebigen Tag aus dem Haus mit der Einstellung, dass Sie liebenswert und erfolgreich sind und viele gute Begegnungen haben werden. (Das müssen Sie aber wirklich glauben, versprochen?)

An einem anderen Tag denken Sie das Umgekehrte. Ich wette mit Ihnen, dass Sie den zweiten Versuch nach kurzer Zeit abbrechen werden – es sei denn, es spiegelt Ihre normale Haltung wider. Der Engländer Sir Francis Galton brach den Versuch jedenfalls ab, nachdem er von Passanten angerempelt und beschimpft worden war.

Er war im Selbstversuch eines Morgens aus dem Haus gegangen mit dem Glaubenssatz: ›Ich bin der meist gehasste Mann Englands.‹

Sie erleben Ihr Leben so, dass es Ihrem Glauben Recht gibt. Wie ein Radio empfangen Sie das, worauf Sie eingestellt sind. Sie empfangen das, mit dem Sie in Resonanz sind. Seien Sie mutig, und drehen Sie an dem Einstellknopf!

Unsere Welt ist unendlich bunt und vielfältig. Unermesslich viele einzelne Teile ergeben die gesamte Welt, und alles ist miteinander verwoben, niemand ist eine Insel.

Glauben Sie das auch? Wenn nicht, tun Sie so, als würden Sie es glauben. Es ist längst eine wissenschaftlich erwiesene Tatsache, dass sich der Mikrokosmos vom Makrokosmos kaum unterscheidet.

Dass jede ihrer Millionen Zellen die Informationen des gesamten Organismus in sich trägt – und vieles darüber hinaus. Das hieße also, dass die gleiche bunte Vielfalt in Ihnen ist.

Jesus sagte einmal: »In meines Vaters Haus sind viele Räume.« Das Haus Gottes auf dieser Erde sind Sie. Sie sind der lebendige Tempel Gottes. Das zu wissen, ist wichtig.

Lassen Sie mich an dieser Stelle den Talmud zitieren:

Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte.

Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.

Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.

Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.

Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.

Ist es nicht erstaunlich, dass ein solch altes Wissen, das sich seit Jahrtausenden durch alle Weisheitslehren zieht und auch noch die nächsten Tausend Jahre wahr sein wird, heute so wenig öffentliche Beachtung erfährt?

Schritte zur Erleuchtung

Ich glaube, dass wir einen Funken jenes ewigen Lichtes in uns tragen, das im Grunde des Seins leuchten muss und das unsere schwachen Sinne nur von Ferne ahnen können. Diesen Funken in uns zur Flamme werden zu lassen und das Göttliche in uns zu verwirklichen, ist unsere höchste Pflicht. (Johann Wolfgang von Goethe)

Alle paar Jahre wird uns suggeriert, dass es wieder einmal um die ›entscheidende Wahl‹ geht. Als wenn wir dann wirklich eine Wahl hätten – da lachen ja sogar die Hühner. O.K., wir können wählen, ob wir die Bohnen mit Speck oder mit Zwiebeln mögen.

Aber einmal Spaß beiseite: Sie haben tatsächlich eine Wahl – immer – nicht nur alle vier Jahre. Ihr Leben hat nämlich immer nur den Sinn, den Sie ihm geben.

Wenn Sie mit Ihrem Leben zufrieden sind, werden Sie mir wahrscheinlich zustimmen; sind Sie aber unzufrieden, wird Ihr Verstand protestieren, wenn Sie hören, dass Sie sich dieses Leben ausgesucht haben, dass Sie es genau so gewählt haben, wie es ist. Sie haben es gewählt, um erleuchtet zu werden.

Sie kamen auf diese Welt, um sich zu entwickeln, um zu entdecken, dass Sie erleuchtet sind. Um dieses Ziel zu erlangen, erhielten Sie einen Körper, oder besser gesagt, Sie suchten sich einen aus. Vorher waren Sie reines Bewusstsein, unkörperlich, eine Seele. Diese Seele trägt die Erfahrungen aller vorherigen Inkarnationen in sich. Sie ›weiß‹, was sie gelernt hat und was sie noch lernen muss, um ihr Ziel zu erreichen. Die Menschheit ist in ihrer Entwicklung an einem entscheidenden Punkt angekommen. Der Weg, auf dem wir gehen, gabelt sich in zwei Richtungen, und wir haben die Wahl. Entweder gehen wir den Weg in den globalen Selbstmord oder wählen den Weg zu einer Veränderung des Bewusstseins.

Die Welt steckt in einer Energie-Blockade, die sich in der Verknappung der Rohstoffe auch im Außen zeigt. Alle schauen auf das Symptom und die Folgen, aber kaum jemand sucht die Ursache dort, wo sie ist: Im menschlichen, schöpferischen Bewusstsein selbst.

Wir können den Weg der Symptombehandlungen und vermehrten Ausbeutung, den Weg immer zahlreicherer und härterer Konflikte weitergehen. Wir können beschließen, noch mehr Leid in dieser Welt zu verbreiten und die wenigen Reichen noch reicher werden zu lassen. Wir können noch mehr Armut produzieren, weiterhin Menschen verhungern lassen – und das bei einem täglichen Militärbudget von mehreren hundert Millionen Dollar! Wir können diese Erde weiterhin als unser Eigentum betrachten, mit dem wir machen können, was wir wollen, oder wir können sie als eine wunderschöne Leihgabe für unsere gewählte Daseinsform ansehen.

 

Zwar führen viele Wege nach Rom, aber wir haben leider nicht so viele Wahlmöglichkeiten.

Der Weg, den wir gehen können – und wir haben das Potenzial dazu –, ist der des Friedens und der Liebe, der Erleuchtung und des Wissens. Erleuchtung ist das eigentliche Ziel unseres Seins. Wir sind auf dieser Welt, um unser gesamtes Potenzial kennen zu lernen und daraus zu schöpfen. Die Schritte dahin sind so simpel und so klar. Es sind nur wenige. Sie sind wirkungsvoll, weil sie so einfach sind. Die Lösungen für die schwierigsten Probleme sind meist einfach.

Zufällig waren meine Frau und ich zum Zeitpunkt der Papstwahl in Rom. Als Kardinal Ratzinger als Papst auf den Balkon trat, konnte man sehen, dass er angekommen war. Ich bezweifle allerdings, ob die katholische Kirche weiß, dass sie einen Erleuchteten zum Papst hat, und ich hoffe, dass er sich gegen die konservativen Politiker, von denen er ja auch einer war, durchsetzen kann, um der Kirche die Reformen zu bescheren, die notwendig geworden sind. Ein schönes Wort: notwendig. Es heißt nichts anderes, als dass man aus einer Not heraus eine Wende nehmen sollte. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob seine Erleuchtung ausreicht, Jahrtausende alte Machtstrukturen derart aufzuweichen, wie dies nötig wäre. Derjenige, auf den sich die Kirche aufbaut und beruft, Jesus Christus, hat es ja auch nicht geschafft. Auch er fiel diesen Strukturen letztlich zum Opfer.

Kennen Sie den?

Der Papst stirbt und kommt an das Himmelstor, um Einlass ins Paradies zu erlangen. Petrus kommt an die Tür und fragt nach seinem Begehr. »Ich möchte ins Paradies, denn ich bin der Papst.«

»Papst?«, überlegt Petrus. »Das sagt mir jetzt im Moment nichts. Wer oder was soll das sein?«

»Ich bin das Oberhaupt der katholischen Kirche«, antwortet der Papst.

»Katholische Kirche? Sagt mir auch nichts, tut mir wirklich Leid. Aber warten Sie bitte einen Moment hier, ich muss den Chef fragen.«

»Draußen steht jemand, der behauptet, Papst und Oberhaupt der katholischen Kirche zu sein. Sagt dir das etwas?«, fragt Petrus den Lieben Gott. Gott überlegt und sagt: »Tut mir Leid, habe ich noch nie gehört. Aber lass uns Jesus fragen, immerhin war der schon einmal auf der Erde, vielleicht weiß er etwas.« Jesus wird gerufen und mit dem Auftrag zum Himmelstor geschickt, doch nachzusehen, ob er etwas herausbekomme.

Nach zehn Minuten kommt Jesus laut lachend zurück, sich die Tränen aus den Augen wischend. »Was ist los?«, fragen Petrus und der Liebe Gott wie aus einem Munde. Nachdem er nach Luft geschnappt hat, kann Jesus endlich sagen: »Erinnert ihr euch an den Fischerverein, den ich vor ungefähr 2000 Jahren gegründet habe? Den gibt es immer noch.« Wie viel wurde und wird in Jesus hineininterpretiert! Es wird noch lange Zeit dauern, bis die Menschen die Wahrheiten um und über diesen Mann erfahren dürfen. Was in seinem Namen geschaffen wurde – dieses heute so mächtige und reiche Kirchengebilde – resultiert nicht aus seinem Wirken und lag sicher nicht in seiner Absicht. Jesus, der gekommen war, den Menschen Licht zu bringen, wurde missbraucht, um ein Trugbild aufzubauen, das Trugbild einer Märtyrerschaft und des Leids. Jesus wird in der Regel in seiner wohl leidvollsten Stunde angebetet, am Kreuze hängend, und es wird erzählt, dass er für uns dort auch gestorben sei. Kann man jemandem ein schlechteres Gewissen machen als mit solch einer Aussage?

Wer ein schlechtes Gewissen hat, wird sich immer schuldig fühlen und wird gerne alles tun, was angeblich nötig ist, um von seiner Schuld befreit zu werden.

Es gibt genügend Hinweise darauf, dass Jesus nicht dort auf Golgatha am Kreuz gestorben ist. Den Menschen aber wurde gesagt: »Leiden sind Lehren«, und man predigte ihnen Entsagung. Damit konnte man sie ausbeuten und unterjochen – zu allen Zeiten. Die Prachtbauten der Kirche wurden nur dadurch möglich, und niemanden kümmerte es, wenn bei diesen Bauten Hunderte von Arbeitern ums Leben kamen und viele ihr letztes Hemd gaben, damit die Kuppeln auch noch mit Gold verkleidet werden konnten. Das hätte dem Mann, der die Händler aus dem Tempel vertrieb, sicher nicht gefallen, das hätte er nicht gewollt. Kein Religionsgründer hätte so etwas gewollt. Und wer Jesus so versteht, hat ihn nicht verstanden.

Er kam, um die Liebe zu bringen und uns erkennen zu lassen, dass Gott auch in jedem von uns ist, dass der Schöpfer und sein Geschöpf Eins sind – er kam, uns zu erleuchten. Er wollte sicher nicht, dass wir ihn anbeten. Er hätte gewollt, dass wir ihn in uns selbst finden.

Wie weit der Weg zur Erleuchtung ist, bestimmt jeder ganz allein für sich. Es ist ein Weg mit vielen großen und kleinen Stationen.

Manchmal halten wir uns länger auf, wie in einer erfüllenden Beziehung, die manchmal sogar ein Leben lang dauern darf. Oder wir verweilen kürzer, zum Beispiel in einem Job, den wir nur machen, weil wir eine Fähigkeit lernen müssen, die wir gerade dort lernen können. Jede dieser Stationen ist wichtig auf dem Weg zu Ihrer Erleuchtung – auch die Stationen, die sie nicht so mögen. Aber auch diese haben Sie sich – meist unbewusst – ausgesucht, um aus ihnen zu lernen. Dass diese Behauptung wahr ist, können Sie daran erkennen, dass so genannte ›negative‹ Umstände sich oft im Nachhinein als durchaus ›positiv‹ herausstellen. Wenn wir zurückblicken, sagen wir oft: »Damals war es schlimm, aber heute kann ich das Gute darin sehen und bin im Nachhinein froh, dass es genau so passiert ist.« Der bekannte deutsche Fußballtrainer, der wegen seiner Kokainaffaire hierzulande keinen Job mehr bekam, ist nach eigener Aussage in dem Land, in dem er heute zu den erfolgreichsten Trainern gehört, sehr zufrieden. Sicherlich muss man aber kein Kokain nehmen, um sein Glück zu finden – wenn auch viele das zu glauben scheinen.

Das, was Sie am meisten daran hindert, erleuchtet zu sein, ist einesteils Ihre Vorstellung davon, was Erleuchtung ist, und auf einer anderen Ebene Ihre Angst davor. Wie bei vielen Ihrer Vorstellungen handelt es sich auch hierbei um übernommene Darstellungen eines anderen Menschen, dem Sie glauben. Eine Vorstellung oder Erwartung ist immer auch ein Hindernis, was in dem Wort ›Vorstellung‹ schon zum Ausdruck gebracht wird. Die Vorstellung ist Ihre Idee von etwas, das Sie vor Ihr Erleben stellen. Vorstellungen können aber immer nur begrenzt sein. Jetzt frage ich Sie: Kann man das Grenzenlose eingrenzen?

Sie gehen beispielsweise zu einer Party, machen sich vorher eine Vorstellung von der Party, haben vielleicht Erwartungen an jemanden, den Sie dort treffen werden, usw. und können dadurch die Party nicht mehr so erleben, wie sie ist. Ihre Vorstellungen verhindern ein direktes Erleben von dem, was ist.

Es gibt drei Worte, die den Zustand der Erleuchtung am besten charakterisieren: Liebe, Akzeptanz und Einssein.

Je unnatürlicher Ihr Bild von Erleuchtung ist – sofern Sie überhaupt eines haben –, desto weiter schieben Sie diesen Zustand von sich weg. Selbstverständlich haben Sie einen guten Grund, das zu tun; denn erleuchtet zu sein heißt, die Verantwortung für sein Erleben zu übernehmen und zu erkennen, dass man sie immer hatte.

Mit unserer Erleuchtung gehen wir so um wie die Bürger von Schilda, die Licht in Säcken in ein dunkles Haus bringen wollten.

Wir versuchen mit Hilfe aller möglichen Techniken, unter Anleitung von Gurus, Übungen, Ernährungsplänen und vielem anderem mehr, das Licht von draußen hereinzuholen. Der Gipfel von allem sind eloquente Motivationstrainer, die von Firmen und sogar Fußballvereinen für viel Geld engagiert werden. Es hat sich scheinbar noch nicht herumgesprochen, dass man niemand anderen motivieren kann. Die andere Seite der Medaille ist: Was ist das für ein Unternehmen, das seine Mitarbeiter derart ›motivieren‹ muss? Man kann ganze Abteilungen über Feuer oder Glasscherben laufen lassen, man kann sie mit dem Hals Eisenstangen verbiegen lassen.

Man kann sie auch pausenlos ›Jacka‹ rufen lassen. Dies alles wird, außer natürlich für den Motivationstrainer, nichts bringen. Solange die Mitarbeiter nicht wirklich ›in der Firma sind‹, solange Respekt und Achtung im Unternehmen keinen Platz haben und Geben und Nehmen nicht im Ausgleich sind, ergeben solche Aktionen keinen Sinn – aber wenn diese Voraussetzungen geschaffen sind, gehen die Leute auch so für ihr Unternehmen durchs Feuer.

Und was die Fußballvereine angeht: Sind ein paar Millionen Euro Jahresgehalt nicht Motivation genug?

Wir übersehen, dass der Schalter zur Erleuchtung in uns ist. Es genügt, diesen einen, alles entscheidenden Lichtschalter umzulegen. Finden müssen und können Sie diesen nur selbst. Jetzt sagen Sie vielleicht: »Nur die Meister konnten das.« Dann frage ich Sie: »Warum beanspruchen Sie die Meisterschaft nicht für sich? Warum stellen Sie ihr Licht unter den Scheffel?«

Die Qualität Ihres Lebens wächst direkt proportional zur Anzahl der Lehrer und Lehrerinnen, die Sie in Ihrem Leben haben. (Ron Smothermon)

Es ist vollkommen in Ordnung und wichtig, Lehrer zu haben, denn warum soll man durch den Fluss schwimmen, wenn man ebenso gut eine Brücke benutzen kann. Es ist auch sicherlich sinnvoll, Übungen oder Techniken anzuwenden oder seine Ernährung umzustellen, weil es uns diszipliniert, und Disziplin ist notwendig. Im Denken und im Tun. Aber kein Guru, keine Technik, keine Ernährungsweise wird Sie erleuchten. So wie auch niemand einen anderen heilen kann. Heilung geschieht nur von innen, aus einer tiefen Bereitschaft heraus, das anzunehmen, was von außen angeregt wird, und in das eigene Leben zu integrieren.

Sokrates empfahl den Ärzten, jedem seiner Patienten zunächst die Frage zu stellen, ob dieser bereit sei, das Verhalten, das zu seiner Krankheit geführt hatte, in Zukunft zu meiden.

Wenn Sie das Licht angemacht haben, werden Sie selbstverständlich die Dinge ändern, die geändert werden müssen. Selbstverständlich: aus dem Selbst heraus verstanden.

Den ›guten‹ Lehrer oder Meister erkennen Sie daran, dass er Ihnen nicht bei der Suche, sondern beim Finden Ihres Lichtschalters behilflich ist. Er weiß, dass man einen anderen Menschen nicht ›verbessern‹ kann, weil ja jeder Mensch schon vollkommen erschaffen ist. Ein guter Lehrer wird ein Klima erschaffen, in dem es dem Schüler möglich wird, sich an seine eigene Vollkommenheit zu erinnern. Er wird Sie also nach Innen begleiten, weil er weiß, dass Ihre Wahrheit nur dort zu finden ist – und er wird sich im rechten Moment von Ihnen verabschieden. Denn die Wahrheit ist individuell. Sie liegt nicht in Schriften und Büchern, sondern im tiefsten und innersten Selbst eines jeden Menschen.

Die meisten Menschen aber wollen gar nicht finden, sondern suchen. Wir sind in der Regel problemorientiert und nicht lösungsorientiert.

Es lebte einmal ein Mann, der sein Leben der Suche nach Gott gewidmet hatte. Viele Jahre hatte er gesucht. Eines Tages gelangte er zu einem Haus, an dessen Türschild der Name ›Gott‹ geschrieben stand. Leise zog er seine Schuhe aus und schlich davon.

Vor einem Lehrer, der Ihnen erzählt, er wisse genau, was für Sie richtig ist, sollten Sie schleunigst die Flucht ergreifen. So läuft es aber in unserer Welt. Ständig werden wir ›verbessert‹, erzogen und geformt. Uns wird vor Augen gehalten, wie unvollkommen wir sind und welchem Trend wir nun wieder nachzulaufen haben. Allen voran tun dies die Medien, wenn es um Äußerlichkeiten geht. Aber auch die großen Religionen, deren ursprüngliche, reine Lehren von ihren Anhängern dogmatisiert wurden, führen uns unsere Unvollkommenheit vor Augen. Es wurden Regeln aufgestellt, Formen erfunden und uns wurde genau gesagt, was getan werden muss, um auf den ›rechten Weg‹ zu kommen. Dass da irgendetwas falsch läuft, beweisen die Kirchenaustritte und die seit Jahrhunderten stattfindenden Religionskriege.

Dass die Menschen aber gerade bei der Kirche etwas suchen, beweisen die über eine Million jugendlichen Besucher beim Weltkirchentag im Jahre 2005 in Köln. Es war ermutigend, anzuschauen und mitzuerleben, mit welcher Freude und mit welchem Enthusiasmus all die jungen Menschen aus der ganzen Welt friedlich und singend zusammengekommen waren, um die Antworten auf ihre vielen Fragen zu finden.

 

Ich bezweifle allerdings, dass sie von den Kirchen ihre Antworten erhalten, und sie werden dort auch nur finden, was sie suchen, wenn sie sich auf ihre eigene Reise nach innen begeben.

Rief die Jugend der 68er, zu der ich auch gehöre, noch den Slogan: »Unter den Talaren der Mief von tausend Jahren« und »Weg mit dem Establishment. Wir brauchen keine Autoritäten!«, so wies am 30. September 2005 der bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber anlässlich der Verleihung des Franz-Josef-Strauß-Preises der Hans Seidel-Stiftung an den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl mit eindringlichen Worten darauf hin, dass unsere Jugend nach Führung und Autorität rufe und man sie ihr auch geben müsse. Da kann man sich doch nur fragen, warum sorgt er nicht dafür? Als langjähriger bayrischer Ministerpräsident und Minister hätte er doch sicherlich so manche Möglichkeit. Man kann darüber nachdenken, ob es eine Ironie ist, dass Helmut Kohl den Franz-Josef- Strauß-Preis bekommen hat, aber auch Edmund Stoiber hat sicherlich beobachtet, wie orientierungslos das Gros der heutigen Jugend ist und dass die Führung durch RTL, SAT1, Viva und VOX nicht ausreichen kann, einen mündigen Staatsbürger zu formen. Als wenn das wirklich jemand wollte – mündige Staatsbürger! Die Jugend braucht keinen Führer, das hatten wir schon. Die Jugend der 68er hatte die Wahrheit erkannt, aber eben nur die halbe. Deswegen haben die meisten ja auch aufgegeben, weil sie in der falschen Richtung suchten und sich in Schuldzuweisungen verausgabten.

Was die Jugend braucht – und sicher nicht nur die Jugend – , ist das Wissen darum, dass sie in dem Moment geführt wird, in dem sie sich darüber klar werden darf, dass die größte Führung in jedem Menschen wohnt.

Sagt ein bekanntes Sprichwort nicht: »Jeder ist seines Glückes Schmied«? Also fangen Sie damit an, Ihr Glück zu schmieden – heute noch! In dieser Volksweisheit steckt doch der Hinweis, dass genau dies möglich ist. Erkennen Sie, was für Sie Glück bedeutet, und lassen Sie sich nicht von anderen sagen, was Glück ist. Glück ist so individuell, so vielfältig! Wie kann es sonst passieren, dass Menschen, die einen großen Lottogewinn erhalten hatten, damit sehr unglücklich wurden, andere dagegen sich und ihrer Familie damit die Bedingungen für ein glückliches Leben schaffen konnten?

Vor einiger Zeit lehnte ein Mann seinen Lottogewinn von mehreren Millionen Euro ab, weil er befürchtete, dadurch unglücklich zu werden. Er begründete seine Haltung mit der Aussage: »Ich habe alles, was ich brauche.« Dieser Mann war sicher in einer gewissen Art erleuchtet.

Sie sehen, es geht kein Weg an der Selbsterkenntnis vorbei, und Sie werden nicht darum herumkommen, sich einige grundlegende Gedanken über sich zu machen. Schauen Sie in den Spiegel, und betrachten Sie sich selbst, mit allem, was Sie getan und unterlassen haben. Kunst kommt von Können, erinnern Sie sich?

Der Grad der Kunst hängt ab von der Art und Weise, in der Sie etwas tun. Ein Spiegel ist die Meditation – und dies ist der nächste Schritt zur Erleuchtung.

Neben einem meditativen Menschen haben Waffen keinen Platz. Alle Weisheitslehrer und Erleuchteten dieser Welt, ob sie Sokrates, Jesus, Buddha, Lao-Tse, Mohammed, Osho oder Gurdjeff hießen, haben uns aufgefordert, nach innen zu gehen und uns selbst zu erkennen.

Auf dem Weg nach innen werden Sie Facetten entdecken, die Sie entweder nie für möglich gehalten hätten oder die Sie vielleicht immer schon erahnt haben. In jedem Fall ist es ein interessanter Weg, und Ihre erwachte Neugierde wird Sie immer weiter vorantreiben. Dieser Weg ist eine Einbahnstraße.

Meditation ist der ehrlichste Spiegel, den es gibt, und wird vielleicht gerade deshalb von so vielen Menschen gemieden wie eine ansteckende Krankheit. Die Rationalisierungen und Ausreden, die Menschen finden, um nicht zu meditieren, sind enorm. Ein Grund dafür ist Angst.

Der Mensch hat ein Leben lang gebraucht, zu glauben, dass er fehlerhaft, schlecht, nicht liebenswert sei, und natürlich hat er Angst, diesem Wesen zu begegnen. Intuitiv weiß er, dass er sich in der Meditation selbst begegnet, also meidet er sie.

»Erkenne dich selbst, dann erkennst du das Universum und die Götter«, mahnte schon das Orakel von Delphi.

Wenn Sie in den Spiegel der Meditation schauen, begegnen Sie sich ›pur‹, ohne Wenn und Aber, ohne psychologische Erklärungsmodelle, ohne religiöse oder gesellschaftliche Raster und Muster. Sich ›pur‹ begegnen heißt, dem göttlichen Kern in sich nahe zu sein; am Ende dieses Weges stehen – wie Buddha sagte – Licht und Ekstase.

Es gibt viele Gründe, diesen Weg zu meiden. Beispielsweise kann es unangenehm sein, sich selbst genauer zu betrachten, die Dinge zu sehen, die man für Fehler oder Schwäche hält. Das hatte ich vorhin mit der Angst auf einer tieferen Ebene gemeint. Denn das könnte Abstriche an einem Perfektheitsanspruch machen, der uns vermittelt wurde, oder uns aus unserer ach so geschätzten Bequemlichkeit herausreißen.

Meditation bedeutet auch, ›sich leer zu machen‹. Dieser Moment der Leere ist unendlich wichtig. Fast alle Meditationstechniken zielen auf diesen Zustand ab.

Meditation ist in ihrer höchsten Stufe ein Zustand jenseits des Denkens, ein Zustand reinen Bewusstseins ohne Inhalt. Das Ziel sollte sein, in einen Zustand der Akzeptanz des eigenen Lebens und das aller anderen Wesen zu gelangen. Meditation ist keine Geheimwissenschaft und ist alleine für sich genommen noch nicht einmal unbedingt ein spiritueller Vorgang. Das Wort kommt aus dem Lateinischen: meditari = nachsinnen. Meditation ist also erst einmal eine besinnliche Betrachtung.

Wissenschaftlich ist die positive Wirkung der Meditation längst bewiesen, und jeder, der meditiert, braucht diesen Beweis sowieso nicht mehr. Als Meditation werden Techniken bezeichnet, die von Heiligen aller Länder und Religionen entwickelt wurden, um seelische Leiden zu heilen und psychische und spirituelle Befreiung zu erlangen. Die Techniken variieren, doch sind die darunter liegenden Prozesse, die sich auf die spirituelle und psychische Entwicklung richten, mehr oder weniger gleich. Meditation kann eindrucksvolle Veränderungen im Bewusstsein auslösen. Sie wird als Kern der mystischen Wissenschaften angesehen, und Menschen, die meditieren, halten sich oft allein wegen dieser Praktik für ›spirituell‹.

Seit den frühen 60er Jahren erfreut sich die Meditation auch bei uns eines zunehmenden Zuspruchs und ist inzwischen bis in manche Vorstandsetage großer Firmen ›salonfähig‹ geworden. Sie wurde außerdem zum Forschungsgegenstand, und den Wissenschaftlern ist es auch mit ihren Methoden gelungen, festzustellen, dass sie wirksam ist (hört, hört!). Das hat unsere moderne Wissenschaft herausgefunden: Meditation bewirkt physiologische Veränderungen im Zusammenhang mit Entspannung und psychologischen Erfolgen wie größere Ruhe und mehr Entspanntheit. Weiter führt Meditation zur Verbesserung des Allgemeinzustandes bei Bluthochdruck, Ängsten, Suchtverhalten und Phobien.

Allerdings kommen solche Wirkungen nur denjenigen zugute, die über einen längeren Zeitraum meditieren, und die meisten Menschen tun das nicht.

Die große Bedeutung der Meditation liegt darin, dass sie den Meditierenden allmählich die Wirklichkeit anders erfahren lässt, weil sich dessen Wahrnehmung und Verstehen durch sie verändert.

Sicherlich ist Meditation als größter Beitrag der mystischen Traditionen zur heutigen Psychotherapie zu verstehen. Die Techniken der Meditation, die einer viel älteren Wissenschaft entspringen, erscheinen dem Verstand zunächst vielleicht sinn- oder bedeutungslos und erweisen sich erst nach jahrelanger Praxis als die ausschlaggebenden Dinge im Leben. Über eine der Funktionen des Verstandes sagte ich ja schon etwas.