Zwischen Revolution und Aufbruch

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Überwältigter Sufi-Meister

Samstag, 14. Januar

An meinem zweiten Pakistantag besuchen mich muslimische Studenten, von denen mir einer im letzten Jahr bei meinen Sufismus-Recherchen per Internet viel geholfen hat. Internet – ein neues, brauchbares Dialogforum. Nouman, Hammad und Ali heißen die drei. Sie wollen mir einen älteren Pakistani vorstellen, der lange Zeit in Saudi-Arabien gearbeitet hat und sich jetzt voll und ganz der Ausbreitung des Sufismus widmet. Nouman Zaeem hatte darauf bestanden: „Weil du dich so sehr für den Sufismus interessierst, musst du zu allererst unseren Sheikh kennen lernen.“ Der Sheikh ist Anhänger der Qadiriyya-Tradition, einer der ältesten islamischen mystischen Sufi-Traditionen (Tariqa genannt), die auf den persischen Mystiker Abd al-Qadir al-Dschilani (1088–1166) zurückgeht. Heute finden sich Qadiriyya-Anhänger in China, Indien, Pakistan, in der Türkei, den Balkan-Staaten sowie in Ost- und Westafrika.

Wir erreichen das komfortable Eigenheim des Sufi-Meisters. Langsam, nachdem wir uns schon im Empfangsraum gesetzt hatten, tritt er näher. Er hat einen langen, wallenden Bart, tief blickende, leuchtende Augen und dürfte etwa 70 Jahre alt sein. Seine jüngste Tochter, die er mir sogleich vorstellt, serviert uns Tee. Er ist stolz auf sie, sie ist acht Jahre jung. Die Studenten nennen den Sheikh ehrerbietig „Doktor“, obwohl der Sheikh – so werden Sufi-Meister genannt – nie studiert hat. Doch ist er in den Augen der Jungen ein Weiser, ein Gelehrter in Sachen Sufismus. Der „Doktor“ ist seinerseits Schüler eines anderen Sheikhs, den er auf dessen Predigtreisen durch Pakistan kennen gelernt hat. Dieser aus Persien stammende Sheikh unternimmt seit einiger Zeit keine Reisen mehr, sondern lebt nun auf Zypern, wo ihn seine Schüler, so auch der „Doktor“, aus der ganzen Welt aufsuchen, um von seinen Erfahrungen zu lernen und ihm ihre Verehrung zu bekunden. „Ich“ – erklärt mir der „Doktor“, nachdem der feierliche Teeempfang vorüber ist – „pilgere jetzt nicht mehr nach Mekka oder an andere islamische Pilgerstätten, wie ich es früher regelmäßig getan habe; jetzt reise ich nur noch nach Zypern zu meinem Sheikh. Dort ist mein wahres Mekka.“ Der „Doktor“, dessen Namen ich nie erfahren sollte, lädt mich ein, mit ihm baldmöglichst nach Zypern zu reisen. Es ist ihm heiliger Ernst, er würde mich am liebsten morgen schon mitnehmen. Seine Töchter, deren Schönheit und Anmut mich beeindrucken, bieten immer wieder Tee an. Ich höre dem Sheikh stundenlang zu, begreife währenddessen vor dem Hintergrund gestriger Begegnung mit katholischen Priestern, wie bedeutsam die Rolle und wie tiefgehend die Wertschätzung geistlicher Führer durch muslimische Gläubige ist. Zu welchen Abhängigkeiten und Verführungen geistlich-religiöse Führerschaft im Islam führen kann, ist eine andere Frage. Ich stelle nur fest: Die Bedeutung geistlich-religiöser Führerschaft im Islam ist sehr groß und bestimmend für das Leben vieler Muslime. Die Wertschätzung der Studenten für „ihren Doktor“, den Sheikh, und andererseits dessen Bindung an „seinen“ persischen Sheikh auf Zypern haben mir dies erneut vor Augen geführt.

Langsam werde ich jedoch des Zuhörens müde und beginne zu fragen: „Bruder, sagen Sie mir, worin sehen Sie das Wesentliche, sozusagen die Essenz des Sufismus?“ Er zögert mit seiner Antwort nicht: „Sage jeden Tag unzählige Male: Ich bin nichts, nichts, nichts … und dann lerne demütig zu sein, unendlich demütig. That’s it. That is Sufism.“ Ich erwidere, dass wir Christen in ähnlicher Weise glauben, dass wir Menschen ganz klein sind vor Gott, dass selbst Jesus vor Gott ganz klein geworden ist um unserer menschlichen Seligkeit willen. Darin sind wir Christen und Muslime uns eins, dass wir vor Gott unendlich klein sind, ja, im Grunde wirklich nichts sind.“ Er ist damit einverstanden, doch macht er gleichzeitig eine energische Einschränkung: „Was Sie sagen ist wahr. Aber Jesus ist nicht Gottessohn. Gott hat keinen Sohn. Dies muss geklärt und eindeutig festgehalten werden …“

Mit Respekt vor seinem Eifer verabschiede ich mich schließlich von der Runde, in der ich Respekt erfahren habe und in der persönliche Glaubensüberzeugungen zum Ausdruck kamen. Der „Doktor“ versucht am Ende nochmals, mich nach Zypern einzuladen. Für ihn gibt es nichts Größeres, als Sufi zu sein und seinen Sheikh zu treffen. Ich schlage ihm vor, miteinander, aber auf unterschiedlichen Wegen weiterzugehen.

Eucharistiefeier auf dem Weg zu den Sufis

Sonntag, 15. Januar

Um 9 Uhr feiern wir in der Ascension Church (Himmelfahrtskirche) im Renewal Center Eucharistie. Es ist alles ganz anders als zu Hause in Deutschland: Kinder und Jugendliche sind in der Überzahl, die Kirche ist erst richtig voll, als die Predigt beginnt. Eingangs- und Seitentüren sind geöffnet. Ob man draußen ist und mit Kindern spielt oder Tee trinkt oder drinnen ist und mit gefalteten Händen um Gottes Segen ringt, das macht keinen Unterschied. Jeder, ob draußen oder drinnen, ist dabei. Die Liturgie ist sorgfältig vorbereitet. Fr. John (72), Spiritual im gegenüberliegenden Priesterseminar, ist Hauptzelebrant, Fr. Roy und ich konzelebrieren. Viele gestalten den Gottesdienst aktiv mit: zwölf Ministranten, die einen wie Lausbuben, die anderen wie Heilige blickend, Männer und Frauen, die die Gaben zum Altar bringen, der jugendliche Chor und die Instrumentalisten, die mitten unterm Volk sitzen. Die Lieder, in punjabisch-arabischen Rhythmen und Melodien gesungen, gehen mir zu Herzen. Erneut finde ich die Grazie der jungen Pakistanerinnen mit ihrem langen, wallenden Haar und den farbigen Sonntags-Saris beeindruckend. Innerlich ergriffen tragen sie Lesungen und Fürbitten vor.

Was sich jedoch nach dem Gottesdienst abspielt, ist für uns westliche Christenmenschen einfach unvorstellbar, wenn man Ähnliches nicht schon irgendwo in der Welt erlebt hat: Jeder und jede geht auf jede und jeden zu, um sich zu begrüßen oder zu umarmen. Man begrüßt sich minutenlang und strahlt dabei einander voller Freude ins Gesicht. Zwei verheiratete Priester mit Familien sind unter den Gottesdienstbesuchern. Ich als Ausländer werde noch um einige Male mehr geherzt oder auch westlich zurückhaltend begrüßt (von Pakistanern, die im Ausland waren). Wie hätte Nietzsche gestaunt, wenn er solch frohe Christen gesehen hätte! Sein „Wenn die Christen nur erlöster aussehen würden …“ hätte er vergessen können. Als die Begegnungszeremonie nach dem Gottesdienst vorüber ist und es langsam im Zentrum wieder still geworden ist, gehe ich allein in die Kirche zurück und beginne leise, das Magnifikat zu singen.

Mittags – wir sind gerade beim Essen – kommen wieder meine drei jungen muslimischen Studenten; sie wollen mir zwei Sufi-Zentren im Norden des Landes zeigen. Ich hatte anderes vor – aber gut, ich will sie nicht wegschicken. Spontan und unvorbereitet geschieht in Pakistan vieles. Lange Vorbereitungszeiten sind den Menschen hier fremd. Nachdem die jungen Muslime gestern mein Interesse am Sufismus erlebt haben, wollen sie mir nun heute zwei pakistanische Sufismus-Zentren außerhalb Lahores zeigen. Spontan der Vorschlag – schnell der Entschluss.

Vier Stunden dauert die Autofahrt zu den muslimischen Pilgerzentren. Der Fahrstil Noumans ist nicht nur chaotisch, sondern auch halsbrecherisch. Niemand auf der Straße scheint sich an eine Regel zu halten. Meine muslimischen Weggefährten vertrauen auf Allah, ich auf Jesus. Grün ist rot, rot ist an den Kreuzungen grün. Mir bleibt oft der Atem im Hals stecken. Unser Fahrer lässt sich von seinem Straßengefühl leiten und ist sehr reaktionsschnell. Wir kommen irgendwie immer am andern vorbei, rechts oder links, und erreichen schließlich unser Ziel. (Vom Ende meiner Besuchsreise her gesehen: Ich bin während zwei Wochen viel durchs Land gefahren. Nirgends habe ich einen Unfall gesehen, obwohl ich die pakistanische Fahrweise für unverantwortlich halte ….)

Zwei Gräber von Sufismus-Heiligen, dargahs genannt, sind unser Ziel. Dargahs – das Wort stammt aus dem Persischen – sind Schreine, die über Gräbern von solchen Sufis errichtet wurden, die vom Volk, ohne Abstimmung mit der Obrigkeit, als Heilige (ziyarat) verehrt werden. Häufig schließt sich an den Schrein eine Herberge (khangaha), eine Moschee oder eine Madrassa, eine Koranschule, an. Die Frömmigkeit und Glaubenstreue der einfachen, aber auch vieler gebildeter Pakistaner lebt und zehrt von der Verehrung ihrer Sufi-Heiligen.

Erste Station: Okara, eine Stadt mit etwa 600 000 Einwohnern; vor 1947 lebte hier eine große Zahl von Hindus. Wir betreten schweigend das mächtige Heiligengrab und gehen in die sich dem Grab anschließende Moschee. Die riesige Gebetsfläche vor dem Grab wird zurzeit renoviert und erweitert. Der Raum war für die vielen Pilger und Pilgerinnen zu klein geworden. Nouman, mein guide, hatte von den Umbauarbeiten nichts gewusst. Visitors not allowed, steht geschrieben. Wir werden trotzdem freundlich begrüßt und auf die Baustelle eingelassen. Ausländische Besucher sind hier, wie einer der Bauarbeiter sagt, eine Ausnahme. Tausende von Muslimen kommen freitags oder beim mehrtätigen Jahresgedächtnis des Heiligen (urs) zu Gebet und Besinnung zum Sufi-Heiligtum in Okara.

Zweite Station: Pak Patan, eine Kleinstadt mit der Grabstätte des Lieblings der Armen, Farid’uddin Ganj-i-Shakar (16. Jh.). Die dargah ist nur auf mehr oder weniger unbefahrbaren, furchenreichen Straßen über riesige Lehmlöcher zu erreichen. Ochsen- und Eselsgespanne beherrschen die Straßen. Sie kommen mit den Straßenverhältnissen gut zurecht, nicht so sehr unser Kleinauto.

In der dargah selbst empfängt uns eine ehrfürchtige Stille. Viele Beter und Beterinnen sehe ich auf dem großen Platz vor dem Sufigrab und in den Gebetsnischen, fast alle sind kniend in Gebet und Andacht versunken. Einige lesen leise im Koran, andere rezitieren meditierend einige Koranverse, die meisten sitzen oder knien still, mit gefalteten Händen und geschlossenen Augen. Die Lippen vieler bewegen sich still. Niemand stört es, wenn ich vorbeigehe. Mehr als einmal werde ich sogar durch stille Gesten oder Blicke der Frommen willkommen geheißen. Als wir allerdings versuchen, ein Foto der dargah zu machen, werden wir freundlich daran gehindert. Erst außerhalb der dargah erwartet uns wieder das weltliche Leben: Bettler stehen vor unserem Auto. Es könnten Tausende sein, sagt man mir, nur eine begrenzte Zahl von Bettlern und Bettlerinnen ist zugelassen. Zuerst kommen uns die Männer entgegen, im Gänsemarsch, schön geordnet. Nachdem meine muslimischen Freunde ihnen ein paar Rupees gegeben haben, kommen die Frauen nach vorne, etwa zwanzig sind es. Sie haben bisher in einigem Abstand von ihren männlichen Bettlerkollegen gewartet, bis sie an der Reihe sind. Wieder geben wir den Bettlerinnen ein paar Rupees. Sie streiten gar nicht miteinander, wie auf den Straßen üblich, weil nicht alle etwas bekommen haben. Welch eine Disziplin vor den Toren des Heiligtums, sage ich mir. Doch selbst beim Betteln hat die männlich geprägte Hierarchieordnung für alle Gültigkeit. Frauen haben zu warten und hinten anzustehen, immer und überall, selbst beim Betteln. Männer haben Vorfahrt, nicht nur beim Betteln, immer und überall.

 

Asiatisches Jesus Caritas Treffen im Renewal Centre

Montag, 16. bis Samstag, 21. Januar

Priestergemeinschaft Jesus Caritas

Die Kleinen Brüder und Kleinen Schwestern Jesu haben eine gewisse Anziehungskraft auf Diözesanpriester ausgeübt, zunächst in Frankreich und dann im deutschen Sprachraum und in Luxemburg und der Schweiz. Ihre Suche und missionarische Unruhe, ihre Arbeit in entchristlichten Milieus, das Erleben von Menschen in Elendsvierteln der Großstädte verstärkten ihren Wunsch nach einer Gemeinschaft von Priestern, die sich am Geist und Lebenszeugnis von Charles de Foucauld orientieren, ohne ihn dabei imitieren zu wollen. Die Gemeinschaft entstand um 1956 und gab sich den Namen Jesus Caritas.

Die Mitglieder der Priestergemeinschaft sondern sich von anderen Mitpriestern oder Ordenspriestern nicht ab und entziehen sich auch nicht ihrer Verfügbarkeit ihrem jeweiligen Bischof gegenüber. Weltweit gehören augenblicklich 3500–3600 Priester in 29 Ländern der Priestergemeinschaft an. In Deutschland sind es rund 450 Diözesanpriester, auch Diakone und Laien.

Als die Priester am Montag nach und nach im Renewal Centre zum Asiatischen Jesus Caritas-Treffen eintrudeln, liegt für alle ersichtlich die größte Tageszeitung auf dem Tisch neben der Eingangstür. Die Schlagzeile, mit allergrößten Buchstaben gedruckt, lautet: „16 victims of terrorist!“ Wir begrüßen einander freundlich, brüderlich. Mit einem Seitenblick sehen alle auf die Schlagzeile. Ich warte ab, wie die Reaktion der Mitbrüder ausfällt, und bin überrascht über einige der Kommentare: „Jetzt war seit langer Zeit Ruhe mit den Terrorakten. Jetzt aber sehen wir in der Zeitung: wieder ein Terrorakt. Dennoch, es geht bergauf, wir werden den Terrorismus auf Dauer besiegen …“ Ich bin über den Optimismus meiner pakistanischen Amtskollegen überrascht – mir lief es, als ich die Schlagzeile las, kalt den Rücken hinunter. So verschieden sind die Einschätzungen und Einordnungen von Terrorakten.

Wir sind 19 Teilnehmer am Asiatischen Jesus Caritas-Treffen. Wir hören Referate, sprechen über alles miteinander, was uns in den Sinn kommt, und beschließen, unseren asiatischen bzw. internationalen Austausch künftig zu intensivieren. Am Ende des Treffens wird ein kleines Team gebildet, um in einem Brief an die weltweiten Charles de Foucauld-Gemeinschaften zusammenzufassen, was wir während des Treffens getan haben, was uns beschäftigt und bewegt, gestärkt und betroffen hat. (Anm.: Dieser Brief sei hier eingefügt. Wenngleich er an einen bestimmten Adressatenkreis gerichtet ist, kann er für Außenstehende einen Einblick in den Ablauf und die Themenstellung des Asiatischen Priestertreffens geben.)

Brief der Priestergemeinschaft Jesus Caritas in Asien an die weltweiten Gemeinschaften von Charles de Foucauld

Liebe Geschwister, Grüße der Verbundenheit und des Gebets aus Lahore in Pakistan an Euch alle! Wir sind 19 Brüder, die zum Asiatischen Treffen der Priestergemeinschaft Jesus Caritas vom 16.–21. Januar 2012 in Lahore zusammengekommen sind. Das Thema unseres Treffens lautete:

Brüderlichkeit im Licht von Charles de Foucauld – eine Botschaft für uns heute?

Roy Jayamaha, Leiter des Zentrums für Erneuerung in Lahore, hatte das Treffen vorzüglich vorbereitet, so dass wir uns bei ihm zuhause fühlten und uns in Ruhe über unser Leben als Diözesanpriester im Licht von Charles de Foucauld austauschen konnten. Im Bewusstsein unserer Mängel und Grenzen gibt uns Diözesanpriestern Charles de Foucauld, auch Bruder Karl genannt, durch sein Leben, seine Suche und Vision Hoffnung und Impulse für unseren Dienst, der uns oft nicht leicht fällt.

Wir haben miteinander gebetet, still Anbetung gehalten, die Schrift miteinander geteilt, Eucharistie gefeiert und uns abends zwanglos zusammengesetzt. Dies half uns, tief Atem zu holen und uns für Gott und füreinander zu öffnen. Unsere Berufung wurde dadurch erneuert und vertieft und unser Bruder-Sein untereinander und für andere bekam neues Leben. Obwohl es draußen richtig kalt war, fühlten wir die Wärme der offenen Herzen unter uns.

Über folgende Themen haben verschiedene Brüder Impulse in Form von Kleinreferaten gegeben. Jeder ist von seinen persönlichen Erfahrungen ausgegangen:

Charles de Foucauld und die Geschichte von Jesus Caritas in Pakistan (Emmanuel Asi)

Mission und Evangelisation (Arthur Charles)

Brüderlichkeit in der Welt von heute (Klaus Beurle)

Gebet der Hingabe (Günther Ecklbauer OMI)

Treue in der Bruderschaft (Inayat Bernard)

Einsamkeit und Schweigen (Samuel George)

Am Ende seiner Ausführungen überraschte uns Emmanuel Asi mit seiner Überzeugung, dass es wieder Frühling geworden sei in der Bruderschaft Pakistans und Asiens! Viele von uns hatten etwas Ähnliches gespürt, doch Asi machte uns klar, weshalb uns, nach schläfrigen Jahren, in Lahore der Kairos eines zweiten Neubeginns geschenkt worden ist.

Wir haben an die Schwestern und Brüder der weltweiten Familie Charles de Foucauld gedacht, besonders an unsere asiatischen Brüder in Bangladesh, Indien, Sri Lanka, Myanmar, Japan, Korea und den Philippinen, die zum Treffen eingeladen waren und teilnehmen wollten, aber aufgrund von Visaproblemen oder anderen Schwierigkeiten nicht kommen konnten. Deshalb, um ähnlichen Schwierigkeiten zu entgehen, haben wir jetzt schon entschieden, unser nächstes Asiatisches Jesus Caritas-Treffen vom 9.–16. Januar 2013 in Colombo, Sri Lanka abzuhalten.

Umso mehr waren wir froh und dankbar, dass unser Treffen trotz mancher Widrigkeiten überhaupt stattfinden konnte und Brüder und Kleine Schwestern aus fünf Ländern sich begegnen und vieles miteinander austauschen konnten. Wir hoffen, dass wir, Priester und Laien, unsere Glaubenserfahrungen immer mehr mit den weltweiten Gemeinschaften von Charles de Foucuald austauschen und teilen können.

In der gegenwärtigen kritischen Situation, was die Beziehungen der Völker wie auch der Religionen betrifft, sind wir zutiefst miteinander verbunden, besonders auch mit der Jugend Asiens und mit den vielen Armen, denen gegenüber wir kirchlich Bedienstete unleugbar Privilegien haben. Wir wissen, dass heute von Asien, dem Kontinent der reichen menschlichen Ressourcen, viel erwartet wird. Immer mehr kommen Kulturen, Zivilisationen und Religionen heute weltweit miteinander in Berührung. Vieles vermischt sich, vieles wird miteinander verwoben. Wir sind entschlossen und bemühen uns, den auf uns gerichteten Erwartungen gerecht zu werden, indem wir das Evangelium durch unser Leben in religiös indifferenten Gesellschaften bekanntmachen und die Botschaft von Charles de Foucauld vor allem mit denjenigen austauschen, die weit entfernt sind von dem, was Jesus von Nazareth den Menschen geschenkt hat.

„Was können wir von Europa aus tun?“

Sonntag, 22. Januar

So habe ich nur einmal gefragt, als ich spürte, meine Gesprächspartner würden mir diese Frage nicht übelnehmen. Es ist eine der Standardfragen der Menschen des Westens.

Maxwell Edward, Ex-Lassalle-Bruder, Bildungsbeauftragter der Erzdiözese Lahore und Direktor des angesehenen St. Mary’s Colleges, sagt dazu: „Den wichtigsten Teil müssen wir hier selbst leisten. Alles hängt davon ab, ob wir unser Bildungs- und Erziehungssystem verbessern und uns aus der islamischen Umklammerung durch einseitige Koranerziehung befreien können. Dafür werden enorme Anstrengungen unternommen. Viele Muslime haben inzwischen in säkularen Bildungsinstitutionen unseren ‚missionary spirit‘ übernommen. Sie setzen sich engagiert für säkulare Bildung ein, die frei ist von der Bevormundung durch die Religion, in der Vertreter der säkularen Gesellschaft die Inhalte der schulischen Erziehung mitbestimmen. Erst wenn wir unser Bildungssystem grundlegend verbessern und den religiösen Fanatismus als schädlichen Bazillus der Gesellschaft entlarven, wird das Volk fähig werden, Fanatiker zu zügeln und Unwissenheit zu überwinden.“ Ich bin erstaunt über die Weitsicht Maxwells. Er fährt fort: „Eine zunehmende Zahl von muslimischen und christlichen Lehrern und Lehrerinnen ist heute davon überzeugt, dass Benachteiligung aufgrund der Religion oder der sozialen Herkunft in Bildung und Wissenschaft keinen Platz haben darf. Für dieses Ziel setzen sich Muslime und Christen in zunehmender Zahl entschieden ein. Doch der Weg zu diesem Ziel ist noch lang. Wir brauchen dazu eine gesunde Demokratie, in der die politisch Verantwortlichen wissen, was Recht und Unrecht ist und in der das Volk frei über sein Reden und Tun entscheiden kann.“

Fr. Emmanuel Asi, anerkannter Bibelwissenschaftler, Ausbildender von Laien in Theologie und unermüdlicher Vermittler zwischen Orient und Okzident, erwartet vom Westen nicht viel, so wichtig jede Solidaritätsbekundung und Geldspende ist. Aber im Großen kommt es auf eine klare Weltpolitik an: „Unsere Regierung hört auf die Europäer, weil sie ihnen mehr als Amerika vertrauen. Unsere Regierung reagiert empfindlich, wenn europäische Regierungen das Land oder die Regierung kritisieren. Gerechtigkeit ist ein Begriff und ein Wert, den alle, besonders auch Muslime verstehen. Als ein deutscher Präsident Pakistan besuchte, wurde genau berichtet, was er sagte. Gerechtigkeit für alle und gleiche Rechte für die Minderheiten – dies wird hier verstanden. Wenn wir Rechte nur für uns Christen fordern und Religionsfreiheit von Ausländern nur im Blick auf die Situation der Christen gefordert wird, kann der Schuss nach hinten gehen. Wir Christen müssen dann dafür büßen, dass unsere Regierungen sich nicht vom christlichen Ausland belehren oder ermahnen lassen. Das Minderheitenproblem muss im Blick auf alle Minderheiten, vor allem auf die viel größeren Minderheiten der Schiiten (33%) und der Ahmadiyyas gesehen und gelöst werden, wenn Frieden in Pakistan einkehren soll. Die Christen mit etwa 2 Mio. unter 180 Mio. Pakistanern sind nur eine Minderheit und zwar eine kleine Minderheit. Die Gläubigen anderer Religionen leiden sogar noch mehr als wir Christen, wenngleich wir zum Aufbau unserer Gesellschaft, vor allem in den Bereichen von Bildung und Gesundheit, Wesentliches beigetragen haben und immer noch beitragen. Allerdings hat sich das Engagement der Kirche und der Christen allgemein inzwischen stärker auf Menschenrechtsthemen und soziale Gerechtigkeit ausgerichtet.“

To koniec darmowego fragmentu. Czy chcesz czytać dalej?